Zusammenfassung
Eine der wichtigsten Aufgaben der Physik, wenn man sie als geistiges Bildungsmittel betrachtet, besteht darin, dass sie uns befähigt durch die wahrnehmbaren Vorgänge der Natur die nicht wahrnehmbaren zu erkennen. Die wahrnehmbaren Vorgänge geben der Gedankenfolge ihre Richtung; allein diese einmal gegeben, ist die Länge der Linie nicht durch die Grenzen der Sinne beschränkt. In der That ist das Bereich der Sinne in der Natur fast unendlich klein im Vergleich mit der jenseits derselben liegenden weiten, dem Gedanken zugänglichen Region. Aus wenigen Beobachtungen kann der Astronom die Bahn eines Cometen der in das Bereich seines Teleskops kommt berechnen bis in Gegenden hinein, welche nie ein Fernrohr erreicht; und in derselben Weise vermögen wir uns, mittels der Anhaltspunkte, die wir in der engen Welt der Sinne gewinnen,heimisch zu machen in anderen und weiteren Welten, welche allein der Verstand zu durcheilen vermag.
„Ich nahm eine Anzahl kleiner viereckiger Stückchen Tuch von verschiedener Farbe aus der Musterkarte eines Schneiders. Sie waren schwarz, dunkelblau, hellblau, grün, purpurfarben, roth, gelb, weiss, und noch anders gefärbt und schattirt. Ich legte sie sämmtlich an einem hellen sonnigen Morgen auf den Schnee. Innerhalb weniger Stunden (ich kann die Zeit nicht genau angeben) war das schwarze Stückchen, weil es am meisten von der Sonne erwärmt war, so tief eingesunken, dass die Strahlen der Sonne es nicht mehr erreichten; das dunkelblaue fast eben so tief, das hellblaue etwas weniger tief als das dunklere, die anderen Farben desto weniger, eingesunken je heller sie waren. Das weisse blieb an der Oberfläche liegen und war gar nicht eingesunken.
Wozu ist eine Theorie gut, wenn sie nicht irgend einen Nutzen bringt ? Können wir hieraus nicht lernen, dass schwarze Kleider - sich weniger dazu eignen, in einem heissen sonnigen Klima getragen zu werden als weisse, weil in solchen Kleidern der Körper durch die Sonne mehr erwärmt wird, wenn wir ausgehen, und zugleich durch die Bewegung erhitzt wird, welche doppelte Wärme leicht gefährliche faulige Fieber erzeugt ? Sollten nicht in Ost- und Westindien Soldaten und Seeleute, welche in der Sonne arbeiten und marschieren müssen, weisse Uniformen haben? Sollten die Sommerhüte für Männer und Frauen nicht weiss sein, um jene Hitze zurückzuwerfen, welche bei so Vielen Kopfschmerzen und bei Manchem jenen schlimmen Anfall erzeugt, den die Franzosen Coup de soleil nennen ? Sollten aber nicht die Hüte der Damen schwarz gefüttert sein, weil jene Strahlen, die von Unten nach Oben von Erde und Wasser ausgehen, auf diese Weise nicht auf ihr Gesicht zurückgeworfen werden? Können wir daraus nicht lernen: dass man die Sonne keineswegs abhalten kann dadurch, dass man, wie dies so häufig geschieht, ein weisses Futter von Papier oder Leinwand in einem schwarzen Hute anbringt, wohl aber dadurch, dass man es von Aussen anbringt? Ferner, dass geschwärzte Spaliermauern während des Tages so viel Sonnenwärme aufnehmen können, um auch bei Nacht noch bis zu einem gewissen Grade warm zu bleiben, und auf diese Weise die Frucht vor Frost zu schützen , oder ihr Wachsthum zu befördern? Nebst unterschiedlichen anderen Einzelheiten von mehr oder weniger Wichtigkeit, welche einem aufmerksamen Geiste von Zeit zu Zeit aufstossen können?“ Benjamin Franklin. Brief an Miss Mary Stephenson.
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Tyndall, J. (1874). Über Strahlende Wärme und Ihre Beziehungen zur Farbe und zur Chemischen Zusammensetzung der Körper. In: Fragmente aus den Naturwissenschaften. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-04216-7_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-04216-7_9
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
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