Neuere Tendenzen sozialanthropologischer Feldforschung

Zusammenfassung

Ein Rückblick auf die letzten zwei Jahrzehnte anthropologischer Feldforschung zeigt sehr deutlich eine wesentliche Verbreiterung des ursprünglichen Interessenbereichs. In steigendem Maße haben sich die Anthropologen mit nichtprimitiven Gruppen befaßt. Meistens handelt es sich um ländliche Gemeinden der verschiedensten Länder; aber auch Kleinstädte, namentlich in den Vereinigten Staaten, üben eine starke Anziehungskraft auf jüngere Anthropologen aus. Methodologisch gesehen versucht man, die bei Feldforschungen unter primitiven Stämmen erworbenen Erfahrungen auf die neugewählten Objekte anzuwenden. Neben der direkten Beobachtung war es vor allem die intensiv betriebene direkte Befragung von Gruppengliedern, auf die sich die anthropologische Feldforschung aufgebaut hatte. Freilich waren es zumeist keine künstlich herbeigeführten Interviews, sondern zwanglose Unterhaltungen, denen der Forscher während seines langen Zusammenlebens mit einem Stamme eine möglichst spontane Form zu geben suchte. In idealen Fällen verwuchsen direkte Beobachtung und Befragung zu einem einheitlichen und in Vergleich mit soziologischen Forschungsmethoden unorthodoxen Verfahren, bei der Einlebung und Einfühlung in wesentlich verschiedene Kulturformen eine wichtige Rolle spielten. In dem Maße, in dem man zu nichtprimitiven Gesellschaften überging, gesellte sich zu diesen typisch anthropologischen Feldtechniken natürlich die Möglichkeit, statistische und historische Daten einzubeziehen, deren Benutzung bis dahin dem Soziologen vorbehalten war.