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System- und Konflikttheorie im Lichte ihrer Implikationen für den Politikbegriff. Rückschlüsse

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Politikbegriffe der modernen Soziologie
  • 28 Accesses

Zusammenfassung

Mit diesen Ausführungen ist die vorliegende Arbeit zu einer Lösung ihrer speziellen Aufgabe gelangt: zu zeigen, daß und welche unterschiedlichen Implikationen für den Politikbegriff in Systemtheorie und Konflikttheorie enthalten sind. Diese spezielle Aufgabe war jedoch vor dem Hintergrund einer allgemeineren Frage entwickelt worden — der Frage, in welchem Sinne die beiden hier untersuchten Soziologien und, insofern sie als Prototypen moderner Soziologie überhaupt gelten, in welchem Sinne die moderne Soziologie überhaupt eigentlich Theorie ist. Die Lösung der speziellen Aufgabe war also von der Erwartung bestimmt, daß sie auch zu einiger Klärung des theoretischen Status der Soziologie des Systems und der Soziologie des Konflikts beitragen werde. Denn — so war diese Erwartungbegründet — wenn Theorie im wesentlichen dirch ihre Beziehung zu Praxis definiert ist, kann ihr Status am besten an ihrer Bedeutung für die Praxis erkannt werden; da Politik aber Praxis in einem äußersten intensiven Sinn darstellt, ist zu vermuten, da sich mit der Lösung der speziellen Aufgabe auch ein Zugang zu dem generellen Problem des Sinns von Theorie in jenen beiden Soziologien erschließt.

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Anmerkungen

  1. In dieser Form steht es bei R.K. Merton, “Social Theory and Social Structure”, a. a. O. , S. 421 u. S. 545. Vgl. dazu auch die Einleitung von H. Volkart in: W. I. Thomas, “Person und Sozialverhalten”, Neuwied u. Berlin 1965.

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  2. Vgl. dazu “Experience and Nature”, New York 1929. Kritik und Interpretation von Deweys Untersuchungen gibt C.W. Mills; vgl. “Language, Logic, and Culture” in: “American Sociological Review”, IV, 5(1939).

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  3. Vgl. dazu “Signs, Language, and Behavior”, New York 1955.

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  4. Am konsequentesten und am naivsten geschieht dies vielleicht bei einem Theoretiker, der im allgemeinen nicht in erster Linie als Wissenssoziologe bekannt ist, nämlich bei Theodor Geiger; vgl. dazu “Ideologie und Wahrheit. Eine soziologische Kritik des Denkens”, Stuttgart/Wien 1953.

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  5. K. Lenk, (Hrsg.), “Ideologie”, Neuwied u. Berlin 1961, S. 54.

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  6. Hier liegt die Ursache der Tendenz zu “self-fulfilling” und “self-destroying” sozialer Vorhersagen; vom Standpunkt des Empirismus aus erscheint sie dagegen als bloße Störwirkung noch verborgener Ursachen, die als Fehlerquellen ausgeschaltet werden, sobald sie erst entdeckt sind: Dem widerspruchslosen, der Totalität der gesellschaftlichen Beziehungen angemessenen wissenschaftlichen System stünden sie dann nicht mehr im Wege.

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  7. Vgl. dazu etwa “The Social System”, a.a.O., S. 535. Es heißt dort u.a.: “If theory is good theory, whichever type of problem it tackles most directly, there is no reason whatever to believe that it will not be equally applicable to the problems of change and to those of process within a stabilized system. “

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  8. “Gesellschaft und Freiheit”, a.a.O., S. 112.

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  9. Es ist interessant zu verfolgen, wie Dahrendorf vielleicht unter dem Eindruck dieser Konsequenzen von dem im obigen Zitat geäußerten Standpunkt zunehmend weiter abgerückt ist, nachdem er sich zunächst im Gange seiner Auseinandersetzungen mit der Systemtheorie auf ihn eskaliert hatte. Bevor er ihn in dieser Form 1957 in seiner Arbeit “Out of Utopia: A Reorientation of Sociological Analysis” bezog, hatte er 1954 in seinem Aufsatz “Structur und Funktion” noch sehr zurückhaltend von der “Absicht der Erweiterung, nicht der Widerlegung dieser Theorie” (“Gesellschaft und Freiheit”, a.a.O., S. 77) durch eine stärkere Berücksichtigung des Phänomens des sozialen Wandels gesprochen und gemeint, dies verrate “die Intention, sie zu verfeinern und zu erweitern, nicht die, sie zu verwerfen” (ebd.)’. Im nächsten Schritt wird dann von der Möglichkeit zweier voneinander weitgehend unabhängiger Theorien gesprochen, die Gesellschaft einmal auf der Grundlage von Consensus und einmal von Zwang deuten, aber dennoch beide plausibel seien und beide ihre Verdienste hätten. So besagt es das Zitat. Dann aber wird immer schärfer herausgearbeitet, daß die Zwangstheorie doch wohl fruchtbarer sei als die Consensus-Theorie. Schon in der 1961 entstandenen Arbeit “Elemente einer Theorie des sozialen Konflikts” kommt zwischen den Zeilen sehr deutlich das Vertrauen zum Ausdruck, daß die aus der Zwangstheorie abzuleitenden Analysen und Prognosen überlegen seien und empirischer Bewährung näherkämen (s. dazu das Zitat oben S. 97). In demselben Jahr vollzieht Dahren-dorf die Revision seines Standpunkts von der Gleichrangigkeit der beiden theoretischen Ansätze aber auch ausdrücklich: “Lange Zeit war ich davon überzeugt, daß es eine strikte logische Gleichrangigkeit der Analyse . . . einerseits mit den Mitteln der Herrschaftstheorie, andererseits mit denen der Integrationstheorie gibt. Nunmehr — und auf Grund der in der vorliegenden Arbeit entwickelten Überlegungen — bin ich jedoch zu der Überzeugung gekommen, daß . . . Integration ein Spezialfall des Zwanges (‘constraint’), damit der strukturell-funktionale Ansatz ein Versuch ist, der sich im hier angedeuteten Sinne in einem allgemeineren Ansatz aufhebenläßt. “((“Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen”, Tübingen 1966 (zuerst 1961), S. 31.)) Der allgemeinere Ansatz ist aber kein anderer als der bekannte einseitige konflikttheoretische. Mit dieser Entwicklung hat Dahrendorf — zumindest vorerst -die Chance vertan, eine dialektische Synthese von Konflikt und Integration zu erreichen, wofür er in der Gleichrangigkeits-Behauptung von Systemtheorie und Konflikttheorie wenigstens psychologisch eine gute Ausgangsposition gehabt hätte. Vgl. zur Kritik an Dahrendorfs Selbstrevision auch den ebenfalls schon 1961 im “Jahrbuch für Sozialwissenschaft” erschienenen Aufsatz von H. Schelsky, “Die Bedeutung des Klassenbegriffs für die Analyse unserer Gesellschaft”, wiedererschienen in: “Auf der Suche nach Wirklichkeit”, a. a. O.

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  10. Sowohl Schelsky als auch Habermas weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Parsons die Systemtheorie benutzt, um die Umkonstruktion von Gesellschaft im besiegten Nachkriegsdeutschland anzuleiten. Schelsky schreibt: “Auch die empirisch-analytische Theorie etwa eines Parsons ist von solcher Sinngebung noch beherrscht, mag sie es auch nicht wissen oder davon absehen wollen. Es ist eben doch kein Zufall, daß die Abhandlungen Parsons über ‘Sociological Theory Pure and Applied’ mit einer Untersuchung über den planmäßigen Umbau einer ganzen Gesellschaft, doch wohl zu einer Form der ‘richtigen’ Gesellschaft, enden.” (“Ortsbestimmung der deutschen Soziologie”, a.a.O., S. 100.) Habermas notiert: “Talcott Parsons verbindet mit seiner Theorie das Programm eines Control of Social Change, also der planmäßigen Beeinflussungund Lenkung des gesellschaftlichen Wandels. “ (“Theorie und Praxis”, Neuwied u. Berlin 1963, S. 225.)

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  11. Dieser Gedanke berührt sich ebenfalls mit neopositivistisch-empiristischen Vorstellungen von der Rolle und dem tragenden Grund der wissenschaftlichen Objektivität: “. . . die Objektivität der Wissenschaft ist nicht eine individuelle Angelegenheit der verschiedenen Wissenschaftler, sondern eine soziale Angelegenheit ihrer gegenseitigenKritik, der freundlich-feindlichen Arbeitsteilung der Wissenschaftler, ihres Zusammenarbeitens und auch ihres Gegeneinanderarbeitens. Sie hängt daher zum Teil von einer ganzen Reihe von gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen ab, die diese Kritik ermöglichen” (K. Popper, “Die Logik der Sozialwissenschaften”, a.a.O., S. 240). Eine dialektische Wissenschaftstheorie würde mit diesen Sätzen voll übereinstimmen, nur reichten sie ihr nicht aus. Sie würde einen Schritt weiter in die Vergangenheit gehen und den Wert der wissenschaftlich institutionalisierten Kritik aus der Aufklärungsfunktion begründen, die sie dort erfüllt hat, und einen Schritt weiter in die Zukunft gehen und den Wert der wissenschaftlichen Objektivität auf das Ziel der Wahrheit und der von dieser erwarteten Humanisierungswirkung beziehen. Mit dem Gedanken von der Huma-nisierungswirkung der Wahrheit setzte eine dialektische Wissenschaftstheorie also säkularisiert die Tradition religiöser und vor allem philosophischer Escha-tolögien fort, die das Stadium des “absoluten Wissens”, wie Hegel sagt, mehr oder minder ausgesprochen zugleich als Stadium der Erlösung der Menschheit aus ihrem geschichtlichen Leidensweg begriffen. Die säuberliche Unterscheidung von Heilswissen und wissenschaftlichem Wissen wäre einer dialektischen Wissenschaftstheorie fremd.

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  12. Adorno kritisiert sie deshalb: “Was dem Individuum gesellschaftlich widerfährt ist ihm tatsächlich so weit unverständlich, wie das Besondere nicht im Allgemeinen sich wiederfindet: nur eben wäre diese Unverständlichkeit von der Wissenschaft zu verstehen, anstatt daß diese sie als ihr eigenes Prinzip adoptierte. “ (“Notiz über sozialwissenschaftliche Objektivität”, in: “Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie”, XVUU, 4(1965), S.418.)

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  13. Es wäre natürlich zu fragen, ob es nicht statt “obwohl sie weiß” auch “und deshalb weiß sie” heißen könnte. Gewiß wird nicht nur aus der Erbärmlichkeit der realen Zustände die Utopie als deren Gegenbild geboren, sondern immer wird auch die Identifikation mit der Utopie die realen Zustände erst erbärmlich erscheinen lassen. Adorno erkennt dies indirekt auch an, so z. B. wo er den Denker und den Künstler vor dem Vorwurf der Kälte in Schutz nimmt, die jede utopische Distanz von der Realität ausstrahlt: “Weil er die Utopie und ihre Verwirklichung bitter ernst nimmt, ist er kein Utopist, sondern faßt die Realität ins Auge, wie sie ist, um sich nicht von ihr verdummen zu lassen. Er will die Elemente des Besseren, die in ihr beschlossen sind, aus ihrer Gefangenschaft befreien. Er macht sich so hart wie die versteinerten Verhältnisse, um sie zu brechen. Die Möglichkeit einer Wendung wird nicht befördert durch die Lüge, daß wir doch alle Brüder sind, sondern einzig indem die bestehenden Antagonismen ausgetragen werden. “ (M. Hork-heimer u. T.W. Adorno, “Sociologica II”, a.a.O., S.109.)

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  14. Versuche wie die von P. L. van den Berghe, Dialektik und Funktionalismus miteinander auszusöhnen (vgl. dazu “Dialectic and Functionalism: Toward a Theoretical Synthesis”, a.a.O.) haben zumeist etwas Mißliches, weil sie Dialektik viel zu äußerlich verstehen. Die Annahme etwa von der Ubiquität des Wandels, wie sie Dahrendorf vertritt, oder der Dreischritt von These, Antithese und Synthese im Gang des Erkennens, der der vulgären Dialektikinterpretation, der zustimmenden wie auch der kritischen (einschließlich der Popperschen; vgl. “Was ist Dialektik?”, in: E. Topitsch (Hrsg.), “Logik der Sozialwissenschaften”, a.a.O.) , im Mittelpunkt steht, treffen im Grunde nichts Wesentliches an der Dialektik. In ihrem Stellenwert im dialektischen Denkprozeß adäquat zu verstehen sind die Annahmen der Geschichtlichkeit aller Gesellschaft und von dem triadischen Verlauf der Entwicklung nur von den Kernproblemen der Dialektik aus, die letztlich in der Eigenart des Verhältnisses von Subjekt und Objekt liegen, in dem das eine das andere zugleich voraussetzt und negiert. Aus der Widersprüchlichkeit dieses Verhältnisses ergeben sich der Dialektik dann auch die utopischen Konstruktionen, die als vermittelnde Totalität wahres Denken und richtiges Leben ermöglichen wollen.

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  15. W. G. Runciman gelangt z.B. zu der Einschätzung, daß “der Funktionalismus . . . sich in mancher Hinsicht eher als politische Philosophie erweist denn als die allgemeine soziologische Theorie, für die seine Vertreter ihn ausgeben” (“Sozialwissenschaft und politische Theorie”, Frankfurt am Main 1967, S. 116).

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  16. “Gesellschaft und Freiheit”, a.a.O., S. 100.

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  17. Z.B. prägnant in der auf der S. 1 05 f. zitierten Stelle aus “Gesellschaft und Freiheit”, a. a.O. , S. 226 f.

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Messelken, K. (1968). System- und Konflikttheorie im Lichte ihrer Implikationen für den Politikbegriff. Rückschlüsse. In: Politikbegriffe der modernen Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02842-0_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-02842-0_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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