Zusammenfassung
Die Begrif fe „Staat“, „Nation“, „Volk“ gehen vielfach durcheinander. Der Begriff „Nation“ war ursprünglich ein lebensgemeinschaftlicher und bezeichnete diejenigen gleicher Abstammung. Durch die Aufklärung wurde er zu einem individualistischen, unter dem man die in einem abgegrenzten Raum zusammengefaßte und durch ein Attribut (die Sprache) gekennzeichnete Summe der Individuen verstand. Der Begriff „Volk“ ist ein lebensgemeinschaftlicher Begriff für eine organische Einheit von Menschen derselben Art, während der „Staat“ ursprünglich den Organismus bezeichnete, den in einer gegliederten höheren Einheit lebende Menschen ohne Berücksichtigung einer gemeinsamen Abstammung oder Art bilden.
„Denn lange vorher, ehe man die Natur methodisch zu befragen anfing, befragte man bloß seine abgesonderte Vernunft, die durch gemeine Erfahrung in gewissem Maße schon geübt war, weil Vernunft uns doch immer gegenwärtig ist, Naturgesetze aber gemeiniglich mühsam aufgesucht werden müssen.“
„Denn lange vorher, ehe man die Natur methodisch zu befragen anfing, befragte man bloß seine abgesonderte Vernunft, die durch gemeine Erfahrung in gewissem Maße schon geübt war, weil Vernunft uns doch immer gegenwärtig ist, Naturgesetze aber gemeiniglich mühsam aufgesucht werden müssen.“
Kant 85
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Referenzen
Kant, Prolegomena, § 4, in I. Kants Werke, Globus-Verlag, Berlin.
Wundt, Völkerpsychologie, I. Bd., 1. Teil, S. 32, 4. Aufl., Alfred-Kröner-Verlag, Stuttgart,1921.
„Jede einzelne Vernunft hat ihre eigene Rechts-Theorie: nur der subjektiven Vernunft des Einen (des Souverän) muß es daher, um der Verwirrung ein Ende zu machen, vergönnt sein, aus dem, was sie (die höchste Staatsgewalt) subjektiv für Recht hält, ein objektiv allgemein gültiges Recht zu machen.“ (Anti-Leviathan oder über das Verhältnis der Moral zum äußeren Recht und zur Politik, § 49, S. 186 im Verlag der Vandenhoek- und Ruprechtschen Buchhandlung, Göttingen, 1807.)
Hintze, Staat und Verfassung, S. 41, Verlag Koehler und Amelang, Leipzig, 1941.
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, in: Hegel, ein Überblick über seine Gedankenwelt in Auszügen aus seinen Werken, 2. Aufl., Verlag Robert Lenz, Stuttgart, 1840.
Mommsen, Römische Geschichte, I. Bd., 3. B., Kp. VI, S. 658, 6. Aufl., Weidmannsche Buchhandlung, Berlin, 1874.
Mommsen, Römische Geschichte, II. Bd., 4. B., I. Kap., S. 22/23, 6. Aufl., Weidmannsche Buchhandlung, Berlin, 1874.
Mommsen, Römische Geschichte, II. Bd., 4. B., I. Kp., S. 36/37, 6. Aufl., Weidmannsche Buchhandlung, Berlin, 1874.
Curtius, Griechische Geschichte, II. Bd., S. 411, 6. Aufl., Weidmannsche Buchh., Berlin 1888.
Curtius, Griechische Geschichte, II. Bd., S. 784, 6. Aufl., Weidmannsche Buchhandlung, Berlin, 1888.
Schelling, Vorlesungen über die Methode des akademischen Unterrichts, 8. Vorl., in Sämtliche Werke, 1. Abt., 5. Bd., S. 287, J. G. Cotta’scher Verlag, Stuttgart und Augsburg, 1859.
Clausewitz, Politische Schriften und Briefe, Drei-Masken-Verlag, München, 1922.
„Was von einem Volke gilt, gilt auch von der Verbindung mehrerer Völker untereinander; sie stehen zusammen, wie Zeit und Ort sie band: sie wirken auf einander, wie der Zusammenhang lebendiger Kräfte es bewirkte.“ (Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 3. Teil, 13. Buch, VII, S. 146, in Herders ausgewählte Werke, herausgegeben von Bernhard Suphan, 5. Bd., Weidmannsche Buchhandlung, Berlin, 1901.
Hintze, Staat und Verfassung, S. 168, Verlag Koehler und Amelang, Leipzig, 1941.
„Sprache, religiöse Anschauungen, gemeinsame Lebensgewohnheiten und Normen des Handelns — sagt Wundt — weisen hier auf einen gemeinsamen geisti en Besitz hin, der an Umfang g alles, was der Einzelne für sich zurückbehalten mag, weit überragt. Die staatliche Vereinigung einer solchen von gleichen Ideen beherrschten Gemeinschaft ist nur der natürliche Abschluß und der selbstverständliche Ausdruck dieser inneren Einheit, ein Abschluß, der nur da unterbleiben oder unter anderen als diesen natürlichen Bedingungen erfolgen kann, wo äußere Störungen jener Entwicklung hemmend im Wege stehen. Der staatliche Verband ist aber zugleich diejenige Gestaltung des Gesamtbewußtseins, in welcher dessen Charakter als Gesamtwille am klarsten zum Ausdruck gelangt. — Alle jene das Wollen und Denken der Individuen ausgleichenden Einflüsse, welche Sitte, Religion, Rechtsordnung und der unmittelbare Verkehr der Einzelnen ausüben, würden sich nun niemals entwickeln können, wenn ihnen nicht eine ursprüngliche Gleichartigkeit der Einzelwillen vorausginge. Oberall, wo Menschen mit gleichen Anlagen und unter gleichen Naturbedingungen leben, müssen von selbst Vorstellungen und Gefühle einen übereinstimmenden Inhalt gewinnen.“ (Wundt, Ethik, eine Untersuchung der Tatsachen und Gesetze des sittlichen Lebens, S. 450, 2. Aufl., Verlag Ferdinand Enke, Stuttgart, 1892.)
Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 79, 4. Aufl., Sammlung Göschen, Band 100, Walter de Gruyter u. Co., Berlin und Leipzig, 1932.
Kant, Grundlegung der Metaphysik der Sitten, 2. Abschn., in I. Kants Werke, Buch 5–8, S. 37, Globus-Verlag, Berlin.
Jaspers, Max Weber, Deutsches Wesen im politischen Denken, im Forschen und Philosophieren, S. 31/32, Verlag: Gerhard Stalling, Oldenburg, 1932.
Jeder Einzelne und jede Lebensgemeinschaft ist in ihrem Bereich selbständig und selbstverantwortlich, da sie aber alle miteinander in Wechselwirkung stehen, verbindet sie eine Unzahl von Beziehungen. Selbständigkeit und Selbstverantwortung auf der einen Seite und Verbundensein auf der anderen Seite führen zu einem ständigen Antagonismus, der im modus vivendi seinen Ausgleich, sein Recht findet. Alle Regierungstätigkei gkeit im ursprünglichen Sinne ist, diesen modus vivendi zu finden, den streitenden Persönlichkeiten — Einzel- und Gesamtpersönlichkeiten — das Richtige zu weisen. Der König ist daher im archaischen Zustande der höchste Richter. Die Exekutive besteht in der Vollstreckung des Urteilsspruches, während die Legislative die Lebensart der Volksgesamtheit ist, aus der das Recht gewiesen wird. Erst durch die zunehmende Auflösung der Lebensgemeinschaften und der dadurch bedingten Aufspaltung des gemeinschaftlichen Wollens in einzelne Interessen wird die Exekutive der Vollstreckung des Rechtes entzogen und zu einem Instrument der Durchsetzung von Interessen. Die Regierungstätigkeit wandelt sich in ihrem Charakter, sie ist nicht mehr Rechtsprechung, sondern Erreichung eines Zieles, eines Zweckes oder Verfolgung eines Interesses. Und eben darin unterscheidet sich die frühe Nichtunterscheidung der Gewalten von ihrem späten Zusammenfluß, daß im ersten Falle alle Regierungstätigkeit Rechtsprechung ist, während sie später der Durchsetzung von Interessen dient, sei es auch des Gemeininteresses, vor deren Einseitigkeit, d. h. Willkür, die Rechtsprechung schützen soll, was ihr beim Zusammenfluß der Gewalten unmöglich ist. Jegliches Zusammenleben von Menschen ist nur auf Grund von Normen möglich, die sich im Zusammenleben herausbilden und sowohl von den Einzelnen wie von den Gemeinschaften beachtet werden. Jede Willkür zerstört die Gemeinschaft und damit Gesellschaft und Staat. Der Rechtsprechung obliegt es, aus den gebildeten Normen das Recht für den Einzelfall zu weisen. Rechtssicherheit und Gemeinschaftsbildung bedingen sich gegenseitig.
Das ist im Neuen Testament mit den Worten ausgedrückt: „Es soll niemand der erste sein unter euch, sondern so jemand will unter euch gewaltig sein, der sei euer Diener.“ (Matth. XX. 26 f.)
Zweck und Aufgabe des Kollektivs, der Summe der Individuen, ist der gemeinsame Nutzen. Je größer dieser ist, um so größer muß nach kollektivistischer Auffassung auch derjenige des einzelnen Individuums sein, da dieser durch jenen bedingt ist (s. S. 77).
Hintze, Staat und Verf assung, S. 345, Verlag Koehler und Amelang, Leipzig, 1941.
Hintze, Staat und Verfassung, S. 27/28, Verlag Koehler und Amelang, Leipzig, 1941.
Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, I. Teil, 4. B., III., S. 141, in Herders ausgewählte Werke, herausgegeben von Bernhard Suphan, 4. Bd., Weidmannsche Buchhandlung, Berlin, 1901.
Der Weg zu dieser Erkenntnis wird von der modernen Psychologie geebnet. Indem die Psychologie ihre Forschungen auf das Unbewußte bzw. Unterbewußte erstreckt und es dem Bewußten gegenüberstellt, das letztere, das vom Rationalismus als das allein maßgebende Moment im Bilde des Menschen betrachtet wurde, beschränkend, überwindet sie dessen bisherige alleinige Geltung und zugleich den Rationalismus. Das Unbewußte, das in einem noch nicht abzusehenden Maße mit der es umgebenden Wirklichkeit zusammenhängt und von ihr beeinflußt wird, wird zugleich als ein gewichtiger Faktor erkannt.
Wundt, Völkerpsychologie, I. Bd., 1. Teil, S. 453/461, 4. Aufl., Alfred-Kröner-Verlag, Stuttgart, 1921.
Wundt, Völkerpsychologie, I. Bd., 1. Teil, S. 486, 4. Aufl., Alfred-Kröner-Verlag, Stuttgart, 1921.
Rights and permissions
Copyright information
© 1953 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Guilleaume, E. (1953). Die Überwindung des Individualistischen Rationalismus. In: Überwindung der Masse. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02745-4_7
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-02745-4_7
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-663-00832-3
Online ISBN: 978-3-663-02745-4
eBook Packages: Springer Book Archive