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Der Wohlfahrtsstaat zwischen Evolution und Rationalität

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Soziologische Aufklärung 4

Zusammenfassung

Nach Erscheinungsform und Terminologie ist der moderne Wohlfahrtsstaat ein Kind dieses Jahrhunderts. Er ist aus dem liberalen Verfassungsstaat, wie er um 1800 konzipiert wurde, hervorgegangen und vor allem durch eine laufende Erweiterung politischer Zielsetzungen gekennzeichnet. Der Wohlfahrtsstaat konnte auf Ziele hin entworfen und fast ohne Theorie in Gang gebracht werden, solange diese Ziele Verbesserung von Sachlagen, Vermehrung von Sicherheiten, Steigerung von Versorgungsleistungen mit hinreichend breit gewähltem Empfängerkreis waren. Diese Aufbauphase ist abgeschlossen. Die Amelioristik der Ziele dient immer noch der Bekundung guter politischer Absichten. Sie zeigt gleichzeitig aber Züge der Überspannung und Ermattung. Verheißungen können nicht erfüllt oder müssen gar abgeschwächt werden. Wo Politiker Verbesserungen größeren Stils ankündigen, kann man fast schon vermuten, daß sie es nicht ernst meinen. Jedenfalls fällt es schwer, ihnen daraufhin schon Vertrauen zu schenken. Aber die Sprache der Politik hat sich noch nicht umgestellt. Sie pendelt zwischen Zielen und Mitteln, zwischen an sich Wünschenswertem auf der einen und dem Fehlen der Mittel auf der anderen Seite. Es fehlt ihr ein theoretisches Konzept und vor allem ein Kriterium für die Frage, welche Erwartungen eigentlich an Politik gerichtet werden können und welche nicht.

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Literatur

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  7. Koslowski, a.a.O., S. 4, Anm. 10, weist darauf hin, daß der Staat kein Funktionssystem unter anderen sei, weil er eine besondere Qualität besitze: die Hoheitlichkeit. Aber genau dies gilt mutatis mutandis für alle Funktionssysteme und ist Bedingung ihrer Ausdifferenzierung; sie alle berufen sich auf eine besondere Qualität ihres funktionalen Beitrags zum menschlichen Zusammenleben. Wer würde das für Religion leugnen, oder für Recht, oder für Erziehung, oder für Wirtschaft?

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  19. Im Französischen kann man elegant formulieren: „La dominance écologique ne signifie pas domination“, um den Sachverhalt dann mit dem englischen Begriff von,control` in Fassung zu bringen (Morin, E., La Méthode 2, Paris 1980, S. 44). Der Sachverhalt ist klar, aber die Alltagssprache scheint schon bei derart anspruchslosen Unterscheidungen überfordert zu sein.

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  30. Eine vergleichbare Funktion erfüllt im Wirtschaftssystem der Bezug auf Geld und die Bindung aller wirtschaftlichen Operationen an die Zahlung monetärer Äquivalente. Die Zuordnung zur Wirtschaft wird dadurch unabhängig von inhaltlichen Kriterien der Wirtschaftlichkeit, von Produktionserfolg, Gewinn und Verlust, Rentabilität usw.

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  31. Anregungen zur Umformung des Schemas geschlossen/offen aus einem Gegensatz in einen (nicht beliebig konditionierten) Zusammenhang stammen unter anderem aus neurophysiologischen Analysen des Auges. Siehe insb. Lettvin, J.Y. et al., “What the Frog’s Eye Tells the Frog’s Brain”, Proceedings of Institute of Radio Engineers, 47 (1959), 1940 - 1951.

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  32. Siehe Schmitt, C., Der Begriff des Politischen, Neuausgabe Berlin 1963, S. 10.

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Luhmann, N. (1987). Der Wohlfahrtsstaat zwischen Evolution und Rationalität. In: Soziologische Aufklärung 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01341-9_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01341-9_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-11885-7

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