Zusammenfassung
Mit der Darstellung und Interpretation der Entstehung und Stellung von Wohlfahrtsverbänden im modernen Wohlfahrtsstaat ist eine in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung weitgehend vernachlässigte Dimension, der Faktorenkomplex aus Religion, Konfession und Kirche, aufgenommen worden339. In der Regel wird ansonsten davon ausgegangen, daß die weitreichenden Industrialisierungs- und Säkularisierungsschübe diese ins Privatleben abgedrängt haben und sich die soziale Strukturierung moderner Gesellschaften auf Klassenlagen bezieht. Auf diese Weise ist gleichfalls ein Postulat Rudolf von Thaddens (1983: 599–600) realisiert worden, wonach „die Vernachlässigung der Kirchengeschichte in der Profangeschichte der Neuzeit mit dazu beigetragen hat, daß die politische Geschichte in ihrer allgemeinen Bedeutung weit überschätzt wurde und andere Perspektiven fast vollständig an den Rand drängte. Weil die Kirche als Gegen- oder Alternativkraft zum Staat aus dem Blickfeld geriet, erlangte der Handlungsbereich des Staates eine übersteigerte Geltung, der für andere Bereiche des Lebens blind werden ließ“.
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Literatur
Dieses „ungeklärte Verhältnis“ gilt für die Politikwissenschaft insgesamt; vgl. Abromeitl Wewer 1989. Das Thema Religion und Politik hat jedoch in der angelsächsischen Sozialwissenschaft mehr Interesse gefunden; vgl. dazu besonders Moody 1953, Moyser 1991, Whyte 1981, Kerr 1992, Wuthnow 1991, Stephens 1979 sowie aus der deutschen Religionssoziologie besonders Gabriel/Kaufmann 1980 bzw. zu den Niederlanden Bakvis 1981, Kruijt 1974; s. ferner Gauly 1991 sowie Kap. 2.1.5.
Zumal Geld allein wenig aussagt (Esping-Andersen 1990:17; siehe auch Therborn 1987). Siehe zur Lage von Frauen die quantitativen Analysen bei Norris (1987: 107ff.), die analoge Indikatoren far Sozialpolitik (Bildung, Einrichtungen zur Kinderversorgung etc.) und Selbstbestimmung (Abtreibung, Familienplanung) heranzieht. In den Korrelationsanalysen zeigt sich ebenfalls ein bedeutender Einfluß des Katholizismus.
Dies gilt etwa für Organisation und Programmentwicklung, die ideologische Herkunft und Stellung sowie die praktizierten Regierungspolitiken dieser Parteien (vgl. Becker/Kersbergen
Kersbergen 1991, Castles 1978, Lehmbruch et al 1988, Schmid 1990, Schmidt 1985). Zur Kritik an Castles 1994 siehe Therborn 1994 und Schmid 1996.
Heidenheimer und Kaufmann heben besonders auf die Funktion von Sekten und Dissenters ab; hier stehen jedoch die großen Kirchen im Vordergrund. Denn die „fundamentale Dichotomie ist nicht die zwischen Sekte und Kirche, sondem die zwischen dominanter und abweichender Ethik“ (so die Weber-Interpretation bei Berger 1973: 249).
Damit hängen auch die bei (großen) Organisationen wie den Wohlfahrtsverbänden verbreiteten und kritisierten Phänomene der Zielverschiebung, Bürokratisierung und Professionalisierung zusammen (vgl. Kap. 2).
Zu den damit aufgeworfenen Fragen einer Familienpolitik im Vergleich siehe ferner Schultheis 1988, Nelson 1985, Kahn/Kamerman 1985, BMFuS 1993, Boneparth 1984.
Hier nicht als Eigenname, sondern als Variablenbezeichnung im Sinne von Przeworski/Teune 1970 (vgl. auch Kap. 5).
Rohe (1992) identifiziert einen anderen interessenpolitischen Wirkungsunterschied zwischen ökonomischen und kulturellen Cleavages: Erstere sind materiell einfach zu befriedigen und auch mit bloßer Verbandsbildung zu regeln; zweitere sind hingegen erst wirklich parteibildend.
Niedrige Fragmentierung ist hier jedoch nicht gleichzusetzen mit Korporatismus, da dort in der Regel nur das Subsystem der Verbände im Bereich Wirtschaft und Arbeit klassifiziert und das restliche Spektrum an Interessenorganisationen vernachlässigt wird. Zur religiösen Fragmentierung von Parteiensystemen vgl. Lane/Ersson (1994: 65ff.).
Die grundlegende Veränderung des Parteien-und Verbändesystems in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg ist ein Beispiel fair so einen politisch-strategisch gewählten Wandel; ähnliche Anderungen spielen sich im Laufe der 70er Jahre in den Niederlanden ab. Teilweise werden dann jedoch die alten Spannungslinien innerhalb der Einheitsorganisationen reproduziert, etwa durch Proporzmechanismen oder Fraktionsbildung (vgl. etwa Schroeder 1992 und Kleinfeld 1993 ).
Dies prägt bis heute die Programmatik der britischen Arbeiterbewegung; s. etwa die jüngste Debatte um die Verstaatlichung (Clause 4) in der Labor Party.
In den Worten von Lipset ( 1983: 3): „Skilled German workers and socialist leaders exhibited a stronger hostility to the lowest segments of the population than occured in other western countries.…For most European socialist parties, all depressed workers, whether urban or rural, were a latent source of support. But for the German socialists, the lowest stratum was a political enemy“. Hierbei spielt die hohe Lohndifferenzierung in der Industrie, das Ethos des Facharbeiters und die politisch-ökonomisch rückständige Lage der Landwirtschaft ebenfalls eine Rolle (vgl. Kap. 6 ).
Das Thema ist von mir an anderer Stelle schon aufgeworfen worden, vgl. aus parteiensoziologischer Sicht Schmid 1990 und 1991 sowie im deutsch-britischen Vergleich Schmid 1984.
Zu diesem Thema existiert eine Fülle an Literatur, zu Deutschland s. besonders Leibfried/Ostner 1991 und Kolinsky 1991. Zur Arbeitsmarktanalyse vgl. Rein 1985, Schmidt 1993, Schmid/Ziegler 1991, Widmaier/Beer 1990, Brandes/Butler u.a. 1980, Schmid 1995. In den Niederlanden ist dieses Problem jedoch kleiner.
Deshalb wird die Reduktion des Staatssektors (im Sinne von öffentlichem Dienst wie auch von sozialpolitischen Funktionen) in Schweden als „Christdemokratisierung“ kritisiert (vgl. Der Spiegel 41/1992: 220f).
Vgl. neben der oben genannten Literatur zu Deutschland ferner Schmidt 1985, 1990, Michalski 1984, Schmid 1990; vgl. für die Niederlande Braun 1987, Becker/Kersbergen 1986, Zimmermann 1986.
Vgl. dazu den Überblick bei Scherrer 1987. Neuerdings wird in der institutionellen Ökonomie die Zweiteilung zwischen Markt und Hierarchie (Williamson) um eine dritte Variante, die Clans bzw. Netzwerke, ergänzt, was einige interessante Anschlußmöglichkeiten für das hier vorliegende Problem bietet (vgl. Thompson u.a. 1991, Czada/Windhoff-Héritier 1991 und Jordan/Schubert 1992 ).
Dem liegen auch unterschiedliche Konzepte von „sozialer Staatsbürgerschaft“ (Marshall) zugrunde (vgl. Turner 1990, Taylor-Gooby 1991, s.a. Zaretsky 1983).
Umgekehrt sind mit der Mitbestimmung und dem Arbeitsrecht einige arbeitspolitische Besonderheiten gegeben, die die ansonsten konstatierte wirtschaftspolitische Enthaltsamkeit dieser Regimes relativiert, ohne allerdings „richtig“ interventionistisch zu sein.
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© 1996 Leske + Budrich, Opladen
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Schmid, J. (1996). Das christdemokratische Gesellschafts- und Politikmodell als mittelbare Folge des Staat-Kirche-Konflikts. In: Wohlfahrtsverbände in modernen Wohlfahrtsstaaten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01286-3_7
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