Zusammenfassung
Wenn im thematischen Rahmen der “Raumbezogenheit sozialer Probleme” sich praktisch die Frage nach Möglichkeiten sozialräumlicher Intervention stellt, so verbindet sich damit die Erwartung neuer Instrumente und Konzepte zur Beseitigung oder Verhinderung sozialer Probleme. Dabei scheint es plausibel, daß sich die Effektivität sozialer Politik durch eine sozialökologische Feinabstimmung steigern läßt, zumal ein derartiger “Sozialraumbezug” in Ansätzen der Sozialarbeit, der Infrastrukturplanung sowie in der Programmatik einer Soziokultur bereits erkennbar ist. Aber gerade jene Plausibilität praktischer Maßnahmen wird einer sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Sozialpolitik zur Herausforderung, die gesellschaftlichen Bedingungen und handlungspraktischen Implikationen der hierbei vorausgesetzten “Raumbezogenheit sozialer Politik” herauszuarbeiten:
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In einem ersten Abschnitt wird die Arbeit am Begriff zu leisten sein, wobei die am Konstrukt des “Zielraums” darzustellende Sozialraumgestaltung mit einer Orientierung an “Zielgruppen” zu vergleichen sein wird.
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Anmerkungen
Vgl. zu einer konsumsoziologischen Ausarbeitung des Unterschieds von Bedürfnis und Bedarf Commandeur 1979; zu Ansätzen einer bedürfnisorientierten Stadtplanung Heinemann-Knoch 1977.
Besonders akzentuiert wurden die unterschiedlichen Standpunkte von A. von der Stein (Düsseldorf) und S. Herlyn (Bremen) anläßlich der Tagung “Identität und soziale Räume” der ev. Akademie Loccum (Herbst 1980) vorgetragen. Vgl. dazu demnächst die Loccumer Protokolle.
Daß solche räumlichen Bezüge in soziologischen Theorien bislang zumeist vernachlässigt wurden, zeigt Konau 1977.
So der Ansatz von Pankoke u.a. 1980.
Um die Begriffe von Dahrendorf (1979) heranzuziehen. Dabei fällt auf, daß Dahrendorf “Ligaturen” ausdrücklich mit Raum- und Zeitkategorien (z.B. S. 107) erläutert.
Daß ein ausgeprägter Ortsbezug zum Hemmnis vertikaler Mobilität wird, zeigt Werth 1974, 230 ff.
“Funktionsräume” wird hierbei verstanden im Sinne individueller Präferenz und Zweckmäßigkeit. Sie können (müssen jedoch nicht) deckungsgleich sein mit den Funktionsräumen der Landes- und Regionalplanung bzw. den innerstädtischen Funktionsräumen, die in Anlehnung an die Charta von Athen seitens der kommunalen Planung als räumlich-funktionales System abgesteckt wurden.
Zwar ist mit der privaten Wohnung zumeist noch ein Fixpunkt räumlichen Verhaltens gegeben, doch reduziert sich im Zuge des Funktions- und Strukturwandels privater Haushaltsführung die soziale Bedeutung der Wohnung zunehmend auf die Wahrnahme von Vitalfunktionen (Gleichmann 1976), die Rezeption massenkommunikativer Information und Unterhaltung sowie Reste eines kleinfamilialen Zusammenlebens (Rudorff 1955). Wohnungen müssen in Größe und Ausstattung dem jeweiligen Bedarf entsprechen, vor allem aber müssen sie gegenüber äußeren Störungen abgeschlossen sein.
Bei der derzeitigen Situation am Wohnungsmarkt wird die Multifunktionalität urbaner Wohngebiete allenfalls als Zusatznutzen empfunden. Leitet man jedoch aus erhobenen Bewohnerwünschen das “Bild eines idealen Wohngebietes” ab, so ergibt sich die Forderung nach einer durchmischten Wohnumwelt, die nicht den in der Realität solcher Gebiete vorfindbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt ist (Kromrey 1979, 105 ff).
Vgl. auch Schaffer/Rißler (1974, 87), die zwischen “stationär-regressivem” und “dispers-mobilem” Raumverhalten unterscheiden.
Aber was heißt hier “vormodern”? Abweichend von in der Soziologie sonst üblichen Zeiteinteilungen ist in siedlungssoziologischer Perspektive “Modernität” wesentlich später ansetzen und an anderen Kriterien festmachen, etwa Motorisierung, Ausbau tragfähiger Massenverkehrssysteme, Vorhandensein eines öffentlich kontrollierten Netzes sozialer Sicherung sowie Einführung und Verbreitung von Massenkommunikationsmitteln.
Auch die Stadtplanung blieb weitgehend auf den Bedarf des mobilen “erwerbstätigen Erwachsenen” (Mitscherlich 1965, 91 ff) zugeschnitten. Vgl. zum politisch-ökonomischen Hintergrund “horizontaler Disparitäten” (Offe) in der Stadtentwicklung die Analyse von Grauhan/Linder 1974.
Da im folgenden exemplarisch auf die Gruppen “Kinder” und “Jugendliche” eingegangen wird, hier zumindest einige Hinweise zu den anderen Gruppen. Vgl. zu älteren Menschen: Rosenmayer 1978, 133 ff; Büschges/Wittenberg 1976; zu Hausfrauen: Klingbeil 1976; Heil 1971; speziell zu Alleinerziehenden: Letsche/Weeber 1979; zu Behinderten: Klee 1974.
Vgl. Kaufmann/Schäfer in: Kaufmann (Hrsg.) 1979; zum politischen Stellenwert räumlicher Interessen und zur Notwendigkeit einer an räumlichen Interessen orientierten “sozialen Politik des Besonderen” Schnur 1970.
Zwar kann solchen Konflikten dadurch ausgewichen werden, daß öffentliche Infrastrukturen als “offene Angebote” konzipiert und betrieben werden (Häuser der offenen Tür, Kindertagesstätten usw.), doch zeigt sich auch hier, daß im Prozeß des Gebrauchs solcher Einrichtungen vielfach Raumnutzungskonflikte mit der ortsansässigen Bevölkerung auftreten (namentlich bei Kinderspielplätzen, Jugendhäusern und Altenheimen). Vgl. Becher u.a. 1980, 28 ff.
Anschaulich hierzu “Abenteuerspielplatz Berlin. Immer Arger mit den Nachbarn”, Die Zeit, Nr.47 (Nov. 1971).
Als Ort der Kommunikation, des Spiels, des gemeinschaftlichen Handelns usw. Vgl. zur Sozialgeschichte der Straße Kokkelink/Menke 1977. Zum Anspruch der Umgestaltung von Straßenräumen siehe die programmatische Studie von Laage und Mitarbeitern (1977) “Wohnen beginnt auf der Straße”.
Die folgenden Analysen zur Verkehrsberuhigung entstammen dem Projekt “Verkehrsberuhigung und Sozialraumgestaltung” (Projektgruppe: D. Nilewski, H. Nokielski, U. Renn, W. Walter), das unter der Leitung des Verfassers an der Gesamthochschule Essen — Universität durchgeführt wird (Projektabschluß: Mitte 1981). Zu einer ersten Darstellung der Projektperspektiven Renn 1977, Nokielski 1979.
Dazu Renn 1980. Ein erster Versuch, durch einen Volkshochschulkursus innerhalb eines verkehrsberuhigten Gebietes zumindest ein Diskussionsforum anzubieten, zeigt jedoch bereits Grenzen einer derartigen Intervention. Zum einen konnte nur ein geringer Interessenkreis aktiviert werden. Zum anderen wurde deutlich, daß die durch eingelebte Gewohnheiten geformten Interessen teilweise derart gefestigt sind, daß sie durch einen punktuellen Meinungsaustausch nicht aufzubrechen sind. Zwar kam es nach einigen Veranstaltungen zu einem Konsens darüber, daß den Kindern mehr Raum zustehe und den Gefährdungen und Belästigungen durch Verkehrsberuhigung gegenzusteuern sei, doch konzentrierte sich der Unmut sehr bald auf eine andere Gruppe “auffälliger” Quartiersbewohner: die Jugendlichen.
Daß Jugendkultur in ihren expressiven Elementen auch dann noch Straßenkultur bleibt, wenn sich der Aktionsradius der Jugendlichen ausweitet, zeigt Wartenberg 1980.
So die durchaus plausible Argumentation des Geschäftsführers eines Wohnungsunternehmens, vgl. Köhler 1979.
Dies der Titel des Aufsatzes von Köhler (1979). Vgl. zu weiteren Stellungnahmen und Berichten aus dem Bereich der Wohnungsunternehmen auch Römer 1979; Ziercke 1980.
Die kompensatorische Funktion sozialräumlicher Aktivierung hat C. Commandeur (in: Pankoke u.a. 1980) am Beispiel einer kommunal veranstalteten Soziokultur nachgewiesen.
Vgl. allgemein zur Kritik einer (Sozial-)Pädagogisierung “normaler” Lebenslagen Blanke/Sachsse 1978, 21 ff.
Zu einem anschaulichen Vergleich des Gebrauchswerts alter und neuer Stadtviertel siehe Baacke 1977. Speziell zu den Zechensiedlungen des Ruhrgebiets Günter 1977.
“Das Milieu bindet und erträgt Armut, Kuppelei, Trunkenheit, Alterswahnsinn, den Verlust von Gesundheit und Selbstbeherrschung. Darin kommt zugleich Toleranz und Ohnmacht zum Ausdruck...”, kann Zapf (1969, 224) in ihrer Studie zur Dortmunder Nordstadt feststellen.
Dies wurde bereits auch in der Kontroverse um homogene/heterogene Nachbarschaf ten herausgestellt (zusammenfassend Herlyn 1974b).
Vgl. zur Notwendigkeit einer “Erhaltung der sozialen Stabilität” der Siedlungen die Studie des Difu: Ernst u. a. 1977, 35.
Neben einer Vielzahl journalistischer Aktivitäten ist hier besonders auf das Wirken von Roland Günter hinzuweisen. Vgl. u.a. die Schrift “Rettet Eisenheim” (Projektgruppe Eisenheim. Design Grundlagen Fachhochschule Bielefeld, SS 72/WS 72/73). Insofern trug der Kampf um Eisenheim nicht nur zur Aktualität des Themas bei; die soziale Aufmerksamkeit und Anerkennung stärkte auch das Selbstbewußtsein in den Siedlungen und insofern konnte Eisenheim zum Vorbild vieler anderer Aktionen werden.
Vor diesem Hintergrund wird dann auch die vorsichtige Zurückhaltung verständlich, mit der Keim (1979, 143 ff) die “praktische Verwertbarkeit” seiner Studien und Analysen zum “Milieu in der Stadt” diskutiert.
Vgl. zur Problematik einer einseitig an den Bedürfnissen der Wohnbevölkerung ausgerichteten Stadtplanungs- und Sanierungspraxis Fiebig/Eichstädt 1978; dazu Nokielski 1981.
“Politisch griffig” wird so zum “literarisch verblasenen Ausdruck für Spitzelwesen und den Zugriff der Gestapo” (König 1958, 64).
Speziell in dörflich-kleinstädtischen Nachbarschaften (Dunkelmann 1975, 125 ff), aber ebenso im Hausfrauenmilieu der Suburbs (Fromm 1967 ) sind die Beziehungs- und Kontrollnetze derart dicht, daß der Einzelne der sozialen Kontrolle kaum entfliehen kann. Zusammenfassend zur “Soziologie städtischer Wohnquartiere” Schubert 1977.
Worauf bereits Weisser (1954, 97) mit der Frage anspielte, ob “etwa die Kameradschaft zwischen den Fahrern der deutschen Länderminister, die alle einander bis in die Einzelheiten des Familienlebens hinein kennen, etwas wesentlich anderes (ist) als der Geist, der in den Gemeinden zur Nachbarschaft führt”.
Der Arbeit von Winkmann (1948) ist hierzu der Hinweis zu entnehmen, daß jenes bewußte Distanzverhalten eine besondere Eigenschaft des “Kleinbürgertums” ist.
Anschaulich dazu am Beispiel von “Gerücht” und “Klatsch” siehe Winkmann 1948, 193ff.
Vgl. z.B. Volkshochschule im Westen 1980. Beispielhaft für den Bereich soziokultureller Angebote ist auf die Börse in Wuppertal und das Lagerhaus in Osnabrück hinzuweisen, die sowohl auf der Ebene der Gesamtstadt als auch auf der des Stadtteils arbeiten; vgl. zu einer Übersicht De Buhr u.a. 1979.
Vgl. zur Neuorganisation sozialer Dienste Müller/Otto (Hrsg.) 1980, Becher u.a. 1980.
So die Leiterin der Initiative (Frau Born) in einem Vortrag an der Universität Essen — Gesamthochschule.
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Nokielski, H. (1982). Soziale Probleme und sozialräumliche Interventionen. Sozialraumgestaltung in mobilen Gesellschaften. In: Vaskovics, L.A. (eds) Raumbezogenheit sozialer Probleme. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung, vol 35. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01240-5_16
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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