Zusammenfassung
Als ich im Herbst 1951 nach vierjährigem Studium der Germanistik, Geschichte, Philosophie und Zeitungswissenschaft an den Universitäten in Frankfurt/Main und Leipzig eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent an dem im Laufe des Jahres 1950 reorganisierten Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft der Leipziger Universität 1 aufnahm, dachte ich noch nicht an eine wissenschaftliche Laufbahn. Ich hatte zwei Jahre lang als freier Journalist und als Redakteur bei der ›Leipziger Volkszeitung‹2 gearbeitet und nach dem Studium eigentlich in den journalistischen Beruf zurückkehren wollen. Was mich bewog, für einen — wie ich anfänglich dachte — begrenzten Zeitraum eine wissenschaftliche Tätigkeit auszuüben, war die Aussicht, unter der Anleitung erfahrener Journalisten wie Hermann Budzislawski3 meine praktischen journalistischen Erfahrungen theoretisch überprüfen, verallgemeinern und an junge Menschen weitergeben zu können. Hinzu kam die Einsicht, daß das junge Institut dringend Lehrkräfte benötigte, die wenigstens über ein Minimum an praktischer journalistischer Erfahrung verfügen mußten, wenn sie die Ausbildungsaufgaben erfüllen wollten. Diese Aufgaben waren nicht gering: Schon am 10. September 1951 begann für 200 Studenten, die zu einem großen Teil von den »Arbeiter-und-BauernFakultäten«4 oder aus journalistischen Institutionen kamen, das erste von drei Studienjahren.
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Referenzen
Das Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft — im Jahre 1916 von Karl Bücher als erstes deutsches Institut für Zeitungskunde gegründet und von Erich Everth und Hans A. Münster fortgeführt — war nach dem 2. Weltkrieg geschlossen worden. Mit der Wiedereröffnung der Leipziger Universität am 5. Februar 1946 wurde Publizistik als Nebenfach zunächst in den Lehrplan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät aufgenommen und von deren Dekan, Prof. Dr. Gerhard Menz, vertreten. Dieser hielt Vorlesungen zur Publizistik für kurze Zeit auch vor Hörern der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät, die im April 1947 auf der Grundlage des Befehls Nr. 333 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) gegründet worden war, um an der Leipziger Universität die »wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse«, insbesondere den dialektischen und historischen Materialismus und die marxistische politische Ökonomie, zu verbreiten. Im Juni 1949 wurde die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät in die Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät integriert, und zum Direktor des Instituts für Publizistik und Zeitungswissenschaft wurde Hermann Budzislawski (siehe Anm. 3) berufen, der seit September 1948 als Professor für internationales Pressewesen an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät gewirkt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war Publizistik immer noch Nebenfach, und das wiedererstandene Institut war noch nicht in der Lage, der journalistischen Praxis ausreichend ausgebildeten Nachwuchs zur Verfügung zu stellen. Deshalb wurde es entsprechend einem Beschluß der 1. Pressekonferenz des Parteivorstandes der SED reorganisiert: Publizistik wurde als Hauptfach anerkannt, das Institut der Philosophischen Fakultät zugeordnet, in die Abteilungen »Theorie und Praxis der Pressearbeit« und »Pressegeschichte« gegliedert und personell wesentlich verstärkt. Vgl. auch Traumann, Gudrun (1971): Journalistik in der DDR. Sozialistische Journalistik und Journalistenausbildung an der Karl-Marx-Universität Leipzig. München-Pullach, Berlin (= Kommunikation und Politik, Bd. 2).
Die ›Leipziger Volkszeitung‹ (LVZ) wurde am 1. Oktober 1894 gegründet. Sie war, wenn auch formal in privaten Händen, als Organ der deutschen Sozialdemokratie anerkannt. Ihre ersten Chefredakteure waren Bruno Schoenlank und Franz Mehring; Mitarbeiter waren u.a. Rosa Luxemburg, Eduard Bernstein, Paul Levi, Anton Pannekoek. Nach dem 2. Weltkrieg und der Zulassung antifaschistisch-demokratischer Presseorgane durch die sowjetische Besatzungsmacht durfte die LVZ ab 19. Mai 1946 wieder erscheinen, und zwar als Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Zur wechselvollen Geschichte der LVZ vgl. u.a. eine umfangreiche Sonderausgabe zum 100. Jahrestag der Gründung im Oktober 1994.
Hermann Budzislawski (1901–1978) ist vor allem als Mitarbeiter der ›Weltbühne‹ und späterer Chefredakteur der ›Neuen Weltbühne‹ in der Emigration bekannt geworden. Nach seiner Rückkehr aus den USA (1948) war er Direktor des Instituts für Publizistik und Zeitungswissenschaft und der erste Dekan der Fakultät für Journalistik an der Universität Leipzig. Vgl. Bruhn, Heinrich (1961): Hermann Budzislawski zu seinem 60. Geburtstag. In: Zeitschrift für Journalistik, 2. Jg., Nr. 1, S. 1ff.;
Röhr, Karl-Heinz/Walther, Willy (1966): Hermann Budzislawski. In: Journalismus und Gesellschaft. Festschrift der Fakultät für Journalistik, Karl-Marx-Universität Leipzig. Hermann Budzislawski zum 65. Geburtstag. Leipzig, S. 9–22 (dort weitere Literaturhinweise);
Walther, Willy (1978): Professor (em.) Dr. rer. pol., Dr. h.c. Hermann Budzislawski. In: Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus, 6. Jg., Nr. 4, S. 5–9;
Lerg, Winfried B. (1978): Hermann Budzislawski (1901–1978). Eine biographische Miszelle zur Exilpublizistik. In: Publizistik, 23. Jg., Nr. 1, S. 106–114;
Lerg, Winfried B. (1978): Hermann Budzislawski (1901–1978) : Post Scriptum. In: Publizistik, 23. Jg., Nr. 4, S. 437–438.
Vgl. ferner Schneider, Regine (1983): Die Entwicklung der Fakultät/Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig. Ein geschichtlicher Abriß. Diss. Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig, insbesondere Anhang S. 34–38.
Vorstudienanstalten, in denen die Kinder von Arbeitern und Bauern in relativ kurzer Zeit zur Hochschulreife geführt wurden.
Wilhelm Eildermann, geb. 1897, hatte von 1946 bis 1951 die Redaktion des Pressedienstes der SED geleitet. Er war Direktor des Instituts für Publizistik und Leiter der Abteilung Theorie und Praxis der Pressearbeit von 1951 bis 1954.
In den westeuropäischen Ländern und den USA u.a. Arbeiten von Colin Cherry, K. Dovring, Heinz Otto Luthe, Gerhard Maletzke, G.A. Miller, S. Moscovici, M. Mulder, Hans K. Platte, Henk Prakke, Horst Reimann, H. Richter/F. Weidmann, Wilbur Schramm, Karl Steinbuch, R. Ziegler; in der DDR, der UdSSR und anderen osteuropäischen Ländern u.a. von Lothar Bisky/Siegfried Bönisch/Walter Friedrich vom damaligen Zentralinstitut für Jugendforschung der DDR, von Wolfdietrich Hartung (mit einem Autorenkollektiv des Zentralinstituts für Sprachwissenschaft), ferner von K. Löscher, F. Miko, W. Stoljarov, M. Vorwerg; insbesondere die Materialien eines Allunionssymposiums zur Psycholinguistik, das 1972 in der UdSSR stattfand und an dem Wissenschaftler aus allen Teilen der Sowjetunion teilnahmen.
Reinhart Greuner, viele Jahre lang Redakteur und Abteilungsleiter der Wochenzeitung ›Die Wirtschaft‹ (Berlin), war der erste Doktorand der Fakultät für Journalistik. Er promovierte 1960 mit der Dissertation »Der Einfluß der anglo-amerikanischen Besatzungspolitik auf die Wiedererrichtung eines imperialistischen Pressewesens in Westdeutschland«. Die Arbeit erschien auch im Buchhandel; vgl. Greuner, Reinhart (1962): Lizenzpresse. Auftrag und Ende. Der Einfluß der anglo-amerikanischen Besatzungspolitik auf die Wiedererrichtung eines imperialistischen Pressewesens in Westdeutschland. Berlin.
Wladimir A. Ruban war von 1945 bis 1947 Mitarbeiter der von der SMAD als Tageszeitung für die deutsche Bevölkerung herausgegebenen ›Täglichen Rundschau‹ (Berlin) und von 1947 bis 1951 Dozent am Lehrstuhl für Geschichte der Publizistik an der Universität Kiew gewesen.
Ruban, Wladimir A. (1954): Zu einigen Fragen der Sprache und des Stils publizistischer Werke. Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft. Leipzig.
Riesel, Elise (21963): Stilistik der deutschen Sprache. Moskau. Riesel, gebürtige Österreicherin, lehrte am Fremdspracheninstitut in Moskau.
Die drei Bände der »Studienmaterialien« vereinten Äußerungen von Martin Luther bis Gottfried August Bürger (»Studienmaterialien«, Heft 4/1961 Halle (Saale): Verlag Sprache und Literatur), Johann Wolfgang Goethe bis Ludwig Börne (Heft 9/1961) und Karl Marx/Friedrich Engels bis Thomas Mann, Karl Kraus und F[ranz]. Cary. Weiskopf (Heft 10/1962).
Vgl. Krahl, Siegfried/Kurz, Josef (61968): Kleines Wörterbuch der Stilkunde. Leipzig.
Hermann Budzislawski hatte sich wiederholt in Aufsätzen zu den Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Publizistik und Literatur geäußert und angeregt, auch künstlerisch-literarische Potenzen für den Journalismus nutzbar zu machen; vgl. u.a. Budzislawski, Hermann (1962): Heinrich Mann als Publizist. In: Zeitschrift für Journalistik, 3. Jg., Nr. 3, S. 1–10.
Die »Kreiszeitungen« sollten als Organe der Kreisausschüsse der »Nationalen Front« das gesellschaftliche Leben in den Kommunen umfassender widerspiegeln, als das den Bezirksorganen der Parteien möglich war. Die Fakultät für Journalistik war an der Ausarbeitung einer Konzeption für diesen neuen Pressetyp und an dessen inhaltlicher Profilierung maßgeblich beteiligt. Wissenschaftler und Studenten arbeiteten zeitweise in den neu entstehenden, personell nur dürftig besetzten Redaktionen mit, z.B. in der ›Neuen Cottbuser Zeitung für Stadt und Land‹ und in der ›Leipziger Rundschau‹. Die »Dorfzeitungen« waren vor allem in den Agrarbezirken der DDR ins Leben gerufen worden. Sie wurden zumeist von ehrenamtlichen Redakteuren herausgegeben, die den Kreisleitungen der SED verantwortlich waren, und sollten die »sozialistische Umgestaltung« auf dem Lande, insbesondere die Entwicklung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), fördern.
Pötschke, Joachim (1961): Die satirischen Glossen von Karl Kraus (1914–1918). Phil. Diss., Universität Leipzig. Eine von mir besorgte und mit einem Nachwort versehene Auswahl von Aphorismen, Polemiken, Glossen, Versen und Szenen des Wiener Publizisten und Herausgebers der berühmten ›Fackel‹ erschien 1971 im Reclam-Verlag Leipzig (2. erw. Auflage 1987).
Institut für Theorie und Praxis der Pressearbeit, Institut für Pressegeschichte, Institut für Rundfunkund Fernsehjournalistik, Institut für Literarische Publizistik und Stilistik.
Wissenschaftsbereich I — Theoretische Grundlagen und Geschichte des Journalismus; Wissenschaftsbereich II — Journalistische Methodik; Wissenschaftsbereich III — Journalistischer Arbeitsprozeß; Wissenschaftsbereich IV — Sprache und Stil des Journalismus; Wissenschaftsbereich V — Journalistische Fachgebiete.
Siehe auch Pötschke, Joachim (1974): Forschungsvorhaben Lehrbuch der Stilistik. In: Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus, 2. Jg., Nr. 4, S. 64f.
Siehe Dusiska, Emil (1969): Ziel und Weg der Sektion Journalistik. In: Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus, Nr. 1, S. 11.
Siehe Kurz, Josef (1976): Möglichkeiten der Redewiedergabe;
Kurz, Josef (1978): Stilprinzipien der Hörfunknachricht; Kurz, Josef (1978): Stilprinzipien der populärwissenschaftlichen Information. In: Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus, 6. Jg., 1, S. 51–67;
Kurz, Josef (1979): Stilprinzipien der Nachrichtengebung. In: Nachrichtenarbeit und Nachrichtengestaltung, Lehrmaterial;
Kurz, Josef (1979): Stilprinzipien für den Bericht;
Kurz, Josef (1979): Stilprinzipien für das Interview Alle Veröffentlichungen an der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig.
Siehe Adams, Bärbel (1983): Umfang, Charakter und Leistung von Konnotationen in der satirischen journalistischen Argumentation. Diss., Sektion Journalistik, Karl-Marx-Universität Leipzig.
Zum Konnotationsbegriff siehe u.a. Rossipal, Hans (1973): Konnotationsbereiche, Stiloppositionen, Sprachen in der Sprache. In: Germanistische Linguistik, Nr. 4.
Bretschneider, Jürgen (1985): Der Einfluß der sprachlich-stilistischen Gestaltung journalistischer Presseporträts auf deren Bewertung durch den Leser. Eine experimentelle Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des emotionalen Aspekts. Diss., Sektion Journalistik, Karl-Marx-Universität Leipzig.
Damals — nach sowjetischem Vorbild — Promotion (B) zum Doktor der Wissenschaften (Dr. sc.).
Zu Fragen der Sprachkultur siehe u.a.: Autorenkollektiv (1977): Sprache — Bildung und Erziehung. Leipzig; Autorenkollektiv (1974): Sprachliche Kommunikation und Gesellschaft. Berlin, S. 26f., und die unter Leitung von Bärbel Techtmeier in den achtziger Jahren am Zentralinstitut für Sprachwissenschaft entwickelten »Thesen zur Sprachkultur«. (Diese Thesen liegen mir nur als vervielfältigtes Manuskript vor.)
Zitiert nach Bock, Helmut (1994): Partei — Staat — bürokratische Kaste. In: Keller, Dietmar/Modrow, Hans/Wolf, Herbert (Hrsg.): Ansichten zur Geschichte der DDR, Bd. III. Bonn, Berlin, S. 104.
Siehe dazu auch: Sektion Journalistik (Hrsg.) (21988): Stilistik für Journalisten (Lehrbuch). Leipzig, S. 20–33.
Siehe Böttger, Wolfgang (1975): Klarheit, Verständlichkeit, Individualität und Originalität. In: Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus, 3. Jg., Nr. 1, S. 8.
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Pötschke, J. (1997). Sprachkommunikation und Stilistik. In: Kutsch, A., Pöttker, H. (eds) Kommunikationswissenschaft — autobiographisch. Publizistik, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01167-5_7
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