Skip to main content

Nachrichten und Berichte

  • Chapter

Zusammenfassung

Am deutlichsten ist der Programmbereich Nachrichten und Berichte als Erarbeitung / Verarbeitung von Informationen erkennbar. In diesem Bereich verbreiten die Massenmedien Ignoranz in der Form von Tatsachen, die ständig erneuert werden müssen, damit man es nicht merkt. Wir sind an tägliche Nachrichten gewöhnt, aber man sollte sich trotzdem die evolutionäre Unwahrscheinlichkeit einer solchen Annahme vor Augen führen. Gerade wenn man mit Nachrichten die Vorstellung des Überraschenden, Neuen, Interessanten, Mitteilungswürdigen verbindet, liegt es ja viel näher, nicht täglich im gleichen Format darüber zu berichten, sondern darauf zu warten, daß etwas geschieht und es dann bekannt zu machen. So das 16. Jahrhundert in der Form von Flugblättern, Balladen, Kriminalgeschichten aus Anlaß von Hinrichtungen etc.1

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Buying options

Chapter
USD   29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD   54.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Referenzen

  1. Siehe hierzu neben den üblichen Geschichten des Zeitungswesens Lennard J. Davis, Factual Fictions: The Origins of the English Novel, New York 1983, S. 42 ff. An dem von Davis ausgewerteten Material zeigt sich im übrigen, daß die Notwendigkeit, Neues zu bringen und dies als Marketing-Argument zu verwenden, im 16. Jahrhundert zunächst im Unterhaltungssektor und für Billigprodukte der Druckpresse auftrat, deutlich bevor die Wissenschaften mit einem auf neue Fakten und Faktenerklärungen spezialisierten Wahrheitsbegriff nachzogen.

    Google Scholar 

  2. Siehe die Komödie „The Staple of News“ (Erstaufführung 1625, erster Druck 1631, zit. nach der Ausgabe Ben Jonson (eds. C.H. Herford Precy/Evelyn Simpson) Bd. VI, Oxford 1966, S. 277–382), besonders die Einfügung „To the Readers“ nach dem zweiten Akt (S. 325): „but Newes made like times Newes, (a weekly cheat to draw mony) and could not be fitter reprehended, then in raising this ridiculous Office of the Staple. Wherein the age may see her owne folly, or hunger and thirst after publish’d pamphlets of Newes, set out every Saturday, but made all at home, & no syllable of truth in them“. Die Kritik schließt also aus der Organisation der Neuigkeitenproduktion auf Unwahrheit. Im selben Stück stößt man aber auch auf Zeichen von Verwunderung/Bewunderung: „Sir, I admire, The method o’ your place; all things within’t Are so digested, fitted, and compos’d As it shewes Wit has married Order.“ Act I Scene V Zeile 66–69 (a.a.O. S. 295).

    Google Scholar 

  3. Bei eher professionssoziologischen Ansätzen findet man denn auch eine auf „Journalismus“ bezogene Betrachtungsweise, die andere Formen medientechnischer Verbreitung außer acht läßt. Siehe neuestens Bernd Blöbaum, Journalismus als soziales System: Geschichte, Ausdifferenzierung und Verselbständigung, Opladen 1994.

    Google Scholar 

  4. Und wenn unbekannt, dann kann auch unbekannt bleiben, ob sie überhaupt determiniert ist oder nicht. Dies kann offen (und den Philosophen überlassen) bleiben, denn es würde im einen wie im anderen Falle keinen Unterschied machen. Anders gesagt: es liegt in dieser Frage keine Chance für Information.

    Google Scholar 

  5. Die Anregung zu dieser Frage nach Nachrichtenfaktoren oder nach dem Nachrichtenwert möglicher Meldungen stammt von Johann Galtung/Marie Holmboe Ruge, The Structure of Foreign News, Journal of Peace Research 2 (1965), S. 64–91. Für eine typische Liste, in der allerdings Wichtiges fehlt und anderes stärker aufgegliedert ist, siehe zum Beispiel Malcolm Peltu, The Role of Communication Media, in: Harry Otway/Malcolm Peltu (Hrsg.), Regulating Industrial Risks: Science, Hazards and Public Protection, London 1985, S. 128–148 (137 f.). Unter dem Gesichtspunkt eines zunehmenden Risikobewußtseins findet man ausgewählt: (1) immediacy and event-orientation; (2) drama and conflict; (3) negativity because bad news usually has drama and conflict; (4) human interest; (5) photographability; (6) simple story lines; (7) topicality (current news frame); (8) media cannibalism; (9) exclusivity; (10) status of the source of information; (11) local interest.

    Google Scholar 

  6. Ein neuerer Sprachgebrauch in der System- und der Evolutionstheorie spricht auch von „Attraktoren“, um auf die Strukturbedingungen hinzuweisen, die bestimmte Operationen anziehen. Wir bleiben, um teleologische Mißverständnisse zu vermeiden, bei „Selektoren“.

    Google Scholar 

  7. Wenn sie sich gleichwohl als zweckmäßig erweisen, werden sie entschuldigt. „Wie in einem Teil der gestrigen Ausgabe schon berichtet, ...“ Oder sie werden als Verständnishilfen für Empfänger, die sich nicht auf dem Laufenden gehalten hatten, nebensatzartig eingeschmuggelt.

    Google Scholar 

  8. Roland Robertson, Globalization: Social Theory and Global Culture, London 1992, S. 174, erwähnt die Schlagzeile einer schottischen Zeitung aus dem Jahre 1912: „Aberdeen Man Lost at Sea“. Der Anlaß war der Untergang der Titanic.

    Google Scholar 

  9. Ein besonders dramatischer Fall ist die öffentliche Diskussion der Begründung des Strafurteils gegen den NPD-Vorsitzenden Deckert Anfang August 1994. Den Mannheimer Richtern war der eklatante Fehler unterlaufen, „Charakterstärke“ bei einer strafbaren Handlung als strafmildernd anzusehen — ein Argument, das ihnen bei Wiederholungstätern in Verkehrsdelikten, Diebstählen etc. wohl kaum in den Sinn gekommen wäre. Die Verbreitung der Kenntnis dieses Falles durch die Massenmedien hat, weil ein politisches Tabu berührt war, selbst die Bundesjustizministerin und den Bundeskanzler zu Äußerungen ihres Abscheus bewogen, die hart an der Grenze liegen, die durch Verfassungsgesichtspunkte wie Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz gezogen sind. Bemerkenswert ist auch, daß die Massenmedien eine so schnelle Reaktion in den Massenmedien erzwingen, daß gar nicht abgewartet werden kann, ob die Justiz sich selbst korrigiert. Das Aufschaukeln eines solchen Bagatellfalles durch die Massenmedien kann bis vor die Frage führen, welchen Belastungen der Rechtsstaat in Deutschland gewachsen sein würde.

    Google Scholar 

  10. Vgl. dazu Heinrich Popitz, Über die Präventivwirkung des Nichtwissens: Dunkelziffer, Norm und Strafe, Tübingen 1968. Bezieht man die Fallberichterstattung der Massenmedien ein, dann legt das den Schluß, nahe, daß gerade die Skandalisierung von Einzelfällen dazu führt, daß die Verbreitung solchen Verhaltens unterschätzt und die Aufmerksamkeit eher auf die Norm selbst gelenkt wird.

    Google Scholar 

  11. Vgl. etwa Günther Kaiser, Jugendrecht und Jugendkriminalität: Jugendkriminologische Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Gesellschaft, Jugendrecht und Jugendkriminalität, Weinheim 1973, S. 43.

    Google Scholar 

  12. Richard Münch, Moralische Achtung als Medium der Kommunikation, in: ders., Dynamik der Kommunikationsgesellschaft, Frankfurt 1995, S. 214 ff., schließt daraus, daß die Moral als symbolisch generalisiertes Medium der modernen Gesellschaft inflationären und deflationären Trends ausgesetzt ist. Vermutlich trifft beides zugleich (und nicht nur im Wechsel) zu: Man redet viel von Moral und neuerdings sogar von Ethik, traut sich aber nicht, sich auf sie zu verlassen, und hält sich mit dem „Ausgeben“ moralischer Symbole im Alltag zurück.

    Google Scholar 

  13. Damit ist allerdings das hartnäckige Festhalten an diesem Irrtum, die eigentümliche Resistenz der soziologischen Handlungstheorie gegen Kritik noch nicht erklärt. Es scheint sich um eine vorgeschobene Verteidigungslinie des Subjekts zu handeln, an der es seinen Namen noch nicht nennen, seinen Begriff noch nicht vorstellen muß.

    Google Scholar 

  14. Siehe dazu John W. Meyer/John Boli/George M. Thomas, Ontology and Rationalization in the Western Cultural Account, in: George M. Thomas et al., Institutional Structure: Constituting State, Society, and the Individual, Newbury Park Cal. 1987, S. 12–37.

    Google Scholar 

  15. Dies entspricht im übrigen einer alten Wort- und Begriffsgeschichte von persona/Person. Siehe dazu auch Niklas Luhmann, Die Form „Person“, in: ders., Soziologische Aufklärung Bd. 6, Opladen 1995, S. 142–154.

    Google Scholar 

  16. Hierzu findet man Fallstudien in der neueren Organisationsforschung seit James G. March/Johan P. Olsen, Ambiguity and Choice in Organizations, Bergen 1976. Vgl. auch Martha S. Feldman, Order Without Design: Information Processing and Policy Making, Stanford Cal. 1989. Vorher hatte man Ambiguität vor allem als Lösung von Stress oder von Rollenkonflikten behandelt.

    Google Scholar 

  17. Siehe Hans Mathias Kepplinger/Uwe Hartung, Störfall-Fieber: Wie ein Unfall zum Schlüsselereignis einer Unfallserie wird, Freiburg 1995; Hans Mathias Kepplinger/Johanna Habermeier, The Impact of Key Events on the Presentation of Reality, European Journal of Communication (im Druck).

    Google Scholar 

  18. Auch dies ist schon seit langem mit Mißtrauen beobachtet worden. Bei Ben Jonson, The Staples of Newes, 1625/1631, Act I, Scene V, Zeile 51–54 (a.a.O. S. 295) liest man: „See divers men opinions! Unto some, The very printing of them, makes them Newes; That ha’ not the heart to beleeve any thing, But what they see in print.“

    Google Scholar 

  19. Es ist eine Sonderfrage, ob auch die Medien selbst sich qua Organisation oder qua Journalistenethos auf eine solche Vermischung einlassen, oder ob wenigstens hier auf eine strenge Trennung von Nachricht und Kommentar Wert gelegt wird, wie es vor allem in der angelsächsischen Presse üblich ist.

    Google Scholar 

  20. Siehe hierzu Manfred Rühl, Die Zeitungsredaktion als organisiertes soziales System, Bielefeld 1969, und ders., Journalismus und Gesellschaft: Bestandsaufnahme und Theorieentwurf, Mainz 1980. Im Anschluß an Rühl gibt es inzwischen eine Reihe von empirischen Untersuchungen, die seine These der Routineauswahl von Berichtenswertem bestätigen. Für einen Überblick siehe Marcinkowski a.a.O. (1993), 98 ff. Vor allem überrascht dabei, wie sehr das Sensationelle als Produkt von Routinen zustandekommt.

    Google Scholar 

  21. Siehe Heinz von Foerster, Objects: Tokens for (Eigen-)Behaviors, in ders., Observing Systems, Seaside Cal. 1981, S. 274–285; dt. Übers. in: ders., Wissen und Gewissen: Versuch einer Brücke, Frankfurt 1993, S. 103–115.

    Google Scholar 

  22. So für das neuronale und psychische Gedächtnis mit Rückgriff auf makromolekulare Einheiten des Berechnens von Konsistenz Heinz Förster, Das Gedächtnis: Eine quantenphysikalische Untersuchung, Wien 1948. Siehe auch ders., Quantum Mechanical Theory of Memory, in ders. (Hrsg.), Cybernetics: Circular Causal, and Feedback Mechanisms in Biological and Social Systems. Transactions of the Sixth Conference 1949, New York 1950, S. 112–134; ders., Was ist Gedächtnis, daß es Rückschau und Vorschau ermöglicht, in ders., Wissen und Gewissen: Versuch einer Brücke, Frankfurt 1993, S. 299–336.

    Google Scholar 

  23. Für den Beginn in der italienischen Kunstdiskussion des 16. Jahrhunderts (im 17. Jahrhundert ist es dann schon ein Gemeinplatz, daß nur das Neue gefällt) siehe Baxter Hathaway, Marvels and Commonplaces: Renaissance Literary Criticism, New York 1968, S. 158 ff.

    Google Scholar 

  24. Daß dies einer alten Klostertradition entspricht, die auf Steigerung der Innigkeit religiöser Erfahrung durch Vermeidung von Kommunikation reflektierte, liegt auf der Hand. Zur gleichen Zeit, also im 17. Jahrhundert, setzen die Jansenisten Intransparenz der Motive anderer gleich mit Intransparenz der eigenen Motive für das Individuum selbst.

    Google Scholar 

  25. Vgl. hierzu Wlad Godzich, Vom Paradox der Sprache zur Dissonanz des Bildes, in: Hans Ulrich Gumbrecht/K. Ludwig Pfeiffer (Hrsg.), Paradoxien, Dissonanzen, Zusammenbrüche: Situationen offener Epistemologie, Frankfurt 1991, S. 747–758.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1996 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Luhmann, N. (1996). Nachrichten und Berichte. In: Die Realität der Massenmedien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01103-3_5

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01103-3_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-12841-2

  • Online ISBN: 978-3-663-01103-3

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics