Skip to main content

Diskussion: Kognitive Phänomenologie und erstpersonales Erleben

  • Chapter
  • First Online:
Introspektive Untersuchung der Denktätigkeit
  • 8 Accesses

Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden die gewonnenen Ergebnisse der empirischen Untersuchung zusammengefasst, interpretiert und im Anschluss im psychologischen und philosophischen Kontext diskutiert, um dann Konklusionen bezüglich der Leitfrage dieser Arbeit (ob es eine eigenständige Phänomenalität der Denktätigkeit gibt, die nicht auf sensorische und/oder emotionale Phänomenalität reduziert werden kann) ziehen zu können.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 54.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Damit kann dem Datiertheitsproblem von Broad (1952, S. 215) begegnet werden, welches darin besteht, dass die Nennung des Akteurs nicht die Frage beantwortet, warum der Akteur gerade zu diesem bestimmten Zeitpunkt handelt. Handlungen kommen immer zu einer bestimmten Zeit vor und die Nennung der Ursache für eine Handlung sollte erklären, warum die Wirkung gerade zu diesem bestimmten Zeitpunkt eintritt (Keil, 2014, S. 142). Der Verweis auf einen Akteur reiche dafür nicht aus, weil diese Person zuvor schon da war und nachher noch da sein wird (beharrende Substanz). Die hier vorgeschlagene Antwort auf das Problem lautet, dass der Akteur – der (im Lichte von Handlungsabsichten, in konkreter Auseinandersetzung mit der Umwelt und mit seinen eigenen Zustandsbestimmungen) gerade seine Tätigkeit ausübt – die Ursache für diese Handlung zu diesem Zeitpunkt ist und wenn der Akteur keine Tätigkeit ausübt, ist er lediglich eine ermöglichende Ursache. Es ist der Akteur selbst, der Handlungsabsichten zu einem Zeitpunkt t Handlungswirksamkeit verleiht. Der Akteur vollzieht es bewusst im Zeitverlauf. 

  2. 2.

    Natürlich werden die anderen beschriebenen mentalen Kräfte (wie die Willens- und Konzentrationskraft) genauso für die Grün-Rot-Kreis-Aufgabe benötigt, aber die Denkkraft wird als die Kraft beschrieben, durch welche die Bilder in Erscheinung treten können, die für das Hervorbringen/Kreieren/Bilden der Bilder verantwortlich gemacht wird.

  3. 3.

    Nach dieser Interpretation kann die Denkkraft also sowohl willentlich (bewusst und absichtlich) als auch unwillentlich (im Sinne von automatisch, unbewusst und/oder unbeabsichtigt) gebraucht werden, um Gedankeninhalte in Erscheinung treten zu lassen.

  4. 4.

    Einige dieser gefühlsähnlichen Umschreibungen scheinen sich eher auf die Denkkraft zu beziehen, wie die Sehnsucht nach Erfüllung, das innere Abtasten und das Hereinkommen von Lichtstrahlen. Wiederum andere Umschreibungen wie das „Außer-Atem-kommen“, innerliche Entfachen von Feuer und sich stark etwas wünschen könnten eher in Richtung Willenskraft zielen. Da diese Unterscheidungen aufgrund der introspektiven Daten jedoch schwierig und spekulativ sind, wurden sie zusammenfassend als gefühlsähnliche Umschreibungen der Denktätigkeit aufgefasst, weil die Denktätigkeit sowohl die Willens- als auch Denkkraft beinhaltet.

  5. 5.

    Es ist auch möglich, dass Gefühle aktiv hervorgerufen werden, wie zum Beispiel in Meditationen oder beim Schauspielern. Dennoch tragen sie nicht diesen performativ-agentiven Charakter an sich, weil man auch in diesen Fällen zwischen der Tätigkeit, die die Gefühle aktiv hervorbringt und den dadurch erscheinenden Gefühlen unterscheiden muss.

  6. 6.

    Die vorgegebene Handlungsabsicht vom Versuchsleiter muss aber natürlich von den VPn eigenständig aufgegriffen und aktualisiert werden.

  7. 7.

    Dabei soll nichts im metaphysischen/ontologischen Sinne über die Existenz dieser Kräfte ausgesagt werden, sondern lediglich im phänomenalen Sinne. Es geht ausschließlich darum, wie die VPn das phänomenal erleben und was anhand der Beschreibungen der VPn empirisch ausgearbeitet und in eine diachrone Struktur eingeordnet werden kann.

  8. 8.

    Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Denkkraft auch automatisch und unbewusst gebraucht wird, um Gedankeninhalte in Erscheinung treten zu lassen. Wenn aber von Denktätigkeit gesprochen wird, ist damit das bewusste und absichtliche (willentliche) Gebrauchen der Denkkraft gemeint.

  9. 9.

    Das rezeptive Empfangen darf aber nicht nur im passiven Sinne verstanden werden. Es ist ein aktives „Sich-Öffnen“ (Anderson, 2018, S. 80; Wagemann, 2022a, S. 165 f.).

  10. 10.

    Damit ist nicht gemeint, dass die VPn das hypothetisch schlussfolgern, sondern sie erleben es so, dass es auf dem Gebrauchen von inneren Kräften beruht.

  11. 11.

    Der Unterschied kann zum Beispiel anhand von subjektiven Erfahrungen von Gedanken bei Personen mit Schizophrenie verdeutlicht werden (Daprati et al., 1997; Farrer et al., 2003; Farrer & Frith, 2002; Frith et al., 2000). Sie erleben zum Teil Gedanken, die nicht von ihnen selbst stammen (es fehlt also SoA), obwohl sie wissen, dass die Gedanken in ihrem Bewusstsein auftreten, sie also selbst in Besitz dieser Gedanken sind (SoO ist vorhanden). Ein anderes Beispiel bezieht sich auf den Kniescheibensehnenreflex. Dort ist ein SoO vorhanden, weil erlebt wird, dass das eigene Schienbein nach vorne bewegt wird, aber es ist kein SoA vorhanden, weil sich das Schienbein reflexartig, wie von selbst nach vorne bewegt und nicht vom Akteur initiiert und kontrolliert wurde.

  12. 12.

    Wohlgemerkt würde es sich dadurch nur so anfühlen, als würden wir die Handlung verursacht haben. Für Wegner ist der SoA illusorisch, da im Endeffekt nicht der Akteur, sondern unterbewusste Signalwege im Gehirn die Handlungen verursachen würden und die unterbewusste Selbstinterpretation nur den Anschein erzeugt, als würden wir diese Handlung ausgeführt und verursacht haben (Wegner, 2002).

  13. 13.

    In diesem Sinne kann auch der Kritik von Strawson (2003) begegnet werden, welcher Denken nicht als (mentale) Handlung ansieht, weil es keine kausale Verknüpfung zwischen der Intention und dem in Erscheinung tretenden Gedanken gäbe. Eine Intention muss aber nicht – wie in der klassischen kausalen Handlungstheorie angenommen und von Strawson vertreten – die kausale Verursachung einer Handlung darstellen, sie kann auch nur als Stimulation dienen. Die Ursache einer Handlung ist – angelehnt an die akteurskausale Theorie – der Akteur, der gerade seine Tätigkeit ausübt (siehe Kapitel 5).

  14. 14.

    An dieser Stelle sei nochmal darauf hingewiesen, dass das zuvor Gesagte nicht nur für zukunftsgerichtete (distale), sondern auch für handlungsbegleitende (proximale und exekutive) Intentionen gilt. Auch proximale und exekutive Intentionen können bewusst vorliegen, ohne diesen Teilaspekt der Handlung ausführen zu müssen. Und sie können während der Handlungsausführung auch nur kobewusst vorliegen (was meistens der Fall ist) und trotzdem erlebt man sich selbst als handelnd.

  15. 15.

    Damit soll jedoch nicht behauptet werden, dass die Wahrnehmungslücke vollständig geschlossen ist.

  16. 16.

    Siehe beispielsweise folgende Zitate:

    „In the case of swifts live their lives on the wing there is again a certain sort of action: an action of setting oneself to produce some content or other. But what happens then is–a content just comes” (Strawson, 2003, S. 235).

    “I try to give things a push–again this is a matter of action of the catalytic sort discussed above–and I get a muddled bundle of things” (Strawson, 2003, S. 237).

    “One initiates a kind of actively receptive blanking of the mind in order to give any missing elements a chance to arise. This too can be a matter of action, a curious weighted intentional holding open of the field of thought” (Strawson, 2003, S. 232).

  17. 17.

    Proust (2013, S. 225) drückt es so aus: “[W]hat you control is not: the outcome of the operation of remembering (say, the fact that Jane’s daughter is called ‘Mary’), but the disposition to retrieve an item from memory.”

  18. 18.

    Nur weil ein willentliches Tun notwendigerweise durch kobewusste oder bewusste Handlungsabsichten bestimmt wird, heißt das nicht, dass der Mensch deshalb unfrei sei. Sich seine Handlungsabsichten selbst zu bestimmen, macht die Freiheit des Menschen aus. In diesem Sinne ist der Mensch nicht im Wollen frei, sondern im Denken und kann sich durch das freie Denken seine Handlungsabsichten für sein Wollen selbst bestimmen.

  19. 19.

    Schon Volkelt (1918, S. 156 f.) erkannte, dass im Denken Abhängigkeiten und erlebte Zusammenhänge unmittelbar gegeben sind:

    Etwas anders liegt die Sache auf dem Gebiet der sogenannten inneren Erfahrung. Hier wird an gewissen Stellen meines Bewusstseinsverlaufes Abhängigkeit in der Tat unmittelbar erlebt. Ich fühle mich als tätig, als frei tätig, als schöpferisch. Ich weiß mich als Akte hervorbringend, als meinen Bewusstseinsverlauf leitend, als mein Wollen bestimmend, als meine Gedanken ordnend. Und zweifellos sind diese Erlebnisse für die Ausgestaltung der Psychologie, der Ethik, der Metaphysik nicht nur wichtig, sondern geradezu entscheidend. Im Wollen und Denken schaffe ich Abhängigkeiten, und, schaffend, erlebe ich sie. Jeder Entschluss ist ein Akt, den ich als in Abhängigkeit von mir stehend erlebe. Und ebenso erlebe ich im Denken das Abhängigsein der Denkakte voneinander.

  20. 20.

    Dadurch, dass sich die phänomenale Erfahrung der Denktätigkeit vorerst als unbestimmte Sense-of-effort-Erfahrung darstellt, ist es verständlich, dass beispielsweise Gallagher (2012) und Shepherd (2017) die Ansicht vertreten, dass der SoA eine holistische Erfahrung darstellt, in welche mehrere Erfahrungskomponenten zusammenfallen. In diesem Sinne kann der sense of effort als holistischere und unbestimmtere Erfahrung angesehen werden, die sich aber bei genauerer Betrachtung in feinere phänomenale Erfahrungen auskristallisiert.

  21. 21.

    “When we have a mental state self-consciously, there is a subtle awareness of self implicit in that state, whereby we are aware of ourselves as its owners” (Kriegel, 2003, S. 104).

  22. 22.

    Befürworter einer eigenständigen (proprietary) kognitiven Phänomenalität sind zum Beispiel Horgan und Tienson (2002), Horgan (2011), Kriegel (2011, 2015), Pitt (2004, 2011) und Siewert (1998, 2011).

  23. 23.

    Gegner einer kognitiven Phänomenalität sind zum Beispiel Braddon-Mitchell und Jackson (2007), P. Carruthers (2005), P. Carruthers und Veillet (2011), Robinson (2005), Tye (1995) und Tye und Wright (2011).

  24. 24.

    Diesen Sachverhalt stellte schon Külpe (1922, S. 313) damals fest, indem er schrieb:

    Sie alle [die psychischen Akte] entbehrten des anschaulichen Charakters der Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle, obwohl sie von solchen begleitet sein konnten. Und es ist bezeichnend für die Hilflosigkeit der früheren Psychologie, daß sie diese Akte durch solche Begleiterscheinungen definieren zu können glaubte. So betrachtete sie die Aufmerksamkeit als eine Gruppe von Spannungs- oder Muskelempfindungen, weil die sogenannte gespannte Aufmerksamkeit solche Empfindungen auftreten ließ. Ebenso wurde das Wollen in Bewegungsvorstellungen aufgelöst, weil diese einer äußeren Willenshandlung vorauszugehen pflegten. Diesen Konstruktionen, deren Künstlichkeit sofort einleuchten sollte, war der Boden entzogen, sobald man die Existenz besonderer psychischer Akte eingesehen und damit die Empfindungen und Vorstellungen ihrer Alleinherrschaft im Bewußtsein beraubt hatte.

  25. 25.

    Was sicher gezeigt werden konnte, ist, dass die Denktätigkeit erlebt wird und dass sie sich in verschiedene phänomenal unterscheidbare feine Denkerfahrungen differenzieren lässt. Dagegen ist das Ergebnis, dass die Denktätigkeit auf dem Gebrauchen von mentalen Kräften beruht, mit Vorsicht zu genießen. Diese Aussage bezieht sich ausschließlich auf die phänomenale Ebene, so wurde es von den VPn erlebt und beschrieben. Damit soll aber nichts über eine wirkliche Existenz dieser mentalen Kräfte ausgesagt werden. Dies könnte zum Beispiel Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

  26. 26.

    So stellt zum Beispiel Jorba Grau (2013, S. 44) fest: “It should be noted that experiments in cognitive phenomenology are almost non-existent, probably due to the novelty of the topic and to the focus consciousness studies have placed on sensory and perceptual experiences.”

  27. 27.

    Tabelle 5.1 dient nicht dazu, das zuvor Erörterte zu betonen oder als eine zusätzliche wissenschaftliche Rechtfertigung des Vorhergesagten zu fungieren. Vielmehr wollte der Verfasser am Ende dieser Arbeit eine Ergänzung im künstlerischen (und poetischen) Sinne hinzufügen, in der charakteristische phänomenale Beschreibungen der Denktätigkeit präsentiert werden. Sie soll also als etwas Zusätzliches und Nebensächliches betrachtet werden, was man sich einfach nur zu Gemüte führen darf.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Jonas Raggatz .

5.1 Elektronisches Zusatzmaterial

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2024 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Raggatz, J. (2024). Diskussion: Kognitive Phänomenologie und erstpersonales Erleben. In: Introspektive Untersuchung der Denktätigkeit. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-69120-5_5

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-69120-5_5

  • Published:

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-662-69119-9

  • Online ISBN: 978-3-662-69120-5

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics