FormalPara Zusammenfassung

Exogene Schocks stellen auch die deutschen Krankenhäuser vor immense Herausforderungen. Eine angekündigte Reform des Finanzierungssystems auf Bundesebene in Kombination mit angestoßenen Prozessen der Krankenhausplanung in einzelnen Bundesländern stellen komplexe Rahmenbedingungen für eine Neustrukturierung der Krankenhäuser dar. In diesem Beitrag wird anhand des 8-Stufen-Modells nach Kotter aufgezeigt, wie ausgewählte endogene und exogene Faktoren Einfluss auf Veränderungsprozesse nehmen können. Ferner wird anhand eines abstrakten Praxisbeispiels beleuchtet, welche Schritte in der Praxis unternommen werden können, um Veränderungsprozesse strukturiert voranzubringen.

Exogenous shocks present German hospitals with immense challenges. An announced reform of the financing system at federal level, in combination with initiated hospital planning processes in individual federal states, represent complex framework conditions for hospital restructuring. Using Kotter’s 8-stage model, this article shows how selected endogenous and exogenous factors can influence changing processes. Furthermore, an abstract example illustrates which steps can be taken in practice to advance change processes in a structured manner.

1 Einleitung

Aktuelle globale Konflikte wie die Kriege in der Ukraine und Israel, weitere kriegerische Auseinandersetzungen und terroristische Bedrohungslagen wie auch die durch den SARS-CoV-2-Erreger hervorgerufene weltweite Pandemie beeinflussen die weltwirtschaftlichen Beziehungen. Die Folgen sind vielfach abgebrochene oder unterbrochene vernetzte Lieferketten, wie auch in Teilen ein Rückgang der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Staaten (OECD 2020a, 2020b). Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland lag das Wirtschaftswachstum (Bruttoinlandsprodukt, kurz: BIP) für den Zeitraum 2018 bis 2022 bei durchschnittlich 0,56 %.Footnote 1 Ein besonderer Einschnitt war das Jahr 2020, in welchem die Pandemie Deutschland erreichte, mit einem negativen BIP von \({-}\)3,7 % (Destatis 2023a). Gleichzeitig stieg der Verbraucherpreisindex zum Basismonat Januar 2020 bis November 2023 um 17,5 % Punkte. Auch die Inflationsraten verzeichneten für das Jahr 2022 einen Anstieg um \(+\)6,9 % und für das Jahr 2023 um ca. \(+\)5,9 % (Destatis 2023b). Setzt man die Tariflohnentwicklung zu diesen zuvor benannten Entwicklungen ins Verhältnis, wird deutlich, dass beginnend ab 2020 der Reallohnindex im Durchschnitt abnahm (Destatis 2023c). Dies führt dazu, dass trotz steigender Löhne die Menschen in Deutschland weniger Kaufkraft haben als in den Jahren zuvor. Durch diese exogenen Schocks hat sich das Verhalten der Bevölkerung an die sich neu herausbildenden Bedingungen angepasst – über Jahre oder Jahrzehnte tradierte Prozesse respektive Verhaltensweisen werden geändert. Die Veränderung betrifft Einzelpersonen wie auch Unternehmen.

In diesem Zeitraum kündigte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach an, ein neues System zur Finanzierung der Krankenhausbetriebskosten einzuführen. Das bisherige DRG-System als Finanzierungssystem der Krankenhausbetriebskosten soll grundlegend verändert werden (Lauterbach 2023a). Ebenso soll nicht nur das Finanzierungssystem verändert werden, sondern auch die Struktur der deutschen Krankenhäuser. Nach Aussagen des Bundesgesundheitsministers sollen zukünftig weniger Krankenhausstandorte die Bevölkerung mit stationären Leistungen versorgen (Hontschik 2023).

Diese und eine Vielzahl von weiteren Faktoren werden und sind bereits Auslöser für Veränderungsprozesse. Es wird demnach zukünftig zu nachhaltigen Veränderungen und Restrukturierungsprozessen innerhalb des deutschen Krankenhauswesens kommen.

Dieser Beitrag setzt sich mit der Fragestellung auseinander, welche wesentlichen Faktoren als Auslöser für eine Neuausrichtung der Krankenhäuser herangezogen werden können. Ebenso sollen Argumente angeführt werden, welche Herausforderungen bei der operativen Neuausrichtung eines Krankenhauses gegebenenfalls zu bewältigen sind. Damit soll auf mögliche Umsetzungshürden hingewiesen und es sollen Ansätze skizziert werden, wie die „Umsetzungshürden“ vielleicht bereits vor ihrer Entstehung gelöst oder überwunden werden können.

2 Ausgewählte Faktoren einer Neustrukturierung

2.1 Klassifikation von Faktoren

Die Gründe für eine Neustrukturierung, Anpassung oder Veränderung in einem Krankenhaus können vielfältig sein. Im Folgenden wird zwischen exogenen und endogenen Faktoren unterschieden. Als exogene Faktoren werden Auslöser bezeichnet, die ihren Ursprung in der Sphäre außerhalb des eigenen Unternehmens haben. Beispielsweise können sich verändernde gesetzliche oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen Wirkungen entfalten, die eine Anpassung des Krankenhauses an die geänderten oder sich in Änderung befindlichen Rahmenbedingungen notwendig machen oder logisch erscheinen lassen. Unter endogenen Faktoren werden Auslöser verstanden, die ihren Ursprung innerhalb des Unternehmens Krankenhaus haben. Personelle Wechsel oder die Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses können Veränderungsprozesse innerhalb eines Krankenhauses auslösen. In der Praxis kommt es vor, dass sich exogene und endogene Faktoren nicht immer einwandfrei voneinander trennen lassen. Je nach Blickwinkel und Perspektive, aus der die Faktoren betrachtet werden, können die Zuordnungen verschwimmen oder sich verändern.

2.2 Gesellschaftliche Veränderungen und politische Rahmenbedingungen als Auslöser

Veränderungen von gesellschaftlichen Werten, Einstellungen oder dem Verhalten der Bevölkerung können Auslöser, Treiber oder Anreize für Anpassungsprozesse in der deutschen Krankenhauslandschaft sein. Beobachtbar sind diese Veränderungen insbesondere im Vergleich der Jahre vor, während und nach der Pandemie.Footnote 2 Vor der Pandemie wurden in deutschen Krankenhäusern ca. 19,4 Mio. stationäre Krankenhausfälle behandelt (Destatis 2023d). Die Amplitude der stationären Fälle war in den Vorpandemie-Jahren gering ausgeprägt.Footnote 3 Die Konsequenz daraus ist, dass sich das System stabil entwickelt. Abrupte Sprünge, die eine kurzfristige Anpassung erfordern, sind in dem Betrachtungszeitraum der vergangenen zehn Jahren nicht aufgetreten. Die Pandemie und damit verbundene politische Interventionen in den Gesundheitsmarkt gekoppelt mit gesellschaftlichen Verhaltensänderungen haben dazu geführt, dass die Zahl der stationären Krankenhausfälle im Jahr 2022 in Deutschland auf 16,8 Mio. FälleFootnote 4 gesunken ist. Im Jahr 2023 stagniert die stationäre Fallzahl bzw. steigt langsam an. Allerdings wird der Wert voraussichtlich weit unter der Fallzahl von 19,4 Mio. Fällen im Jahr 2019 zurückbleiben. Dieser gesellschaftliche Wandel wirkt auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Bevölkerung in Bezug auf Krankenhausleistungen. Durch die Pandemie wurde die Kontinuität der Entwicklung unterbrochen – in kurzer Zeitabfolge sind folglich Veränderungs- und Anpassungsprozesse in den Krankenhäusern von außen angestoßen worden. Krankenhäuser werden damit indirekt aufgefordert, sich mit den veränderten Präferenzen und dem dadurch verbundenen Wettbewerbsdruck neu zu strukturieren, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben und stationäre Gesundheitsleistungen anbieten zu können. Dies erfordert eine Innovationskraft von Krankenhäusern, um auf Änderungen reagieren zu können. Eine Möglichkeit der Reaktion könnte die Implementierung neuer medizinischer Verfahren oder die Einführung von digitalen Lösungen sein. Auch die Marktkommunikation ist zu beachten, um das neu zu strukturierende Gesundheitsnetzwerk mit den vor- und nachgelagerten medizinischen Leistungserbringern abzustimmen und die Bevölkerung – wie auch die eigenen Mitarbeitenden – darüber zu informieren. Die extern angestoßene Neustrukturierung in einem kurzen Zeitfenster kann dazu führen, dass die bisherige interne Unternehmenskultur anzupassen ist. In diesem Bereich geht es darum, die Werte der Mitarbeitenden mit den veränderten gesellschaftlichen Normen in Einklang zu bringen. Gleichzeitig wirken Mitarbeitende ebenfalls direkt auf das Krankenhaus ein, da gesellschaftliche Veränderungen sich auch auf die in Krankenhäusern angestellten Menschen auswirken. Flexible Arbeitszeitmodelle, das Ausschöpfen von Optionen, die ein Arbeitnehmermarkt für Fachkräfte im Krankenhauswesen bietet, wie auch gesellschaftliche Veränderungen hinsichtlich der Diversität und Nachhaltigkeit erfordern Lösungen und Veränderungsprozesse innerhalb des Krankenhauses.

2.3 Knappheit als Motor der Veränderung

Aktuell scheinen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einen wesentlichen Faktor für Veränderungen und eine Neupositionierung vieler Krankenhäuser innerhalb des deutschen Gesundheitswesens darzustellen. Im Jahr 2023 haben 34 Krankenhausstandorte (Stand: 11. Oktober 2023; Ärzteblatt 2023) Insolvenz respektive eigenverwalte Insolvenz beantragt (Gaß 2023). Diese hohe Anzahl an Insolvenzen könnte ein Indiz sein, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Neuordnung herbeiführen. Zu beachten ist hierbei, dass eine Neuordnung der Krankenhauslandschaft über Insolvenzen wahrscheinlich weitestgehend ungesteuert und somit nicht geplant verläuft (Kaspras 2019, S. 101). Diese ungesteuerten Marktaustritte von insolventen Krankenhäusern könnten wiederum anderen politisch und gesellschaftlich gewünschten Zielen wie einer flächendeckenden wohnortnahen Erreichbarkeit von Krankenhäusern zuwiderlaufen (MDR 2024).Footnote 5 Es sollte darauf geachtet werden, dass ein ungesteuerter Prozess vermieden und durch einen bewusst gesteuerten Prozess ersetzt wird, um Fehlentwicklungen vorzeitig zu vermeiden. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen je nach Blickrichtung einen exogenen wie auch endogenen Treiber dar. Ausgelöst durch die Corona-Pandemie geriet auch die bisherige Struktur des Krankenhauswesens und damit auch die Refinanzierung der Krankenhäuser komplett aus den Fugen. Quasi „über Nacht“ kam es zu einem Aufnahmestopp und zu einer Neuausrichtung der medizinischen Infrastruktur auf die Bekämpfung der Pandemie. Der damalige Bundesgesundheitsminister Spahn hatte im März 2020 alle deutschen Krankenhäuser hierzu aufgefordert (BMG 2020). Dies führte dazu, dass das DRG-System, welches dafür ausgelegt ist, erbrachte Leistungen zu vergüten und für diese Form der Freihaltung nicht vorgesehen war, ausgesetzt wurde. Um den wirtschaftlichen Kollaps des deutschen Krankenhaussystems zu verhindern, wurden in den Jahren 2020 bis 2022 die bisher gültigen Finanzierungsregeln in Teilen durch Corona-Sonderprämien und weitere Sonderzahlungen ergänzt (Mostert et al. 2021). Dieser Schritt erschien notwendig, weil stationäre Krankenhauskapazitäten bewusst freigehalten wurden, um einer potenziellen Überlastung des Gesundheitswesens aufgrund erhöhter Patientenzahlen durch SARS-CoV-2 im Vorfeld zu begegnen. Damit wurden Veränderungen innerhalb des Krankenhauses ausgelöst, wie auch die zuvor beschriebenen gesellschaftlichen Veränderungen. Die Auswirkungen dieses Eingriffs können in Abb. 9.1 anhand der deutlich veränderten stationären Behandlungszahlen eindeutig identifiziert werden.

Abb. 9.1
figure 1

Krankenhausfallzahl in Millionen. (Datenbasis: Destatis 2023d)

Zu beachten ist, dass die Corona-Pandemie wahrscheinlich den bisher schleichenden Prozess des Fallzahlrückgangs beschleunigt und das Niveau der Krankenhausfallzahlen nachhaltig gesenkt hat. Allerdings gibt es neben der Pandemie auch weitere Effekte, die dazu beitragen, dass die Fallzahlen im stationären Krankenhaus rückläufig sind. Die weiter voranschreitende Ambulantisierung von stationären Fällen wird auch zukünftig dazu führen, dass vormals stationäre Behandlungen sich zukünftig ambulant erbringen lassen (Roeder und Kasper 2022). Neben dieser Ambulantisierung wird als weiterer Schritt die Einführung der Hybrid-DRGs dazu führen, weitere – vormals stationär erbrachte Leistungen – in den tagesklinischen Bereich zu verlagern. Diese Anpassungen wirken auf das bisherige Finanzierungssystem für Krankenhäuser: Da das DRG-System als Abrechnungssystem für die Krankenhäuser darauf ausgelegt war, die Betriebskosten der Krankenhäuser zu decken, sind zukünftig Anpassungen sowohl extern durch den Gesetzgeber wie auch innerhalb jedes Krankenhauses zu erwarten, um die Wirtschaftlichkeit zukünftig zu gewährleisten. Derzeit wird ein Finanzierungssystem diskutiert, das neben einem Leistungsbezug auch Vorhaltekosten in der Gesamtfinanzierung berücksichtigt (BMG 2023a).

2.4 Fachkräfteverfügbarkeit als Erfolgsfaktor

Als weiterer Faktor, der die Neustrukturierung in Krankenhäusern vorantreibt, ist die Verfügbarkeit von Fachpersonal zu nennen. Bereits zum derzeitigen Zeitpunkt ist ein Fachkräftemangel in Krankenhäusern Realität – es werden mehr Stellen angeboten als Arbeitnehmer am Markt zur Verfügung stehen (PwC 2022). Regionale Besonderheiten können dazu führen, dass Nachfrage und Angebot im Gleichgewicht sind oder in bestimmten Teilen sogar das Angebot von Fachpersonal die Nachfrage zeitweise übersteigt. Diese besonderen Konstellationen sollten nicht über den verbreiteten Fachkräftemangel hinwegtäuschen. Die erhöhte Nachfrage führt zu einem Wettbewerb der Leistungsanbieter um die vorhandenen Fachkräfte (Fuchs und Weyh 2023, S. 44). Dieser Wettbewerb besteht in Teilen nicht nur zwischen Krankenhäusern, sondern diese konkurrieren mit weiteren Leistungsanbietern um Fachkräfte (Ostwald et al. 2010, S. 71).

Nur mit einer ausreichenden Personaldecke können Krankenhäuser eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherstellen. Dazu hat der Gesetzgeber mit unterschiedlichsten Vorschriften einen Rahmen geschaffen und somit extern einen Veränderungsprozess angestoßen. Als Beispiel kann die Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen und die Ausgliederung der Finanzierung der stationären Pflege am Krankenbett aus dem DRG-System benannt werden (Schmedders et al. 2023, S. 219). Der Fachkräftemangel ist nicht nur im Bereich des Krankenhauswesens in den kommenden Jahren immanent, sondern auch in anderen Branchen. Als Grund sind die Renteneintritte der sogenannten Babyboomer-Generation zu nennen. In den kommenden Jahren werden jedes Jahr mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Arbeitsmarkt aufgrund des Renteneintritts verlassen als durch Neueintritt hinzukommen (Fuchs und Weyh 2018, S. 50 ff). Die Babyboomer-Jahrgänge ab 1957 gehen ungefähr ab dem Jahr 2023 in Rente – diese Fachkräfte stehen dem Arbeitsmarkt zukünftig nicht mehr zur Verfügung. Die Jahrgänge 2003 ff. werden ungefähr zu diesem Zeitpunkt in den Arbeitsmarkt eintreten. In der Spitze werden in den folgenden Jahren ca. 1,3 Mio. Erwerbstätige in Rente gehen und ca. 0,8 Mio. Erwerbstätige in den Arbeitsmarkt eintreten (Abb. 9.2).

Abb. 9.2
figure 2

Fachkräftepotenzial. Die Prognose für die Jahre 2023 ff. geht von einer konstanten Entwicklung auf dem Niveau von ca. 0,8 Mio. Lebendgeborenen aus. (Datenbasis: Destatis 2023e)

Veränderungsprozesse im Krankenhausbereich sind eingeleitet und werden auch in der Zukunft höchste Relevanz entwickeln, um beim Werben um Fachkräfte als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden (Oswald et al. 2023, S. 92). Attraktive Arbeitgeber haben somit die Möglichkeit, qualifiziertes Fachpersonal zu gewinnen und zu binden. Eine Zusammensetzung aus mehreren Elementen wie die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung, ein Personalmanagement zur Steuerung der Arbeitsbelastung, Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften usw. kann dazu beitragen, dass der Fachkräftemangel für einzelne Krankenhäuser gebremst werden kann. Generell wird die Fachkräfteverfügbarkeit jedoch eine Neuausrichtung der Ressourcen zur Folge haben.

3 Herausforderungen der operativen Umsetzung einer Neustrukturierung für ein Krankenhaus

Für eine erfolgreiche Veränderung braucht es nach J. P. Kotter acht Schritte (Kotter 2011, S. 15 ff). Zunächst muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass eine Veränderung dringend herbeizuführen ist. Anschließend sollte eine Koalition von Verantwortlichen, die veränderungsbereit sind, gebildet werden. Darauf folgt die Entwicklung einer Vision und einer Strategie zur Zielerreichung. Die Zukunftsvision zu kommunizieren und bekannt zu machen ist der nächste Schritt. Mögliche Handlungsbarrieren abzubauen sowie danach kurzfristige Erfolge herbeizuführen sind die Schritte fünf und sechs. Die erzielten Veränderungen konsequent weiter auszubauen folgt in Schritt sieben. Der letzte Schritt ist, „das Neue“ fest im Unternehmen zu verankern (Abb. 9.3). In der theoretischen Herleitung lesen sich diese oder auch weitere Herangehensweisen logisch und konsistent. Doch in der Praxis stellen sich Veränderungsprozesse häufig als komplex heraus und nach einer Studie von McKinsey aus dem Jahr 2017 scheitern sie in der überwiegenden Anzahl (Boer et al. 2019, S. 61). Die Besonderheit bei einer Neustrukturierung eines Krankenhauses ist die zu bewältigende Komplexität der Unternehmensstruktur, verbunden mit einer in vielen Krankenhäusern über Jahrzehnte gelebten und gewachsenen Tradition sowie Hierarchiestruktur. Weiterhin muss beachtet werden, dass der Krankenhausmarkt in Deutschland ein regulierter Markt ist (Bode 2021, S. 7–14; Knieps 2020, S. 317–334). Dies hat zur Konsequenz, dass bestimmte Herangehensweisen, wie sie in freien, unregulierten Märkten möglich sind, nicht respektive nur eingeschränkt für den Krankenhausmarkt angewendet werden können. Nachfolgend werden die im vorherigen Abschnitt dargestellten ausgewählten Auslöser, die eine Neuausrichtung von Krankenhäusern anstoßen, beeinflussen oder notwendig machen, in Bezug auf die operative Umsetzung in Krankenhäusern bewertet. Dabei wird dargestellt, wie Faktoren miteinander verknüpft und je nach Situation des jeweiligen Krankenhauses argumentativ anders einzusetzen sind.Footnote 6

Abb. 9.3
figure 3

Die acht Schritte zur Veränderung nach Kotter. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Kotter 2011)

3.1 Dringlichkeit schaffen – der Aufbau einer Führungskoalition

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ ist ein Zitat, das Carl Joseph Anton Mittermaier zugeschrieben wird. Eine Veränderung oder Entwicklung ist folglich eine der wichtigsten Grundlagen, um auch weiterhin aktiv die Neuausrichtung mitzugestalten und einen Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten. Aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen, die – wahrscheinlich durch die Pandemie stark beschleunigt – die deutschen Krankenhäuser treffen, indem die stationären Fallzahlen abrupt auf ein deutlich tieferes Niveau gefallen sind, wird deutlich, dass hier eine Neuausrichtung der Krankenhäuser angezeigt sein könnte. Die Auslastung der Ressource Krankenhausbett zeigt, dass aktuell nicht mehr das Niveau der Jahre vor 2020 erreicht wird (siehe Abschn. 9.2). Dies könnte auf Verschwendung hinweisen, wenn Ressourcen vorgehalten würden, die nicht in Anspruch genommen respektive zukünftig nicht benötigt werden. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet könnte es aber auch sein, dass die Betten zwar in den Feststellungsbescheiden als Kapazitäten ausgewiesen sind, diese allerdings tatsächlich nicht betrieben werden oder zeitweise aus unterschiedlichen Gründen nicht betrieben werden können. Die übrigen Ressourcen wie beispielsweise Personal könnten bereits an die real benötigte Bettenzahl angepasst worden sein; somit läge keine Verschwendung vor. Möglich ist auch, dass das Personal zwar im Krankenhaus vorhanden ist, die Bettenkapazitäten jedoch aufgrund von Abwesenheiten (Erkrankung, Urlaub, Aus- und Weiterbildung etc.) angepasst wurden. Auch eine Anpassung der verfügbaren Bettenzahl aufgrund gesetzlicher personeller Mindestvorgaben wie bspw. Pflegepersonaluntergrenzen wäre denkbar. Ebenso könnte eine Mischung verschiedener Aspekte zu einer geringeren Bettenauslastung führen, etwa wenn die Nachfrage nach medizinischen Leistungen zwar gegeben ist, aber die zur Verfügung stehenden Ressourcen zu diesem Zeitpunkt bereits ausgelastet sind.

Durch die Bundes- und/oder Landespolitik können die Rahmenbedingungen so beeinflusst werden, dass eine Neuausrichtung des Gesundheitswesens angestoßen wird.Footnote 7 Mit Blick auf die Ankündigung, eines neuen Krankenhausfinanzierungssystems durch Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach wird eine Neuausrichtung von Krankenhäusern ausgelöst. Mit Blick auf den theoretischen Hintergrund von Kotter (2011), wonach eine Koalition von Verantwortlichen zu bilden ist, um einen Veränderungsprozess anzustoßen, erscheint manch politisch initiierte Aktion von dieser strukturierten Vorgehensweise abzuweichen. Einen anderen Ansatz wählte NRW-Landesgesundheitsminister Laumann. Der Prozess der Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen erinnert in vielen Schritten an die Struktur von Kotter. Minister Laumann machte darauf aufmerksam, dass die Krankenhausplanung in NRW dringend auf eine neue Grundlage zu stellen sei. Dazu beauftragte er ein Gutachten (Lohfert & Lohfert 2019) und veröffentlichte die Ergebnisse. Anschließend wurden viele verschiedene AkteureFootnote 8 beteiligt, um an einer Umsetzung der Krankenhausplanung für NRW zu arbeiten. Die Quintessenz ist: Weg von der Planungsgröße „Bett“ hin zu der Planung nach medizinischen Leistungsbereichen und Leistungsgruppen. Diese sollen mit zu erbringenden Fallzahlen für jeden Krankenhausstandort in NRW verbunden und im Feststellungsbescheid vereinbart werden.

Sowohl die gesellschaftlichen Veränderungen wie auch neue gesetzliche Rahmenbedingungen können Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern haben. Dabei darf unterstellt werden, dass nahezu alle Krankenhäuser in Deutschland auf Dauer angelegt sind und somit eine intrinsische Motivation besitzen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Die Dringlichkeit einer Neuausrichtung für Krankenhäuser kann sich an den wirtschaftlichen Ergebnissen ablesen lassen. Der Rahmen wird durch die duale Finanzierung vorgegeben: Für die Krankenhausbetriebskosten ist der Bund verantwortlich und für die Investitionen sind die Länder zuständig (BMG 2023b). Es scheint, dass das aktuelle DRG-System zur Finanzierung der Krankenhausbetriebskosten die Realität nur noch bedingt abbildet. Seit Einführung des DRG-Systems in Deutschland im Jahr 2003 lag die jährliche Inflation in einem Korridor von 0,3 bis 2,6 % und im Durchschnitt bei 1,4 % (Finanz-tools.de 2023). Die Steigerungsraten der Jahre 2021 mit 3,1 %, 2022 mit 6,9 % und 2023 mit voraussichtlich 5,9 % sind deutliche Ausreißer aus der bisherigen Systematik. Da das DRG-System einen Zeitverzug in der Reaktion auf Preisanpassungen hat, wirken sich die jährlichen inflationsbedingten Kostensteigerungen systembedingt erst in den Folgejahren erlöserhöhend aus. Dies kann von den Krankenhäusern in Kombination mit weiteren Effekten wie Tarifkostensteigerungen nur im begrenzten Umfang kompensiert werden. Die Folge sind dabei unkontrollierte Marktaustritte aufgrund von Insolvenzen (siehe Abschn. 9.2). Bringt man dies zusammen mit der gesunkenen Fallzahl, dürfte sich die wirtschaftliche Situation vieler Krankenhäuser weiter verschärfen. Die Einführung eines neuen Krankenhausfinanzierungssystems könnte hier korrigierend wirken und die derzeitigen Schwächen des Systems verbessern. Auch die Krankenhausplanung kann zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation im Bereich der Krankenhäuser beitragen. Zu beachten ist, dass jede Überführung in und Anpassung auf ein neues System mit Kosten verbunden sein wird. Kosten entstehen den Krankenhäusern sowohl für den Auf- oder Umbau von Bereichen, in denen zukünftig medizinisch spezialisierte Leistungen konzentriert werden, als auch in den Bereichen, die abgebaut oder transformiert werden müssen. Etwa dort, wo vormals medizinische Leistungen eines Leistungsbereichs oder einer Leistungsgruppe erbracht wurden, die zukünftig an spezialisierten Krankenhäusern konzentriert werden. Für diese Bereiche sollte ebenfalls ein Budget für die Transformation in eine neuangepasste Zukunft zur Verfügung stehen. NRW hat in einem ersten Schritt einen Betrag in Höhe von 2,5 Mrd. € für die kommenden fünf Jahre in den Landeshaushalt eingestellt (MAGS 2023).

Ein weiterer wesentlicher Faktor, der eine Neuausrichtung in Krankenhäusern begründet, ist der Mangel an Fachkräften. Das wachsende Defizit durch mehr Austritte aus dem Erwerbsleben als Eintritte in den Arbeitsmarkt wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen und weiter verschärfen (siehe hierzu Abschn. 9.2). Somit ist es voraussichtlich nicht möglich, ausscheidende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch dieselbe Anzahl an neu gewonnenen Arbeitnehmern für die bisherige Krankenhauslandschaft zu ersetzenFootnote 9 – unter der Annahme, dass zunächst alle Krankenhäuser weiterhin am Markt bestehen bleiben. Als Lösungsoptionen könnten diskutiert werden:

  • Die Rekrutierung von ausländischen Fachkräften, auch mit den Varianten, die Rekrutierungsbemühungen auf Auszubildende und Praktikanten zu erweitern.

  • Die Aus-, Weiter- und Fortbildung des vorhandenen Personals zur Steigerung der Arbeitgeberbindung und zur Erweiterung und Flexibilisierung von Einsatzfeldern, soweit dies vom Arbeitnehmer gewünscht wird.

  • Die Intensivierung der Zusammenarbeit mit Schulen, Hochschulen und weiteren Bildungseinrichtungen kann einen Vorteil bei der Gewinnung und Bindung von Personal bieten.

  • Flexible Arbeitszeitmodelle, die auf die jeweiligen Lebensabschnitte angepasst sind, können ebenfalls zur Arbeitgeberattraktivität beitragen.

  • Die Option, Rentner weiter zu beschäftigen, ist durch den Gesetzgeber seit dem 01.01.2023 nochmals attraktiver gestaltet worden.

Dies macht deutlich, dass der Fachkräftemangel ein bundesweites Thema ist und unterschiedlichste Herangehensweisen gewählt werden, um dies zu lösen. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz oder robotergestützten Helfern kann in Teilen ebenfalls als Option betrachtet werden. Sollten Krankenhäuser aus dem Markt austreten, könnte sich dadurch für die verbleibenden Marktakteure die Möglichkeit bieten, Personal zu gewinnen. Zu beachten ist hier, dass es für die Arbeitnehmer auch andere Optionen als die Weiterbeschäftigung in einem Krankenhaus gibt. Ferner sollten mögliche regionale Distanzen beachtet werden. So ist die Situation bei dem Marktaustritt eines Krankenhauses in einer Metropolregion mit verbleibenden Krankenhäusern in der Nähe anders als bei einem schließenden Krankenhaus im ländlichen Raum. Sollten in der Zukunft nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, so kann dies die Folge haben, dass Leistungen zeitweise oder ganz eingeschränkt werden. Die Dringlichkeit der Neuausrichtung auch unter dem Gesichtspunkt der Fachkräfteverfügbarkeit ist somit gegeben.

Die Komplexität und die Wirkungszusammenhänge wurden vorausgehend an ausgewählten Faktoren dargestellt. Zur Neuausrichtung eines Krankenhauses oder eines Krankenhausverbundes ist nach Kotter den Kreis der Verantwortlichen so zu gestalten, dass dieser die Autorität, das Wissen und die Vielfalt besitzt, den Veränderungsprozess aktiv zu gestalten. Die Zusammensetzung der Führungskoalition sollte strategisch ausgewogen sein. Es sollte eine Vielfalt an Akteuren in Bezug auf Funktion, Hierarchie und Berufsgruppe gegeben sein. Ferner sollte der Einbezug von Betriebsräten oder Mitarbeitervertretungen geprüft werden. Eine Rückkoppelung mit entsprechenden Gremien innerhalb des Unternehmens sollte ebenfalls in diesem Schritt verankert werden.

3.2 Vision und Strategie entwickeln und kommunizieren

Der dritte Schritt nach Kotter (2011) beinhaltet die Entwicklung einer Vision und Strategie. Diese Entwicklung ist bezogen auf jeden Krankenhausstandort hoch individuell, sodass an dieser Stelle ein Ausschnitt an möglichen Ableitungen skizziert wird. Die in Abschn. 9.2 benannten Faktoren stellen auch bei diesem Schritt die Leitgedanken dar.Footnote 10

Ausgehend von den Veränderungen durch die Corona-Pandemie könnte eine krisensichere Gesundheitsversorgung eine zukünftige Vision zur Entwicklung des Krankenhausstandortes sein (SVR 2023, S. 27 ff.). Hierbei könnte die Sicherung der Gesundheitsversorgung für ein bestimmtes Einzugsgebiet und gleichzeitig die Gewährleistung von Sicherheit für die zu behandelnden Patientinnen und Patienten und Mitarbeitenden zu einem Wettbewerbsvorteil in der Versorgung und als Arbeitgeber führen. Gleichzeitig hat die Pandemie gezeigt, wie flexibel anpassbar auf neue Herausforderungen Krankenhausstrukturen und Prozesse sein sollten. Die Prozesse sind demnach entsprechend zu gestalten. Die Digitalisierung, die ebenfalls pandemiebedingt in deutschen Krankenhäusern weiter vorangetrieben wurde, könnte als ergänzender Baustein zur Flexibilität und Neuausrichtung eines Krankenhauses beitragen. Neben der verstärkten Nutzung von telemedizinischen Konsultationen oder digitalen Lösungen für Patienten oder Besucherinnen und Besucher wurden digitale Formen auch bei der Ausbildung eingesetzt. Flexible Arbeitsmodelle, die für bestimmte Arbeiten Homeoffice ermöglichen, könnten Teil einer neuanzupassenden Krankenhausvision sein. Beides kann dazu führen, Fachkräfte auch zukünftig an den Krankenhausstandort zu binden und zu gewinnen. Ein Fokus ist auch auf die Förderung der Mitarbeitergesundheit oder der Belastungssteuerung am Arbeitsplatz zu richten. In der Pandemie wurde ebenfalls deutlich, wie stark das interdisziplinäre Arbeiten in und zwischen Krankenhäusern und innerhalb des Gesundheitsversorgungsnetzwerkes zur Sicherung und Versorgung der Bevölkerung ist. Ein Krankenhausstandort könnte somit auf ein differenziertes Versorgungssystem abzielen, in dem der Patient interdisziplinär betrachtet wird, um auf komplexe Gesundheitsprobleme effizient reagieren zu können. Auch könnte die Vision beinhalten, sich verstärkt auf dem Gebiet der Forschung zu engagieren. Dadurch könnten spezielle Krankenhausstandorte den Rahmen für schnelle Innovationen in der medizinischen Forschung schaffen und somit als Garant für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung dienen. Die Pandemie könnte auch verdeutlicht haben, wie wichtig ein dezentrales Gesundheitsnetzwerk aus Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen und weiteren Gesundheitsdienstleistern ist. Allerdings deuten aktuelle politische Äußerungen an, dass zukünftig ein stärker zentralisiertes Krankenhaussystem in Deutschland die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen soll. Dies könnte aus dem Papier Nummer drei der Regierungskommission abgeleitet werden (Regierungskommission 2022). Nach diesem sollen Krankenhäuser in bestimmte Level eingeteilt werden. Diese Level sollen dann zur Erbringung von bestimmten medizinischen Leistungen befähigen. Diese und weitere politische Rahmenbedingungen sollten Eingang in eine Vision und Strategie zur Neuausrichtung eines Krankenhausstandortes finden.

Die Vision und die dazu notwendige Strategie sollten klar formuliert werden, um eine zielgerichtete Kommunikation an alle Mitarbeitenden zu ermöglichen. Zur Sicherung einer erfolgreichen Neuausrichtung ist es wesentlich, dass alle Mitarbeitenden ein Verständnis von der Vision erlangen. Dies fördert das Engagement der Arbeitnehmer, die Veränderung aktiv mit zu unterstützen.

3.3 Veränderungen institutionalisieren und kulturell verankern

Die Schritte fünf bis acht umfassen zum einen den Abbau von Handlungsbarrieren, das Herbeiführen von kurzfristigen Erfolgen, die erzielten Veränderungen weiter voranzutreiben und die Veränderungen im Unternehmen zu verankern. Je nach Ausprägung der individualisierten Krankenhausvision sollten Handlungsbarrieren identifiziert werden. Die Barrieren können dabei exogen wie auch endogen sein. Beispielsweise hat die lokale Politik möglicherweise eine andere Vorstellung von der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in ihrer Region, als dies auf Landes- oder Bundesebene beurteilt wird. Praktisch könnte die lokale Politik sehr darauf bedacht sein, weiterhin ein Krankenhaus mit einem differenzierten medizinischen Leistungsspektrum zur Erbringung von stationären Gesundheitsleistungen vorzuhalten. Im Rahmen der landespolitischen Krankenhausplanung könnte der Entschluss gefasst werden, das lokale Krankenhaus auf bestimmte medizinische Leistungsbereiche und Leistungsgruppen festzulegen, weil die Patientenversorgung weiterhin unter den gesetzten Versorgungskriterien gesichert sein soll. Spezialisierte Leistungsgruppen sollen jedoch zukünftig nicht mehr im Leistungsspektrum dieses Krankenhauses angeboten werden, sondern an einem entfernteren Krankenhausstandort konzentriert werden. Bundespolitisch könnten, obwohl die Krankenhausplanung in der Hoheit der Länder liegt, Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass wohlmöglich das Krankenhaus in diesem fiktiven Beispiel zukünftig nicht mehr an der stationären Patientenversorgung teilnehmen wird. Dadurch können sich Vorhaben, die zwischen unterschiedlichen Akteuren abgestimmt sind, in verschiedene Richtungen entwickeln. Dies könnte zu einem Stillstand oder der Verlangsamung einer Neuausrichtung führen. Handlungsbarrieren können auch innerhalb des Krankenhauses auftreten, indem zum Beispiel von der Neuausrichtung betroffene Leistungsbereiche, die zukünftig eingeschränkt würden, Argumente anführen, die eine Umsetzung erschweren. Beispielsweise könnten durch eine Konzentration auf allgemeine Leistungsgruppen spezialisierte Leistungsgruppen nicht mehr erbracht werden, wodurch die Attraktivität des Krankenhausstandorts für die Weiterbildung von Assistenzärzten oder Fachärzten geschmälert würde. Dies könnte dann negative Folgen und Auswirkungen auf die Nachbesetzung freier oder freiwerdender Stellen haben. Diese oder ähnliche Argumente sollten in diesem Schritt konsequent bearbeitet und überwunden werden. Nur dadurch kann anschließend sichergestellt werden, dass die nachfolgenden Schritte sowie der gesamte Prozess der Neuausrichtung erfolgreich gestaltet werden können.

Im sechsten Schritt geht es um die Realisation von kurzfristigen Gewinnen. Diese Gewinne können beispielsweise sowohl in der Anpassung von Prozessen wie auch in der Optimierung von Kostenstrukturen liegen. Werden durch einen verbesserten Prozess zum Beispiel die vorhandenen Ressourcen von Mitarbeitenden besser genutzt und somit Mitarbeiterkapazitäten effizienter und effektiver in den betrieblichen Prozess eingebunden, kann dies zum einen die Mitarbeitermotivation fördern und zum anderen dazu führen, dass vielleicht vormals bestandene Versorgungsengpässe gelöst werden. Dies könnte wiederum ein Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung weiterer Fachkräfte sein.

Die Schritte sieben und acht beinhalten, die Veränderungen in der Unternehmenskultur zu verankern. Dies ist in der Praxis maßgeblich abhängig von den zuvor gemachten Schritten. Eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung kann dann dauerhaft in der Unternehmenskultur verankert werden, wenn ein entsprechendes Anreizsystem implementiert wird, das kontinuierliche Verbesserung belohnt.

4 Praktische Anwendung aus Sicht eines Krankenhauses

Jedes deutsche Krankenhaus hat eine einzigartige Konstellation. Auch wenn Prozesse in Teilen standardisiert sind, so sind viele Faktoren, die auf ein Krankenhaus wirken, individuell. Dies kann und sollte bei einer unterschiedlichen Herangehensweise oder veränderten Schwerpunktsetzung beachtet werden. Die folgende Beschreibung skizziert einen Weg mit verschiedenen Aspekten, die auch von allgemeiner Relevanz sein könnten. Dabei wird verstärkt auf die derzeitigen landesspezifischen Rahmenbedingungen in NRW in Kombination mit den Einflüssen der Bundesebene eingegangen. Da in näherer Zukunft wesentliche Veränderungen erwartet werden, ist der hier dargestellte Sachverhalt eine Momentaufnahme, die ebenfalls einer Entwicklung unterliegt.

Um die „Dringlichkeit“ herzustellen, ist es im ersten Schritt notwendig, Transparenz über die eigene aktuelle Situation herzustellen. Die Erfassung, Auswertung und Analyse von Zahlen und Daten wurde als ein Baustein zum Erkenntnisgewinn herangezogen. Hierzu wurde ein Fokus auf Leistungs-, Finanz- und Personaldaten gelegt. Der Verlauf der Vergangenheitswerte bis zu den aktuellen IST-Werten liefert dabei Indizien, in welchen Bereichen das Krankenhaus sich wie entwickelt hat. Ein Abgleich zwischen der bestehenden Planung und dem tatsächlich erreichten IST gab Hinweise, ob bestimmte Entwicklungen sich wie prognostiziert ergeben haben oder ob Abweichungen zwischen dem eingetretenen IST und der Planung bestehen. Um die Zahlen und Daten zu plausibilisieren, zu verstehen und zu hinterfragen, wurden Gespräche mit unterschiedlichen Akteuren im Krankenhaus geführt. Die individuelle Gremien- und Kommunikationsstruktur innerhalb der Betriebsstätten wurde berücksichtigt. Relevant ist, dass die Perspektiven und Sichtweisen der unterschiedlichen Dienstgruppen Eingang in die Meinungsbildung zur Erstellung einer Vision und Strategie finden. Ebenfalls wurden in den Gesprächen Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungen ausgetauscht, sodass der Gesprächsfokus sich neben der Zahlenbewertung um weitere Elemente erweiterte. Dass der Austausch in beide Richtungen, also vom Fachexperten zum Krankenhausgeschäftsführer und umgekehrt stattfindet, ist ein wichtiges Zusammenspiel für ein umfassendes Bild der Gesamtsituation. Zum einen sind die Einschätzungen der Fachexperten für ihren jeweiligen Bereich, zum anderen die Einbindung der Krankenhausgeschäftsführung in die Einschätzung der zukünftigen Entwicklung innerhalb der Landes- und Bundesebene sowie die Einordnung in den Gesamtkontext der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen aus den jeweiligen Perspektiven bereichernd für die Bildung einer Strategie. Indem gegenüber den beteiligten Akteuren im Krankenhaus Transparenz hergestellt wurde und sie über die möglicherweise zu erwartenden Rahmenbedingungen informiert wurden, wurde eine Dringlichkeit geschaffen, Veränderungsprozesse zu tragen und zu unterstützen. Schwierigkeiten können besonders deutlich dann zu Tage treten, wenn unter den Führungskräften Uneinigkeiten über die zukünftige Strategie oder Ausrichtung des Krankenhausstandortes besteht. Um diese Unsicherheit in Teilen zu reduzieren, kann – wenn die Möglichkeit besteht – es sich empfehlen, mit einem abgegrenzten Umsetzungstest zu beginnen. Dies bedeutet, dass die acht Phasen von Kotter zunächst für einen abgrenzbaren Teil durchlaufen werden, bevor dies für den gesamten Krankenhausstandort geschieht. Besteht die Gesamtstrategie beispielsweise darin, zwei Krankenhausstandorte zusammenzulegen, ist es denkbar, zwei vormals an zwei Standorten befindliche gleiche Fachabteilungen an einem Standort zu konzentrieren, um Doppelvorhaltungen abzubauen und auf die zukünftig reduzierte Anzahl an Fachkräften aktiv steuernd zu reagieren. Durch dieses Vorgehen kann geprüft werden, ob die gewünschten Effekte eintreten und welche weiteren Aspekte in der Vision und der Gesamtstrategie zu berücksichtigen sind. Treten ungewollte Effekte ein, können diese Erkenntnisse in die Konzeption der Gesamtstrategie eingehen. Die Durchführung einer Testphase muss natürlich beim Zeitplan bedacht werden.

Eine große Anzahl an Mitarbeitenden sollte für die „Koalition“ gewonnen werden. Durch diese breit angelegte Koalition könnte auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Perspektiven zurückgegriffen werden. Argumente oder Einschätzungen, die mehrfach benannt würden, können bestimmte Argumente verstärken und dienen der Fokussierung. Zuvor benannte Themen wie die Reform des DRG-Finanzierungssystems, die Krankenhausplanung der Bundesländer, die zukünftige Fachkräfteverfügbarkeit und die digitale Transformation sollten allesamt in der Strategie berücksichtigt werden. Ebenso wie die angestoßene Ambulantisierung von bisher stationär erbrachten medizinischen Leistungen und auch das veränderte Verhalten der Bevölkerung. Zu beachten ist, dass die Breite der Koalition in einem individuell einzuschätzenden Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen festzulegen ist: Aufwand, der aufgrund der Komplexität durch eine Vielzahl von einbezogenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entsteht und Nutzen, um eine möglichst breite Durchdringung und Akzeptanz in der Organisation zu erlangen.

Als „Vision“ kann formuliert werden, zukünftig als Gesundheitsdienstleister für die Bevölkerung einer bestimmten Region einen wesentlichen Eckpfeiler in der Daseinsvorsorge sicherzustellen. Eine „Strategie“ zur Erreichung der Vision wird dann individuell entwickelt. In diesem Beispiel ist es die Herstellung eines leistungsfähigen Krankenhausstandortes durch Konzentration von vormals zwei Krankenhausstandorten.

Bevor die Vision kommuniziert wird, sollte die inhaltliche Abstimmung in den internen Gremien beachtet werden. Ist auch in den Gremien eine gemeinsame Absprache über die Vision und Strategie erreicht, kann es hilfreich sein, diese Gedanken mit den zuständigen Behörden wie zum Beispiel der Bezirksregierung und dem Ministerium sowie weiteren Verantwortlichen zu teilen. Hierdurch geschieht eine Rückkopplung zwischen der Interpretation der Rahmenbedingungen aus Sicht des Krankenhausträgers und den durch die Behörden angestrebten Strukturen. Im Idealfall besteht eine deckungsgleiche Auffassung, was den Veränderungsprozess unterstützt. Wenn Differenzen bestehen, so können diese besprochen und bewertet werden, was gegebenenfalls zu einer Anpassung der Vision oder Strategie führen kann. Dadurch kann der Krankenhausträger vermeiden, Ressourcen in nicht gewünschte Strukturen zu investieren, beziehungsweise gezielte Unterstützung durch die Bundesländer erhalten.Footnote 11 Gespräche mit Kostenträgern sollten ebenfalls geführt werden, um ein gegenseitiges Verständnis von der zukünftigen Versorgungsstruktur zu erlangen und notwendige Schritte abzustimmen. Je nach Ausgestaltung der Strategie sollten Gespräche mit weiteren Dritten geführt werden. Das könnten beispielsweise auch Banken zur Finanzierung, weitere Krankenhausträger in direkter Nachbarschaft zur Abstimmung von medizinischen Leitungsbereichen oder auch weitere vor- und nachgelagerte Leistungserbringer von Gesundheitsleistungen sein, ebenso wie Rettungsdienste oder Gesundheitsämter, um Schnittstellen ideal aufeinander abzustimmen.Footnote 12 Die Kommunikation der Vision spielt somit eine entscheidende Rolle beim Gelingen eines Veränderungsprozesses. Der internen Kommunikation und Transparenz der Maßnahmen kommt in der Praxis eine sehr hohe Bedeutung zu. Je nach Unternehmenskultur gibt es verschiedene Wege der Kommunikation. Hervorzuheben ist: Je mehr sich die Mitarbeitenden mit den einzelnen Maßnahmen identifizieren, desto besser gelingt der Transfer in die angestrebte neue Struktur. Den Formen und Möglichkeiten sind dabei keine Grenzen gesetzt. Mitarbeiterversammlungen, schriftliche Kommunikation über Entwicklungsstände bis hin zu offenen Fragestunden zwischen Mitarbeitern und Führungskräften wie auch kleine Videos im Inter- oder Intranet dienen dazu, dauerhaft die Transparenz über die Vision und den strategischen Weg in Verbindung mit den erreichten und bevorstehenden Maßnahmen zu erhalten. „Kurzfristige Erfolge“ können dabei ebenso zur Sprache kommen wie Sorgen über die anstehenden Veränderungen. Ist die gewünschte Transformation zum Beispiel im Sinne einer Zusammenführung von zwei vormals getrennten Krankenhausstandorten an einem Standort abgeschlossen, gilt es diesen Zustand dauerhaft in der „Unternehmenskultur zu verankern“.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Die Krankenhausbranche steht vor großen Veränderungen. Externe wie interne Faktoren weisen auf eine grundlegende Neuausrichtung deutscher Krankenhäuser hin. Globale Effekte wirken ebenso auf die Neuausrichtung wie nationale oder regionale Anforderungen. Auch interne Faktoren werden bei einer möglichen Neuausrichtung eines Krankenhausstandortes eine Rolle spielen.

Die Neuausrichtung deutscher Krankenhäuser sollte dabei zwei wesentliche Aspekte umfassen. Zum einen sollte das derzeitige DRG-System zur Finanzierung der Krankenhausbetriebskosten verändert werden. Es hat sich gezeigt, dass das DRG-System die exogenen Schocks nicht adäquat abbilden kann. Die Folge ist eine Vielzahl von einzelnen Eingriffen, die weitere Auswirkungen nach sich ziehen. Ein neues System kann wieder Stabilität und somit Planbarkeit für die Zukunft bewirken. Dabei wird deutlich, dass ein Wechsel des Finanzierungssystems nicht von jetzt auf gleich geschehen kann. Es bedarf einer Übergangsphase, um den Krankenhäusern potenzielle Anpassungsprozesse zeitlich zu ermöglichen. Für diese Übergangsphase wird es wichtig sein, die Transformation der Krankenhausbranche mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Eine Konzentration von Krankenhausstandorten in Deutschland wird monetäre Mittel außerhalb der Betriebskostenfinanzierung benötigen. Neben der Neuausrichtung des Finanzierungssystems ist ebenfalls wichtig, eine landesbezogene Planung der Krankenhauslandschaft vorzunehmen. Hierbei müssen lokale Perspektiven gegen gesamtgesellschaftliche regionale Versorgungsperspektiven abgewägt werden. Die Neustrukturierung anhand der Krankenhausplanung wird ebenfalls nicht ohne zusätzliche Mittel strukturiert gelingen.

Ein offener und transparenter Einbezug der beteiligten Marktteilnehmern erscheint zwar auf den ersten Blick herausfordernd, kann allerdings eine breite Grundlage für die Beteiligung von Verantwortlichen schaffen, die später dann bei der Umsetzung unterstützend wirken. Ein ungesteuerter Prozess allein über die Wirtschaftlichkeit sollte vermieden werden. Denn es könnte zum Beispiel in bestimmten Konstellationen dazu kommen, dass wirtschaftlich überlegene Standorte trotzdem vom Markt verschwinden, weil bestimmte Krankenhäuser durch Subventionierung gegenüber anderen Standorten einen Vorteil haben. Somit könnte eine Struktur gefördert werden, die nicht dem angestrebten Ergebnis entspricht.

Die kommenden Jahre werden massive Veränderungen im Bereich der Fachkräfteverfügbarkeit mit sich bringen. Es kann damit gerechnet werden, dass mehr Erwerbstätige aus dem Berufsleben austreten als eintreten. Damit werden Veränderungsprozesse in den Krankenhäusern angetrieben, um die vorhandenen Ressourcen effizient und effektiv für die Gesundheitsversorgung einzusetzen. Digitalisierung, Robotik und neue Formen der Zusammenarbeit können Lösungsansätze sein, um diese Herausforderung zu bewältigen.

Es zeigt sich, dass Veränderungsprozesse im Krankenhaus hochkomplexe Vorgänge sind, die am besten über einen strukturierten Ansatz systematisch vorbereitet, gesteuert und durchgeführt werden können. Eine tiefergehende empirische Erforschung von Krankenhausneuausrichtungen in den kommenden Jahren vor dem Hintergrund der dargestellten und weiterer Faktoren könnte Ergebnisse liefern, die zum einen Auswirkungen der politischen Rahmenbedingungen spiegeln und zum anderen die Erfolgsfaktoren bei einer Neuausrichtung von Krankenhäusern benennen.