FormalPara Zusammenfassung

Gesundheitsökonomische Beiträge zur Konzeption einer bedarfsnotwendigen, effizienten und qualitätsorientierten Krankenhauslandschaft sind rar. Ursächlich dafür ist die Tatsache, dass stationäre Versorgung zunehmend das Ergebnis eines (ungeplanten) Marktprozesses und zudem im Kompetenzbereich der Bundesländer verortet ist. Durch den Planungsprozess in Nordrhein-Westfalen und durch die Empfehlungen der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung (Dezember 2022) ist inzwischen eine bundespolitische Debatte entstanden, zu der dieser Artikel einen Beitrag liefern soll.

Zunächst werden mögliche Bausteine einer leistungs-, bedarfs- und qualitätsorientierten Krankenhausplanung erörtert – mit einem Schwerpunkt auf Leistungsgruppen. Es schließt sich die noch wenig diskutierte Auswahlentscheidung bei Überversorgung an. Eine Reihe von Instrumenten zeigt, dass bereits heute bundesweit einheitliche Kriterien für Auswahlentscheidungen funktionieren (Sicherstellung und Förderung ländlicher Krankenhäuser, Strukturfonds, IT-Fördergelder nach KHZG, Notfallstufen).

In weiteren empiriebasierten Abschnitten werden die Folgen der bundeseinheitlichen Regulierung der Krankenhauslandschaft dargestellt. Es wird empfohlen, die Notaufnahme nicht auf Häuser mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung zu beschränken. Nach einem umfassenderen Modell für „versorgungsrelevante“ Krankenhäuser ergeben sich insgesamt 1.247 Krankenhäuser. Mit Bezug zur Neugestaltung der Notaufnahme werden in einer Erreichbarkeitsanalyse die Standorte für integrierte Notfallzentren ermittelt. Nicht zuletzt aufgrund der Notwendigkeit gerichtsfester Auswahlentscheidungen wird empfohlen, den Weg bundesweiter Kriterien für die Krankenhausplanung algorithmengetrieben fortzusetzen.

In Germany, health economic contributions to the concept of a needs-based, efficient and quality-orientated hospital landscape are rare. This is due to the fact that inpatient care is increasingly the result of an (unplanned) market process and, apart from that, the responsibility of the federal states. The planning process in North Rhine-Westphalia and the recommendations of the government commission for modern and needs-orientated hospital care (December 2022) have now led to a national political debate, to which this article aims to contribute.

Firstly, the authors discuss possible elements for performance-, demand- and quality-orientated hospital planning – with a focus on service groups. This is followed by the still little-discussed selection decision in the event of overprovision. A number of instruments show that standardised criteria for selection decisions already work nationwide (securing and promoting rural hospitals, structural funds, IT funding in accordance with the KHZG, emergency levels).

The consequences of the standardised federal regulation of the hospital landscape are described in further empirical sections. The authors recommend that emergency admissions should not be limited to hospitals with extended and comprehensive emergency care. A more comprehensive model for “care-relevant” hospitals results in a total of 1,247 hospitals. With reference to the redesign of emergency departments, the locations for integrated emergency centres are determined in an accessibility analysis. Not least because of the need for court-proof selection decisions, nationwide criteria for hospital planning should be set by using algorithms.

1 Krankenhauslandschaft ohne Planung – einige ordnungspolitische Vorbemerkungen

Dafür, dass die Krankenhausplanung in den letzten Jahren als eines der zentralen versorgungspolitischen Steuerungsinstrumente wahrgenommen wird, gibt es im bundesdeutschen Raum erstaunlich wenige gesundheitsökonomische Beiträge zur Ausgestaltung der Krankenhauslandschaft. Das gilt sowohl für empirische Studien als auch für eine konzeptionelle Neuausrichtung. Hierfür sind zumindest zwei Gründe maßgeblich.

1. Krankenhausversorgung ist inzwischen ein Markt.

Zweifelsohne ist die gegenwärtige Krankenhauslandschaft in vielen Aspekten das Ergebnis autonomer Entscheidungen von Krankenhausträgern und zum Teil auch von Patienten. Die Planungsentscheidungen der Landesbehörden waren in der Regel nur eine Fortschreibung bestehender Krankenhausstandorte. Zudem handelt es sich bis heute um eine grobe Abteilungs- und Bettenplanung. Wo in Deutschland eine spezialisierte Kardiologie besteht, war fast ausnahmslos eine Trägerentscheidung. Das Primat der Trägerentscheidung gilt sogar für politisch hoch sensible Standortentscheidungen hinsichtlich Organtransplantationen. Marktmodelle sehen in dieser wenig stringenten Planung keinen Mangel, sondern gehen davon aus, dass die Entscheidungen von Krankenhausträgern und Patienten eine bessere „Allokation“ ergeben als Behördenentscheidungen. Exemplarisch ist hier die Sichtweise von Monopolkommission und Kartellamt, die beispielsweise Fusionen und Kooperationen von Krankenhäusern als wohlfahrtsmindernde Wettbewerbseinschränkung ansehen. Konzeptionelle Überlegungen zur Optimierung der Krankenhausplanung machen in diesem „Weltbild“ wenig Sinn.

2. Krankenhausplanung ist Ländersache.

Die Krankenhausversorgung gehört laut Grundgesetz zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 74, also zu jenem Bereich, in dem es sowohl bundes- als auch landesgesetzliche Kompetenz gibt – und zwar in zweifacher Weise: Zum Ersten findet sich in der Aufzählung der Rechtstitel in Absatz 1 explizit die Nummer „19a die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze“ und zum Zweiten entfaltet die Nummer „12 […] die Sozialversicherung […]“ Wirkung. Sie begründet beispielsweise eine Bundeskompetenz bei Zugang und Qualität von Krankenhausleistungen. Die spezifische Entscheidung zur Tätigkeit eines Krankenhauses erfolgt jedoch durch Feststellungsbescheide der Landesplanungsbehörden, die wiederum Entscheidungen auf der Basis von Landeskrankenhausgesetzen treffen. Im Vorfeld der diesbezüglichen Landesgesetzgebung spielen gesundheitsökonomische Studien eine Rolle. Aber es sind nie länderübergreifende, bundesweite Aufträge. Erst die Regierungskommission hat mit ihrer dritten Stellungnahme und ihren Empfehlungen eine bundesweit einheitliche Strukturierung der Krankenhauslandschaft angemahnt (Regierungskommission 2022). Eine verstärkte gesundheitsökonomische Befassung mit diesen dürfte die Folge sein.

Es sei aber darauf hingewiesen, dass es trotz der Länderdominanz bezüglich konkreter Planungsentscheidungen bereits heute bundesgesetzlich verankerte Strukturentscheidungen gibt, die künftig an Bedeutung gewinnen dürften (vgl. Abschn. 5.4). Im Folgenden seien zunächst die Grundsätze einer leistungs-, bedarfs- und qualitätsorientierten Krankenhausplanung dargestellt, die sich zum Teil im aktuellen Planungsprozess für Nordrhein-Westfalen wiederfinden.

2 Bausteine einer leistungs-, bedarfs- und qualitätsorientierten Krankenhausplanung

Die Planung stationärer Kapazitäten bewegt sich im Spannungsfeld von Qualität, Wirtschaftlichkeit und Erreichbarkeit. Da eine wirtschaftliche und qualitativ hochstehende Leistungserbringung ein gewisses Maß an Konzentration benötigt (Volume-Outcome-Relationship bzw. Economies of Scale), können die Erreichbarkeit bzw. der Zugang einschränkt sein. Dabei unterscheiden sich die Ziele je nach geografischen und demografischen Gegebenheiten (z. B. Stadt vs. Land) und Charakteristik der Leistung (z. B. Notfall vs. elektive Leistungen). Alle drei Ziele im Rahmen der Krankenhausplanung gleichermaßen zu erreichen ist daher komplex und bedarf einer ausgewogenen, zielgerichteten und strukturierten Vorgehensweise.

Die meisten Bundesländer sind davon jedoch weit entfernt. Wie bereits angedeutet, ist die reale Krankenhauslandschaft von historischen, politischen und konfessionellen Entwicklungen geprägt, wobei die Strukturen oftmals eher fortgeschrieben wurden, als dass sie leistungs-, bedarfs- und qualitätsorientiert weiterentwickelt wurden (Vogel et al. 2020). Dass ein Paradigmenwechsel jedoch unumgänglich ist, zeigt die demografische (z. B. steigender Versorgungsbedarf bei weniger Fachkräften), ökonomische (z. B. eingetrübte Wirtschaftsprognosen) und medizinische (z. B. Innovationsdruck, Spezialisierung) Entwicklung, sodass es zukünftig nicht möglich sein wird, die Krankenhauslandschaft in ihrer heutigen Form aufrechtzuerhalten.

Durch die Impulse der reformierten Krankenhausplanung in NRW bzw. die Initiative auf Bundesebene, angestoßen durch die Regierungskommission, könnte die Krankenhausplanung zukünftig entlang neuer Grundsätze aufgestellt werden. Jedoch gibt es eine Reihe von Fragen, die bisher unbeantwortet sind. Wie werden Leistungsgruppen definiert bzw. für welche Bereiche sollten diese definiert werden? Wie wird der Versorgungsbedarf bei der Verteilung von Leistungsaufträgen berücksichtigt bzw. wie kann dieser ermittelt werden? Wie können Auswahlentscheidungen zwischen Krankenhäusern getroffen und begründet werden? Kann letztlich mit dieser Systematik eine medizinisch und ökonomisch tragfähige Krankenhauslandschaft entstehen? Im Folgenden sei zunächst die Definition von Leistungsgruppen diskutiert, sodann die Bedarfsermittlung und Qualitätsanforderungen und anschließend in Abschn. 5.3 das Problem einer Auswahlentscheidung.

2.1 Definition von Leistungsgruppen

Aufgrund der in vielen Bundesländern vorherrschenden Planung entlang medizinischer Fachgebiete (DKG 2022), die zudem oftmals breit definiert sind (beispielsweise Innere Medizin), besitzen die Bundesländer wenige Steuerungsmöglichkeiten, um konkrete Leistungen an ausgewählte Standorte zu vergeben. Ein grundlegender Methodenwechsel hin zu einer Vergabe von Versorgungsaufträgen über präzise definierte Leistungsgruppen kann dieses Steuerungsdefizit beheben. Sowohl die neue Krankenhausplanung in NRW (MAGS NRW 2022) als auch das von der Regierungskommission vorgeschlagene Konzept zur Krankenhausplanung basieren daher auf Leistungsgruppen.

Um auf den Leistungsgruppen aufbauend zu entscheiden, welche Leistungen bzw. Kombinationen von Leistungen in welchen Regionen benötigt werden bzw. an welche Standorte vergeben werden sollten, ist eine valide Bedarfsermittlung unerlässlich. Dieses bis heute fehlende Element der deutschen Krankenhausplanung hat zu der, insbesondere in urbanen Räumen, bekannten Fragmentierung der Versorgung geführt. Dies wird u. a. daran ersichtlich, dass eine Vielzahl von Krankenhäusern gleiche Leistungen in geringer Fallzahl in sehr enger Lagebeziehung erbringt (MAGS NRW 2019).

Im Ergebnis hat das u. a. zu einer für viele Leistungen nachgewiesenen Qualitätsvariation, insbesondere bei komplexen Eingriffen, geführt (Nimptsch und Mansky 2017; Pross et al. 2017). Die gering ausgeprägte Qualitätsorientierung bisheriger Planungsansätze über breit definierte medizinische Fachgebiete kann diese Qualitätsdefizite nicht adressieren. Vielmehr bedarf es nachvollziehbarer Qualitätsvorgaben gekoppelt an die Leistungsgruppen, um zukünftig Leistungen ausschließlich an jene Krankenhäuser zu vergeben, die diese Anforderungen erfüllen.

Darüber hinaus sorgen in dem skizzierten Umfeld die bestehenden Anreize des DRG-basierten Fallpauschalensystems für eher erlös- statt bedarfsorientierte Leistungsportfolios der Krankenhäuser und führen damit zu einem verstärkten Wettbewerb um Patienten und Personal – kurzum: zu mehr Abgrenzung statt zu Kooperation.

Durch einen stringenten Paradigmenwechsel hin zu einer leistungs-, bedarfs- und qualitätsorientierten Krankenhausplanung kann jedoch die Grundlage für die richtige Versorgung am richtigen Ort unter den richtigen Bedingungen geschaffen werden. Für alle drei Bereiche sind jedoch entscheidende Fragen zu thematisieren. Leistungsgruppen haben durch das vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) in Auftrag gegebene Gutachten zur Krankenhausplanung 2019 (MAGS NRW 2019), dessen Empfehlungen im Krankenhausplan 2022 von NRW umgesetzt wurden, auch in Deutschland Einzug gehalten. Die NRW-Leistungsgruppen werden hinsichtlich der medizinischen Struktur und Granularität als Grundlage für die Krankenhausreform auf Bundesebene diskutiert. Dies ist zentral, da die Leistungsgruppen und ihre Hierarchie den Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen darstellen, u. a. für die Bedarfsabschätzung, die Definition von Qualitätsvorgaben und ein sowohl medizinisch als auch wirtschaftlich tragfähiges Leistungsportfolio einzelner Krankenhäuser.

Während im Rahmen des Reformprozesses in NRW insgesamt 64 Leistungsgruppen (60 Somatik, 4 Psychiatrie) innerhalb von 32 Leistungsbereichen erarbeitet wurden, die sowohl spezifisch über Diagnose- und Prozedurenkodes (ICD und OPS) als auch allgemein über die Weiterbildungsordnungen definiert sind, hat die Regierungskommission eine deutlich höhere Granularität (128 Leistungsgruppen in der Somatik) unter ausschließlich spezifischer Definition der Leistungsgruppen vorgeschlagen (Busse et al. 2023). Allein die Anzahl und der Detailgrad der Leistungsgruppen führen jedoch nicht zwangsläufig zu einer ausgeprägteren Leistungsdifferenzierung, wie Analysen für die Schweiz, dem Ursprungsland der Leistungsgruppensystematik, zeigen (Kuklinski et al. 2023). Vielmehr muss für jeden Leistungsbereich untersucht werden, für welche Leistungsgruppen eine Steuerungswirkung erzielt werden soll und daher eine Abgrenzung notwendig ist.

Im bisherigen Gesetzgebungsverfahren zur Krankenhausreform auf Bundesebene wird die Leistungsgruppensystematik aus NRW favorisiert und um fünf Leistungsgruppen (Infektiologie, Notfallmedizin, spezielle Traumatologie, spezielle Kinder- und Jugendmedizin, spezielle Kinder- und Jugendchirurgie) ergänzt (BMG 2023a). Darüber hinaus sollen alle Leistungsgruppen spezifisch definiert werden. Jedoch findet sich im NRW-Modell eine Reihe von Leistungsgruppen, die (noch) nicht ausreichend differenziert sind, um als Voraussetzung für die Erbringung komplexerer Leistungsgruppen zu dienen und eine qualitätsorientierte Leistungsdifferenzierung und Zentralisierung zu ermöglichen. Außerdem sind einige Leistungsgruppen aufgrund ihrer Breite nicht ausreichend medizinisch homogen. Beispielsweise wird der gesamte Fachbereich der Urologie in einer einzigen allgemeinen Leistungsgruppe zusammengefasst. Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass dort eine Differenzierung in acht urologische Leistungsgruppen vorgenommen wird, die eine Leistungsdifferenzierung und Zentralisierung ermöglichen (Kuklinski et al. 2023).

Unter den im Krankenhaustransparenzgesetz (BMG 2023a) aufgeführten Leistungsgruppen befinden sich drei medizinische Querschnittsbereiche (Notfallmedizin, Intensivmedizin, Infektiologie). Diese als eigenständige Leistungsgruppen zu verwenden, um Versorgungsaufträge zu vergeben, ist mit einigen Herausforderungen verbunden. Am Beispiel der Intensivmedizin lässt sich das anschaulich illustrieren: Zweifelsohne wird ein großer Anteil von Patienten, insbesondere nach komplexen Interventionen, intensivmedizinisch versorgt. Bei Einführung einer Leistungsgruppe Intensivmedizin stellt sich jedoch die Frage, wie diese Fälle einer Leistungsgruppe zuzuordnen wären. Eine Möglichkeit ist, derartige Fälle nach Komplexität zuzuordnen, d. h. ausgewählte Fälle hierarchisch höher als die Intensivmedizin zu gruppieren. Eine zweifelsfreie Klassifikation, welcher Fall in eine behandlungs- bzw. krankheitsbezogene Leistungsgruppe aufgenommen würde und welcher in eine intensivmedizinische, ist jedoch sehr schwierig zu begründen.

Darüber hinaus ist die Identifikation intensivmedizinischer Fälle herausfordernd. Falls eine Zuordnung nach entlassender Fachabteilung erfolgt, können nur von der Intensivstation verlegte bzw. dort verstorbene Fälle identifiziert werden. Jene, die eine intensivmedizinische Behandlung erhalten haben, aber von einer Normalstation entlassen wurden, können nicht identifiziert werden. Möchte man in diesem Fall nach der Verweildauer auf den einzelnen Stationen entscheiden, so muss auch berücksichtigt werden, dass lange Intensivaufenthalte oftmals auf Komplikationen bei der Primärbehandlung zurückzuführen sind. Darüber hinaus könnten Intensivfälle mithilfe von OPS-Komplexkodes identifiziert werden. Dem steht jedoch entgegen, dass längst nicht alle Intensivstationen die Kodes nutzen (dürfen). Daher erscheint es wenig zielführend, die genannten Querschnittsbereiche mit eigenen Leistungsgruppen für die Krankenhausplanung zu nutzen. Vielmehr sollte die Vorhaltung von Notfallmedizin, Intensivmedizin und Infektiologie im Sinne einer Qualitätsanforderung als Voraussetzung dafür, dass andere Leistungsgruppen (abgestuft je nach Komplexität der Leistungsgruppe) erbracht werden können, formuliert werden.

2.2 Bedarfsermittlung

Obwohl in verschiedenen Rechtsvorschriften die Bedarfsgerechtigkeit der Krankenhauslandschaft eingefordert wird, ist eine klare und einheitliche Definition bzw. Herleitung des Begriffs bislang nicht vorhanden. Vielmehr wird aufgrund der heutigen Rechtsprechung ungeachtet des Konzepts der angebotsinduzierten Nachfrage davon ausgegangen, dass allein die Inanspruchnahme von Leistungen den Bedarf begründet. Um jedoch Über- und Unterversorgung identifizieren zu können, ist es essenziell, abschätzen zu können, wie groß der tatsächliche Versorgungsbedarf (ambulant und stationär) innerhalb einer Leistungsgruppe und Region ist. Dafür sind verschiedene Morbiditätskennzahlen und deren bisherige Entwicklung und Prognose auf regionaler Ebene sowie ein entsprechender Algorithmus zur Kalkulation, beispielsweise der zu erwartenden Pflegetage je Leistungsgruppe, notwendig.

Derartige Ansätze werden bereits sowohl in der Schweiz als auch in NRW verfolgt. Diese müssen jedoch auf eine breitere Basis, z. B. unter Einbezug des ambulanten Leistungsgeschehens, gestellt und auf nationale Ebene gehoben werden.

Direkt mit der Frage der Bedarfsermittlung ist jene nach einem Auswahlmechanismus verknüpft (vgl. Abschn. 5.3). Ohne einen kalkulierten Bedarf bleibt unklar, wann eine Auswahlentscheidung zu treffen ist, d. h. wann der Bedarf gedeckt ist, insbesondere wenn mehrere Krankenhäuser die an sie gestellten Qualitätsanforderungen erfüllen.

2.3 Qualitätsanforderungen

Ebenso wie das in NRW entwickelte Modell der Leistungsgruppen sind auch die mit ihnen verknüpften Qualitätsanforderungen Gegenstand derzeitiger Auseinandersetzungen, da sie den zentralen Hebel für die angestrebte Konzentration insbesondere komplexer Leistungen auf ausgewählte Krankenhäuser darstellen. Je höher die Anforderungen sind, desto weniger Krankenhäuser sind in der Lage, sie zu erfüllen. Dabei zeigt NRW drei Arten von Anforderungen: Verknüpfung mit verwanden Leistungsgruppen, Facharztqualifikation und -verfügbarkeit sowie Anforderungen zur Vorhaltung von Geräten. Darüber hinaus sind Vorgaben auf Bundesebene (z. B. zu Mindestmengen oder Personaluntergrenzen) zu berücksichtigen.

Die in NRW definierten Qualitätsanforderungen sollten in verschiedene Richtungen weiterentwickelt werden. Insbesondere die Anforderungen an die Facharztverfügbarkeit steht dabei als zentrale Strukturanforderung im Fokus. Sie ist bis jetzt für die überwiegende Mehrheit der Leistungsgruppen pragmatisch mit drei Vollzeitkräften definiert. Diese Anforderung ist aber unabhängig von der Anzahl der betreuten Fälle gesetzt worden, d. h. sowohl große wie auch kleine Abteilungen haben die gleichen Personalressourcen für die Erfüllung der Anforderung vorzuhalten. Dass dies nicht im Sinne der Anforderung (Sicherstellung eines adäquaten Arzt-Patienten-Verhältnisses) sein kann, ist offensichtlich. Abermals lohnt für eine Weiterentwicklung hier der Blick in die Schweiz. Dort werden zeitliche Verfügbarkeiten je nach Komplexität der Leistungsgruppe vorgegeben. Dadurch werden die medizinisch-klinischen Anforderungen der Versorgung abgebildet. Gleichzeitig bilden sie die Dynamik zwischen zu versorgenden Fällen und benötigten Facharztkapazitäten ab (Vogel et al. 2023). Neben diesem Impuls aus der Schweiz kann auch die Anforderung zur Vorhaltung eines internen Notfalldienstes die Qualitätsanforderungen stärken. Dort wird beispielsweise definiert, welche Facharztqualifikationen und Zeitvorgaben (beispielsweise fünf Minuten) im Notfall zur unverzüglichen Behandlung eingehalten werden müssen. Analog zu den allgemeinen Anforderungen zur Facharztverfügbarkeit skalieren diese mit dem durch das Krankenhaus versorgten Fallzahlvolumen.

Neben den Strukturanforderungen stellt sich auch die Frage, inwiefern ausgewählte Prozess- oder Ergebnisqualitätsanforderungen je nach Leistungsgruppe, insbesondere für einen Auswahlprozess bei gleicher Qualifikation, berücksichtigt werden können. Dies ist einerseits maßgeblich vom Zuschnitt der Leistungsgruppe abhängig. So können Ergebnisparameter nur herangezogen werden, wenn diese für einen Großteil der Fälle in der Leistungsgruppe repräsentativ sind. Andererseits ist insbesondere für Prozessparameter entscheidend, ob die zur Evaluation benötigten Daten standardisiert, flächendeckend und durchgängig erhoben werden.

3 Auswahlentscheidungen

Die Zuordnung von Leistungsgruppen zu Krankenhäusern ist letztlich ein Gruppierungsvorgang, der eine intensive Diskussion nach sich ziehen kann, die aber nach 20 Jahren DRG-Erfahrung nicht mehr als „Neuland“ bezeichnet werden kann. Weniger Erfahrung gibt es im Bereich der Bedarfsermittlung, weil zwar die Erreichbarkeitsanalysen auf der Basis von über 80.000 Marktzellen inzwischen Standard sind, detaillierte Morbiditätsinformationen aber in dieser Granularität nicht zur Verfügung stehen. Durch statistische Näherung ist das Problem jedoch beherrschbar. Das entscheidende Problem ist die Auswahlentscheidung zwischen mehreren Anbietern. Einfach ist noch der Ausschluss von Gelegenheitsversorgung, so z. B. durch Mindestmengen und basale Strukturanforderungen für Leistungsgruppen. Wenn aber das Angebot an „präqualifizierten“ Kliniken den ermittelten Bedarf übersteigt, was in vielen Ballungsregionen der Fall ist, dann gilt es, einen gerichtsfesten Auswahlprozess zu etablieren. International gibt es Beispiele für solche Auswahlentscheidungen (z. B. Zürich [Bleibtreu et al. 2022]), aber in Deutschland gibt es dafür im Krankenhausbereich keinen klaren Rechtsrahmen.

Die Annahme, die Landespolitik könne kraft demokratischer Legitimation jede Art von Auswahlentscheidung zwischen konkurrierenden Krankenhäusern entscheiden, ist wahrscheinlich falsch. Schließlich können Krankenhausträger gegen Feststellungsbescheide der Landesplanungsbehörden (und vor allem auch gegen die Rücknahme bestehender Feststellungsbescheide) vor den Verwaltungsgerichten klagen. Die Tätigkeit der Krankenhäuser ist verfassungsrechtlich geschützt – sowohl in Form von Eigentumsschutz als auch durch Schutz der Berufsfreiheit. Die bisherige Rechtsprechung folgt weitestgehend dem Grundsatz „Belegung beweist Bedarf“, was auf die Schwierigkeiten einer gerichtsfesten Durchsetzung von Auswahlentscheidungen verweist.

Bemerkenswert ist, dass weder die Landesgesetzgebung in NRW noch die Reformpläne auf Bundesebene hierzu Regelungen enthalten. Etwas überspitzt gesagt: Deutschland hat das Stadium einer bis auf die Krankenhausebene durchsetzbaren Krankenhausreform bislang noch nicht erreicht.

Es sei die These gewagt, dass der Verweis auf eine demokratische Legitimierung der Landesregierung nicht ausreichen wird, um einen Auswahlprozess zu etablieren, der auch vor Gericht Bestand haben kann. Eine werteorientierte Landesregierung beispielsweise könnte zwar den Vorrang für frei gemeinnützige Träger beschließen, würde aber wahrscheinlich vor den Verwaltungsgerichten in Verfahren von klagenden Privatanbietern unterlegen sein. Erfolgversprechender dürfte ein bundesweit gültiger strenger Algorithmus sein, der die Planungsentscheidung vom möglichen Vorwurf der Willkür bewahrt (Leber und Scheller-Kreinsen 2018). Beispiele für solche bundesweit gültigen Algorithmen werden im Folgenden dargestellt, wobei ihnen zwei Dinge gemeinsam sind: Erstens sind sie quasi „begünstigende Verwaltungsakte“, zweitens greifen sie in die Landesplanung ein und sind gleichwohl von den Ländern akzeptiert.

4 Bestehende Instrumente zur Strukturierung der Krankenhauslandschaft

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es eine Reihe von bundespolitischen Eingriffen in die Krankenhausplanung gibt, ohne dass es bislang zu Länderprotesten gegen diese Eingriffe in die Landesplanung gekommen ist. In all diesen Fällen fließt Geld und wenn Geld von der Bundesebene verteilt wird, ist der Ruf nach föderaler Selbstbestimmung kaum vernehmbar. Das sollte handlungsleitend für die Krankenhausreform sein. Vier prominente Beispiele für solche „begünstigende Verwaltungsakte“ sind:

  1. 1.

    Sicherstellungszuschläge und Förderung ländlicher Krankenhäuser

  2. 2.

    Strukturfonds

  3. 3.

    IT-Fördergelder nach Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG 2020)

  4. 4.

    Notfallstufen

Zentrumszuschläge für besondere Aufgaben könnten ergänzt werden, werden hier aber nicht weiter ausgeführt. Die Instrumente sind unterschiedlich ausgestaltet und unterscheiden sich in ihrer „bundespolitischen Konsequenz“:

  • Bei den Sicherstellungszuschlägen gibt es quasi keine föderale Nachjustierung. Hier regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) „fallabschließend“, welche Krankenhäuser für die Sicherstellung der Versorgung unabdingbar sind.

  • Anders die Strukturfondszahlungen, bei denen den Ländern ein Griff in den Gesundheitsfonds gelungen ist: Nach weitgehend unscharf formulierten Kriterien können sie dem Fonds Gelder entnehmen, als Einnahmen im Landeshaushalt verbuchen und nach eigenem Gutdünken zur Krankenhausfinanzierung einsetzen.

  • Bei den IT-Fördergeldern nach KHZG sind die Vergabekriterien relativ scharf formuliert und es erfolgt eine Vergabe durch das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS). Die Mitgestaltung der Länder beschränkt sich weitgehend auf die Kofinanzierungsentscheidung.

Da diese Eingriffe stilbildend für nächste Reformen sein könnten, seien sie kurz erläutert.

4.1 Sicherstellungszuschläge und Förderung ländlicher Krankenhäuser

Die Versorgung der Versicherten in ländlichen Regionen wird durch das Instrument der „Sicherstellungszuschläge“ garantiert. Das Konzept der Sicherstellungszuschläge geht davon aus, dass in dünn besiedelten Gebieten die Fallzahl möglicherweise nicht ausreicht, um die relevanten Fachabteilungen kostendeckend finanzieren zu können. Die Sicherstellungszuschläge werden nur im Defizitfall gezahlt. Anders die Zuschläge für ländliche Krankenhäuser: Sie orientieren sich am gleichen Auswahlalgorithmus wie die Sicherstellungshäuser, werden aber unabhängig von der finanziellen Situation des Krankenhauses gezahlt. Zahlungsweg ist in beiden Fällen ein Aufschlag auf die leistungsbezogene DRG-Vergütung.

Das Konzept der Sicherstellungszuschläge war bereits Bestandteil der ersten Gesetzgebung zur DRG-Einführung im Jahr 1999. Es entfaltete jedoch kaum Wirkung. Das war Anlass, durch klare Regeln gesetzlich vorzugeben, wann Sicherstellungszuschläge zu zahlen sind. Der GKV-Spitzenverband hatte bereits 2015 vorgeschlagen (Leber und Scheller-Kreinsen 2015), die Erreichbarkeit für die Bevölkerung als Algorithmus zu formulieren: Wenn durch Schließung des Krankenhauses mehr als 5.000 Einwohner (quasi ein größeres Dorf) mehr als 30 min Fahrzeit zum nächsten Haus der Grundversorgung benötigen würden, dann muss das Haus erhalten bleiben – im Defizitfall via Sicherstellungszuschlag.

Der Gesetzgeber hat mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG 2015) in § 136c Absatz 3 SGB V den G-BA beauftragt, die Auswahl der Krankenhäuser zu definieren, für die im Defizitfall ein Zuschlag gezahlt werden muss (§ 136c Absatz 3 SGB V). In seiner Richtlinie hat sich der G-BA an den eben erwähnten Werten orientiert und weitere Bedingungen konkretisiert (G-BA 2020):

  • Krankenhäuser der Basisversorgung müssen eine Fachabteilung Innere Medizin und eine chirurgische Fachabteilung vorhalten, die zur Versorgung von Notfällen der Grund- und Regelversorgung geeignet ist.

  • Die Anforderungen der Basisnotfallstufe müssen erfüllt sein.

  • Die Einwohnerdichte im Versorgungsgebiet liegt unter 100 Einwohnern je Quadratkilometer (geringer Versorgungsbedarf).

  • Falls bei Schließung 5.000 Einwohner mehr als 30 Pkw-Minuten zum nächsten Krankenhaus benötigen würden, ist das Krankenhaus für die Sicherstellung der Versorgung unverzichtbar (Erreichbarkeit).

Für die Pädiatrie und Geburtshilfe gelten entsprechende Regeln. Die Sicherstellungshäuser werden jährlich neu ermittelt, da Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur, der Verkehrsinfrastruktur, aber vor allem in der Krankenhausstruktur den Status „Sicherstellungshaus“ verändern können. Die Schließung eines konkurrierenden Hauses in ländlicher Region kann dazu führen, dass Häuser als „single Provider“ einen Anspruch auf Sicherstellungszuschläge bekommen. Derzeit gibt es rund 136 Sicherstellungshäuser mit einem regionalen Schwerpunkt in Mecklenburg-Vorpommern und an den Außengrenzen Deutschlands (GKV-Spitzenverband 2023a).

Neben den Sicherstellungszuschlägen gibt es Zuschläge für bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum. Sie wurden im Jahr 2020 mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG 2018) eingeführt und sehen Zahlungen in Höhe von mindestens 400.000 € jährlich vor (§ 5 Absatz 2a KHEntgG). Der Zahlbetrag differenziert nach Zahl der Fachabteilungen (Innere Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe), ist aber – anders als beim Sicherstellungszuschlag – unabhängig von der finanziellen Situation. Die Liste der Häuser ist jedoch gleich.

4.2 Strukturfonds

Eine aktive Förderung des Abbaus von Überversorgung stellt der Strukturfonds dar, der mit der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (KHSFV 2015) eingeführt wurde. Seit 2016 standen zunächst 500 Mio. € zur Verfügung zum Abbau von Überkapazitäten, zur Konzentration von stationären Versorgungsangeboten sowie zur Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre örtliche Versorgungseinrichtungen.

Problematisch war von Anfang an die Finanzkonstruktion: Die Gelder werden aus dem Gesundheitsfonds entnommen und gelten als Einnahmen der Länder. Ob die Verwendung von GKV-Beitragsgeldern als Einnahmen der Länder als verfassungskonform gelten kann, ist zumindest in Zweifel zu ziehen, bisher aber noch nicht Gegenstand eines juristischen Verfahrens. Problematisch ist auch der Beantragungs- und Bewilligungsweg: Nicht die Krankenhausträger, sondern die Länder stellen den Antrag, die Bewilligung erfolgt durch das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS).

Durch das PpSG wurde der Strukturfonds für den Zeitraum 2019 bis 2022 verstetigt. Mit dem KHZG wiederum wurde eine Regelung eingeführt, der zufolge den Ländern in den Jahren 2023 bis 2024 insgesamt 2 Mrd. € für den Strukturfonds zur Verfügung gestellt wurden.

Inhaltlich wurden die Verwendungszwecke wesentlich erweitert, sodass kaum noch von einer aktiven Förderung des Abbaus von Überversorgung gesprochen werden kann. Schon aus der Unterrichtung der Bundesregierung aus dem Jahr 2021 geht hervor (Deutscher Bundestag 2021), dass der Anteil der Gelder aus dem Strukturfonds, die für die Schließung von Krankenhäusern verwendet wurden, bei 4 % liegt. Letztlich ist der Strukturfonds zu einem Griff der Länder in den beitragsfinanzierten Gesundheitsfonds degeneriert, mit dem die mangelnde Investitionsfinanzierung der Länder teilweise ausgeglichen wird. Seine eigentliche Funktion – nämlich der Abbau von Überversorgung – hat er nicht erfüllt.

4.3 IT-Fördergelder nach KHZG

Seit geraumer Zeit wird der Rückstand deutscher Krankenhäuser bei der Digitalisierung beklagt (Stephani et al. 2019). Mit dem KHZG hat der Bund im Jahre 2020 ein Fördervolumen in Höhe von 3 Mrd. € zwecks Digitalisierung der Krankenhäuser zur Verfügung gestellt. Im Rahmen einer Kofinanzierung fließen weitere 1,3 Mrd. € der Länder. Für die Verwendung der Mittel wurden bundesweit einheitliche Förderbereiche und Kriterien definiert, so z. B. die Verbesserung der digitalen Infrastruktur, Pflegedokumentation, Telemedizin sowie IT- und Cybersicherheit der Krankenhäuser. Dem BAS wurde die Aufgabe übertragen, Förderrichtlinien zu erlassen, so geschehen am 30.11.2020 (BAS 2020).

Die Grundzüge des Verfahrens sehen die Anmeldung der Maßnahmen durch die Krankenhausträger gegenüber dem zuständigen Land vor. Das Land trifft dann die Entscheidung, für welche Vorhaben eine Förderung beim BAS beantragt werden soll. Voraussetzung für die Förderung ist, dass sich die antragstellenden Länder bzw. die zu fördernden Einrichtungen mit mindestens 30 % der Kosten an dem Vorhaben beteiligen. Das BAS prüft die Anträge der Länder auf Auszahlung von Fördermitteln aus dem Krankenhauszukunftsfonds und weist die Mittel zu. Es führt dabei den Zahlungsverkehr und die Rechnungslegung durch und fordert auch Mittel zurück, wenn die Fördervoraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

Bemerkenswert ist, dass Bundesmittel für Krankenhausinvestitionen verwendet werden, obwohl das in der KHG-Systematik nicht vorgesehen ist. Bemerkenswert ist auch, dass die Mittelvergabe – nach einer Vor- und Kofinanzierungsprüfung durch die Länder – letztlich von einer Bundesinstitution erfolgt und geprüft wird, obwohl dies formal einen Eingriff in die vermeintliche Länderautonomie bei der Krankenhausplanung darstellt.

4.4 Notfallstufen

Die Vorhaltung einer Notfallversorgung stellt für die Krankenhäuser zweifelsfrei einen zusätzlichen finanziellen Aufwand dar. Traditionell gab es deshalb in der DRG-Vergütungssystematik einen Abschlag von rund 50 € je Fall für Krankenhäuser, die diesen Aufwand nicht hatten, weil sie nicht an der Notfallversorgung teilnahmen. Weil aber der Aufwand für die Notfallversorgung stark differieren kann, wurde die simple Null-Eins-Differenzierung als nicht mehr angemessen angesehen und mit dem KHSG eine gestufte Notfallvergütung eingeführt. Die Definition der Notfallstufen wurde dem G-BA übertragen, der die Stufen im Jahr 2018 in einer Richtlinie konkretisiert hat (G-BA 2018).

Das G-BA-Modell legt je Stufe spezifische Vorgaben fest, insbesondere zu Art und Anzahl von Fachabteilungen, zur Qualifikation des Personals, zu Intensivkapazitäten, zur medizintechnischen Ausstattung sowie zu Strukturen und Prozessen der Notfallaufnahmen. Der G-BA unterscheidet innerhalb der notfallversorgenden Krankenhäuser zwischen Basis-, erweiterter und umfassender Notfallversorgung. Ergänzend gibt es Vorgaben zur speziellen Notfallversorgung von Schwerverletzten und Kindern, zur Psychiatrie, zur Schlaganfallversorgung und zu Durchblutungsstörungen am Herzen.

Vorrangig leitet sich die Notfallstufe aus der Fachabteilungsstruktur des Krankenhauses ab. Um die Basisstufe zu erreichen, müssen die Krankenhäuser am Standort über Fachabteilungen für Chirurgie oder Unfallchirurgie und Innere Medizin verfügen. Für die Stufe „erweiterte Notfallversorgung“ sind sechs Fachabteilungen aus zwei unterschiedlichen Abteilungskategorien erforderlich (§ 13 der G-BA-Richtlinie). Für die umfassende Notfallversorgung müssen insgesamt neun Abteilungen aus zwei unterschiedlichen Kategorien nachgewiesen werden (§ 18 der G-BA-Richtlinie). Durch die Orientierung an der Zahl der Fachabteilungen ist das Notfallstufenkonzept sehr nah an der Leveleinteilung, wie sie die Regierungskommission in ihrer dritten Stellungnahme vorgeschlagen hat (Regierungskommission 2022).

Die Prüfung der Voraussetzungen ist regelmäßig Gegenstand von Auseinandersetzungen. Zum Teil besteht noch nach über sechs Jahren keine konsentierte Einigung zur Einstufung der Krankenhäuser. Für die Abschätzung der Folgen wurde in den nachfolgenden Abschnitten auf den Vereinbarungsstand Anfang 2023 zurückgegriffen, wobei eine Prognose für jene Häuser durchgeführt wurde, für die bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Einstufung vorlag.

5 Erreichbarkeit von Krankenhäusern mit Notaufnahmen

Einer der zentralen Vorschläge der Regierungskommission war die Einführung von Leveln (Regierungskommission 2022). Vereinfacht gesagt, ist dies die Unterscheidung zwischen Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung, so wie sich diese in vielen anderen Gesundheitssystemen und auch in der Hälfte der deutschen Landeskrankenhausgesetze wiederfindet (Enquetekommission 2021). Die Regierungskommission hat vorgeschlagen, bestimmte Leistungen lediglich auf den oberen Leveln erbringen zu lassen. Diese durchaus nachvollziehbare Konzentration des Leistungsgeschehens hat zu erheblichem Widerstand der Bundesländer geführt, die die Zuordnung von Leistungen nach eigenen Kriterien wünschen und letztlich das jetzige Prinzip beibehalten wollen, wonach prinzipiell jedes Krankenhaus jede Leistung erbringen kann. De facto gibt es auch heute durch den Feststellungsbescheid der Landesplanungsbehörden eine Einschränkung des Leistungsspektrums, aber diese ist nicht davon abhängig, ob das Krankenhaus zur Grund-, Schwerpunkt- oder Maximalversorgung gehört. Der Widerstand der Länder hat dazu geführt, dass die Level nicht in die Eckpunkte für die Krankenhausreform aufgenommen wurden (BMG 2023b). Im Gegenzug hat das BMG den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz, BMG 2023a) vorgelegt, sodass künftig die Level zumindest sichtbar werden. [Zum Redaktionsschluss dieses Artikels ist noch unklar, ob der Entwurf des Krankenhaustransparenzgesetzes Bundestag und Bundesrat passieren wird.]

Der Entwurf des Krankenhaustransparenzgesetzes sieht vor, dass die Einstufung der Krankenhäuser nicht nur aufgrund von „Türschildern“ und Strukturdaten erfolgt. Vielmehr soll das Leistungsspektrum durch die Gruppierung der Falldaten in Leistungsgruppen erfolgen. Ob beispielsweise eine Innere Abteilung als „Kardiologie“ einzustufen ist, hängt nicht mehr von der Namensgebung des Krankenhauses, sondern vom Fallspektrum ab. Der hierzu erforderliche Leistungsgruppen- und Level-Grouper steht derzeit noch nicht öffentlich zur Verfügung, ist aber vom BMG beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) in Auftrag gegeben worden. Sofern bei der Auswahl der Leistungsgruppen auch die Erfüllung von Strukturanforderungen berücksichtigt werden soll, bedarf es allerdings noch einer Datenübermittlung zu Arztzahlen, wofür die gesetzliche Grundlage erst mit dem Krankenhaustransparenzgesetz geschaffen werden soll.

„Ersatzlösung Notfallstufen“

Als „Ersatzlösung“ für die Leveleinteilung wird derzeit bei der Folgenabschätzung zur Umsetzung des Levelkonzepts auf die Notfallstufen zurückgegriffen. Ähnlich wie die Level fokussieren sie stark auf die Anzahl der Fachabteilungen und damit implizit auf die Größe des Krankenhauses. Die Notfallversorgung ist essenzieller Bestandteil der Sicherstellung. Anders als bei der elektiven Versorgung spielt dabei die Entfernung eine entscheidende Rolle, sodass bereits Auswirkungsanalysen vorliegen.

Vereinfacht gesagt unterteilt das Notfallstufenkonzept die Krankenhäuser mit Notfallstufe in drei Stufen. Zu Beginn des Jahres 2023 gliederte sich die bereits vereinbarte bzw. prognostizierte Einstufung der 1.675 vollstationären somatischen Standorte wie folgt auf:

  1. 1.

    Basisnotfallversorgung (Abteilungen Chirurgie und Innere Medizin): 616 Häuser

  2. 2.

    Erweiterte Notfallversorgung (4 Abteilungen): ca. 255 Häuser

  3. 3.

    Umfassende Notfallversorgung (7 Abteilungen): 167 Häuser

Die Regierungskommission hält die Basisnotfallstufe nicht für adäquat und sieht eine qualitativ ausreichende Notfallversorgung erst bei den Stufen erweiterte oder umfassende Notfallversorgung als gesichert. In diese Richtung gehen auch die Überlegungen der Leopoldina, die eine starke Reduktion der Krankenhäuser vorgeschlagen hatte: „Hätte Deutschland die Krankenhausstruktur von Dänemark mit einem Krankenhaus pro 250.000 Einwohner, wären es bei uns 330 – und alle mit CT, MRT (Magnetresonanztomographie) und Fachärzten für Innere Medizin/Kardiologie, Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie und Anästhesie/Intensivmedizin, die rund um die Uhr und an allen Tagen der Woche verfügbar sind.“ (Happe und Westermann 2016). Versorgungspolitisch stellt sich die Frage, ob die derzeit existierenden Häuser der Notfallstufen 2 und 3 eine flächendeckende Versorgung sicherstellen würden.

Abb. 5.1 zeigt die Erreichbarkeit der Krankenhäuser mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung für Norddeutschland – inkl. jener Regionen mit der geringsten Bevölkerungs- und auch Krankenhausdichte. Abgebildet ist die Entfernung der Bevölkerung, gemessen in Pkw-Minuten vom Wohnort zum Krankenhaus.

Abb. 5.1
figure 1

Erreichbarkeit von Krankenhäusern mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung (Norddeutschland). (Quelle: GKV-Spitzenverband)

Es gibt einen eindeutigen Befund: Für große Landstriche ergäbe sich eine Erreichbarkeit jenseits von 40 min. Die Notfallversorgung wäre also (bei einer 40-Minuten-Grenzziehung) nicht gesichert, wenn man die Notaufnahmen auf Häuser mit erweiterter bzw. umfassender Notfallstufe beschränken würde.

Der Nordosten Deutschlands ist aber auch die Region mit den meisten Sicherstellungshäusern (hellblaue Punkte in Abb. 5.2). Dies sind jene Häuser, die trotz geringer Fallzahl erhalten bleiben müssen, weil andernfalls die Versorgung in dünn besiedelten Regionen nicht sichergestellt werden könnte (vgl. Abschn. 5.4.1). Ein Großteil der Sicherstellungshäuser erfüllt derzeit nur die Anforderungen der Basisnotfallversorgung. Akzeptiert man für dünn besiedelte Gebiete auch die Basisnotfallstufe als ausreichende Notfallversorgung, dann reduzieren sich die ungenügend versorgten Gebiete mit Erreichbarkeitszeiten jenseits von 40 min erheblich. Dies zeigt sich im Vergleich von Abb. 5.2 mit Abb. 5.1.

Abb. 5.2
figure 2

Erreichbarkeit von Krankenhäusern mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung sowie Sicherstellungshäusern (Norddeutschland). (Quelle: GKV-Spitzenverband)

Würde die Notfallaufnahme beschränkt auf die Häuser mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung, so hätten – bei statischer Betrachtung – 5,6 % der Bevölkerung Pkw-Fahrzeiten von mehr als 40 min vom Wohnort zur nächsten Notfallaufnahme. Nimmt man hingegen die Sicherstellungshäuser mit Basisnotfallversorgung hinzu, so reduziert sich dieser Prozentsatz auf 2,6 %.

Wohlgemerkt: bei statischer Betrachtung! Eine Neuordnung der Krankenhauslandschaft sollte natürlich auch die Veränderung der Krankenhäuser in Betracht ziehen – Veränderungen durch Fusionen oder durch gezielte „Aufrüstung“ bestimmter Krankenhäuser in Gebieten mit kritischer Notfallversorgung. Beispielhaft sei einerseits die Region südwestlich von München und andererseits der Elbe-Elster-Kreis genannt.

Neben der „maximal versorgten“ Region München befindet sich südwestlich ein „Versorgungsloch“, zumindest dann, wenn man die erweiterte Notfallversorgung als adäquaten Standard betrachtet. Der dunkelgrau schattierte Bereich in Abb. 5.3 zeigt die Gebiete mit einer Entfernung von mehr als 40 min. Es gibt mehrere Krankenhäuser in diesem Gebiet – nur eben Krankenhäuser, die mit der Basisstufe eine eher „minderwertige“ Notfallversorgung darstellen (hellblaue Punkte). Es drängt sich auf, hier eine Auswahlentscheidung zu treffen, um Abhilfe zu schaffen – beispielsweise durch „Aufrüstung“ eines der Notfallstufe-1-Häuser, ggf. auch durch einen Neubau, der die Notfallversorgung in anderen Häusern überflüssig machen würde. Die verbleibenden Häuser der Basisstufe würden – so das Konzept der Regierungskommission – als Level-1i-Häuser ihren Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung leisten.

Abb. 5.3
figure 3

Krankenhäuser mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung sowie Basisnotfallversorgung (südwestlich von München). (Quelle: GKV-Spitzenverband)

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Elbe-Elster-Kreis (Abb. 5.4). Auch hier ergibt sich ein „Versorgungsloch“, wenn man ohne weitere Maßnahmen die Basisstufe aus der Notfallversorgung ausklammert – ein Schritt, der aus qualitativen Gründen durchaus Sinn macht. Er müsste aber durch eine Investition flankiert werden, um für eines der Häuser (oder für ein neues) akzeptable Erreichbarkeiten zu garantieren.

Abb. 5.4
figure 4

Krankenhäuser mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung sowie Basisnotfallversorgung (Elbe-Elster-Kreis). (Quelle: GKV-Spitzenverband)

6 Versorgungsrelevante Krankenhäuser – eine Modellrechnung

Die ultimative Frage „Wie viele Krankenhäuser sollen denn nun geschlossen werden?“ soll im Folgenden mit einer Abschätzung der versorgungsrelevanten Krankenhäuser beantwortet werden. Der GKV-Spitzenverband hat hierzu im August 2023 eine Abschätzung vorgelegt (Stoff-Ahnis 2023), die auf dem Status quo aufbaut und noch keine Anpassungsreaktionen (Fusion, Aufrüstung, Neubau etc.) betrachtet.

Dabei wird die Notfallstufen-Systematik um eine genauere Abgrenzung von Fachkrankenhäusern sowie um alleinstehende Kinderkrankenhäuser, Schlaganfall- und Traumazentren erweitert. Als „versorgungsrelevant“ wurden außerdem Krankenhäuser der Basisnotfallstufe betrachtet, die – vereinfacht gesagt – über 80 % einer Region versorgen.

Die Folgenabschätzung auf Basis der folgenden Annahmen führt insgesamt zu 1.247 versorgungsrelevanten Krankenhäusern (Datengrundlage waren die Fälle der 1.675 im Jahr 2021 behandelnden vollstationären somatischen Standorte, die auch zu Beginn des Jahres 2023 noch an der Versorgung teilnahmen):

  1. 1.

    422 Krankenhäuser mit erweiterter oder umfassender Notfallversorgung: Für die meisten Standorte liegen diesbezüglich Einstufungen aus den Verhandlungen vor. Für den Rest wird eine Prognose vorgenommen.

  2. 2.

    358 Krankenhäuser mit Notfallstufe in einem Fahrzeitradius von 30min: Es handelt sich um Häuser der Basisnotfallstufe in ländlichen Regionen, die im Fahrzeitradius von 30 min für mindestens einen Einwohner die einzig erreichbaren sind. [Anmerkung: Bei Sicherstellunghäusern wird eine signifikant höhere Einwohnerzahl gefordert, sodass hier eher von einer Überschätzung auszugehen ist.]

  3. 3.

    272 Fachkrankenhäuser mit mindestens 500 vollstationären somatischen Fällen: Der Status „Fachkrankenhaus“ wird angenommen, wenn der Herfindahl-Index für die Konzentration auf wenige abgerechnete DRG größer als 0,07 ist.

  4. 4.

    64 alleinstehende Kinderkrankenhäuser oder „Stroke Units“ oder „Traumazentren“: Hier handelt es sich um Kinderkliniken ohne Erwachsenenversorgung, die die Bedingungen für das Modul „Kindernotfallversorgung“ gemäß G-BA erfüllen. Auch Schlaganfall- und Traumazentren wurden nach G-BA-Kriterien abgegrenzt.

  5. 5.

    131 Krankenhäuser, ohne die die regionale Versorgung nicht sichergestellt wäre: Es handelt sich um Standorte der Basisnotfallstufe, die deshalb als versorgungsnotwendig erachtet werden, weil ohne sie die regionale Versorgung kaum gesichert werden könnte. Zur Ermittlung dieser Standorte wurde geprüft, ob auf Kreisebene durch die bereits als notwendig erachteten Standorte weniger als 80 % der Fälle von in diesem Kreis wohnenden Menschen versorgt werden. Ist dies der Fall, so wurden solange Standorte mit mindestens 5.000 vollstationären somatischen Fällen aus diesem Kreis mit in die Liste aufgenommen, bis eine Versorgung von 80 % der Einwohner gewährleistet ist. Die Priorisierung dieser Standorte wurde anhand der Versorgungsrelevanz im jeweiligen Kreis vorgenommen.

Der Ansatz erhebt keinen Anspruch auf eine zwingende gesetzliche Umsetzung, er verdeutlicht aber eine Vorgehensweise, die gewählt werden sollte, wenn man regelgetrieben zu einer Zahl versorgungsrelevanter Krankenhäuser ohne Berücksichtigung des Leistungsportfolios kommen will.

Da eine bundesweite Gesamtdarstellung aller Krankenhäuser nach dem Kriterium der Versorgungsrelevanz den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, sei zumindest für das Land Hessen eine Übersichtskarte präsentiert. Hessen hat unterschiedliche Siedlungsstrukturen und repräsentiert rund ein Zehntel der bundesdeutschen Krankenhauslandschaft (vgl. Tab. 5.1 und Abb. 5.5).

Tab. 5.1 Zahl der versorgungsrelevanten Krankenhäuser. (Quelle: GKV-Spitzenverband)
Abb. 5.5
figure 5

Krankenhausstandorte in Hessen – Folgenabschätzung gemäß Modellannahmen für versorgungsrelevante Krankenhäuser. (Quelle: GKV-Spitzenverband)

Die versorgungsrelevanten Häuser sind mit dunkelblauen Punkten gekennzeichnet. Politisch brisant sind jene 39 (hellblaue Punkte) der insgesamt 129 Häuser, die derzeit im Krankenhausplan stehen, aber gemäß den obigen Kriterien nicht als versorgungsrelevant eingestuft werden. Die Häuser sind auf den ersten Blick nicht mittels einer einfachen Systematik zu identifizieren. Vergleichsweise selbsterklärend ist die Einstufung in den Ballungsgebieten, in denen die Versorgung schon durch andere Krankenhäuser gesichert wird (vgl. Frankfurt, Wiesbaden, Gießen, Kassel). Eine ähnliche Situation gibt es in Randgebieten zu Ballungszentren benachbarter Bundesländer (Heidelberg, Mannheim/Ludwigshafen) am äußersten südlichen Ende von Hessen. Bei einem Teil der Randlagen-Standorte handelt es sich um Sonderfälle, wie z. B. um kleine Akutbettenabteilungen als Bestandteil von Rehakliniken. In einigen wenigen Fällen liegen Fachkrankenhäuser knapp unter den Kriterien (Herfindahl-Index, Fallzahl).

Bei der Beurteilung und politischen Einordnung ist die einfache Erkenntnis zu berücksichtigen: Andere Algorithmen ergeben andere Standorte. Wichtig ist aber der Vorschlag, über Standorte auf der Basis von bedarfsbezogenen Algorithmen zu entscheiden. Nur sie dürften sich auf Dauer als gerichtsfest erweisen. Es sei noch darauf hingewiesen, dass für die dargestellte Folgenabschätzung ein vergleichsweise einfaches Vorgehen gewählt wurde: Die Leistungsgruppen wurden nicht berücksichtigt. Zudem wurde die Möglichkeit von neuen Standorten nicht einbezogen.

7 Zahl und Standort von integrierten Notfallzentren (INZ)

Eng verbunden mit den Notfallstufen ist die Einrichtung von integrierten Notfallzentren (INZ) im Grenzbereich von ambulanter und stationärer Notfallversorgung. Die Situation der Notfallaufnahmen ist seit Längerem Gegenstand gesundheitspolitischer Diskussionen. Die Krankenhäuser beklagen die große Zahl von Bagatellfällen, die kaum noch Zeit für die Versorgung der wirklichen Notfälle lassen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) beklagen den Direktzugang zum Krankenhaus, da die ambulante Versorgung eigentlich in den niedergelassenen Praxen stattfinden soll. Die Krankenkassen wiederum kritisieren, dass durch die hohe Zahl von Notfällen unnötige stationäre Fälle generiert werden.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in seinem Gutachten 2018 (SVR 2018) vorgeschlagen, vor den Krankenhäusern integrierte Notfallzentren (INZ) einzurichten – eine Art von KV-Container-Sperrriegel vor jedem Krankenhaus. In diesen INZ soll eine Ersteinschätzung erfolgen, um die Patienten in die richtige Versorgungsstufe zu leiten, also ins Krankenhaus oder aber in die vertragsärztliche Versorgung. Der Sachverständigenrat hatte die INZ als gesellschaftsrechtlich eigenständige Konstruktion vorgeschlagen – gegründet von den Kassenärztlichen Vereinigungen einerseits und den Krankenhäusern andererseits. Das Modell spielt in der aktuellen Diskussion keine Rolle mehr, da der Sachverständigenrat keine Antwort auf die Frage hat, wie denn eine solche „INZ-GmbH“ entsteht, wenn weder KV noch Krankenhäuser diese wollen.

Das Konzept eines INZ mit einem gemeinsam von KV und Krankenhaus betriebenen Tresen findet sich jedoch weiter in der Diskussion. So hat beispielsweise der GKV-Spitzenverband ein solches Modell vorgeschlagen (GKV-Spitzenverband 2023b). Die Vorschläge der Regierungskommission gehen in die gleiche Richtung: In der vierten Stellungnahme (Regierungskommission 2023b) hat die Kommission INZ mit gemeinsamen Tresen und KV-Notdienstpraxen vorgeschlagen.

In die gleiche Richtung zielen nunmehr auch die Eckpunkte des BMG zur Reform zur Notfallversorgung (BMG 2024). Integrierte Notfallzentren (INZ) werden flächendeckend, Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ), soweit es die Kapazitäten zulassen etabliert. INZ und KINZ bestehen aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer KV-Notdienstpraxis und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle (BMG 2024, S. 3).

Neben der Frage der Öffnungszeiten der KV-Notdienstpraxen stellt sich die Frage, an wie vielen Krankenhausstandorten solche INZ aufgebaut werden sollen. Die BMG-Formulierung „flächendeckend“ weist darauf hin, dass dies letztlich an allen Krankenhäusern mit Notaufnahme zu geschehen hat – im Grundsatz ein richtiger Gedanke. Betreibt man allerdings an 1.000 Standorten 24/7 eine Notfallpraxis, dann erfordert dies 5.000 bis 7.000 hauptamtlich tätige Ärzte, die ihre bisherige Praxistätigkeit aufgeben müssten.

Die Regierungskommission hat vorgeschlagen, an allen Krankenhäusern mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung INZ einzurichten (Regierungskommission 2023a). Insgesamt ergeben sich daraus 256 + 167 = 423 Krankenhäuser mit INZ. Versorgungspolitisch überzeugend ist das nicht. Wie in Abschn. 5.5 gezeigt, ergäbe sich eine Art von Überversorgung in den Ballungszentren, während in der Fläche die Versorgung nicht gewährleistet wäre.

Der GKV-Spitzenverband hat die INZ-Verteilung simuliert und eine alternative Verteilung vorgeschlagen (GKV-Spitzenverband 2023b). Dabei werden der Bedarf der Bevölkerung und die notwendigen Arztkapazitäten berücksichtigt. Für die jeweilige Region (in der Regel die Landkreise) werden die benötigten Arztkapazitäten ausgehend von der höchsten Notfallstufe der Krankenhausstandorte verteilt. Ist die Arztkapazität dieser INZ ausgeschöpft, wird ein weiteres Krankenhaus ausgewählt (Kriterium ist die Fallzahl). Bis zur bedarfsgerechten Versorgung werden weitere Krankenhäuser hinzugezogen. Bereits existierende KV-Notdienstpraxen werden in die Simulation einbezogen.

Bei einer gegebenen Verhältniszahl (GKV-Spitzenverband 2023b) ergibt die Simulation einen Bedarf von bundesweit insgesamt 733 INZ, davon 144 an Krankenhäusern mit umfassender und 195 an Krankenhäusern mit erweiterter Notfallstufe. Hinzu kommen – und darin besteht ein großer Unterschied zur Regierungskommission – 395 Häuser mit Basisnotfallstufe. Verglichen mit den 545 bestehenden KV-Notdienstpraxen ergibt sich ein zusätzlicher Bedarf von 188 INZ.

Abb. 5.6 und 5.7 zeigen die unterschiedliche Flächendeckung in Hessen. Durch die Erweiterung der INZ-Standorte von 26 auf 49 reduziert sich die Fläche mit schlechter Erreichbarkeit erheblich.

Abb. 5.6
figure 6

Erreichbarkeit von INZ-Standorte gemäß Vorschlag der Regierungskommission (erweitere und umfassende Notfallversorgung; Hessen). (Quelle: GKV-Spitzenverband)

Abb. 5.7
figure 7

Erreichbarkeit bei INZ-Standorte gemäß Vorschlag des GKV-Spitzenverbandes (Hessen). (Quelle: GKV-Spitzenverband)

8 Anregungen zur Methodik einer Neugestaltung der deutschen Krankenhauslandschaft

Ein umfassendes algorithmisches Modell zur Krankenhausversorgung in Deutschland fehlt bislang. Es müsste die „optimalen“ Standorte und Krankenhausstrukturen ableiten aus der Verteilung und Morbidität der Bevölkerung (kleinräumig und idealerweise fortgeschrieben für einen gewählten Planungshorizont) und einem Krankenhausmodell auf der Basis von Leistungsgruppen (inkl. Qualitätsvorgaben) und ggf. Versorgungsstufen. Auch hier wäre eine Fortschreibung für einen gewählten Planungshorizont sinnvoll (z. B. wegen verringertem Bettenbedarf aufgrund von Ambulantisierung).

Die Krankenhausplanung könnte „auf der grünen Wiese“ also mit neuen Standorten oder mit bestehenden Standorten und historischer Abteilungsstruktur ausgestaltet werden. Darauf aufbauend könnten beliebig viele Verfeinerungen erfolgen, so z. B. Ressourcenbegrenzungen (finanzieller Art, aber beispielsweise auch Fachkräftemangel), Interdependenzen zu „benachbarten“ Sektoren wie ambulante Akutversorgung oder Langzeitpflege, und Qualität, sofern die Qualitätssicherung über die Strukturanforderungen der Leistungsgruppen hinausgeht.

Der vorliegende Beitrag enthält nur erste Annäherungen an ein solches Modell. Er diskutiert die Probleme bei der Zuordnung von Leistungsgruppen auf Krankenhäuser. Bei der Herleitung aus dem Fallspektrum würden jedoch – eine spezifische Definition und einen bundeseinheitlichen Grouper vorausgesetzt – willkürliche „Türschild-Regelungen“ vermieden. Die Probleme einer Levelzuordnung wurden nicht näher diskutiert, aber die Wirkung von Notfallstufen simuliert. Sie stellen eine Art Level-Surrogat dar, da sich die Stufen stark an der Zahl der vorgehaltenen Fachabteilungen orientieren. Es konnte gezeigt werden, dass eine Beschränkung der Versorgung auf Krankenhäuser mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung zu schwerlich akzeptablen Erreichbarkeitszeiten führen würde.

Umgekehrt ist eine große Anzahl von Häusern nicht versorgungsrelevant, wobei die Abteilungsstruktur nur in Ansätzen berücksichtigt wurde. Insgesamt ergibt das vorgestellte Modell eine Zahl von 1.247 versorgungsrelevanten Krankenhäusern.

Ein Schritt in Richtung sektorenübergreifender Betrachtung stellt die Standortentscheidung für INZ dar. Auch hier ist eine Beschränkung auf die Häuser mit erweiterter und umfassender Notfallversorgung wenig überzeugend. Zur Flächendeckung wären insgesamt 733 Krankenhäuser mit INZ notwendig.

Das NRW-Modell fokussiert auf Leistungsgruppen, lässt aber in gewisser Weise außen vor, ob dabei ein „vernünftiges“ Krankenhaus entsteht – ein Krankenhaus mit arbeitsfähigem, effizientem, „harmonischem“ Leistungsspektrum. Es sind zwar zwischen den Leistungsgruppen Interdependenzen formuliert, aber das ausgewogene „Abteilungsspektrum“ ist nicht Teil des Algorithmus.

Die Frage ist, ob mit diesem Modell rational entschieden werden kann, welche Krankenhäuser (also nicht welche Abteilungen) unter dem Aspekt von Bedarfsnotwendigkeit und Erreichbarkeit „gerettet“ werden sollten – nach dem Motto: „Rettet die Richtigen“ (Leber 2024). So wird beispielsweise der Tatbestand der Insolvenz nicht auf Abteilungen angewendet, sondern nur auf das Krankenhaus insgesamt. Die Betrachtungsweise in den hier präsentierten Folgeabschätzungen nähert sich dem Gesamtmodell auf der Krankenhausebene. Sie unterscheiden zwischen notwendigen und nichtnotwendigen Häusern ohne detaillierten Blick auf die Abteilungsstruktur.

Allen Modellen gemeinsam ist der Ausgangspunkt: die zu versorgende Bevölkerung, nicht das „zu versorgende“ Krankenhaus. Die Zuordnung der Bevölkerung dürfte dabei etwas elaborierter sein, als die hier dargestellte Vorgehensweise: Nicht starre Zuordnungen (Patienten nehmen immer das nächste Krankenhaus) sind zu wählen, sondern sogenannte „Gravitationsmodelle“, bei denen auch die Versorgung in entfernteren Krankenhäusern möglich, aber weniger häufig ist. Parametrisch kann außerdem die Bedeutung von Patientenversorgung aus der Vergangenheit in die Modelle einfließen.

Alle diese Modelle berücksichtigen noch nicht die ökonomischen und qualitativen Verbesserungen, die durch neue Standorte erreicht werden könnten. Bevor allerdings die letzten Verfeinerungen modelliert werden, sollte das grundlegende Problem gelöst werden: Die gerichtsfeste Auswahlentscheidung zwischen mehreren gleichermaßen qualifizierten Krankenhäusern im Falle einer Überversorgung. Bundesweit gültige Algorithmen könnten dabei hilfreich sein.