FormalPara Zusammenfassung

Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hatte einen Reformvorschlag vorgelegt, das aus den drei Kernelementen (1) Einteilung der Krankenhäuser in bundeseinheitliche Versorgungsstufen (Level), (2) Gliederung der Krankenhausleistungen in Leistungsgruppen mit definierten Qualitätsanforderungen und (3) Änderung der Krankenhausvergütung in ein 2-Säulen-Modell durch Hinzufügen einer Vorhaltefinanzierung. In den Bund-Länder-Verhandlungen dazu sind wesentliche Komponenten davon weggefallen (die Level) oder deutlich verändert (die Leistungsgruppen). Der Beitrag gibt einen Überblick, welche Konsequenzen dies hat und wie die Empirie zur Verteilung der Leistungen auf Krankenhausstufen den ursprünglichen Vorschlag stützt.

The Government Commission for Modern and Needs-Based Hospital Care had presented a reform proposal consisting of three core elements: (1) Hospitals are sorted into uniformly defined care levels, (2) the range of services of each hospital is defined by a system of service groups with defined quality requirements, and (3) the DRG-based remuneration will be supplemented by adding a budget component to financing. In the negotiations between the federal level and the 16 Länder, core components were abolished (levels) or severely diluted (service groups). The chapter provides an overview about the consequences of such changes and how empirical data about current care patterns across hospital levels support the original proposal.

1 Einleitung

Der im Dezember 2022 vorgelegte Vorschlag der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung zielte darauf ab, die hinlänglich bekannten Probleme der Krankenhausversorgung zu reduzieren oder gar zu beseitigen, also die nicht immer überzeugende Behandlungsqualität (z. B. dargelegt im OECD-Report „Health at a Glance“ 2023), die mangelnden strukturellen Voraussetzungen (Strukturqualität und Steuerung), den erheblichen Mengenanreiz mit der daraus resultierenden Übertherapie, die damit verbundenen Personalprobleme und nicht zuletzt die von der Solidargemeinschaft zu tragenden Kosten. Im Kern war der Vorschlag stringent und klar formuliert: Krankenhäuser und ihre Leistungen werden einheitlich kategorisiert – und jedes Krankenhaus darf nur noch die Leistungen erbringen und vergütet bekommen, für die es personell und technisch ausgestattet ist. Im Gegenzug wird die Vergütung so umgestellt, dass Krankenhäuser ihre als bedarfsgerecht und qualitativ angemessenen Leistungen auch wirtschaftlich erbringen können, ohne nur auf die Fallmenge setzen zu müssen (Busse et al. 2023).

Die Veränderung der derzeit fast ausschließlich mengenbezogenen DRG-basierten Vergütung zugunsten eines 2-Säulen-Modells durch Hinzufügen einer Vorhaltefinanzierung – bei gleichzeitiger Reduktion der DRG-Komponente – war, und ist, daher ein Kernelement der Reform. Im Gegensatz zu den anderen beiden Kernelementen hat es die Bund-Länder-Gespräche im ersten Halbjahr 2023 nicht nur überlebt, sondern wurde auch noch gestärkt, indem der auf die Vorhaltebudgets entfallende Anteil der Gesamtvergütung von rund 20 % auf 40 % verdoppelt wurde.

Vergessen – oder ignoriert – wurde dabei, dass eine so wesentliche Veränderung der Krankenhausvergütung voraussetzt, dass die intendierten Wirkungen, also eine erhöhte Qualität und Bedarfsgerechtigkeit der stationären Versorgung, auch erreicht werden. Zur Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung und der bestmöglichen Patientenallokation sollten Krankenhäuser daher in drei einheitlich definierte Krankenhaus-Versorgungsstufen (Level) eingeteilt werden, die es ermöglichen, lokale, regionale und überregionale Versorgungsaufträge mit unterschiedlichem Bedarf an personeller und technischer Ausstattung abzugrenzen. Um die Mindestqualität auch auf Ebene der bisher kaum nach Leistungsspektrum definierten Fachabteilungen sicherstellen zu können, wurde auch die Einführung eines Systems von Leistungsgruppen empfohlen, die passgenauer als DRGs (wegen sehr hoher Granularität) oder Fachabteilungen (wegen zu niedriger Spezifität) den Leveln zugeordnet und dem Bevölkerungsbedarf angepasst werden können. Jede Leistungsgruppe sollte einer Versorgungsstufe zugeordnet werden, die Mindestvoraussetzung für die Leistungsgruppen-unabhängige Strukturqualität ist; zugleich werden jeweils leistungsgruppen-spezifische personelle und technische Strukturvorgaben vorgegeben.

2 Versorgungsstufen (Level)

Die Regierungskommission hatte nicht nur vorgeschlagen, die Krankenhausstandorte bundeseinheitlich in drei (mit Sub-Unterteilungen: fünf) Versorgungsstufen (Level) einzuordnen, sondern für diese jeweils eine verpflichtende Mindestausstattung und Anforderungen an die ärztliche Anwesenheit außerhalb der Kernarbeitszeiten erarbeitet (vgl. Tab. 4.1).

Tab. 4.1 Synopsis wesentlicher Charakteristika der jeweiligen Level

Nicht nur der Vorschlag einer bundeseinheitlichen Einteilung in Level war „revolutionär“, sondern auch die Überlegungen, die derzeit längst nicht bundeseinheitlich definierte „Grundversorgung“ in zwei Sub-Level zu teilen, nämlich in In und Ii. In Level In sollten die von der Politik oftmals mit „Grundversorgung“ gleichgesetzten Krankenhäuser in ländlichen Regionen und mit entsprechender Entfernung zu Standorten der Level II bzw. III einsortiert werden. Die Klassifikation entspricht daher in etwa den Standorten der „Basis-Notfallversorgung“ (N1) der Notfallstufeneinteilung des G-BA, allerdings verknüpft mit (modifizierten) Kriterien für Sicherstellungszuschläge. Level-II-Krankenhäuser sollten nicht nur die Anforderungen der „erweiterten Notfallversorgung“ (N2) erfüllen, d. h. unter anderem einen Linksherzkatheter und zehn Beatmungs-Intensivbetten, sondern auch über eine Stroke Unit verfügen. Ärztinnen und Ärzte in der Inneren Medizin, Chirurgie, Intensivmedizin und der Notaufnahme sollten dort gemäß der Stellungnahme im Schichtdienst arbeiten. Level-III-Krankenhäuser sollten nicht nur die Anforderungen der „umfassenden Notfallversorgung“ (N3) erfüllen, sondern in den genannten Abteilungen auch die fachärztliche Anwesenheit 24/7 sicherstellen. Während sich also die drei Level grundsätzlich an den drei Notfallstufen des G-BA orientieren, gehen sie im Detail über die G-BA-Anforderungen hinaus. Hier hätte es in den Bund-Länder-Gesprächen sicher Spielraum für etwaige Anpassungen gegeben, ohne gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten und grundsätzlich auf krankenhausweite Regelungen zur Qualität zu verzichten.

Daher sollen hier die derzeitigen Notfallstufen genutzt werden, um einen Überblick zu bieten, wie sich die Standorte auf den drei Notfallstufen unterscheiden. Die Einteilung der Häuser stammt aus den Angaben der Qualitätsberichte – ist von den Krankenhäusern also selbstberichtet. Dabei fällt auf, dass es Abweichungen zu den Angaben des GKV-Spitzenverbandes gibt, die auf den Verträgen zwischen Krankenhäuern und Krankenkassen beruhen (und die wir in Busse et al. 2023 genutzt hatten): So berichten die Krankenhäuser von 187 Standorten auf N3 (ca. 2,3/Mio. Einwohner), laut GKV-Spitzenverband sind es aber nur 164 (rund 2,0/Mio.) – und bezüglich N2 sind es 285 statt 260, zusammen also selbstberichtet 472 (5,7/Mio.) oder über 10 % mehr als die 424 (5,1/Mio.) laut Verträgen.

Tab. 4.2 zeigt Leistungsmerkmale der Krankenhausstandorte nach der Notfallstufenzuordnung, d. h. die anhand der AOK-Fälle ermittelten Fallzahlen, den Case-Mix (CM) und CM-Index, den Anteil an Patientinnen und Patienten mit invasiver Beatmung sowie die medianen Patientenwege zum Krankenhaus, jeweils im Jahr 2022. Dies zeigt, dass die 187 Standorte der umfassenden Notfallversorgung (N3) 32 % der stationären AOK-Fälle behandelt haben. Der durchschnittliche Standort behandelte dabei 187 % mehr Fälle als der durchschnittliche Standort über alle Notfallstufen hinweg. Der Case-Mix lag aufgrund des überdurchschnittlichen CM-Index sogar 224 % über dem Schnitt aller Standorte (d. h. über dreimal so hoch). Die im nationalen Vergleich überdurchschnittliche Komplexität der Fälle wird auch durch den um rund die Hälfte höheren Anteil an Patienten mit invasiver Beatmung untermauert.

Tab. 4.2 Leistungsmerkmale der Krankenhausstandorte nach Notfallstufenzuordnung, 2022. (Quelle: Qualitätsberichte, Daten der AOK und eigene Berechnungen)

Die 187 + 285 = 472 Standorte der Notfallstufen 3 und 2 zusammen versorgten 2022 knapp 60 % der AOK-Fälle und erbrachten 62 % des Case-Mixes. Sie sind daher in aller Regel als „systemrelevant“ zu klassifizieren – ein Charakteristikum, für das insbesondere von den Ländern Kriterien eingefordert werden, um bei drohenden Schließungen zu wissen, ob diese erhalten bleiben sollten. Umso unverständlicher, dass es genau die Länder waren, die eine einheitliche Definition von Versorgungsleveln, und die Einsortierung der Krankenhäuser in diese, so vehement abgelehnt haben.

Die derzeitige Einstufung der Standorte in die drei Notfallstufen ist aber nicht nur hinsichtlich des Ergebnisses intransparent – schließlich gibt es kein offizielles Verzeichnis, in welche Stufe ein Haus gehört – sondern die Einordnung folgt auch nicht unbedingt einer Bedarfsorientierung. So gibt es in Düsseldorf und Bremen nur jeweils einen Standort auf Stufe N2 oder N3, während es im kleineren Duisburg sogar fünf gibt. Auch die relativ kleinen Großstädte Koblenz, Recklinghausen und Siegen erscheinen mit jeweils drei solcher Standorte deutlich überversorgt, selbst wenn man die kompletten Landkreise berücksichtigt. Insgesamt gibt es 25 Großstädte (jeweils mit G gekennzeichnet) mit einer Standortdichte auf N2 bzw. N3 von mehr als 10 pro Million Einwohner (Tab. 4.3).

Tab. 4.3 Anzahl der N2- und N3-Standorte in deutschen Großstädten, sortiert nach Einwohnerzahl, 2021. (Quelle: eigene Berechnungen aufgrund von Angaben des GKV-Spitzenverbandes)

Auch die Krankenhausversorgung im ländlichen Raum zeigt sehr große regionale Unterschiede und bedarf teils dringlicher Interventionen zur Sicherstellung einer qualitativ angemessenen Versorgung in den kommenden Jahren. Während in Nordrhein-Westfalen fast alle ländlichen Regionen bereits durch Häuser der Stufe 2 und 3 abgedeckt sind (anhand der Liste des GKV-Spitzenverbandes), weisen diesbezüglich vor allem östliche Bundesländer und Bayern deutliche Versorgungslücken auf (Abb. 4.1; Karagiannidis et al. 2023a) – obwohl die Verantwortlichen genau dieser Länder nicht müde wurden und werden, dass eine grundlegende Reform nicht notwendig sei bzw. im Falle der Neuen Bundesländer in den 90er Jahren ja schon erfolgt sei. Die Karte in Abb. 4.1 zeigt allerdings sehr deutlich, dass hier doch Reformbedarf besteht – hin zu mehr Stufe 2- bzw. 3-Standorten und Umwandlung vieler der (in Abb. 4.2 zusätzlich dargestellten) Stufe-1-Häuser in Level Ii zugunsten von weniger Stufe-2-Häusern, auch und gerade in ländlichen Räumen. Gerade die Stufe-2-Standorte sichern die Versorgung auch über die 2020er Jahre hinaus, weil sie eine kritische Größe haben, die den bevorstehenden disruptiven Personalmangel in der Pflege (hoffentlich) übersteht. Die Karten zeigen jedoch große regionale Unterschiede. Insbesondere Bayern hat ziemlich viele kleine Krankenhäuser (knapp 300) und im Vergleich dazu nur wenige Stufe 2-und 3-Kliniken (je etwa 30; d. h. zusammen ca. 4,7/Mio.; vgl. Busse et al. 2023). Hieraus ergibt sich aber auch das ungeheure Potenzial des Bundeslandes durch Zusammenlegung kleinerer, schlechter ausgestatteter Standorte zu qualitativ höherwertigen Standorten – nach der Devise: besser eine Stufe-2-Klinik in 30 min Entfernung als mehrere Stufe-1-Kliniken in höchstens 20 min Entfernung. Dies würde insbesondere nach der Reform gelten, da mit höherem Level nicht nur eine bessere technische Ausstattung, sondern auch eine zeitlich bessere Verfügbarkeit des ärztlichen Personals verbunden wäre (vgl. Tab. 4.1).

Abb. 4.1
figure 1

Standorte der Notfallstufen 2 und 3 (in dunkelblau) bzw. Notfallstufe 1 mit Sicherstellungszuschlag (in hellblau) und jeweiliger Erreichbarkeit in Minuten

Abb. 4.2
figure 2

Standorte wie in Abb. 4.1 plus Notfallstufe-1-Standorte ohne Sicherstellungszuschläge (ebenfalls in hellblau; ohne markierte Erreichbarkeit)

3 Leistungsgruppen

Eine einheitliche Definition von Versorgungsstufen und die Festlegung von Mindestanforderungen pro Stufe allein würde einen entscheidenden Schwachpunkt der derzeitigen deutschen Krankenhausversorgung noch nicht beseitigen: Krankenhäuser behandeln zu häufig auch ohne passende personelle und technische Ausstattung. Grund dafür ist, dass sich in der Regel die Fachabteilungen lediglich an den ärztlichen Fachgebieten orientieren.

Die Regierungskommission hatte in ihrer Stellungnahme stattdessen vorgeschlagen, das Leistungsspektrum mithilfe sogenannter Leistungsgruppen (LG) zu definieren. Diese sollten jeweils, definiert über ICD- und OPS-Codes, diejenigen Patientinnen und Patienten bzw. die für sie bedarfsgerecht und qualitativ notwendigen Leistungen zusammenfassen, die ähnliche personelle und technische Ausstattung benötigen. Die Kommission hatte dafür – aufbauend auf dem detaillierten Schweizer System und unter Berücksichtigung des NRW-Systems mit 60 somatischen LG – einen Katalog von 128 Leistungsgruppen erarbeitet, deren Definitionen auch alle anderen qualitätssichernden Vorgaben (wie etwa die Mindestmengen-Regelung) ersetzen sollten. Für die Erarbeitung der jeweiligen Strukturvoraussetzungen regte sie die aktive Beteiligung von medizinischen Fachgesellschaften und weiteren Verbänden an.

Im Kommissionspapier wurden alle LG jeweils einem Mindestlevel zugeordnet. Level-In-Kliniken hätten dementsprechend nur Leistungen passend zu Level I abrechnen dürfen, Level-II-Kliniken nur die passend zu Level I und II, während Level-III-Kliniken alle abrechnen dürften – sofern jeweils die leistungsgruppenspezifischen Anforderungen erfüllt wären und ein entsprechender Versorgungsauftrag vorläge.

In den Bund-Länder-Verhandlungen wurde zwar der Vorschlag einer Nutzung von LG aufgegriffen, aber (1) von der detaillierten Gliederung der LG sowie (2) ihrer Koppelung an Level Abstand genommen. Stattdessen sollen die in Nordrhein-Westfalen entwickelten LG mit ihren sehr schwachen, zum Teil unter den für OPS-Strukturmerkmalen liegenden qualitativen Anforderungen für die bundesweite Gruppierungslogik Anwendung finden. Dadurch verliert das System sowohl die Koppelung an krankenhausweite Qualitätsvorgaben, die an die Level geknüpft sind (s. o.), als auch durch die z. T. sehr breit definierten NRW-LG die Möglichkeit, pro LG sehr spezifische Anforderungen zu definieren. Da zudem – zumindest initial – auch die Anforderungen von NRW übernommen werden und diese für viele LG durch die ärztliche Weiterbildungsordnung definiert sind und auch mittels Kooperationen als erfüllt gelten, verlieren die LG viel von ihrem intendierten Biss.Footnote 1

Das Ergebnis der Überprüfung, ob es in Deutschland ggf. schon eine „Sortierung“ der Fälle nach Notfallstufen besteht, zeigt Tab. 4.4. Diese zeigt für ausgewählte NRW-LG bzw. definierte Gruppen nach DRGs bzw. der MDC 17 sowie für Fälle stratifiziert nach Relativgewicht, wie sich die AOK-Fälle im Jahr 2022 auf Standorte der Notfallstufen 1, 2 und 3 verteilen. Angegeben ist auch, welche LG gemäß dem Vorschlag der Kommission nur in Standorten mit Level II und höher (bzw. z. T. in Fachkliniken) erbracht bzw. welche Standorte mit Level III vorbehalten sein sollten.

Tab. 4.4 Verteilung der stationären AOK-Fälle auf Standorte nach Notfallstufe, 2022. (Quelle: Qualitätsberichte, Daten der AOK und eigene Berechnungen)

Tab. 4.4 zeigt, dass – ausgehend von den auch in Tab. 4.2 enthaltenden Anteilen – keine großen Unterschiede zwischen N1, N2 und N3 für die Relativgewicht-Strata gibt. Aus der Tabelle wird deutlich, dass alle Leistungen in Deutschland in Häusern aller Notfallstufen erbracht werden – bis hin zu 4 % der Transplantationen in vier Stufe-1-Häusern. Auffällig ist auch der große Anteil von 28 % der herzchirurgischen Patienten, die in 23 Stufe-1-Häusern operiert wurden (nicht gemeint sind hier 10 % in 13 Standorten ohne Notfallstufe, unter denen sich überwiegend Fachkliniken befinden dürften). Bei bariatrischer Chirurgie und Wirbelsäuleneingriffen wird sogar der relativ größte Anteil in Standorten der Stufe 1 behandelt – 42 % in 91 N1-Standorten bzw. 33 % in 495 (!) N1-Standorten. Zwar erfolgt die relative Mehrheit an Pankreas-, Leber- und Ösophaguseingriffen in N3-Häusern, aber zweistellige Prozentzahlen auch in 119, in 94 bzw. in 38 N1-Häusern – wobei pro Haus die jährlichen AOK-Patientenzahlen bei durchschnittlich 4, 2 bzw. 3 (!) liegen.

Von den Patienten mit hämatologischen und soliden Neubildungen (MDC 17) sind es sogar 18 %, die in 641 N1-Häusern (d. h. praktisch jedem Haus dieser Stufe) behandelt werden (im Schnitt 16 pro Jahr) – bei den gynäkologischen Karzinomen des Ovars 22 % und der Brust (LG Senologie) sogar 25 %. Jedes der 186 N1-Häuser, die Ovarialkarzinom-Patientinnen behandeln, kommt im Schnitt auf 2,5 (!) AOK-Patientinnen im Jahr; beim Brustkrebs sind es in den 216 N1-Häusern je 24, also auch unter Berücksichtigung der anders versicherten Patientinnen deutlich unter der ab 2025 gültigen Mindestmenge von 100.

Während international Leistungen wie Pankreas-, Leber- und Ösophaguseingriffe, komplexe Gefäßeingriffe, bariatrische Chirurgie etc. nur in wenigen spezialisierten Häusern erbracht werden dürfen, sind diese in Deutschland aufgrund der in den vergangenen Jahren weitestgehend fehlenden Planung der Länder auch zu einem relevanten Prozentsatz in kleinen Häusern ohne entsprechende Ausstattung möglich.

4 Relevanz von Leveln und Leistungsgruppen für Vorhaltevergütung

Die Einführung von Vorhaltevergütung hat wie das jetzige DRG-System Vor- und Nachteile. Ein wesentlicher Nachteil der Vorhaltevergütung ist ein unzureichender Effekt, wenn die Definition der Strukturvoraussetzung zu schwach erfolgt und damit keine Strukturveränderung mit „wanderndem“ Budget erzeugt. Im Extremfall erhalten alle Standorte, die heute die Leistungen der entsprechenden LG erbringen, diese von den Ländern zugeteilt: Dann würden bei gleichbleibender Höhe der Vergütung für den stationären Sektor im Schnitt alle Standorte exakt eine Vorhaltefinanzierung in Höhe der gekürzten DRG-Vergütung erhalten. Und was die derzeit 94 Standorte auf Stufe 1, die Lebereingriffe durchführen, mit ihren weniger als € 50.000 Vorhaltebudget an Versorgung sicherstellen sollen, ist auch unklar.

Ein Nachteil der Gruppierung in „allgemeine“ Leistungsgruppen, wie sie das NRW-System vornimmt („allgemeine Innere“ und „allgemeine Chirurgie“ mit rund 45 % aller stationären Fälle), ist, dass sie die darin enthaltenen spezialisierteren Leistungen auch für kleinste Krankenhäuser ermöglicht, während die Regierungskommission vorgeschlagen hatte, etwa Intensivmedizin in die LG „Basisbehandlung Intensivmedizin“ (ab Level In), „Erweiterte Intensivmedizin“ (ab Level II) und „Umfassende Intensivmedizin“ (nur für Level III) – oder Fächer wie Augenheilkunde in „Basisbehandlung“, „Allgemeine Augenheilkunde“ und „Komplexe Augenheilkunde“ zu teilen. Damit verbunden gewesen wäre eine gestufte Vorhaltevergütung. Standorte auf Level In hätten geringere Strukturvoraussetzungen und dementsprechend geringere Vorhaltebudgets, Level-III-Kliniken jeweils höhere. Dieser Mechanismus wäre allen Kliniken entgegengekommen, während die einheitliche LG-Definition zur Personaleinsparung in Häusern höherer Versorgungsstufen anreizt – bzw. Häuser mit niedrigerer Versorgungsstufe zum Behalten von Patientinnen und Patienten mit höherer Komplexität, obwohl diese dort nicht adäquat versorgt werden können, nur um den Case-Mix zur Berechnung des Vorhaltebudgets möglichst hoch zu halten.

Das NRW-Modell zeigt also noch große Schwachpunkte auf, aufgrund deren eine schrittweise Anpassung zwingend notwendig ist. Der große Vorteil des NRW-Modells liegt darin, dass der Schritt zur Einführung der LG-Systematik überhaupt gegangen wird und sich damit die Möglichkeit eröffnet, überhaupt spezialisierte Leistungen bestimmten Kliniken zuzuweisen. Wenn außerdem alle Bundesländer nach der gleichen LG-Systematik planen, sprechen sie alle die gleiche „Sprache“, was die Planung in grenznahen Regionen deutlich erleichtern würde.