FormalPara Zusammenfassung

In Deutschland wird aktuell eine Krankenhausreform diskutiert, die insbesondere den Planungsmechanismus mithilfe von Leistungsgruppen (LG) grundlegend ändern soll. Da die Schweiz bereits im Jahr 2012 einen derartigen Mechanismus erfolgreich eingeführt hat, können hiervon einige Impulse abgeleitet werden.

Der Beitrag widmet sich einerseits den zentralen Elementen der Spitalplanung (insb. den Qualitätsvorgaben) und Fragen der Leistungsdifferenzierung auf Grundlage der Spitalplanungs-Leistungsgruppen (SPLG). Methodisch wurden hierfür die Schweizer Krankenhausfälle der Akutsomatik aus dem Jahr 2018/2019 sowie die Kenndaten Akutsomatik und die Spitalliste des Kantons Zürich analysiert. Diese Fälle wurden algorithmisch (via ICD-/CHOP Codes) den einzelnen LG zugeordnet. Zudem wurden die Leistungsdifferenzierung der Krankenhäuser sowie der Ressourceneinsatz auf Spital- und Leistungsgruppenebene im Kanton Zürich analysiert.

Es zeigt sich, dass schweizweit 60 % der Fälle spezifischen LG zugeordnet werden und die restlichen 40 % auf die LG Basispaket (BP) entfallen. Der Vergleich zwischen dem ländlichen Kanton Graubünden (49 % BP) und dem urbanen Kanton Zürich (33 % BP) zeigt eine Zentralisierung von komplexen und spezialisierteren Leistungen. Die Analyse der Leistungsaufträge und Fallzahlen im Kanton Zürich zeigt, dass die Anzahl der Leistungsaufträge mit zunehmender Komplexität sinkt und eine Spezialisierung der Spitäler zu erkennen ist. Die Betrachtung des Ressourceneinsatzes auf Spitalebene zeigt teilweise eine große Streuung (> 2 Case-Mix-Punkte) für basale und auch spezifische LG.

Insgesamt lässt sich ableiten, dass Krankenhausplanung und -finanzierung gemeinsam gedacht werden sollten. In der Schweiz tragen die Kantone 55 % der Kosten eines jeden Krankenhausfalls, was zu einem hohen Interesse an bedarfsorientierten und wirtschaftlichen Krankenhausstrukturen seitens der Kantone führt. Auch sollte die Vereinbarkeit von LG und DRGs kritisch betrachtet werden, da innerhalb einer LG eine große Variation der Kostengewichte zwischen den Krankenhäusern zu beobachten ist. Wichtig ist auch, dass der Aufbau und die Entwicklung der LG vollständig auf Diagnose- und Prozedurencodes basiert. Bezüglich der Leistungsdifferenzierung sollte das NRW-Modell in Leistungsbereichen mit unzureichender Differenzierung um weitere LG erweitert werden.

In Germany, a hospital reform is currently being discussed which aims to fundamentally change the planning mechanism, especially through the use of service groups (LG). Since Switzerland successfully introduced a similar mechanism in 2012, some insights can be derived from it. The article addresses central elements of the Swiss hospital planning, particularly quality requirements, and questions of service differentiation based on hospital planning service groups (SPLG).

Methodologically, Swiss acute care cases from 2018/″​″​2019 were analysed, along with the key data of acute care and the hospital list of the Canton of Zurich. These cases were algorithmically assigned to individual LGs using ICD/″​″​CHOP codes. Additionally, the service differentiation of hospitals as well as resource utilisation at the hospital and service group levels in the Canton of Zurich were analysed.

It is evident that nationally, 60 % of cases are assigned to specific LGs, the remaining 40 % fall under the LG basic package (BP). A comparison between the rural Canton of Graubünden (49 % BP) and the urban Canton of Zurich (33 % BP) shows a centralisation of complex and specialised services. The analysis of service mandates and case numbers in the Canton of Zurich reveals that the number of service mandates decreases with increasing complexity, indicating a specialisation of hospitals.

The analysis of resource utilisation at the hospital level shows a significant variation (> 2 case mix points) for both basic and specific LGs.

Overall, it can be deduced that hospital planning and financing should be considered together. In Switzerland, the cantons cover 55 % of the costs of each hospital case, leading to a high interest in demand″​=oriented and economical hospital structures by the cantons. The compatibility of LG and DRGs should also be critically examined as there is a significant variation in cost weights between hospitals within an LG. It is important to note that the development of LG should entirely be based on diagnosis and procedure codes. Regarding service differentiation, the NRW model should be expanded to include additional LGs in areas with insufficient differentiation.

1 Einleitung

Eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung mit adäquatem Zugang für die Bevölkerung bei gleichzeitiger Kontrolle der Gesundheitsausgaben ist international eine der wesentlichsten Herausforderungen für die Gesundheitspolitik (Berwick et al. 2008). Dabei kommt der Versorgungsplanung, insbesondere der Planung stationärer Kapazitäten, eine besondere Bedeutung zu. Aktuell wird in Deutschland eine Krankenhausreform diskutiert, die 2024 in Kraft treten und die Krankenhausplanung der Länder grundlegend verändern soll (Vogel et al. 2020). Hierbei ist die Einführung von Leistungsgruppen inklusive spezifischer Qualitätsvorgaben pro Leistungsgruppe in Anlehnung an die in Nordrhein-Westfalen entwickelte Leistungsgruppensystematik geplant (MAGS 2022). Eine Krankenhausplanung auf Grundlage von Leistungsgruppen wurde bereits im Jahr 2012 in der Schweiz eingeführt (Bundesamt für Gesundheit 2019). Aufgrund der dortigen langjährigen Erfahrung mit der proaktiven Spitalplanung und Leistungsgruppensystematik gibt dieser Beitrag Einblicke in die etablierte Schweizer Systematik und damit wertvolle Impulse für die anstehende deutsche Krankenhausreform.

Dafür werden in diesem Beitrag die Hintergründe der Schweizer Spitalplanung dargestellt, die zentralen Elemente der kantonalen Spitalplanungen präsentiert, Analysen zur Leistungsdifferenzierung im Kanton Zürich vorgestellt, aufgezeigt, welche Komponenten die Schweizer Vorhaltefinanzierung beinhaltet und abschließend Impulse für die deutsche Krankenhausreform abgeleitet.

2 Hintergrund der Krankenhausplanung in der Schweiz

Die Schweiz hat vor dem Hintergrund kontinuierlich steigender Gesundheitsausgaben bereits vor mehr als einem Jahrzehnt eine grundlegende Reform der Krankenhausplanung (Spitalplanung) unternommen und sich somit international als Vorreiter positioniert (Bleibtreu et al. 2022). Der zugrunde liegende Paradigmenwechsel – hin zu einer Leistungs-, Bedarfs- und Qualitätsorientierung der Schweizer Spitalplanung – ist im Lichte der derzeitigen Reforminitiativen in Deutschland von besonderem Interesse.

Das ursprünglich 1996 in der Schweiz eingeführte Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) hat drei strategische Ziele: Erstens, der Schweizer Bevölkerung Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung zu gewähren; zweitens, das Ausgabenwachstum einzudämmen; drittens, Solidarität zwischen den Versicherten zu gewähren (Bundesamt für Gesundheit 2004). In einer ersten Evaluation zur Erreichung dieser Ziele wurde konstatiert, dass der Schweizer Bevölkerung eine solidarische und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt werden konnte, die Kosten für diese allerdings kontinuierlich stark gestiegen sind (Bundesamt für Gesundheit 2019). Aus diesem Grunde wurde das KVG im Jahre 2012 insbesondere hinsichtlich der stationären Versorgung revidiert.

Die wichtigsten Maßnahmen der KVG-Revision von 2012 umfassen die kantonale Spitalplanung, die dual-fixe Finanzierung von Spitalleistungen, die Einführung von SwissDRG, die erweiterte Spitalwahl für Versicherte und eine erweiterte Informationsbasis zur Wirtschaftlichkeit und Qualität von Spitalleistungen. Diese Maßnahmen wurden von der überwiegenden Mehrheit der Schweizer Kantone umgesetzt und spielen eine entscheidende Rolle in der Gestaltung des Schweizer Gesundheitswesens (Bundesamt für Gesundheit 2019).

3 Zentrale Elemente der kantonalen Spitalplanungen

3.1 Anforderungen

Um Leistungen zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) in der Schweiz erbringen zu können, müssen Spitäler einen Leistungsauftrag der Kantone erhalten. Dieser drückt sich durch die Aufnahme auf die kantonalen Spitallisten aus. Dafür evaluieren die Kantone die Bewerberspitäler gemäß verschiedenen Anforderungen. Diese werden in allgemeine Anforderungen, die für das ganze Spital gelten, und leistungsspezifische Anforderungen, die auf Ebene der Spitalplanungs-Leistungsgruppen (SPLG) definiert sind, unterteilt. Fig. 3.1 zeigt exemplarisch die Anforderungen des Kantons St. Gallen.

Abb. 3.1
figure 1

Anforderungen des Kantons St. Gallen. (Quelle: Gesundheitsdepartement Kanton St. Gallen 2017)

Die allgemeinen Anforderungen zu „Qualität“ beinhalten zum Beispiel die Verpflichtung der Spitäler zur Verwendung eines Qualitätsmanagementsystems, die Durchführung von Qualitätsmessungen des ANQ (Nationaler Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken) oder den spitalweiten Betrieb eines Fehlermeldesystems (CIRS).

Weitere Qualitätsanforderungen hinsichtlich Strukturen und teilweise auch Prozessen werden auf SPLG-Ebene als leistungsspezifische Anforderungen definiert. Die Anforderungen umfassen zum Beispiel Vorgaben zum Versorgungslevel einer Überwachungs- oder Intensivstation, das Versorgungslevel des Notfalldiensts/der Notfallorganisation, Mindestfallzahlen, Vorgaben zur Erbringung verknüpfter Leistungsgruppen, ärztliche Facharztqualifikationen und Verfügbarkeiten und die Durchführung von Tumorboards. Je nach SPLG werden weitere „sonstige“ Anforderungen gestellt, wie zum Beispiel die Zertifizierung als Stroke Center für die SPLG NEU3.1 (Zerebrovaskuläre Störungen im Stroke Center) oder eine Ernährungs- und Diabetesberatung für die SPLG END1 (Endokrinologie). Die drei erstgenannten leistungsspezifischen Anforderungen (a) Überwachungs- oder Intensivstation, (b) Notfalldienst/-organisation und (c) Mindestfallzahlen werden im Sect. 3.3.3 vertieft.

3.2 Leistungsgruppensystematik

Der Züricher SPLG-Grouper ordnet alle Spitalfälle gemäß ICD und/oder CHOPs eindeutig einer SPLG zu. SPLG unterschiedlicher Komplexität werden in ihren jeweiligen übergeordneten Spitalplanungs-Leistungsbereichen (SPLB) geführt. Dabei sind die SPLG medizinisch-hierarchisch aufgebaut, d. h. die einzelnen SPLG greifen ineinander. Somit sind diese medizinisch voneinander abhängig und auch voneinander abgrenzbar. Dabei ist zu beachten, dass die Erbringung von komplexeren SPLG auch die hierarchisch untergeordneten SPLG erfordert. Alle Fälle, die keiner spezifischen SPLG zugeordnet werden, sind der SPLG BP (Basispaket) zugeordnet. Je spezifischer und komplexer eine SPLG, desto höher sind die Anforderungen für den Leistungsauftrag und desto wahrscheinlicher ist eine Zentralisierung, da sich nur wenige Spitäler schweizweit für einen Versorgungsauftrag qualifizieren.

Zudem werden die komplexesten, hochspezialisierten SPLG per Interkantonaler Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (IVHSM) auf Bundesebene von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) geplant (Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren 2008). Hierzu gehören zum Beispiel die SPLG NEU3.1 (Stroke Units), TPL1 (Herztransplantation), UNF2 (Ausgedehnte Verbrennungen) sowie VIS1.1/VIS.3 (Pankreas-/Oesophagusresektion).

3.3 Leistungsspezifische Anforderungen

3.3.1 Notfalldienst/-organisation

Bei den leistungsspezifischen Anforderungen an den Notfalldienst/-organisation handelt es sich insbesondere um Notfälle innerhalb eines Spitals. Bei den Anforderungen an einen Notfalldienst wird zwischen vier Leveln differenziert (die Anforderungsstufen entsprechen), wobei Level 4 spezifisch für den SPLB-Geburtshilfe (GEB) geschaffen worden ist. Während bei einem Spital mit Level 1 Ärzte mit Facharztqualifikation Innere Medizin und Chirurgie lediglich werktags tagsüber dem Notfall zur Verfügung stehen müssen (multifunktionaler Spitaleinsatz möglich), so steigen die Anforderungen bis Level 3 kontinuierlich an. Final stehen bei einem Spital mit Level 3 werktags tagsüber für den Notfall „Ärztinnen und Ärzte mit Facharztqualifikation Allgemeine Innere Medizin und Chirurgie in erster Priorität zur Verfügung [und sie sind] bei medizinischer Notwendigkeit […] innerhalb von 5 Minuten auf der Notfallstation“ (Kanton Zürich Regierungsrat 2023). Für das Level 4 muss zu jeder Zeit ein Facharzt der Geburtshilfe innerhalb von 10 min vor Ort zur Verfügung stehen, sodass ein Notfallkaiserschnitt in weniger als 15 min erfolgen kann. Der Einsatz von Assistenzärzten für Nachtschichten mit spezifischen Qualifikationen (z. B. zweite Hälfte der Facharzt-Ausbildung) sowie von weiteren Fachärzten (z. B. Anästhesie) ist ebenfalls konkret definiert und mit Zeitfristen pro Level hinterlegt. Beispiele für Vorgaben der Level des Notfalldienstes sind das Level 1 für die SPLG BP, Level 2 für GEF1 (Gefäßchirurgie periphere Gefäße), Level 3 für HER1 (Einfache Herzchirurgie) und Level 4 für GEB1 (Grundversorgung Geburtshilfe). Somit definiert die Schweiz im Vergleich zur Krankenhausplanung NRW nicht absolute Anforderungen an vollzeitäquivalente Arbeitskräfte, unabhängig von Größe der Klinik, sondern stellt konkrete Anforderungen an die Interventionszeiten bei Notfällen. Dementsprechend ist die Schweizer Methodik je nach Krankenhausgröße skalierbar und die einzelnen Krankenhäuser können nach individuellem Bedarf den Personalaufwand prognostizieren.

Eng verknüpft mit diesen Vorgaben sind die Anforderungen an die zeitlichen Verfügbarkeiten der Fachärzte. Diese werden ebenfalls in vier Leveln differenziert, wobei das Level in vielen Fällen entsprechend der Levelanforderung an den Notfalldienst/die Notfallorganisation ist. Diese Verfügbarkeiten müssen zu jeder Zeit, an jedem Tag (24/7) gewährleistet sein und gelten auch für den Beizug von Beleg- und Konsiliarärzten. So bedarf es für das Level 1, dass ein Facharzt „innerhalb 1 Stunde erreichbar“ (Kanton Zürich Regierungsrat 2023) ist oder der Patient innerhalb von einer Stunde verlegt werden kann. Für Level 2 muss ein Facharzt jederzeit erreichbar sein und eine diagnostische oder therapeutische Intervention innerhalb von einer Stunde möglich sein. Schließlich muss für das Level 3 ein Facharzt ebenfalls jederzeit erreichbar sein und darüber hinaus eine „diagnostische oder therapeutische Intervention […] innerhalb von 30 Minuten möglich“ sein (Kanton Zürich Regierungsrat 2023) Das Level 4 ist hier ebenfalls für die Geburtshilfe vorgesehen, wobei der Facharzt innerhalb von 15 min im Spital sein muss. Weitere Details, spezifische Definitionen und entsprechende Anforderungen pro SPLG sind in der tabellarischen Zusammenstellung des Regierungsrates des Kantons Zürich (2023) ersichtlich.

3.3.2 Überwachungs- oder Intensivstation

Im Gegensatz zur NRW-Krankenhausplanung wird in der Schweiz das Vorhalten einer Überwachungs- oder Intensivstation nicht als eigene Leistungsgruppe (LG) definiert, sondern dient als direkte Qualitätsanforderung für Leistungsaufträge bestimmter SPLG. Der Regierungsrat des Kantons Zürich (2023) differenziert bei der Vorgabe einer Überwachungs- oder Intensivstation zwischen drei Leveln. Level 1 bedarf einer Überwachungsstation. Level 2 bedarf einer Intensivstation, die durch die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) zertifiziert wurde. Level 3 bedarf einer Intensivstation mit Weiterbildungsstätte, die gesondert nach SGI zertifiziert sein muss (mind. 3.000 Pflegetage pro Jahr und mind. 24.000 Beatmungsstunden nach DRG pro Jahr).

Auch für diese leistungsspezifische Anforderung wird je nach SPLG definiert, ob und welches Level für die Vergabe eines Leistungsauftrags benötigt wird. Zum Beispiel wird für die SPLG BP eine Überwachungsstation (Level 1) benötigt. Für die SPLG HNO1.1.1 (Komplexe Halseingriffe) wird eine Level-2-Intensivstation benötigt und für die SPLG NCH1.1 (Spezialisierte Neurochirurgie) wird eine Level-3-Intensivstation gefordert.

3.3.3 Mindestfallzahlen

In der Schweiz ist es unbestritten, dass Mindestfallzahlen dabei helfen, die Behandlungsqualität sicherzustellen und die Patientensicherheit zu gewährleisten (H+ Die Spitäler der Schweiz 2021). Dementsprechend definieren die Kantone je nach SPLG Mindestfallzahlen zumeist auf Spitalebene, wobei zum Beispiel der Kanton Zürich auch zusätzlich Mindestfallzahlen auf Operateursebene für ausgewählte SPLG vorschreibt. Laut Bundesamt für Gesundheit haben im Jahr 2019 24 der 26 Kantone Mindestfallzahlen definiert (Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren 2022). Spitäler erhalten nur einen definitiven Leistungsauftrag für eine SPLG, wenn ihre durchschnittliche Fallzahl der vorangegangen zwei Jahre die Mindestfallzahl überschreitet. Die Evaluation erfolgt jährlich.

So hat die Gesundheitsdirektion Zürich für die Spitalplanungsrunde 2023 für 32 SPLG Mindestfallzahlen festgelegt (siehe Table 3.1). Diese reichen von zehn Fällen pro Spital für die SPLG HNO2 (Schild- und Nebenschilddrüsenchirurgie) bis hin zu 500 pro Spital für KAR3 (Interventionelle Kardiologie). Des Weiteren bestehen Mindestfallzahlen pro Operateur wie zum Beispiel 15 Fälle pro Operateur (zusätzlich zu 50 Fällen pro Spital) für BEW7.1 (Erstprothese Knie). Auch gibt es verknüpfte Mindestfallzahlen wie zum Beispiel 50 Fälle pro Operateur in der BEW7.2 (Erstprothese Knie) für die SPLG BEW 7.2.1 (Wechseloperationen Knieprothesen).

Tab. 3.1 SPLG mit Mindestfallzahlen auf Spitalebene in Zürich 2023. (Quelle: Kanton Zürich Regierungsrat 2023)

Darüber hinaus sind für viele SPLG der hochspezialisierten Medizin (IVHSM) ebenfalls Mindestfallzahlen definiert, die in der folgenden Tabelle nicht näher aufgeführt sind, da diese national geplant werden. Zum Beispiel muss jeder Spitalstandort für die SPLG NEU3.1 (Komplexe Behandlung von Hirnschlägen) mindestens 400 Schlaganfallpatienten sowie mindestens 40 komplexe hochspezialisierte Behandlungen von Hirnschlägen pro Jahr durchführen. Für die selteneren Fälle in den SPLG VIS1.1 (Pankreasresektion) und VIS1.3 (Oesophagusresektion) müssen jeweils mindestens zwölf Operationen pro Jahr und Standort durchgeführt werden.

4 Leistungsdifferenzierung in der Schweiz und im Kanton Zürich

4.1 Daten und Methodik

Die nachfolgenden Analysen basieren primär auf der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser („GEO“- & „TYPOL“-Datensatz) vom Schweizer Bundesamt für Statistik sowie auf der Spitalliste und den Kenndaten des Kantons Zürich. Hierbei wird Zürich genauer betrachtet, da sich die kantonalen Spitalplanungen zum Großteil an der Züricher Spitalplanung orientieren beziehungsweise diese Systematik und die Vorgaben direkt übernommen haben.

Methodisch beinhalten die Analysen die deskriptive Spitalfallzuordnung auf die einzelnen SPLG, die empirische Analyse der Leistungsdifferenzierung zwischen den Krankenhäusern im Kanton Zürich sowie die Verteilungsbetrachtung der Komplexität und des Ressourceneinsatzes auf Spitalebene. Weitere Analysen sowie detaillierte Informationen bezüglich der Datengrundlange und Methodik finden sich in Kuklinski et al. (2023).

4.2 Übersicht über die Schweizer Spitallandschaft

Die Anzahl und der Zuschnitt von Leistungsgruppen bestimmt die Verknüpfbarkeit mit Qualitätsanforderungen und die erzielbare Steuerungswirkung. Eine Analyse der Leistungsdifferenzierung je nach Ausgestaltung der LG kann daher bei der Entwicklung einer Leistungsgruppensystematik unterstützen. Fig. 3.2 zeigt die Verteilung der schweizweiten Spitalfälle in der Akutsomatik auf die Züricher SPLB und SPLG für das Jahr 2018. Rund 60 % der Fälle werden spezifischen SPLG zugeordnet, sind somit explizit über CHOPS und ICDs definiert und unterliegen SPLG-spezifischen Anforderungen. 16 % dieser Fälle können dem SPLB Bewegungsapparat – chirurgisch (BEW), 8 % der Geburtshilfe (GEB), 5 % der Urologie (URO) und 5 % dem Herzen (HER/KAR) zugeordnet werden. In den genannten SPLB ist zu beobachten, dass die meisten Fälle innerhalb der SPLB in die Grund-SPLG (z. B. BEW1, URO1, GEB1) des Leistungsbereichs fallen. Je komplexer und spezifischer die SPLG wird, desto weniger Fälle sind ihr zugeordnet. Die SPLG Basispaket (BP) enthält ca. 40 % der schweizweiten Spitalfälle – das heißt Fälle, die nicht direkt aufgrund ihres CHOPs und ihrer ICD einer spezifischen SPLG zugeordnet worden sind. Ein größerer Anteil an zuordenbaren Fällen geht mit einer höheren Steuerungsfähigkeit in der Spitalplanung einher, da die kantonalen Planungsbehörden für die medizinisch homogeneren Gruppen detaillierte und sinnvollere Qualitätsanforderungen definieren können. Für das Basispaket können aufgrund seiner medizinischen Heterogenität nur eher allgemeine Anforderungen gestellt werden.

Abb. 3.2
figure 2

Verteilung Spitalfälle nach SPLB und SPLG in 2018 – Gesamtschweiz. (Quelle: Bundesamt für Statistik 2018)

Neben den absoluten Fallzahlen ist der Ressourceneinsatz ein wichtiger Faktor. Betrachtet man diesen Ressourceneinsatz via dem effektiven Case-Mix der SPLB und SPLG (siehe Kuklinski et al. 2023), so steigt der Anteil der kostenintensiven und komplexeren SPLG im Vergleich zur Fallzahlverteilung deutlich an. So kann eine Reduzierung des Basispakets (von 40 % in der Fallzahlverteilung auf 37 % in der Ressourcenverteilung) und der Geburtshilfe (von 8 % auf 4 %) bei einer Aufwertung der komplexeren SPLB wie Herz (von 5 % auf 8 %), Neurologie (von 3 % auf 4 %) und Viszeralchirurgie (von 2 % auf 3 %) beobachtet werden.

Ein Vergleich der Verteilung der akutsomatischen Fälle nach Behandlungskanton mit der Gesamtschweiz bringt mehrere Erkenntnisse (siehe Kuklinski et al. 2023). Zum einen verzeichnet der urbane Kanton Zürich einen wesentlich kleineren Anteil an Fällen im Basispaket als die Gesamtschweiz (33 % vs. 40 %). Zudem ist zu beobachten, dass die komplexen elektiven SPLG in Zürich einen höheren Anteil an der Gesamtfallzahl als schweizweit haben. Im Gegensatz dazu steht der niedrigere Anteil an diesen SPLG im ländlichen Kanton Graubünden. Teilweise gibt es SPLG, die in Graubünden nicht angeboten werden, z. B. HER1.1.1. Bei den komplexen elektiven SPLG ist durch die hohen Qualitätsanforderungen, die interkantonale Zusammenarbeit und die Reform der freien Spitalwahl eine Zentralisierung der Leistungen zu beobachten. So ist eine Bündelung dieser Leistungen in den Ballungsgebieten (Zürich) zielführend und nachvollziehbar. Gleichzeitig fällt in ländlichen Gebieten wie Graubünden ein größerer Anteil an Fällen in die Basisversorgung.

4.3 Analyse der Leistungsdifferenzierung im Kanton Zürich

Neben der Verteilung der Spitalfälle auf die jeweiligen SPLG ist auch die Verteilung der SPLG auf die Spitäler von großer Relevanz. Im Jahre 2019 unterteilte Zürich die stationäre somatische Versorgung in 134 SPLG (ohne die sieben SPLG des Querschnittsbereichs). Die Spitallisten geben bereits einen ersten Eindruck davon, welche Spitäler die Versorgung für eine SPLG leisten bzw. leisten müssen (Leistungsauftrag bedeutet Leistungspflicht). So wird bereits visuell deutlich, dass in SPLB wie beispielsweise Viszeralchirurgie, Gefäße, Neurochirurgie oder Neurologie nur einzelne Spitäler die Qualitätsvorgaben für komplexere SPLG erfüllen können und folglich einen Leistungsauftrag erhalten.

Zur Bewertung der Leistungsdifferenzierung ist darüber hinaus die Fallzahl je SPLG bzw. pro Leistungsauftrag aufschlussreich. Denn so wird transparent, in welchem Umfang Spitäler gemäß ihrem Leistungsauftrag tatsächlich an der Versorgung teilnehmen. Table 3.2 zeigt exemplarisch die Leistungsaufträge im Kanton Zürich für den SPLB Urologie inklusive der im Jahre 2019 versorgten Fälle je Spital.

Tab. 3.2 Spitalliste Zürich 2019 mit Fallzahlverteilung – Leistungsbereich Urologie. (Quellen: Kanton Zürich Regierungsrat 2019; Kanton Zürich Gesundheitsdirektion 2019)

Die Übersicht zeigt, dass fast alle Spitäler für die grundversorgende SPLG URO1 einen Leistungsauftrag erhalten haben. Hierbei ist jedoch auffällig, dass das Spital Adus Medica und die Limmatklinik (und auch die Universitätsklinik Balgrist) gemessen an den Fallzahlen nicht wesentlich an der Versorgung teilzunehmen scheinen. Für die SPLG URO1.1 (operative Urologie) ist das Bild bereits differenzierter, sowohl hinsichtlich der Anzahl der vergebenen Leistungsaufträge als auch hinsichtlich der Fallzahlkonzentration einzelner Spitäler. Lediglich neun von 17 Spitälern mit einem Leistungsauftrag für die SPLG URO1.1 haben auch den Leistungsauftrag für die SPLG URO1.1.1, wobei auch hier eine Konzentration des Fallzahlvolumens an den drei bis sechs fallzahlstärksten Spitälern zu beobachten ist. Für die weiteren komplexen SPLG URO1.1.2 bis URO1.1.8 ist die Leistungsdifferenzierung und -konzentration noch ausgeprägter. Gleichzeitig stellen sich hier Fragen nach der Leistungsvergabepraxis, ähnlich wie bei weiteren analysierten SPLB (siehe Kuklinski et al. 2023). So wurden für die SPLG URO1.1.4, 1.1.7 und 1.1.8 einige Leistungsaufträge an Spitäler vergeben, die jedoch keine beziehungsweise nur sehr eingeschränkte Versorgung leisten (Ausnahme: Kinderspital Zürich). Somit besteht vereinzelt Verbesserungspotenzial in den grundversorgenden urologischen SPLG URO1 und URO1.1 sowie in einigen komplexeren chirurgischen SPLG. Insgesamt lässt sich für den SPLB URO aber feststellen, dass eine Zentralisierung und Leistungsdifferenzierung im Kanton Zürich stattgefunden hat und eine angemessene Granularität vorhanden ist.

Im Vergleich hierzu zeigt sich für die herzchirurgischen Leistungsgruppen (SPLG HER) in Zürich ein anderes Bild: eine deutliche Zentralisierung auf drei Versorger nebst dem Kinderspital Zürich (siehe Kuklinski et al. 2023). Jedoch wird hierbei auch ersichtlich, dass alle drei Versorger einen Leistungsauftrag für alle herzchirurgischen SPLG erhalten haben. Somit hat die Definition von sieben herzchirurgischen SPLG – zumindest im Fall von Zürich – zwar eine Zentralisierung unterstützt, eine Leistungsdifferenzierung zwischen den Zentren jedoch nicht herbeigeführt. Dies kann für die Herzchirurgie angezeigt sein, da die solitäre Erbringung einer oder weniger SPLG medizinisch nicht sinnvoll ist. Im Bereich der kardiologischen Leistungsgruppen hatten im Jahr 2019 13 Spitäler mindestens einen kardiologischen Leistungsauftrag. Lediglich drei Zentren hatten Leistungsaufträge für alle kardiologischen SPLG, und diese Zentren versorgten auch alle herzchirurgischen SPLG. Dies deutet auf eine klare Zentralisierung hin, obwohl es einige Ausnahmen in den SPLG der interventionellen Kardiologie (KAR1.1 ff.) gibt.

Die Übersicht der Fallzahlverteilung für den SPLB BEW (Bewegungsapparat chirurgisch) zeigt, dass alle Spitäler außer vier kleineren, spezialisierten Spitälern an der orthopädischen/unfallchirurgischen Versorgung teilnehmen (siehe Kuklinski et al. 2023). Die Fallzahlen weisen in den komplexeren SPLG BEW3, BEW4, BEW6 und BEW7 auf eine Zentralisierung hin. Mit Blick auf die endoprothetischen SPLG BEW7.1, BEW7.1.1, BEW7.2 und BEW7.2.1 ist bereits eine stärkere Leistungsdifferenzierung und Zentralisierung nicht nur in den Fallzahlen, sondern auch in der Vergabe der Leistungsaufträge zu erkennen. Auffällig ist, dass (fast) alle Versorger, die einen Leistungsauftrag für die primäre Endoprothetik erhalten, auch einen Leistungsauftrag für die Revisionsendoprothetik bekommen haben. Hier scheint eine differenzierte Vergabe anhand der Fallzahlen und Komplexität angemessen. Betrachtet man die komplexesten SPLG des SPLB, d. h. BEW8 ff., zeigt sich eine immer stärkere Leistungsdifferenzierung und Zentralisierung. Auch wenn das Fallzahlvolumen für die sehr komplexen SPLG wie BEW9, BEW10 und BEW11 sehr gering ist, scheint die Differenzierung angemessen, da nur das Universitätsspital Zürich (abgesehen vom Kinderspital Zürich) Leistungsaufträge für alle drei SPLG besitzt.

4.4 Verteilung der Komplexität und des Ressourceneinsatzes auf Spitalebene

Um Unterschiede zwischen den Spitälern hinsichtlich der Komplexität beziehungsweise Ressourcenintensität der SPLG zu analysieren, kann die Verteilung der Case Mix Indeces (CMIs) pro Spital und SPLG herangezogen werden. Zur Darstellung der Dynamik des Zusammenhangs zwischen medizinisch homogenen LG und kostenhomogenen DRGs werden hier wieder beispielhaft die SPLG der SPLB URO sowie HER/KAR und BEW herangezogen (Fig. 3.3). Zur Veranschaulichung wurden Boxplots kreiert, welche die Verteilung der CMIs der Spitäler (\(y\)-Achse) in der SPLB/SPLG (\(x\)-Achse) zeigen.

Abb. 3.3
figure 3

Verteilung der CMIs pro Spital – SPLB Urologie (2019). (Quelle: Bundesamt für Statistik 2019).

Anmerkung: Weitere vereinzelte Ausreißer (Outlier) nach oben für SPLG URO1 und URO1.1.2 vorhanden. Durchschnitte werden als X dargestellt. Die Länge der Whisker der Box-Whisker-Plots stellen den letzten Wert der Stichprobe dar, der innerhalb des 1,5-fachen des Interquartalabstands liegt. Die Whisker sind also maximal 1,5-mal so lang wie der Interquartalsabstand. Für diese Analyse wird der Fallkostendatensatz aus 2019 vom Bundesamt für Statistik verwendet, da hier Spitäler eindeutig identifiziert werden können. Dieser Datensatz enthält nicht das gesamte Fallzahlvolumen aus 2019, was ggf. dazu führen kann, dass die Anzahl der Fälle pro Spital und einzelne (fallzahlschwache) Spitäler nicht berücksichtigt wurden. Da in dieser Analyse aber vor allem die Verteilung der CMIs auf Spitalebene einer SPLG von Interesse ist, so sollte diese Limitationen vertretbar sein.

Betrachtet man die Verteilung der CMIs pro Spital für die SPLB URO (Urologie), so wird deutlich, dass für die nahe an der Grundversorgung liegende SPLG URO1 (Urologie ohne Schwerpunktstitel „Operative Urologie“) die Streuung der CMIs zwischen den Spitälern sehr gering ist und die CMIs allgemein ebenfalls vergleichsweise niedrig sind. Für die SPLG URO1.1 (Urologie mit Schwerpunktstitel „Operative Urologie“) ist die Streuung größer, ebenso für die meisten komplexeren chirurgischen SPLG des SPLB. Eine Ausnahme ist die SPLG URO1.1.1 (Radikale Prostatektomie), für die die Streuung der CMIs zwischen den Spitälern sehr gering ist. Für die SPLG URO1.1.2 (Radikale Zystektomie) wiederum ist die Streuung äußerst groß.

Betrachtet man den SPLB BEW (Bewegungsapparat – chirurgisch) von links nach rechts (siehe Kuklinski et al. 2023), fällt auf, dass die basaleren Gruppen BEW1 (Chirurgie Bewegungsapparat) und BEW2 (Orthopädie) eine relativ große Streuung der CMIs aufweisen verglichen mit den spezifischeren SPLG BEW3 (Handchirurgie), BEW4 (Arthroskopie des Ellenbogens und der Schulter), BEW5 (Arthroskopie des Knies) und BEW6 (Rekonstruktion obere Extremität). Die geringste Streuung weisen die SPLG BEW7.1 (Erstprothese Hüfte) und BEW7.2 (Erstprothese Knie) auf, wohingegen die Revisionsendoprothetik beider Gelenke in den SPLG BEW7.1.1 und BEW7.2.1 relativ hoch ist. Die komplexen bis sehr komplexen und teilweise auch sehr kleinen SPLG BEW8 (Wirbelsäulenchirurgie) bis BEW11 (Replantationen) weisen wiederum eine sehr starke Streuung der CMIs zwischen den Spitälern auf.

Betrachtet man die Verteilung der durchschnittlichen CMIs pro Spital für den SPLB HER (Herz) (siehe Kuklinski et al. 2023), so wird deutlich, dass die Verteilungen der CMIs zwischen den Spitälern sowohl für die herzchirurgischen als auch die kardiologischen SPLG teilweise sehr ausgedehnt sind. Besonders breit ist die Streuung zwischen den Spitälern für die SPLG HER1.1.2 (komplexe kongenitale Herzchirurgie), die jedoch aufgrund ihrer Seltenheit eine Ausnahme darstellt. Für andere komplexe herzchirurgische SPLG wie HER1.1.4 (Offene Eingriffe an der Aortenklappe) und HER1.1.5 (Offene Eingriffe an der Mitralklappe) ist die Streuung wesentlich kleiner, trotzdem jedoch nicht unerheblich. Beispielsweise liegen zwischen der unteren und oberen Grenze des Box-Whisker-Plots für die HER1.1.4 immerhin rund 3,0 Case-Mix-Punkte. Die Streuung innerhalb der kardiologischen SPLG ist zwar geringer als innerhalb der herzchirurgischen, jedoch auch hier nicht unerheblich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in SPLG KAR1 (Kardiologie, inkl. Schrittmacher) und KAR1.1 (Interventionelle Kardiologie, Koronareingriffe) relativ zur Herzchirurgie gesehen wesentlich weniger komplexe Leistungen enthalten sind. Außerdem ist die Streuung in komplexeren kardiologischen SPLG wie der KAR1.1.1 (spezielle interventionelle Kardiologie) relativ hoch (rund 3,0 Case-Mix-Punkte zwischen den Grenzen des Box-Whisker-Plots).

5 Gemeinwirtschaftliche Leistungen in der Schweiz

Zu den Gemeinwirtschaftlichen Leistungen (GWL) gehört Art. 49 Abs. 3 KVG folgend unter anderem die Aufrechterhaltung von Spitalkapazitäten aus regionalpolitischen Gründen und die (universitäre) Lehre/Weiterbildung und Forschung sowie die Finanzierung von Anlagenutzungskosten oder Defizitdeckungen jenseits der Schweizer Fallpauschale (Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren 2019). Darüber hinaus ist erwähnenswert, dass es neben den kantonalen Finanzierungstätigkeiten teils auch noch weitere Leistungen gibt, die von anderen Kostenträgern (z. B. Gemeinden) gedeckt werden, aber nicht als GWL klassifiziert sind (Müller et al. 2019).

Die GWL, die in Summe am meisten finanzielle Zuweisungen erhalten haben, sind Angaben von 22 der 26 Kantonen folgend:

  • Lehre/Weiterbildung und Forschung: Diese Kategorie umfasst die Finanzierung von (universitären) Spitälern und Forschungseinrichtungen sowie die Förderung von Weiterbildungsprogrammen von pharmazeutischem und medizinischem Fachpersonal (z. B. Facharztausbildung). Von CHF 1.17 Mrd., die im Jahr 2016 insgesamt von den 22 Kantonen als GWL gezahlt wurden, entfielen CHF 650 Mio. auf diese GWL (Müller et al. 2019).

  • Ambulante Leistungen: Hierbei handelt es sich um ausgewählte Leistungen, die in ambulanten Abteilungen von Spitälern erbracht werden, wie etwa ambulante Operationen oder spezialisierte Untersuchungen. Grundsätzlich werden hierbei vor allem psychiatrische Ambulatorien und Tageskliniken finanziell unterstützt, da diese keine kostendeckenden Tarife aufweisen, beziehungsweise nicht alle erbrachten Leistungen zu Lasten der Krankenversicherung abgerechnet werden können. Im Jahr 2016 entfielen CHF 107 Mio. auf diese GWL.

  • Notfall- und Rettungsdienste: Die Finanzierung von selektiven Notfall- und Rettungsdiensten soll schweizweit eine schnelle und effektive Reaktion auf medizinische Notfälle gewährleiten. Im Jahr 2016 entfielen CHF 92 Mio. auf diese GWL.

Konkret werden zum Beispiel im Kanton St. Gallen im Jahr 2023 die GWL-Mittel genutzt, um eine Sanitätsnotrufzentrale zu betreiben und das Rettungswesen für außerordentliche Lagen vorzubereiten. Auch wird mit den Mitteln psychologische und psychosoziale Erste Hilfe für Großereignisse sowie eine Transplantationskoordination vorgehalten und ein Bereitschaftsdienst für vergewaltigte Frauen. Darüber hinaus werden mit GWL-Mitteln jederzeit zugängliche Notfallstationen im St. Galler Umland unterstützt, die sich eigenständig nicht wirtschaftlich tragen können (z. B. Spital Grabs). Das zentrale Kantonsspital St. Gallen, das ebenfalls eine Notfallstation vorhält, erhält aufgrund der ausreichenden Auslastung keine GWL-Mittel. Des Weiteren werden GWL-Mittel genutzt, um Einrichtungen zu unterstützen, deren Fallpauschalenerlöse systematisch nicht ausreichend sind. Hierbei handelt es vor allem um Kinderspitäler.

Bezüglich der GWL-Ausgestaltung spielt die politische Führung eines Kantons eine entscheidende Rolle, da sie die Schwerpunkte und die Höhe der GWL-Unterstützung bestimmt. Konkret unterscheiden sich die realen GWL-Finanzierungsbeiträge signifikant. So finanzierte der Kanton Genf (ca. 510.000 Einwohner) die GWL im Jahr 2015 mit CHF 328,6 Mio., wohingegen der Kanton Zug (ca. 130.000 Einwohner) lediglich CHF 1,5 Mio. zur Verfügung stellte. Prinzipiell haben die Kantone durch dieses politische Instrument eine gewisse Flexibilität, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen. Das ermöglicht es den Kantonen, die Gesundheitsversorgung zu optimieren und sicherzustellen, dass sie für alle Bürgerinnen und Bürger gut erreichbar und von hoher Qualität ist, unabhängig von ihrer geographischen Lage oder ihren spezifischen Gesundheitsanforderungen.

Dem entgegen weisen Kritiker auf verschiedene Aspekte der GWL hin, die als problematisch angesehen werden. Einer der Hauptkritikpunkte bezieht sich auf die mangelnde Transparenz und klare Abgrenzung der GWL-Kosten (Schweizer Parlament 2016, 2018). Da die Definitionen und Kategorien von GWL nicht einheitlich sind, kann es zu Unsicherheiten und unterschiedlichen Interpretationen kommen, sowohl auf kantonaler als auch auf nationaler Ebene. Dies erschwert den Vergleich zwischen den Kantonen und die Bewertung der GWL-Kosten. Ein weiterer kritischer Gesichtspunkt betrifft die finanzielle Nachhaltigkeit und Effizienz der GWL-Finanzierung. Einige Kritiker argumentieren, dass die Unterstützung von Spitalkapazitäten aus regionalpolitischen Gründen in einigen Fällen zu übermäßigen Investitionen und zur Aufrechterhaltung unrentabler Einrichtungen führen kann. Dies kann zu einer ineffizienten Ressourcennutzung führen, da Gelder in Einrichtungen fließen, die möglicherweise nicht ausreichend ausgelastet sind. Schließlich wird auch die mangelnde Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Kantonen und deren unterschiedliche Ansätze zur GWL-Finanzierung kritisiert. Dies kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen und Fragen zur Gerechtigkeit und Gleichbehandlung aufwerfen.

6 Impulse für die deutsche Krankenhausreform

Das Ziel der deutschen Krankenhausreform ist die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität durch gezielte Leistungssteuerung. Die anvisierte Zentralisierung von Leistungen kann jedoch nur entstehen, wenn der Zuschnitt der Leistungsgruppen sowie die verknüpften Qualitätsvorgaben hierfür hinreichend sind. Vor dem Hintergrund der aktuellen Reform in Deutschland ist eine Analyse des Vorreiters der leistungsorientierten Krankenhausplanung – der Schweiz – wertvoll. Abgeleitet aus den vorgestellten Analysen lassen sich zwei wesentliche Impulse geben:

  1. 1.

    Krankenhausplanung und -finanzierung gemeinsam denken: In der Schweiz ist die Finanzierung der Spitäler eng an die Spitalplanung geknüpft. Die Kantone (d. h. die Steuerzahler) zahlen 55 % der Kosten eines jeden Krankenhausfalls. Daher haben die Kantone ein gesteigertes Interesse an bedarfsorientierten und wirtschaftlichen Krankenhausstrukturen, die auf qualitativ hohem Niveau operieren. Der Krankenhausplanung kommt daher ein anderer Stellenwert als in Deutschland zu. Hier wäre es sinnvoll, den Bundesländern ein Instrumentarium an die Hand zu geben beziehungsweise sie in die finanzielle Mitverantwortung zu ziehen, um gezielt Leistungen zu steuern mit strikter Anwendung von Qualitätsvorgaben, um der deutlichen Leistungsausweitung der letzten 20 Jahre entgegenzuwirken. Hierbei ist auch eine tragfähige Finanzierung des Wandels und der neuen Krankenhauslandschaft wichtig, um bedarfsgerechte Strukturen zu entwickeln. Eine begleitende Finanzierung von bedarfsnotwendigen, aber wirtschaftlich nicht tragfähigen Leistungsangeboten ist daher wünschenswert. Dies sollte jedoch nicht in der Subventionierung aller Krankenhäuser resultieren. So werden in der Schweiz lediglich geographisch wichtige Notfallstationen durch Vorhaltemittel finanziell unterstützt, bei denen die Fallpauschalen allein keinen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen. Des Weiteren werden Vorhalteleistungen unterstützt, die vollständig leistungsunabhängig sind, wie die Vorhaltung von psychologischer und psychosozialer Erster Hilfe für Großereignisse.

  2. 2.

    Aufbau und Entwicklung der LG: Die Schweizer SPLG sind mit Ausnahme des Basispakets durchgängig auf Grundlage von Diagnose- und Prozedurencodes beziehungsweise deren Kombination definiert und im Vergleich zu den NRW LG von höherer Granularität. Dies ermöglicht einerseits eine präzisere Verteilung von Leistungsaufträgen beziehungsweise Leistungsausschluss und ermöglicht andererseits eine bessere Verknüpfung mit spezifischen Qualitätsvorgaben. Gleichwohl zeigen unsere Analysen, dass die Granularität der SPLG nicht in jedem SPLB zielführend ist, da Leistungsaufträge mitunter für einen gesamten SPLB vergeben werden. Dies kann medizinisch sinnvoll sein, wie zum Beispiel für die Herzchirurgie. Für Deutschland lässt sich daraus ableiten, dass auf eine durchgängige OPS/ICD-Definition aufgebaut werden sollte und für Leistungsbereiche mit unzureichender Leistungsdifferenzierung im NRW-Modell weitere LG entwickelt werden müssen, wie zum Beispiel in der Urologie. Die aktuelle LG-Systematik von NRW definiert für die Urologie nur eine allgemeine LG, wobei diese nicht über ICD- und/oder OPS-Codes, sondern über Fachabteilungscodes definiert ist. So zeigt der Blick in die Züricher Spitalplanung, dass eine Differenzierung der Urologie in acht LG aus medizinischer Sicht durchaus möglich und notwendig ist. Darüber hinaus zeigt das Schweizer Beispiel, dass insbesondere die angedachten LG Notfallmedizin, Intensivmedizin und Infektiologie nicht in die zukünftige deutsche LG Systematik aufgenommen werden sollten, da diese keine „primären“ medizinischen Leistungen darstellen, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen. In der erprobten Schweizer SPLG-Systematik handelt es sich hierbei um medizinische Dienstleistungen, die als Voraussetzung für die Erbringung anderer LG genutzt werden und folglich als Qualitätsvorgaben herangezogen werden sollten. Schlussendlich sollten diese Qualitätsvorgaben pro LG systematisch definiert werden, insbesondere in Bezug auf Facharztverfügbarkeiten, (interne) Notfallorganisation, Intensivmedizin und Mindestmengen.

Erklärungen und Danksagungen

Die Autoren deklarieren, dass sie im 2. Halbjahr 2023 für den GKV-Spitzenverband zum Thema „Analyse der Schweizer Spitallandschaft anhand der Züricher Spitalleistungsbereiche und -gruppen“ tätig waren. Die Tätigkeit umfasste u. a. eine Ableitung von Empfehlungen für die Krankenhausreform in Deutschland.

Wir möchten Johannes Cordier und David Klug für die Unterstützung bei der Datenverarbeitung danken, insbesondere beim Gruppieren der Schweizer Falldaten in die Züricher SPLG.

Des Weiteren möchten wir danken Roland Unternährer Appenzeller, der die Spitalplanung für den Kanton St. Gallen verantwortet, sowie Peter Altherr, Leiter Amt für Gesundheitsversorgung im Kanton St. Gallen, die uns mit ihrer Expertise bezüglich der GWL in der Schweiz unterstützt haben.