Ähnlich dem Wertediskurs gibt es keine allgemeingültige Auffassung zum Begriff „Wertschätzung“, auch nicht im Kontext von Essen. Doch hier etabliert sich der Begriff zunehmend und findet immer häufiger Verwendung. Auffallend ist die teils synonyme Bedeutung zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen oder die Nutzung als Gegenpol zur Lebensmittelverschwendung, das im englischen Sprachgebrauch auf die Spitze getrieben wird, denn hier ist durch die Verwendung des Wortes ‚waste‘, Abfall synonym mit Verschwendung.

In der wirtschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung sind schlüssige Erklärungen zum Begriff Wertschätzung zu finden. So setzt Wertschätzung immer einen bestimmten Gegenwert voraus, darauf deutet die wörtliche Formel „etwas zu schätzen wissen“ hin, was in etwa bedeutet, eine möglichst genaue Vorstellung vom nominalen Gegenwert eines Gutes zu haben, z. B. vom Gewicht und vom Preis (Zeller, 2019). In Bezug auf die Wertschätzung von Lebensmitteln verweisen verschiedene Autor*innen auch auf die beständige Abhängigkeit von deren Verfügbarkeit (Brombach & Bergmann, 2020; Ohrloff & Haas, 2018). Mindestens bis zum beginnenden Industriezeitalter war hierfür die gängige Nahrungsmittelknappheit prägend. Zahlreiche Grundnahrungsmittel symbolisierten den „Inbegriff des Lebens“, der für große Teile der Bevölkerung bitterer Ernst war (Hirschfelder & Eifler, 2021).

Dass der Bezug zur Knappheit auch subjektive Nuancen besitzt, beschreibt das „erste Gossensche Gesetz“. Es besagt, dass der Grenznutzen eines Gutes mit jeder zusätzlich konsumierten Einheit abnimmt und andersherum der Grenznutzen mit zunehmender Knappheit steigt (Rogall et al., 2015). Als Grenznutzen wird der Nutzenzuwachs von Konsumierenden bezeichnet, der größer ist, wenn das konsumierte Gut knapp oder selten ist und kleiner, wenn es im Überfluss oder unendlich vorhanden ist. Beim Konsum eines kühlen Getränks an einem heißen Sommertag ist der Grenznutzen zum Beispiel bei den ersten Schlucken am größten, mit weiterem Verzehr nimmt er schon ab. In diesem Sinne projiziert das erste Gossensche Gesetz, den Verknappungseffekt auf die subjektive Ebene. Es ist zu diskutieren, ob dieses der Ökonomie entsprungene „Gesetz“ vom Grenznutzen beim Konsum von materiellen Gütern differenzierter für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter betrachtet werden muss: Bei Knappheit oder gar Mangel von Grundnahrungsmitteln oder Trinkwasser, die zu den Verbrauchsgütern zählen, geht es um nichts weniger als die Existenzsicherung. Diese physiologische Konnotation zu Hunger und/oder Durst muss sicherlich differenzierter betrachtet werden als der Konsum vermeintlicher „Luxusgüter“, deren Nutzen auch mit Prestige und Macht verknüpft ist.

Das Phänomen findet sich überall dort, wo ein Überangebot von Lebensmitteln verfügbar ist. Finanziell Abgesicherten oder den „gut Situierten“ steht dann ein schier unbegrenztes Angebot zur Verfügung für das sich in Abhängigkeit der Symbolkraft der einzelnen konsumierbaren Produkte unterschiedliche Grenznutzen ergeben. Für Armutsbetroffene oder -gefährdete innerhalb dieser vermeintlichen „Wohlstandsgesellschaften“ wird sich dieser subjektive Grenznutzen möglicherweise einer nachvollziehbaren Logik entziehen. Eine Partizipation ist in weiten Teilen unerreichbar. Teilweise und zunehmend sogar für die Grundbedarfe. In Deutschland sind daher zunehmend mehr Personen auf zivilgesellschaftliches Engagement angewiesen. Eine Wahrheit dabei ist, dass sie so daran „teilhaben“, was besser gestellte Gruppen ihnen „übrig“ lassen. Eine echte und gleichgestellte Wahl haben sie dabei meistens nicht. So verteilt bspw. allein der Berliner Tafel e. V. nach eigenen Angaben jährlich knapp 8000 t gespendete Lebensmittel pro Jahr an soziale Einrichtungen und an ca. 750.000 Bedürftige in den mehr als 50 regulären und vorübergehenden Ausgabestellen (Berliner Tafel e. V., 2023).

Die Debatte rund um die Transformation des Ernährungssystems könnte einen Paradigmenwechsel und eine Erweiterung der rein ökonomischen Betrachtung des Konzeptes von Wertschätzung einläuten. Die Frage der Verknappung bezieht sich dabei vielmehr auf die Folgen der Nutzung von Ressourcen bei der Erzeugung und dem Konsum von Lebensmitteln und nicht mehr auf die Verfügbarkeit dieser innerhalb des Systems. Nach jahrzehntelangem Protegieren eines von sozialen und ökologischen Folgen losgelösten, überwiegend auf maximale Ertragssteigerung und den monetären Wohlstand einzelner gesellschaftlicher Gruppen ausgerichteten Ernährungssystems findet derzeit eine Neuverhandlung über Knappheit statt. Nunmehr rücken bspw. die Erdatmosphäre, Luft, Wasser, Böden und Artenvielfalt ins Zentrum der Betrachtung und gelten als knapp (Rockström et al., 2009). Brombach und Bergmann (2020) konstatieren in dem Zusammenhang, dass heute zunehmend mehr Konsumierende dazu bereit sind, für Lebensmittel mehr zu bezahlen, wenn diese Güter z. B. per Siegel gesichert unter Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien produziert wurden. Sinngemäß wird in diesem Prozess der Mehrpreis durch einen Mehrwert legitimiert, der die Intaktheit der Natur als wichtigeren Wert erachtet als der Preis, was aus subjektiver Sicht oft sogar einen persönlichen Verzicht mit sich bringt.

In ihren Untersuchungen zeigten Brombach und Bergmann (2020) ferner, dass Befragte im Hinblick auf Ernährung mit dem Begriff Wertschätzung durchaus viele andere Werte verbinden als nur die damit verbundenen Ressourcen bzw. finanzielle Verluste oder Abfallvermeidung. Die Assoziationen diesbezüglich umfassten „bewussten“ Genuss, die Weitergabe von Esskultur und damit zusammenhängenden Werten wie den Erhalt von Tradition oder handwerklichen Techniken. Als wertig in diesem Sinne wurde auch die eigene Zubereitung oder eine adäquate Lagerung von Lebensmitteln genannt, die wiederum eine Schnittstelle zur Lebensmittelabfallvermeidung darstellt. Auch der fehlende gute Geschmack ist ein weiterer Grund für das vermeidbare Wegwerfen von Lebensmitteln in Privathaushalten (Hübsch, 2021).

Weitere Aspekte im Diskurs um Wertschätzung für Lebensmittel im Sinne eines verantwortungsvollen, bewussten Umgangs mit Lebensmitteln sind beispielsweise auch eine achtungsvolle Haltung gegenüber Mitmenschen und anderen Lebewesen. Brombach und Bergmann zufolge wohnen dem Begriff Wertschätzung damit auch Ehrfurcht, Bedeutung, oder auch (Hoch)Achtung inne. In diesem Sinne wertgeschätzte Lebensmittel sind jene, die zu den allgemeinen und/oder den eigenen Werten passen, entsprechend erzeugen nicht-passende Erklärungsbedarf (Brombach & Bergmann, 2020).

Eine Studie von Berkes und Mergenthaler (2021) widmete sich der Diskrepanz zwischen den Werthaltungen von Landwirtschaft (LW) und denen von Verbrauchenden (VB). Sie zeigten, wie diese aufgehoben und dadurch aufseiten von VB die Wertschätzung gegenüber landwirtschaftlichen Produkten und den Erzeugenden gesteigert werden kann. Umgekehrt ließ sich auch seitens LW im positiven Sinne Einfluss auf die Perspektive auf VB nehmen. Erreicht wurden diese Erfolge mit Eins-zu-Eins-Dialogen mit Bezug zur Wertschätzung von Lebensmitteln, wie „Was bedeuten mir Lebensmittel?“ oder „Wie spiegelt sich meine Bedeutung für Lebensmittel in meinem Einkaufsverhalten wider?“ sowie „Wie wichtig ist für mich der Kontakt zum*r Landwirt*in/Verbraucher*in?“. In vielen Gesprächen wurden u. a. preisbezogene Aspekte wie Zahlungsbereitschaft, Wertschätzung durch Preis und Preisdumping, sowie die Intentions-Verhaltens-Lücke und Lebensmittelverschwendung thematisiert. Die Relevanz von esskulturellen Aspekten sowie dem Geschmack im Kontext der Wertschätzung konnten auch in dieser Studie gefunden werden.