Neben dem gesamten Gebäude legt die EU den Nachhaltigkeitsfokus auch auf einzelne Produkte. Ihre Kreislaufwirtschaftsstrategie zielt unter anderem darauf ab, diese über ihren gesamten Lebenszyklus möglichst nachhaltig zu gestalten. Umweltfreundliche, kreislauffähige, energieeffiziente und transparente Produkte sollen am europäischen Markt zur Norm gemacht werden. Ein zentrales Element der neuen vorgeschlagenen Ökodesignverordnung ist ein digitaler Produktpass, welcher eine einfache Informationsabfrage umweltrelevanter Daten ermöglichen sollte.

Neue Rahmenbedingungen der EU

Am 1. März 2022 wurden neue Gesetzesvorschläge präsentiert, die einen Großteil der Produkte abdecken werden. Die bestehende Ökodesign-Richtlinie (EU-Kommission 2009) sowie weitere Verordnungen zu Batterien, Verpackungen, Chemikalien und Bauprodukten wurden überarbeitet und erweitert.

Die neue Ökodesignverordnung (ESPR)

Der Grundgedanke der neuen Ökodesign Verordnung für nachhaltige Produkte (Ecodesign Requirements for Sustainable Products Regulation – ESPR) (EU-Parlament und Rat 2009) ist, dass 80 % der späteren Umweltauswirkungen eines Produkts bereits in der Designphase bestimmt werden. Daher ist es umso wichtiger, bereits von Anfang an ökologische Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Die ESPR wird maßgeblich dazu beitragen, Emissionen, Ressourcenverbrauch sowie die Ressourcenabhängigkeit der EU von anderen Nationen zu reduzieren. Die neue ESPR deckt mit wenigen Ausnahmen (z. B. Lebensmittel) grundsätzlich alle Produkte und Sub-Komponenten ab und bietet einen allgemeinen Rahmen für Ökodesign Anforderungen, welche für jede Produktkategorie wie schon in der jetzigen Ökodesign Verordnung in separaten Gesetzen produktspezifisch festgelegt werden, z. B. Verordnung für Kühlschränke (EU-Kommission 2019). Für Verpackungen, Chemikalien und Bauprodukte werden die Anforderungen der ESPR in die aktuell vorhandenen Gesetze integriert, wobei bereits eine Überarbeitung der Bauprodukteverordnung (New Construction Products Regulation – CPR) als Draft (EU-Kommission 2022a) vorliegt. In Abb. 5.1 wird die ESPR und die dazugehörigen Gesetze schematisch dargestellt (EU Commission 2022a).

Abb. 5.1
figure 1

Übersicht über die neue Ökodesign Verordnung für nachhaltige Produkte und den dazugehörigen Gesetzen

Kernanforderungen der ESPR

Nachfolgend werden die Kernanforderungen der ESPR (University of Cambridge und Wuppertal Institute 2022) aufgelistet, wobei auf den digitalen Produktpass im Folgenden noch näher eingegangen wird.

  • Performance requirements: Produktanforderungen an Nachhaltigkeit wie z. B. Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit, vorgeschriebener Anteil an Recyclingmaterial

  • Informationsanforderungen: Verpflichtende Angaben von Produktinformationen, wie z. B. Betriebsanleitung oder Demontageanleitung, Angabe über das Treibhauspotenzial, Angabe über den Anteil von Recyclingmaterial, Angabe besorgniserregender Stoffe (SVHCs) etc.

  • Digitaler Produktpass (DPP): Einführung eines digitalen Informationssystems, das alle relevanten Informationen zum Produkt sammelt, welche in den Informationsanforderungen festgelegt werden,

  • Rückverfolgbarkeit besorgniserregender Stoffe: Mithilfe der ESPR sollen besorgniserregende Stoffe (SVHCs) durch die gegebene Datengrundlage einfacher rückverfolgbar sein.

  • Etikettierungsanforderungen: Verpflichtende Anforderungen an Produktetikettierung, die z. B. in Form einer Punkteskala dem Konsumenten zu einer nachhaltigen Kaufentscheidung helfen sollte

  • Verpflichtende Kriterien für die öffentliche Beschaffung: Verpflichtende Kriterien für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung, insbesondere ökologische Kriterien

  • Vermeidung und Verhinderung der Vernichtung von unverkauften Produkten: Nachweispflicht über Art, Menge und Verbleib unverkaufter Produkte, sowie Begründung für deren Entsorgung, mögliche Einführung eines Entsorgungsverbots für bestimmte Produkte

Digitaler Produktpass

Eine der zentralen Vorschriften der neuen Ökodesign Verordnung ist eine verbesserte und transparentere Produktinformation für Verbraucher/Stakeholder. Dies wird vor allem über sogenannte digitale Produktpässe (DPP) erfolgen, welche für alle geregelten Produkte verpflichtend vorgeschrieben werden. Der DPP soll als interoperables, dezentrales System mit einer zentralen Informationsdatenbank dienen und den administrativen Aufwand verringern. Über den digitalen Produktpass soll zudem die Rückverfolgbarkeit von Produkten entlang der Supply Chain sichergestellt werden.

Abb. 5.2 verdeutlicht die Notwendigkeit eines besseren Informationsflusses für Produkte. Derzeit sind Materialflüsse bei den Zulieferern, sei es Tier 1 oder Tier 2, streng vertraulich oder Herstellerdaten sind nicht verfügbar. Falls Daten verfügbar sind, werden sie in einer nicht standardisierten Form an den Konsumenten kommuniziert. Informationen zu den Recylingeigenschaften eines Produktes sind in den meisten Fällen nicht vorhanden.

Abb. 5.2
figure 2

Informationsverlust in der Linearen Wirtschaft

Desweiteren soll die Überprüfbarkeit der Produktkonformität für den EU-Raum erleichtert werden. Für das DPP-System wird es ein horizontales Regelwerk aus Normen und Protokollen geben, das für alle Produkte gilt und z. B. Regeln für Datensicherheit, Zugriffsrechte, Datenspeicherung, Rückverfolgbarkeit festlegt.

Die produktspezifischen Datenanforderungen für das DPP-System werden in den delegierten Rechtsakten der ESPR festgelegt. Diese fordern z. B. die Global Trade Identification Number (GTIN), die Konformitätserklärung, eine Information über den Hersteller, Angaben über den ökologischen Fußabdruck des Produkts, den Recyclinganteil eines bestimmten Materials oder aber auch die Verknüpfung mit bestehenden Environmental Product Declarations (EPDs).

Diese Daten können dabei helfen, umweltbewusstere Kaufentscheidungen zu treffen, Reparaturen zu erleichtern, Produkte effizienter zu recyceln. Generell werden dadurch kreislaufkonforme Geschäftsmodelle gefördert. Im DPP werden Daten gesammelt, welche z. B. für zukünftige Sortier- und Recyclingprozesse entscheidend sind. Mit dem DPP können Recyclingunternehmen sicherzustellen, dass die angelieferten Produkte frei von Verunreinigungen sind (EU-Kommission 2011).

Die neue Bauprodukteverordnung

Auch für die bestehende Bauprodukteverordnung Nr. 305/2011 (EU-Commission 2022b) liegt bereits ein Gesetzesvorschlag (Construction Products Regulation – CPR) vor. Diese sollte neben Sicherheitsaspekten und der Sicherstellung des Binnenmarkts in der EU auch Rücksicht auf Nachhaltigkeit von Bauprodukten nehmen und die digitale Transformation der Wirtschaft unterstützen.

Dazu wurden vor allem die genannten Anforderungen der ESPR in die CPR mitaufgenommen:

Im Anhang I Abschnitt C des neuen CPR-Entwurfs (EU-Commission 2022c) werden Anforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit definiert. Folgende umweltrelevante Punkte werden unter anderem in der neuen Bauprodukteverordnung gefordert (EU-Kommission 2022b):

  • umweltgerechtes Design und Herstellung von Produkten und Verpackung nach dem Stand der Technik. Bevorzugung von recyclierbaren Material und Rezyklaten

  • Berücksichtigung von Mindestanforderungen an Recyclatgehalten und anderen Aspekten der ökologischen Nachhaltigkeit Informationen zur Nutzung und Reparatur von Produkten

  • Design, das die Wiederverwendung, die Wiederaufbereitung und das Recycling begünstigt

Im Abschnitt D werden Informationsanforderungen definiert, wie z. B. Angabe des Global Warming Potentials (GWP) des Produktes. Für Bauprodukte gibt es großteils bereits EPDs, in welchen die Umweltauswirkungen durch eine Ökobilanz bewertet werden. Deshalb wird der Mehrwert durch die Einführung von DPPs nicht in der Abbildung von Umweltauswirkungen, sondern mehr in der Verbesserung der Kreislauffähigkeit liegen.

(EU-Commission 2022d).

Die bestehenden harmonisierten Spezifikationen der aktuellen CPR gelten längstens bis 2045 und werden bis dahin schrittweise von den harmonisierten Spezifikationen der neuen CPR mit einer Übergangsfrist von einem Jahr abgelöst. Produkte, welche nach der aktuellen CPR entwickelt wurden, dürfen dann noch maximal 10 Jahre verkauft werden, die ausgestellten Produkt Zertifikate sind nur noch 5 Jahre gültig (DIBt 2021). Nach Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten wurde ein Zeitplan zur Erarbeitung produktspezifischer Anforderungen erstellt. Der Katalog zu Betonfertigteilen und Metallbauteilen ist beispielsweise bereits auf der Zielgeraden, jener für Bewehrungsstahl, Fenster und Türen ist auch bereits in Ausarbeitung (EU-Commission 2022d).

Von digitalen Produktpässen zum Gebäudepass

Mit der Verpflichtung eines digitalen Produktpasses für alle Bauprodukte, wird die Umsetzung des Gebäudepasses, für den noch keine Verpflichtung geplant ist, deutlich erleichtert. Die Anforderungen, die an diesen gestellt werden, decken sich zum Großteil mit jenen des digitalen Produktpasses, nur auf Gebäudeebene. So kann auf Materialzusammensetzungen oder auf Sekundäranteile der einzelnen Bauprodukte zurückrückgegriffen und ein Gesamtbild auf Gebäudeebene erstellt werden. Mit den Demontageanleitungen der Bauprodukte und den in der Bauwerksdatenmodellierung (BIM) dargestellten Verbindungen der einzelnen Bauprodukte, kann eine Rückbauanleitung erstellt werden.