Die Bauindustrie ist mit ca. ~ 40 % (massebezogen) einer der weltweiten größten Verbraucher von Ressourcen. Darüber hinaus verursacht sie weltweit ca. 1/3 der anthropogenen CO2 Emissionen und 40 % des Abfalls (volumenbezogen) (Heinrich und Lang 2019, S. 2–4). Auch in Österreich verantwortet der Gebäudesektor in 2020 17,3 % der gesamten Treibhausgasemissionen (BMK 2022). In der Folge zeigt die wirtschaftliche Übernutzung von Ressourcen gravierende Auswirkungen auf unsere Ökosysteme. Der weltweite Earth Overshoot Day fiel im Jahr 2023 auf den 2. August und markiert den Tag an denen alle ökologischen Ressourcen verbraucht wurden, die im Laufe eines Jahres regeneriert werden können (Earth Overshoot Day 2023a). In Österreich werden bereits seit den 60iger Jahren jährlich mehr Ressourcen verbraucht als vorhanden sind und hierzulande wurde er bereits am 6. April erreicht (Earth Overshoot Days 2023b). Im Zuge des Green Deals beschloss die EU eine Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen von 55 % gegenüber dem Stand von 1990 (Europäischer Rat 2019a). Im Jahr 2021 wurden anschließend sechs Ziele präsentiert, die zur Verwirklichung des Grünen Deals beitragen sollen. Diese Bestrebungen werden durch die Lenkung von Investitionen und Kapitalströme in nachhaltige Projekte und Aktivitäten der EU-Taxonomie-Verordnung unterstützt. Da die die Bauindustrie für über 35 % (EU-Kommission 2020a) des gesamten Abfallaufkommens in der EU verantwortlich ist und einen signifikanten Einfluss auf verschiedenste Aspekte der Ökonomie, lokale Jobs und unsere Lebensqualität besitzt, ist sie ein wesentlicher Schlüsselbereich im EU-Aktionsplan (EU-Parlament 2021a). Eine für die Baubranche hoch relevante Maßnahme zur Erreichung der Klimaziele ist der Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Diese beschreibt ein ökonomisches Modell, welches darauf abzielt, Abfall zu reduzieren, Ressourceneffizienz zu maximieren und die negativen Einflüsse auf unserer Umwelt zu minimieren. Die Definition einer Kreislaufwirtschaft nach der Ellen MacArthur Foundation fußt auf 3 Säulen:

  • Reduzierung von Abfall und Verschmutzung,

  • Zirkularität von Produkten und Materialien (zu ihrem höchsten Wert)

  • Regenerierung der Natur (Ellen MacArthur Foundation 2023).

In der Kreislaufwirtschaft ist Wirtschaftstätigkeit vom Verbrauch endlicher Ressourcen entkoppelt und konzentriert sich auf restaurative oder regenerative Prozesse. Dabei wird versucht, den höchsten Wert der Ressourcen so lange wie möglich zu erhalten. Der entstandene „Abfall“ wird für die Herstellung neuer Materialien und Produkte genutzt (EPA 2023). Aktuell zeigen sich neben gravierenden ökologischen auch ökonomischen Folgen aufgrund der Abhängigkeit von Energie und Ressourcenimporten der Bauwirtschaft. Insbesondere sind hier kleine und mittlere Unternehmen und die Industrie betroffen (EU-Parlament 2021a). Nicht erst seit 2020 ist ein massiver Aufwärtstrend bei Baumaterialkosten zu beobachten. Erschwert wird diese Situation durch steigende Energiepreise und aktuell noch immer beeinträchtigte Lieferketten in Folge der Ukrainekrise. (BMWSB 2022) In den nächsten Jahren wird eine weitere Verknappung der Rohstoffe erwartet. Das internationale Ressource Panel rechnet mit einer Verdopplung des Rohstoffverbrauches bis 2050 (International Ressource Panel 2017).

Gleichzeitig befindet sich die EU in extremer Abhängigkeit von Rohstoffen und importiert rund 50 % aller verwendeten Rohmaterialien. Von 7,4 Gt/a an verarbeiteten Materialien und 4,7 Gt/a Outputs an Baustoffen werden nur ein Bruchteil von 0,7 Gt pro Jahr an Gesamtabfallmaterial recycelt (EPRS 2022). Aktuell konzentriert sich die Baupraxis im Bereich Abfallverwertung auf das zweite Leben von Materialien, die sogenannten „Downcycling“ Prozesse (Heinrich und Lang 2019, S. 32). Hier werden vor allem Zuschlagstoffe für den Straßenbau oder Verfüllmaterial generiert. Das reduziert jedoch den Wert und die Qualität der Materialien und widerspricht dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft, den höchstmöglichen Wert so lange als möglich zu erhalten. Mit einer Nutzungsrate von 12 % (BMK 2022, S. 17) von wiederverwendbaren Stoffen (Circular Material Use Rate) lag Österreich unter dem europäischen Durchschnitt von 12,8 %. Vorreiter in der kreislauforientierten Rückführung von Ressourcen sind die Niederlande mit einer Nutzungsrate von 30,9 % (BMK 2022, S. 20). Nach einer Schätzung der Europäischen Kommission hat die Anwendung der Kreislaufwirtschaft-Grundsätze das Potenzial das EU-BIP bis 2030, um zusätzliche 0,5 % zu steigern und etwa 700 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen (EU-Kommission 2020a Potenzial). Potential wird auch für Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes gesehen, welche im Durschnitt 40 % der gesamten Warenkosten für Materialien ausgeben. Hier könnten Kreislaufmodelle die Rentabilität steigern und vor Preisschwankungen schützen (World Economic Forum 2021).

1.1 Österreichische Kreislaufwirtschaft und Situation in der Stadt Wien

Die Nationale Kreislaufstrategie im Regierungsprogramm von 2020–2024 zielt auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und eine bessere und effizientere Nutzung der Ressourcen ab. Gleichzeitig wird „Kreislaufwirtschaft zunehmend Bestandteil der Forschungsfragen rund um die Ökologisierung des Ressourcen- und Energieflusses – in der Digitalisierung der Bauwirtschaft, der Bewertung von Gebäuden und Infrastruktur [..].“ (BMK 2022, S. 50) In der Stadt Wien wurden vom Gemeinderat die zuletzt im Jahr 2022 aktualisierte Wiener Smart Klima City Strategie, sowie die Strategie”Wien 2030 – Wirtschaft & Innovation“ beschlossen. Zur konkreten Umsetzung wurde das Programm DoTank Circular City Wien 2020–2030 (Stadt Wien 2023) aufgelegt. In dieser magistratsübergreifenden Drehscheibe zur Kreislaufwirtschaft in der gebauten Umwelt beschäftigt sich die Stabsstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen in der Stadtbaudirektion der Stadt Wien mit dieser Thematik. Hierzu wurden von der Stadt Wien klar messbare Ziele definierte […] Wien senkt seinen konsumbasierten Material-Fußabdruck pro Kopf um 30 % bis 2030 und um 50 % bis 2050. Ab 2030 ist kreislauffähiges Planen und Bauen zur maximalen Ressourcenschonung Standard bei Neubau und Sanierung. Bauelemente, -produkte und -materialien von Abrissgebäuden und Großumbauten werden 2040 zu 70 % wiederverwendet oder – verwertet (Stadt Wien 2022, S. 41).

Dringenden Handlungsbedarf bei der praktischen Umsetzung der Kreislaufwirtschaft sieht die Stadt Wien bei der Kooperation mit der Bauwirtschaft unter Zuhilfenahme neuer, beziehungsweise neu interpretierter digitaler Technologien (Stadt Wien 2023).