Nach Pjotr Kropotkin ist »gegenseitige Hilfe« das Grundmuster einer aus dem Evolutionsprozess hervorgegangenen Psychologie sozialer Wesen, vornehmlich des Menschen. Und die altruistische Rettung von Mitmenschen aus Seenot gilt Kropotkin als besonders schlagendes Beispiel für die Verwurzelung der gegenseitigen Hilfe in der menschlichen Natur und für die anarchistische Gegengeschichte, die sich im Licht dieses Verhaltensmusters erzählen ließe.Footnote 1 Allerdings ist seine Sicht auf das Paradigma der Seenotrettung höchst selektiv. Die aufopfernde Hilfsbereitschaft der Küstenbewohner, die er hervorhebt, bleibt eingespannt in eine wesentlich kompliziertere Lage von institutionalisierten Gegebenheiten, symbolischen Ordnungen und schieren Verwaltungspraktiken, die er keiner Erwähnung für nötig hält. Bereits der von ihm zitierte Informant gibt darauf einen Hinweis, wenn er bemerkt, dass »die Frauen […] uns für Feiglinge gehalten«Footnote 2 hätten, wenn man den Schiffbrüchigen in einer besonders schwierigen Situation nicht zu Hilfe gekommen wäre. Mit anderen Worten, die kulturelle Ordnung der Geschlechterverhältnisse nimmt durchaus Teil an der Strukturierung der Hilfsbereitschaft. Auch beruhte die Rettungsarbeit – außer in spontanen und situativ gebundenen Fällen – auf der institutionellen Vorarbeit von Rettungsgesellschaften. Die Verstetigung der Bereitschaft zur Seenotrettung im neunzehnten Jahrhundert wurde möglich, weil diese Gesellschaften Rettungsboote finanzierten, was sie mit Hilfe von Spenden aus vielen gesellschaftlichen Milieus, aber auch von ökonomisch interessierten Stellen wie Reedereien und Versicherungsgesellschaften bewerkstelligten. Regelmäßiges Rettungshandeln wurde auf Grundlage von Verwaltungshandeln möglich. Dieser Umstand enthebt die geschichtliche Entwicklung der Seenotrettung der mensch-menschlichen Unmittelbarkeit, die der Anarchismus seinen Hauptanliegen gemäß in den Vordergrund stellt.Footnote 3

Tatsächlich ist schon die Idealisierung einer solchen Unmittelbarkeit moralgeschichtlichen Entwicklungen der europäischen Moderne geschuldet. Bereits im 18. Jahrhundert bestand in China an den großen Flussläufen ein System von Rettungsstationen, dessen Kenntnis in Europa mindestens seit den 1830er-Jahren nachgewiesen ist und das in europäischen Rettungsgesellschaften verschiedentlich retrospektiv als Vorbild bezeichnet wurde.Footnote 4 Dieses chinesische System entstammte privatwirtschaftlichen Unternehmungen und verband das Ziel der Lebensrettung mit dem der Bergung der transportierten Güter. In der europäischen Szene ist hingegen zu beobachten, dass das Ziel der Lebensrettung mit großem moralischem Pathos vom Ziel der Bergung abgetrennt wurde und beiden Tätigkeiten unterschiedliche Infrastrukturen unterlegt wurden. Der moralische Primat des »bloßen Lebens« lässt sich natürlich auch biopolitisch analysieren; und dann hätte Kropotkins Ansatz an dieser biopolitischen Struktur ebenfalls Teil. Allerdings ist die Praxis komplizierter. Für die unterschiedlichen Züge der Institutionalisierung ist vielleicht in stärkerem Maß die Konzentration auf die Rettung zur See in europäischen Gesellschaften verantwortlich, die größere Risiken barg und andere technische Mittel erforderte als Bergung und Rettung auf Flüssen. Über die auch landschaftlichen Vorbedingungen des moralischen Primats des Menschenlebens wäre insofern mehr zu sagen als in der biopolitischen Analyse angelegt ist.

Die ältesten kontinuierlich bestehenden und national operierenden Seenotrettungsgesellschaften in Europa sind die britische und die niederländischen.Footnote 5 Die britische Seenotrettungsgesellschaft wurde im März 1824 einige Monate vor den niederländischen Pendants gegründet. Sie kam allerdings in den 1840er-Jahren de facto, wenn auch nicht de jure, fast vollständig zum Erliegen. Die beiden niederländischen Gesellschaften bestanden hingegen seit ihrer Gründung im November 1824 auch in der Praxis durchgängig. Im Jahr 1991 wurden sie schließlich vereinigt.

In den Niederlanden gründeten sich im Herbst 1824 im Abstand von nur zwei Wochen zunächst in Amsterdam, dann in Rotterdam zwei Vereine mit identischem Ziel, nämlich der Einrichtung von Rettungsstationen an einem jeweils im Gründungsaufruf zur Spendensammlung beschriebenen Küstenabschnitt. Die Amsterdamer fühlten sich dabei für die Küste nördlich des Rhein-Maas-Schelde-Deltas zuständig, soweit die Einfahrt nach Amsterdam betroffen war. Diese Einfahrt führte über die Zuiderzee (das heutige Ijsselmeer) und erforderte das Passieren der von Sandbänken umstellten Durchfahrten durch den Inselgürtel. Die nordöstliche Küste von Friesland und den dortigen Inseln überließ man zunächst und auf lange Jahre sich selbst. Die Rotterdamer, wahrscheinlich durch den Amsterdamer Aufruf provoziert, der die Einfahrt in den Konkurrenzhafen geradezu ostentativ nicht betraf, versprachen ihrerseits, die Delta-Küste abzudecken und die Zufahrt nach Rotterdam abzusichern. Der König der Niederlande ermahnte die Gesellschaften im Februar 1825, sich zu vereinigen und die gesamte nationale Küste mit Rettungsstationen auszustatten, einschließlich des seit 1815 mit den Niederlanden vereinigten Belgien. Zu diesem Zweck stellte er ihnen vor Augen, dass ihr offensichtliches Vorbild, die britische Seenotrettungsgesellschaft, als nationales Unterfangen geplant worden sei. Doch beide Gesellschaften wiesen jede Orientierung am britischen Vorbild von sich, was nicht gänzlich unplausibel ist, weil die Idee der Rettungsgesellschaft in den Niederlanden bereits eine längere Vorgeschichte hatte. Besonders die Amsterdamer unterhielten anfangs auch keinerlei Verbindungen nach England; die Rotterdamer hingegen schon. Die Amsterdamer Gesellschaft scheint von älteren, tendenziell republikanisch gesinnten Milieus getragen worden zu seinFootnote 6 und weigerte sich rundweg, der königlichen Aufforderung zur Vereinigung Folge zu leisten. Nur zu einer Ausdehnung auf die friesische Küste erklärte man sich bereit, benötigte dann allerdings Jahrzehnte dazu, dieses Versprechen zu erfüllen. Die Rotterdamer Gesellschaft, die zu einer Vereinigung bereit gewesen wäre, sagte schließlich ihrerseits zu, die belgische Küste mit abzudecken, ebenfalls ein Versprechen, das nicht eingehalten und dann mit der belgischen Unabhängigkeit von 1830 obsolet wurde.

Die Entwicklung der beiden Gesellschaften verlief über mehrere Jahrzehnte hin äußerst unterschiedlich.Footnote 7 Die Amsterdamer erwies sich als Organisation von erstaunlicher Effizienz. Bereits wenige Wochen nach ihrer Gründung war es ihr gelungen, eine Reihe von Rettungsbooten an der holländischen Küste zu stationieren, und schon im Dezember 1824 verzeichnete sie die erste erfolgreiche Rettung, der mit über mehr als anderthalb Jahrhunderte ungebrochener Regelmäßigkeit weitere folgten. Der Rotterdamer Gesellschaft gelang zwar ebenfalls recht zügig die Einrichtung von Bootsstationen, doch die Küstenbevölkerung im Delta nahm diese nur selten an. Es gab kaum erfolgreiche Rettungen zu verzeichnen. Die für die Zahlung von Prämien für die Teilnahme an Rettungsmissionen bereitstehenden Gelder – eine Anreizsetzung, zu der sich alle Seenotrettungsgesellschaften, die mit Freiwilligenmannschaften arbeiteten, genötigt sahen – wurden nicht abgerufen. Alle paar Jahre stellte man bei offenbar zu selten stattfindenden Ortsterminen fest, dass ungenutzte Rettungsboote verfielen und ausgetauscht werden mussten. Vielfach wurden sie bei dieser Gelegenheit in Nachbarortschaften verlegt, ohne dass sich die Lage dadurch verbessert hätte. Tatsächlich versuchte man bereits in den 1830er-Jahren, diesen Umständen durch die Festanstellung von Rettungsleuten zu begegnen und wurde damit zum Pionier der Professionalisierung der Seenotrettung. Doch auch diese Bemühungen fruchteten nicht. Die Angestellten der Gesellschaften nutzten die Rettungsboote zum Fischen oder für Bergungsarbeiten und waren deswegen mitunter nicht einmal vor Ort, wenn sie benötigt wurden. Erst ab den 1860ern begann die Rotterdamer Seenotrettungsgesellschaft »normal« zu funktionieren, als das Rettungswesen auch in den europäischen Nachbarländern überall aufgebaut worden war. In der Zwischenzeit entwickelte man unter anderem den Ehrgeiz, aus internationalen Zeitungsmeldungen würdige Empfänger für die Rettungsmedaillen der Gesellschaft zu identifizieren, um wenigstens auf diese Weise sichtbar zu sein und Geldmittel auszugeben. Zahlreiche Medaillenverleihungen der Rotterdamer Gesellschaft fanden auf rein postalischem Weg statt und hatten keinerlei Bezug zur niederländischen Seefahrt.

Aus dieser Vergleichsskizze ergibt sich eine Reihe von Fragen, von denen hier nur zwei kurz aufgegriffen werden sollen: erstens die Frage nach den Gründen für den Kontrast hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der beiden Rettungsgesellschaften; und zweitens die Frage, warum die Rotterdamer Gesellschaft ihre Tätigkeit nie eingestellt hat, sondern kontinuierlich weiter operierte, obwohl es ihr über Jahrzehnte hinweg auch zur Enttäuschung ihrer Vorstände selten gelang, Menschenleben zu retten.

Bezüglich der ersten Frage kann man in verwaltungsgeschichtlicher Hinsicht keinen besonderen Unterschied gegenüber der Amsterdamer Gesellschaft feststellen. Beide Vereine hatten einen Vorstand aus ca. einem halben Dutzend Personen aus den bürgerlichen Milieus der beiden Städte (bzw. der jeweils betroffenen Provinzen Nord- und Südholland). Beide Gesellschaften vereinten eine gleichartige Mischung aus technischer, juristischer und merkantiler Kompetenz auf sich und verfügten über ausgesprochen ähnliche Organisationsformen in den internen Abläufen, sowohl in den Geschäftsstellen als auch im Betrieb der lokalen Rettungsstationen. Als provisorische Erklärung für die schleppende Annahme des Rettungswerks an den Deltaküsten vor Rotterdam beziehungsweise die rasche Annahme der Amsterdamer Seenotrettung an der nordholländischen Dünenküste ist es plausibler, auf unterschiedliche wirtschaftsräumliche Faktoren zu verweisen. Die Bevölkerung der Dünenküste lebte in kleinen Dörfern ohne größere Häfen, konnte deswegen nur kleine Boote nutzen, war ausgesprochen arm und fand sich in besonderer Weise dem Vorwurf ausgesetzt, vom sogenannten Strandraub zu leben (niederländisch jutten), das heißt auf die rechtlich keineswegs einfach legale Aneignung antreibender Wrack- und Ladungsteile gescheiterter Schiffe angewiesen zu sein.Footnote 8 Gerade diese unter besonderem Verdacht stehende Bevölkerung zeigte sich aber besonders bereit, an den höchst riskanten Rettungsoperationen teilzunehmen. Möglicherweise reichten hier bereits die von der Amsterdamer Gesellschaft für die freiwillige Teilnahme an solchen Missionen ausgesetzten Prämien als Anreiz aus; aber man muss nicht davon ausgehen, dass sich die Rettungsbereitschaft tatsächlich auf governance durch Anreize reduzieren ließ. Vielmehr scheint in dieser Gegend der moralische Diskurs über die Pflicht zur Rettung Fremder stärker verfangen zu haben. Die Trennung von Lebensrettung und Bergung wurde stärker angenommen. Vielleicht spielte die soziale Stigmatisierung der jutters dabei eine Rolle; vielleicht handelt es sich aber auch einfach um eine Folgeerscheinung des Umstands, dass Schiffbrüche auf den Sandbänken wegen der tidebedingten Beweglichkeit des Seegrunds oft zu recht schnellen Totalverlusten führten, zwar weniger schnell als im Fall des Leckschlagens auf felsigen Riffen, aber doch schnell genug, dass eine systematische Abbergung der Ladung häufig nicht mehr möglich war.

Weiter südlich im Delta waren die Gegebenheiten anderer Art. Die hauptsächliche Gefahr für die Schifffahrt war auch hier die Strandung, doch im Delta konnten auch die den Windverhältnissen ausgelieferten Segelschiffe diesem Schicksal oft entgehen, indem sie bei schlechter Wetterlage Schleppdienste von Ruderbooten in Anspruch nahmen, die sie auf Reede oder ins angestrebte Fahrwasser zogen. Für diese Schleppdienste konnten die Bootsführer, die bei entsprechendem Wetter auf Notflaggensignale geradezu warteten, den Preis selbst festsetzen. In den Unterlagen der Rettungsgesellschaft findet man Hinweise auf Fälle, wo ohne weiteres das Zehn- oder Zwanzigfache dessen verlangt und gezahlt wurde, was die Rettungsgesellschaft an Prämien für die Lebensrettung offerierte. Es zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen Rettung und Bergung an der Deltaküste lange Zeit misslang. Dass Bergung erheblich besser bezahlt wurde, Lebensrettung vor allem ein »unbezahlbarer« moralischer Wert blieb, ist noch in Quellen des zwanzigsten Jahrhunderts feststellbar.Footnote 9 Auch im etablierten Betrieb blieb die Seenotrettung »moralische Ökonomie« – und im Delta misslang anfangs deren Grundlegung.

Umso dringender stellt sich die zweite Frage: warum die Rotterdamer trotzdem nie die Segel gestrichen haben. Eine offensichtliche Antwort läge wohl in der hohen personellen Kontinuität in den Gründungsjahrzehnten der Gesellschaft. Der »Sekretär«, das heißt der Geschäftsführer der Gesellschaft, wechselte erst nach mehr als zwanzig Jahren – übrigens ganz wie in Amsterdam. Aber dann hätte gerade bei diesem Wechsel die natürliche Bruchstelle gelegen. Mir kommt es deswegen sinnvoll vor, eine medientheoretische Antwort zu versuchen: Die Kontinuität wird von den Verschriftlichungsverfahren beider Gesellschaften zumindest mit- erzeugt. Diese Verfahren bestanden in einer Vielzahl von Textformen. Doch den Kern der Vereinstätigkeit bildete das vom jeweiligen Sekretär geführte Protokollbuch, in dem die regelmäßig stattfindenden Vorstandsversammlungen verschriftlicht wurden.

Die Protokollbücher der beiden Gesellschaften entsprechen einander bis in die Details. Es ist zu diesem Zeitpunkt in den Niederlanden, genauer gesagt, bei den schriftnutzenden Teilen der Bevölkerung, offensichtlich allgemein bekannt, wie die Berichterstattung über Vereinsgeschäfte auszusehen hat. Es gibt dafür ein verbindliches Formular, ein Schema für die Strukturierung und auch die graphische Gestaltung der Seiten des Protokollbuchs. Man hält zu Beginn An- und Abwesenheiten der Teilnehmer fest (es waren bis weit ins 20. Jahrhundert nur Männer beteiligt, deswegen bleiben die generischen Maskulina unter sich). Man bespricht Ergebnisse der vorangegangenen Sitzung nach Verlesung des Protokolls. Man bespricht eingegangene Postsachen, deren Antwort nicht automatisch erfolgen kann. Und so weiter. Das Formular unterscheidet sich nicht sonderlich von den »Tagesordnungen« heutiger Vereinssitzungen – allerdings wurde über die finanziellen Verhältnisse im Protokollbuch nicht im Detail rapportiert. Die Kasse oblag dem jeweiligen Kassenwart, das entsprechende Berichtswesen blieb lange rudimentär.

Die gänzlich ungebrochene Regelmäßigkeit der Protokollführung ist ein Hinweis auf den erstaunlichen Disziplinierungsgrad, der in der niederländischen Verwaltungskultur bereits zu jener Zeit vorherrschte. Als Verwaltungstechnik stiftete das Protokollbuch des Vereins Kontinuität, indem es jede Sitzung mit der vorangegangenen verknüpfte. Implizit projizierte sich damit auch jede Sitzung in die jeweils folgende. Diese zeitliche Ordnung verstetigte nicht so sehr die genaue Sequenz – die Abstände der Treffen konnten variieren –, als dass sie das Unabgeschlossene jeder Sitzung betonte. Denn erst in der protokollarischen Rückschau der Folgesitzung wurde festgeschrieben, was in der vorangegangenen Sitzung »eigentlich« geschehen war. »Eigentlich« heißt hier: in verschriftlichter Zusammenfassung. Die überschüssigen Bedeutungen der mündlich vollzogenen Sitzung wurden eliminiert. Ob die Teilnehmer zum Beispiel miteinander auskamen oder sich stritten, ob sie aufeinander eifersüchtig waren oder im Gegenteil füreinander freundschaftliche Empfindungen hegten, ob sie über die Rettungsmänner der Gesellschaften mit Respekt oder im Gegenteil mit standesgemäßer Herablassung sprachen – nichts (oder fast nichts) davon lässt sich anhand der Protokolle klären. Das Eigentliche ist das auf ein Skelett von Tatsachen, Einreden und Beschlüssen reduzierte Kollektivhandeln. Dieses Skelett kann nur vermittels seiner Verschriftlichung präpariert und reproduziert werden. Das Formular projiziert mit diesem Mittel auch das Handeln des Vereins in seine untergebenen Stellen, die Rettungsstationen mit ihren Freiwilligenmannschaften und den für die Boote bestellten Inspektoren. Diese mussten alphabetisiert sein, um auch in schriftlicher Form mit den Gesellschaften kommunizieren zu können. Auch über diese Kommunikationen regierte das Sitzungsprotokoll als übergreifende Autorität der Definition dessen, was »eigentlich gewesen«. Man könnte von einer ontologischen Funktion der Schriftlichkeit sprechen, die ihrerseits das humanitär-moralische Werk (medial) ermöglicht (nämlich seine Erhaltung auf Dauer, seine Durchsetzung gegen Widerstände).

Die moralische Ökonomie verlässt sich auf die Schriftmedien der Verwaltung als Vermittlungsinstanzen. Die fragliche Verwaltung ist durchaus selbstorganisiert. Doch ist das Formular des Sitzungsprotokolls eben dieser Selbstorganisation vorgängig. Das Unheimliche und Bedrückende der bürokratischen Traditionen Europas besteht in ihrer Fähigkeit, das Geschehene und Geschehende von Grund auf zu verwandeln, manches des Flüchtigen zu verstetigen, anderes gänzlich auszuscheiden, in einem Verfahren, das an die Taxidermie gemahnt. Dieses bürokratische Unheimliche ist auch in der »gegenseitigen Hilfe« anwesend. Gerade die Trennung von Bergung und Rettung erweist sich als Voraussetzung der Fiktion unmittelbarer Gegenseitigkeit in der Hilfe; und diese Trennung folgt zwar nicht einfach den bürokratischen Formen des Vereinswesens, wie die unterschiedlichen Entwicklungsgänge der Rotterdamer und Amsterdamer Gesellschaften aufzeigen. Doch ohne diese Formen hätte sich die Trennung wohl nicht verstetigen lassen. So schreibt sich die Bürokratie gerade dort fort, wo man sich davon überzeugt hat, dass sie nicht mehr anwesend sein könne.