Schlüsselwörter

»Der Zensus hat schließlich eine der ältesten Formen von Listen überhaupt hervorgebracht, die Einwohnerlisten, die seit dem allweihnachtlich wiederholten ›...apográphesthai pásan tèn oikouménen‹ des Lukas-Evangeliums fest im kulturellen Gedächtnis des christlichen Abendlands verankert sind.«Footnote 1

»Ich sitze im Workshop einer ugandischen NGO zum Thema Permaculture in einem kleinen Ort 40 km außerhalb der Hauptstadt Kampala. Der Workshop oder workshopi,Footnote 2 wie man in Uganda häufig sagt, findet in einer schlichten Hotelanlage auf einem erhöhten und überdachten Platz statt. Mehrere blaue und weiße Plastikstühle sind hintereinander aufgereiht. Vorne steht ein wackliges Flipchart, an dem der Facilitator Anwar das Logo der NGO aufmalt und erzählt, dass die NGO schon seit den 1990er-Jahren im Bereich Landwirtschaft in Uganda tätig ist. Neben mir sitzen die Teilnehmenden: Lehrer*innen und Eltern von Schüler*innen dreier unterschiedlicher Grundschulen. Auch ich bin als Teilnehmerin hier und möchte mehr über Permakultur und den Ablauf des workshopi erfahren.

Ich beobachte wie ein Papierdokument im DIN-A4-Format und ein Stift durch die Reihen herumgereicht werden. Jeder Teilnehmende schreibt eifrig darauf, bevor beide Dinge an die Sitznachbar*innen weitergegeben werden. Als das Papier bei mir ankommt, sehe ich, dass es sich um eine Teilnehmerliste handelt. Auf dem Papier sind Spalten mit den Bezeichnungen Name, Adresse, Telefonnummer, Arbeitsstelle und E-Mail-Kontakt angegeben und ein Feld für die Unterschrift. Die Liste wird von jedem Teilnehmenden ordentlich ausgefüllt. Auch ich trage meine Daten ein und reiche das Blatt an meine Sitznachbarin weiter. Am nächsten und übernächsten Tag beobachte ich die gleiche Prozedur und bin beeindruckt davon, dass alle Spalten jeden Tag sorgfältig ausgefüllt werden. Da ich meine ugandische Handynummer nicht auswendig kann, trage ich sie am dritten Tag des Workshops nicht in die dafür vorgesehene Spalte ein. Als ich die Liste weitergeben will, schüttelt meine Sitznachbarin den Kopf und weist mich darauf hin, dass ich nicht alles korrekt ausgefüllt habe. Pflichtbewusst nehme ich sie zurück und krame in der Tasche nach meinem Handy.«Footnote 3

Dieser Einstieg verdeutlicht unterschiedliche Phänomene, die ich während meiner Feldforschung in Uganda immer wieder beobachten konnte. So werden im workshopi jeden Tag Dokumente produziert, indem täglich Teilnehmerlisten herumgereicht, sorgfältig ausgefüllt und unterschrieben werden. Die Listen bilden dabei kein zentrales Element der Situation, sondern werden nebenbei unterschrieben. Dieser Moment des Listenausfüllens ist ein routinierter Vorgang, den niemand in Frage zu stellen scheint. Mein Interesse an diesem Dokument, das in meinen Augen ›nur‹ eine Liste war, der ich keinen hohen Stellenwert zuordnete, wurde insbesondere durch die Tatsache geweckt, dass mein unvollständiges Ausfüllen der Liste eine Reaktion der Kontrolle auslöste und direkt kommentiert wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum das korrekte Ausfüllen dieser Liste so wichtig ist und was mit ihr geschieht. Ausgehend von der Akteur-Netzwerk-Theorie, welche menschliche und nicht-menschliche Akteure gleichermaßen in die Analyse einbezieht, hinterfrage ich die Bedeutung dieser Dokumente.

Im Folgenden werde ich den Fokus auf die Verwaltungsmaterialen der ugandischen NGO richten und aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Im ersten Teil des Artikels gehe ich der Frage nach, inwiefern die Liste von den verschiedenen Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit als Kontrollorgan genutzt wird und welche Aspekte die räumliche Distanz der Akteure dabei spielt. Im zweiten Teil des Artikels nehme ich die Zirkulation der Liste in den Blick und untersuche sie ausgehend von dem Konzept der boundary objects hinsichtlich ihrer Kooperationseigenschaft.

Diese Perspektiven tragen zu einem besseren Verständnis der Rolle von Verwaltungsmaterialien in einem Entwicklungsprojekt in Uganda bei, welche zwischen den menschlichen Akteuren d. h. den Teilnehmenden, Facilitators und Donors zirkulieren. Die methodologische Perspektive der Akteur-Netzwerk-Theorie legt offen, wie Dokumente einen wichtigen Stellenwert im Akteursnetzwerk des untersuchten Projektes einnehmen. Mit anderen Worten, ich interessiere mich zum einen für die Praktiken der Verwaltungsarbeit, die es ermöglichen, dass Wissen, Personal und Geld zirkuliert. Zum anderen beschäftigt mich die Frage, wie dies über Raum und Zeit sowie über unterschiedliche Erwartungen und Ziele hinweg gelingt.Footnote 4 Insbesondere werde ich mich hier auf ein zentrales Artefakt der Verwaltungsarbeit konzentrieren: Unterschriftenlisten. Sie werden in diesem Beitrag vor allem in ihrer Eigenschaft als accounting practicesFootnote 5 untersucht, um zu beschreiben, inwiefern die Liste lokale Praktiken reguliert und gleichzeitig global zirkuliert.

Überblick über das Feld und seine Akteure

Grundlage meiner Untersuchung bildet eine siebenmonatige Feldforschung in dem Entwicklungsprojekt Landwirtschaft an Schulen im Wakiso District, Uganda. Der Ausgangspunkt des Projektes ist ein workshopi, in welchem die Grundlagen von Permakultur an die Lehrkräfte und Eltern von Schüler*innen dreier Grundschulen vermittelt werden. Während meiner Feldforschung konnte ich beobachten, dass die Kommunikation und Verwaltungsarbeit insbesondere zwischen drei Akteursgruppen geschieht. Dazu gehören i) die Spenderorganisation im globalen Norden (Donor), deren Mitarbeitende nur sehr sporadisch nach Uganda reisen, ii) die Teilnehmenden, die heterogenen beruflichen und sozialen Hintergründen entstammen, und iii) die Facilitators, die Mitarbeitenden der ugandischen NGO, die ein Studium im Bereich Landwirtschaft absolviert haben, die die Arbeit vor Ort umsetzen und zudem von zwei unterschiedlichen Kulturen Ugandas abstammen. Das Arbeitsfeld der untersuchten NGO besteht also aus Personen, die in unterschiedlichen Ländern und Kulturen leben und sozialisiert wurden. Deshalb liegt mein Augenmerk auf den bürokratischen Strukturen, die es den diversen Akteuren ermöglichen miteinander zu kommunizieren und Hindernisse zu überwinden, die aufgrund der Herkunft aus »unterschiedlichen sozialen Welten«Footnote 6  entstehen.

Während manche Donor auf regelmäßige Besuche oder ständige Anwesenheit von Entwicklungshelfer*innen in Projekten setzen, wird in diesem Projekt eine Verbindung zwischen Donor und NGO vor allem durch bürokratische Strukturen hergestellt. So entstehen im Laufe des Projektes unterschiedliche Verwaltungsmaterialen, die als Kooperationsmedien der Abwesenheit fungieren: Zertifikate, Fotografien, Projektberichte und Teilnehmerlisten. Das Zertifikat wird den Teilnehmenden für die erfolgreiche Teilnahme am Workshop in einer Zeremonie überreicht und stellt ein Dokument zur Standardisierung der Kommunikation über Kompetenzen und Wissensaneignung dar. Es eröffnet den Teilnehmenden die Möglichkeit, an eine moderne Gesellschaft anzuschließen, in welcher Nachweise über erlernte Qualifikationen essenziell sind. Weitere Kooperationsmedien wie Fotografien vermitteln nicht nur die Dokumentation des Projektsfortschritts, sondern auch die Hervorbringung, die Vermittlung sowie die Rezeption von Praktiken der Entwicklungszusammenarbeit. Sie eröffnen zudem eine visuelle Perspektive auf das Projekt für den abwesenden Donor. Insbesondere das Festhalten des Entstehungsprozesses der Gärten durch Vorher-Nachher-Bilder machen die Fotografien zu wichtigen Präsentations- und Dokumentationsmedien. Das visuelle Anschauungsmaterial lässt eine Einordnung in die Kategorien Erfolg (blüht, trägt Früchte) oder Misserfolg (vertrocknet, keine Ernte) zu und stellt so eine Repräsentation für Erfolg/Misserfolg dar.Footnote 7 Die unterschriebenen Teilnehmerlisten und Projektberichte, welche an die Donor verschickt werden, fungieren als eine Übersetzung der eigenen Arbeit in Worte,Footnote 8 welche zugleich eine gängige Repräsentationsform über erlerntes Wissen darstellt und die Arbeit der NGO beobachtbar, berichtbar und nachvollziehbar macht.

Während mit den Donors fast nur über Schriftstücke zusammengearbeitet wird, basiert die Kooperation vor Ort stark auf Mündlichkeit, wie beispielsweise die Wissensvermittlung im Workshop und verschiedene Begrüßungs- und Gebetsrituale. Um die schriftliche Kooperation zu ermöglichen, sind bestimmte Praktiken vonnöten, die in diesem Artikel genauer betrachtet werden. Während die meisten der genannten Verwaltungsmaterialien zwei Bezugsgruppen, Donor und NGO oder NGO und Teilnehmende, miteinander verbinden, stellen die Teilnehmerlisten eine Verbindung zwischen allen drei Akteursgruppen dar. Aus diesem Grund lege ich in diesem Artikel den Fokus auf die Teilnehmerlisten und die damit verknüpften Praktiken.

Listen als Kontrolle auf Distanz

»Heute ist der dritte Tag des Workshops Permaculture Training. Als ich um kurz vor acht am Hotel ankomme, sitzen ein paar Teilnehmende draußen auf Plastikstühlen und essen gerade ihr Frühstück und begrüßen mich herzlich. Auch ich bin diesmal als Teilnehmerin hier und möchte mehr über Permakultur und den Ablauf von Workshops erfahren. Wenig später machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Workshop. Wir betreten den überdachten Platz und mein Blick fällt auf den alten Holztisch, der mit Papierbögen des Flipcharts bedeckt ist. Anwar und Maria, die Facilitators, sind gerade dabei Lerninhalte auf Blätter zu schreiben, welche erst im Workshop und später als Vorlage für den Bericht an die Donors genutzt werden. Sie lächeln fröhlich als wir ankommen und begrüßen alle mit Handschlag und einem kleinen Schwätzchen über die Nacht und ob das Frühstück denn auch gut gewesen sei.«Footnote 9

Der NGO-Mitarbeiter Anwar, der Facilitator des workshopi, ist einerseits dafür verantwortlich, die Erwartungen und Vorstellungen der Teilnehmenden, andererseits die Bedingungen und Richtlinien des Donors und zudem seine eigenen Vorstellungen zu erfüllen. Dabei fällt ihm die Funktion eines Mediators,Footnote 10 im Sinne eines Mittlers, zu, der die vielfältigen Interessen miteinander verbindet.Footnote 11 So muss er beispielsweise den Teilnehmenden das erforderliche Hintergrundwissen über Permakultur beibringen und die praktische Umsetzung an der Schule anleiten und betreuen. Außerdem fällt ihm die Aufgabe zu, die formalen Richtlinien des Donors, wie das Ausfüllen von Registrierungsbögen und die Arbeitsdokumentation, zu gewährleisten, indem er Fotos von Arbeitsmaterialien und Teilnehmenden macht sowie einen Bericht über den workshopi verfasst. Richard Rottenburg beschreibt in seiner Studie Weit hergeholte Fakten, dass Entwicklungsorganisationen es damit zu tun hätten, »zuverlässige Verfahren der Fernerkundung und -steuerung zu etablieren, die organisiertes Handeln und Kontrolle auf Distanz ermöglichen«.Footnote 12 Dabei ginge es insbesondere um die »Repräsentation von Wirklichkeit durch organisatorische Verfahren«.Footnote 13

Ein solches organisatorisches Verfahren ist die Unterschriftenliste, welche die Anwesenheit der Teilnehmenden repräsentiert. Damit das Projekt Landwirtschaft an Schulen umgesetzt werden kann, ist sowohl die Repräsentation der Anwesenheit als auch die Anwesenheit an sich von Relevanz. Die Wissensvermittlung im Projekt ist auf die Anwesenheit der Teilnehmenden angewiesen und die NGO ist dem Donor gegenüber verpflichtet Rechenschaft über die Anwesenheit der Teilnehmenden abzulegen. Aus diesem Grund weisen die Facilitators während des workshopi immer wieder auf das Ausfüllen der Unterschriftenliste hin. Aufgrund der schlechten Strominfrastruktur und des erschwerten und teuren Internetzugangs ist besonders die körperliche Präsenz und die face-to-face Kommunikation ausschlaggebend für die Arbeit der NGO. Da eine Telekommunikation auf Distanz praktisch ausgeschlossen ist, findet die Wissensvermittlung von Permakultur vornehmlich im workshopi statt. Die Anwesenheit der Teilnehmenden stellt folglich die Voraussetzung für die Vermittlung von theoretischem und praktischem Wissen über biologisch-ökologische Landwirtschaft dar. Mit anderen Worten: Die einzelnen Teilnehmenden und Facilitators sowie ihre kommunikativen Praktiken konstituieren zusammen mit den materiellen Artefakten den workshopi. Aufgrund dieses wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses setzt die NGO verschiedene Mechanismen ein, um die Anwesenheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. Dazu zählen verschiedene inhaltliche, monetäre und symbolische Anreize, wie das Erlernen von Permakultur, das Zahlen von allowances (einer Aufwandsentschädigung) und das Überreichen eines Zertifikates. Dass das Erlernen von Wissen häufig nicht als einziger Anreiz ausreicht, erklärt mir der Facilitator Anwar:

»Als ich Anwar während des Abendessens auf die Zahlungen von allowances anspreche ist er überrascht. Das sei für ihn ganz normal. Er erklärt mir, dass viele der Teilnehmenden außerhalb des Workshops anderweitige Verpflichtungen hätten, wie etwa einen Zweitjob, den sie ausüben würden. Auch Lehrerin Annet erzählt mir Wochen später, dass sie zusätzlich Geld verdienen müsse, um die school fees ihrer drei Töchter bezahlen zu können. So singt sie beispielsweise in einem Chor und bekommt für die Auftritte etwas Geld.«Footnote 14

Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass die NGO, finanziert durch die Donor, allowances für die Teilnahme am workshopi auszahlt, denn nur so ist es für viele Teilnehmende überhaupt möglich, am workshopi teilzunehmen. Dass sich die NGO eine gewisse Kontrolle über die Anwesenheit der Teilnehmenden bewahren möchte und nicht nur auf die Anreize setzt, wird daran deutlich, dass Facilitator Anwar während des workshopi mehrfach betont, dass die Listen täglich ausgefüllt werden müssen und dass nur diejenigen am Ende die allowances ausbezahlt bekommen würden, die auf der Liste stünden. Die Etablierung und Nutzung von Listen ist mittlerweile so selbstverständlich, dass sie weder von den Teilnehmenden noch von den Facilitators hinterfragt werden. Bei unterschiedlichen Workshops konnte ich beobachten, dass die Praktik des Listenausfüllens und Herumreichens zur Routine gehören. Stellen wir uns die Frage, warum das Ausfüllen der Listen für die NGO so wichtig ist, dann führt uns der Blick zu den Donors und den Nachweisen, die diese einfordern. Der Donor benötigt bestimmte Mechanismen, um über das Geschehen vor Ort informiert zu werden. Die Listen als ein »Verfahren der statistischen Erhebung und ihrer diagrammatischen Repräsentation«Footnote 15 sind eines von mehreren Mitteln, um eine gewisse Kontrolle darüber zu erhalten, dass Geld und Wissen so eingesetzt werden wie es intendiert war.Footnote 16 Die Liste stellt ein Dokument zur Standardisierung der Kommunikation über Anwesenheit und Wissensaneignung dar. Denn »Listen […] kontrollieren Übertragungsvorgänge. […] Festgehalten werden die einzelnen Posten nicht zu Erinnerungszwecken […], sondern um Güter, Sachen oder Personen zu verwalten. Listen sortieren und lassen zirkulieren«.Footnote 17 Grundsätzlich ist die reine Form der Liste variabel und kann sich in Aufbau oder Reihenfolge der abgefragten Daten unterscheiden, das bürokratische Verfahren, die Praxis und Bewertung der Legitimation und die Herstellung von accountability, ist ein standardisiertes Verfahren, weshalb im Folgenden von standardisierten Prozessen gesprochen wird.

Das, was durch die Listen verwaltet wird, erklärt mir Anwar folgendermaßen: Da der Donor vor Ort nicht anwesend ist, benötige er Nachweise darüber, dass sowohl das zur Verfügung gestellte Geld planmäßig eingesetzt wird als auch der Wissenstransfer im workshopi stattgefunden hat. Aus diesem Grund reicht die NGO regelmäßig Dokumente per Email ein, in denen Rechenschaft über die geleistete Arbeit abgelegt wird. Zu diesen Dokumenten zählen eine Teilnehmerliste mit Namen, Telefonnummer und Arbeitsstelle der Teilnehmenden, Projektberichte sowie Belege von allen Rechnungen. Die Listen sind für die NGO insofern wichtig, als sie pro Teilnehmendem Gelder bezahlt bekommt. Die Dokumentation der lückenlosen Teilnahme der Teilnehmenden erhöht zudem die Chance der NGO auf weitere Fördergelder oder die Projektverlängerungen durch den Donor.

Ausschlaggebend für die Verlängerung des Projektes ist neben den inhaltlichen Komponenten die Korrektheit der bürokratischen Dokumente. Da der Donor das Projekt nur selten besucht, bedarf es Formen der Verwaltung, welche eine Ausübung von Macht und Kontrolle auch an entfernten Orten ermöglicht.Footnote 18 Eine solche stellt die Unterschriftenliste dar, da sie Informationen gebunden auf Papier über weite Entfernungen hinweg transportiert, ohne dass sich diese verändern. Die Daten der Teilnehmenden werden in dem »Registrierungsmedium«Footnote 19 Liste schriftlich fixiert und durch die Beweglichkeit der Listen mobil, sie werden übertragbar und transportabel.Footnote 20 Auf den Listen festgehalten, können die Daten durch ihre formstabile Übersetzung an anderen Orten präsentiert und bei den Donors in »Rechen(schafts)zentren«Footnote 21 weiterverarbeitet und zirkuliert werden. Die Kontrolle, die durch die standardisierte Liste ausgeübt wird, geschieht »durch die beschleunigte Mobilität fixierbarer Gestalten einer Formkonstanz«.Footnote 22 Bruno Latour hat für Objekte, die »mobil, aber auch unveränderlich, präsentierbar, lesbar und miteinander kombinierbar«Footnote 23 sind, den Begriff der immutable mobiles geprägt.Footnote 24 Die Unterschriftenliste macht die Praktiken der NGO sichtbar, analysierbar und vergleichbar, im garfinkelschen Sinne »accountable«.Footnote 25 Aus diesem Grund werden Daten auf Papier festgehalten, in Berichtform digitalisiert und im Geberland algorithmisiert.

Würden Daten auf der Unterschriftenliste fehlen, hätte dies Konsequenzen für die Facilitator und die Teilnehmenden. Wie wichtig die Unterschrift für die Mitarbeitenden der NGO ist, konnte ich während eines anderen Workshops beobachten. Dort verschwanden die Teilnehmenden an manchen Tagen und waren nicht lückenlos über den Zeitraum des workshopi anwesend. Die Mitarbeitenden der NGO berichteten mir, dass sie sich Sorgen um die Projektverlängerung machen würden, da nicht alle Teilnehmenden jeden Tag unterschrieben hätten. Um keine Lücken auf der Teilnehmerliste zu haben, versuchten die Mitarbeitenden die Teilnehmenden zu überzeugen, die restlichen Tage dauerhaft anwesend zu sein oder forderten sie dazu auf trotz ihres Fehlens zu unterschreiben. Die Relevanz der Liste zeigt sich hier deutlich zum einen an dem Auftreten von Störungen und Auseinandersetzungen, welche das Fehlen von Informationen auf der Liste hervorruft sowie zum anderen an der sich daran anschließenden Aufforderung zum Unterschreiben der Liste.Footnote 26 Schauen wir auf die »[…] organisatorischen, technischen, institutionellen und ästhetischen Verkettungen[…]«Footnote 27 im Ablauf des workshopi, so wird deutlich, dass die Rechenschaft, welche über die Listen geschaffen wird, kein einseitiger Prozess ist, welcher nur von der NGO ausgeführt wird, sondern eine Verknüpfung von Teilnehmenden und materiellen Artefakten ist. Das Unterschreiben der Listen als kooperative Praktik stellt eine »wechselseitige Verfertigung gemeinsamer Abläufe, Ziele und Mittel«Footnote 28 dar, welche dazu genutzt wird, Rechenschaft über die Anwesenheit der Teilnehmenden abzulegen und den workshopi aufrechtzuerhalten.Footnote 29 Die Unterschriften sind insofern von Belang, als sie einen wichtigen Platz im Prozess der Transformation der Teilnehmenden in Tabellen einnehmen. Vergleichbar ist dieser Prozess mit dem, was Callon, Latour folgend, beschreibt: Teilnehmende werden in Unterschriften, Unterschriften in Zahlen, »[…] die Zahlen in Tabellen und Kurven transformiert, die leicht zu transportierende, reproduzierbare und zu verbreitende Papierblätter darstellen […]«.Footnote 30 Auf dieser Grundlage wird dann über weitere Projekte und Projektgelder entschieden. Die Unterschriften der Teilnehmenden nehmen also einen wichtigen Stellenwert in der Entscheidung über die finanzielle Zukunft der NGO ein. Aus dieser Perspektive heraus wird deutlich, dass die Teilnehmerlisten den Donors im Ausland als Kontrollorgan dienen, um über die Anwesenheit der Teilnehmenden informiert zu werden. Rottenburg macht mit seiner Formulierung »Rechen(schaft)«Footnote 31 in der Übersetzung der latourschen »centers of calculation«Footnote 32 deutlich, dass die Dokumente nicht nur zur Berechnung von Teilnehmenden und Ein- und Ausgaben dienen, sondern durch ihre Eigenschaft der Kombinierbarkeit dazu genutzt werden, Rechenschaft abzulegen. Die Spenderorganisation ist der Ausgangspunkt des Projektes, da sie neben der finanziellen Grundlage auch die inhaltliche Ausrichtung und die Förderungsdauer des Projektes bestimmt. Gleichzeitig stellt sie auch den Ort dar, an welchen die Dokumente der Rechenschaft (Listen, Formulare, Berichte) zurückgeschickt werden. Diese Dokumente helfen dem Donor bei seiner Entscheidung über die Fortführung des Projektes und stellen als Ausgangs- und Endpunkt des Akkumulationskreislaufes einen »Ort der Macht«Footnote 33 dar. Gebündelt mit Informationen aus anderen Projekten werden die Daten aus dem hier beschriebenen Projekt in den Organisationen der Donors in der Regel aufgearbeitet und dienen so wiederum als Rechenschaftsgrundlage für staatliche Behörden oder die Mitglieder der Spenderorganisation.

In Bezug auf mein Feld heißt das, dass alle Daten in Dokumenten, welche die NGO an die Donors einreicht, verglichen und in Beziehung gesetzt werden können und als Basis der »organisierbaren Steuerung der Zirkulation von Zeichen, Personen und Dingen«Footnote 34 dienen können. So lässt sich über die Distanz hinweg nachhalten und gegenüberstellen, wieviel Geld in Summe aber auch im Einzelnen etwa für Essen, Druck- und Fahrtkosten pro Teilnehmenden ausgegeben wurde. Auf diesem Weg erlangt das Unterschreiben der Listen über die lokale Ebene hinaus an Bedeutung und das Medium Unterschriftenliste leistet eine Verknüpfung von lokaler zu globaler Ebene. Es dient nicht nur als Nachweis des Wissenserwerbs, sondern im globalen Zusammenhang der Kontrolle über Anwesenheit von Personen und Ausgaben finanzieller Mittel. Derart lassen sich mittels des Standards Liste nicht nur Informationen weitergeben, sondern auch eine Kontrolle über die Praktiken vor Ort ausüben.Footnote 35

Kooperation und Listen

Die Arbeit der NGO ist geprägt von Hürden und Unsicherheiten. Diese entstehen einerseits durch die Heterogenität der zusammenarbeitenden Akteure, andererseits durch die befristeten Laufzeiten der Projekte und die damit einhergehende Unsicherheit der Arbeitsplätze.

In diesem Abschnitt wird ein neuer Aspekt aufgegriffen, indem der Frage nachgegangen wird, wie unter den Bedingungen der Heterogenität zusammengearbeitet werden kann und welche Akteure dabei von Relevanz sind. Die Voraussetzung für ein erfolgreiches Projekt und damit auch für die Ermöglichung eines Nachfolgeprojektes ist die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure, die im Feld der Entwicklungszusammenarbeit vertreten sind. Dazu zählen die Donors mit ihren Mitarbeitenden im globalen Norden, im globalen Süden die Mitarbeitenden der ugandischen NGO sowie die Teilnehmenden des Projektes. Sie alle kommen aus »unterschiedlichen sozialen Welten«,Footnote 36 haben vielfältige Interessen und Erfahrungen und verfolgen unterschiedliche persönliche, operative und ökonomische Ziele. Diese Ziele können nun durch unterschiedliche Objekte »(neu) geformt und übersetzt werden«.Footnote 37 Nach Susan Leigh Star und James R. Griesemer besteht der »Trick der Übersetzung«Footnote 38 in zwei Bedingungen: Es müssten erstens Methoden entwickelt und angewendet werden, »um die Informationen [der jeweiligen Akteure] zu ›disziplinieren‹«,Footnote 39 und zweitens müssten Grenzobjekte (boundary objectsFootnote 40) gebildet und genutzt werden, »die sowohl die Autonomie der einzelnen Welten wie die Kommunikation zwischen ihnen maximieren würden«.Footnote 41 Diese boundary objects müssen demnach den Anforderungen der multiplen Akteure gerecht werden, um als Mittel der Übersetzung zu fungieren. Wie die heterogenen Akteure in meinem Projekt trotz der unterschiedlichen Ausgangslage zusammenarbeiten, möchte ich anhand der Unterschriftenliste verdeutlichen, die bereits im vorherigen Abschnitt unter dem Aspekt der Kontrolle auf Distanz thematisiert wurde.

Da die Teilnehmenden, Facilitators und Donors aus »unterschiedlichen sozialen Welten«Footnote 42 stammen, kann es Schwierigkeiten bei der Verständigung über das Projekt geben. Verwaltungsmaterialien können dazu genutzt werden, um solche Probleme zu lösen, indem sie als gemeinsame Basis zwischen den Gruppen dienen. Die Unterschriftenlisten wurden von den Donors eingeführt und stellen neben der Selbstdokumentation für die Aktivitäten der NGO auch ein Dokument dar, um Rechenschaft über das Projekt abzulegen. Während die Liste einerseits als Kontrollorgan genutzt wird, so schafft sie andererseits auch eine Grundlage, auf der unterschiedliche Akteure miteinander kommunizieren können. Im Verlauf meiner Feldforschung konnte ich beobachten, welche individuellen Bedeutungen die Liste für die unterschiedlichen Akteure hat. So weist mich Ines, eine Teilnehmerin des Permakultur-Workshops, auf mein fehlerhaftes Ausfüllen der Unterschriftenliste hin und erklärt mir, dass es wichtig sei, korrekt darauf zu unterschreiben, um am Ende des Workshops das wichtige Teilnehmerzertifikat und die versprochenen allowances zu erhalten. Dies sei für sie besonders wichtig, weil sie mit dem Erhalt des Zertifikats die Hoffnung auf eine bessere berufliche Zukunft verbinde. Auch Anwar, der Facilitator desselben Workshops, achtet auf die Korrektheit der ausgefüllten Liste und lässt mich nicht mit meinem Kugelschreiber mit schwarzer Mine unterschreiben, da alle anderen mit einem blauen Stift unterzeichnet haben. Begründet liegt dieses Verhalten in der Sorge um die Existenz seiner Arbeitsstelle, da die Abweichung vom Donor als Betrug ausgelegt werden könnte. Bridget, die Mitarbeiterin einer Medien-NGO, erklärt mir, dass von der Unterschrift der Teilnehmenden die Zukunft des geförderten Projektes abhängig sei. Wenn das Projekt nicht gut dastehe, zum Beispiel dadurch, dass Unterschriften fehlten, könnte das bedeuten, dass die finanzielle Förderung des Projektes nicht verlängert würde und man neue Donors suchen müsste. Während einer vorherigen Studie in einer deutschen Entwicklungsorganisation konnte ich beobachten, wie die Daten aus den Materialien, wie Berichte und Unterschriftenlisten verschiedener Entwicklungsprojekte, in Charts und Diagrammen aufgearbeitet wurden, um Rechenschaft gegenüber ihren Spendern und staatlichen Organen abzulegen.Footnote 43 Diese Aussagen zeigen einerseits, dass sich in der Liste für die unterschiedlichen Akteure verschiedene Hoffnungen, Wünsche, aber auch Ängste und Unterstellungen widerspiegeln. Andererseits kann sie aber auch als gemeinsame Referenz fungieren, auf die sich die multiplen Akteure berufen können: Das Projekt Landwirtschaft an Schulen und seine Teilnehmenden werden auf Listen in Inskriptionen übersetzt, reduziert und mittels technischer Infrastruktur zirkuliert. Die Liste dient dabei als Maßstab für die Anwesenheit der Teilnehmenden. Mit anderen Worten: Die vermittelte Erwartung der durchgängigen Anwesenheit manifestiert sich in Form der Unterschriftenliste. Insbesondere die Reduktion, welche durch die Übersetzung in Inskriptionen geschieht, ermöglicht die Nutzung in unterschiedlichen Zusammenhängen, wie etwa in Archiven oder als Grundlage für Berechnungen.Footnote 44 Die Liste, und die darauf enthaltenen Daten wie Namen, Adresse, Telefonnummer, Beruf und Unterschrift kann also für jede Personengruppe eine spezifische Bedeutung haben. Sie ermöglicht aber trotz allem eine Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. Dabei sind die Akteure nicht gezwungen einen Konsens zu schaffen, sondern können die Liste in Form eines Anknüpfungspunktes der gemeinsamen Kooperation nutzen. Aufgrund dieser Eigenschaften kann sie als boundary object betrachtet werden, welche nach Star und Griesemer unterschiedliche Interessen und Handlungen über einen gemeinsamen, identischen Referenzpunkt verbinde und den Akteuren ermögliche in Kooperation zu treten. Damit eine »Kooperation ohne Konsens« dauerhaft gelingen kann, bedarf es also Objekten, die

»sowohl plastisch genug sind, um sich lokalen Anforderungen und Einschränkungen von mehreren Parteien anzupassen und zugleich robust genug sind, um eine gemeinsame Identität über Ortswechsel hinweg aufrechtzuerhalten. Sie sind im gemeinsamen Gebrauch schwach strukturiert und werden beim ortsspezifischen Gebrauch stark strukturiert.«Footnote 45

Die beschriebene Liste kann als ein solches Grenzobjekt verstanden werden. Auf den Listen findet eine Übersetzung von Personen, Zahlen und Fakten in Inskriptionen statt, welche sich leicht transportieren, zirkulieren und archivieren lassen. Grundsätzlich unterscheiden Star und Griesemer zwischen vier Idealtypen von boundary objects: repository, ideal type, coincident boundaries und standardized form.Footnote 46 In die Kategorie der standardized forms lassen sich standardisierte Verzeichnisse und immutable mobilesFootnote 47 einordnen, durch die Informationen unverändert weitergegeben und empfangen werden können.Footnote 48 Durch die Listen werden infolgedessen die unterschiedlichen Interessengruppen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten zusammengeführt, was eine Kooperation über Raum, Zeit und heterogene Kontexte hinweg ermöglicht und die Voraussetzung für die Zusammenarbeit unterschiedlichster Personen schafft.Footnote 49 Insbesondere das standardisierte Layout und die Formkonstanz der Liste unterstützten die Zirkulation, Weiterverarbeitung und Archivierung der Daten in centers of calculation, in denen Fakten aus entfernten Ländern gesammelt und mit anderen Dingen zusammengeführt werden.Footnote 50 Die Standardisierung und klare Struktur des Dokuments hilft dabei eine Verbindung zwischen multiplen Akteuren herzustellen, ohne dass ein Bezug auf ihre individuelle Interpretation genommen wird. So macht das Logo der Donors auf der Liste die Spenderorganisation im workshopi präsent und andersherum sind die Teilnehmenden durch ihre Namen und Positionen im Büro der Donor anwesend. Die Formalisierung und Standardisierung von Verfahren trägt insofern in diesem Prozess dazu bei, als dass sie den fehlenden Konsens zwischen der ugandischen NGO und den Donors im globalen Norden überbrücken und zur Operationalisierung der Arbeitsprozesse der NGO beitragen.Footnote 51 Das Grenzobjekt Liste kann auch vor Ort eine Verbindung zwischen Teilnehmenden und Facilitators herstellen. Denn auch hier sind verschiedene Wünsche, Vorstellungen und Ziele mit der Unterschrift auf der Liste verbunden. Während die NGO damit die Rechenschaft gegenüber den Donors verknüpft und die Weiterführung des Projektes sicherstellen möchte, verknüpfen die Teilnehmenden mit dem Unterschreiben der Liste zum einen die Hoffnung, mittels des ausgehändigten Zertifikats einen besser bezahlten Job zu bekommen und zum anderen die Auszahlung von allowances, die ihre finanzielle Lage verbessert. Aufgrund ihrer »interpretative[n] Flexibilität«Footnote 52 ist die Liste gleichermaßen für gemeinsame wie heterogene Zwecke nützlich und stabilisiert die Zusammenarbeit verschiedener Akteure.

Schluss

In meinem Beitrag habe ich die Formen der Verwaltung in Papierform und das verwaltungsmäßige Handeln vor Ort in einem Entwicklungsprojekt in Uganda beschrieben und analysiert. Dabei habe ich rekonstruiert, wie die Verwaltungsmaterialien in der alltäglichen Praxis der Entwicklungszusammenarbeit, im workshopi, entstehen und genutzt werden. Ausgehend von der Frage, warum einer Unterschriftenliste verhältnismäßig viel Beachtung zuteil wird und welche Rolle dieses Registrierungsmedium in den Workshops spielt, wurde aufgezeigt, inwiefern die Unterschriftenliste als Standard für die Verwaltungsarbeit eingesetzt wird. Etablierte Standards rufen zum einen soziale Praktiken wie das unhinterfragte Eintragen der Daten in Listen hervor und vermittelzum anderen bestimmte Ansprüche wie die Erwartungshaltung an die Anwesenheit der Teilnehmenden. Die Analyse der alltäglichen Praktiken, die mit der Unterschriftenliste verknüpft sind, gibt Aufschluss darüber, wie im konkreten Vollzug Kontrolle und Kooperation stattfinden. Um Kontrolle über Entfernungen hinweg auszuüben, fordern die Donors Informationen über die Arbeit der NGO und Daten über die Teilnehmenden ein.

Aus diesem Grund werden Informationen auf Papier festgehalten, in Berichtform digitalisiert und im Geberland gebündelt, geordnet und zur Ablegung von Rechenschaft weiterverarbeitet. Die Formkonstanz und Mobilität der Liste ermöglicht dabei die Zirkulation von Daten über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg. Dabei erfüllt sie unterschiedliche Funktionen: Für die NGO stellt sie ein Werkzeug der Selbstdokumentation dar und legt gleichzeitig Rechenschaft über ihr Verhalten gegenüber dem Donor ab. Der Donor wiederum nutzt das Registrierungsmedium Liste als ein Kontrollwerkzeug, um das Verhalten der Personen vor Ort zu beeinflussen. Daneben muss auch er Rechenschaft gegenüber seinen Spendern ablegen, was ebenso auf der Grundlage der Daten aus dem Projekt geschieht. Listen sind folglich nicht nur als passive Zwischenglieder zu verstehen, sondern als Mittler, die den Prozess der Entstehung von Wirklichkeit aktiv mitgestalten.Footnote 53 Die Liste als »zirkulierende Referenz«Footnote 54 schafft Dokumentation und Nachprüfbarkeit über das Projekt und seine Teilnehmenden. Dabei stellt die Liste nur eine von verschiedenen Formen von accountability dar, welche in verschiedenen Übersetzungsketten bemüht werden. Der zweite Strang des Beitrages widmet sich der Frage, inwiefern Listen Bestandteile von kooperativen Praktiken sind. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Liste einen gemeinsamen Referenzpunkt für die heterogenen Akteure bildet, welche sich in der Zusammenarbeit auf sie berufen können, aber gleichzeitig eine Nutzung der Liste für die Teilnehmenden, NGO-Mitarbeitenden und Donors in ihrem eigenen Verständnis ermöglicht. Diese Perspektive vertieft das Verständnis davon, wie Prozesse der Verwaltungsarbeit zur Kooperation beitragen. Betrachtet man das Unterschreiben auf Dokumenten oder Listen als Medienpraktik in Form von Grenzobjekten, so zeigt sich, dass das Medium Liste hierbei die Aufgabe der Organisation und Regulation von Prozessen übernimmt. So reguliert sie einerseits vor Ort die Praktiken der Teilnehmenden, jeden Tag anwesend zu sein, um zu unterschreiben. Andererseits ermöglicht die Liste als Kooperationsmedium der Abwesenheit die Organisation der Kontrolle auf Distanz. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, fungiert das Medium Liste als Stabilisator der Kooperation verschiedener Interessensgruppen. Diese kleinen alltäglichen Praktiken, wie das Ausfüllen von Teilnehmerlisten, stehen in Beziehung zur internationalen Kooperation, da nur durch das Erfüllen bestimmter bürokratischer Vorgaben eine Zusammenarbeit über die Entfernung hinweg möglich ist. So gelingt es den Akteuren, »[…] unterschiedliche Gruppeninteressen in gemeinsame Formulare und Gegenstände zu übersetzen, und eine Kooperation ohne Konsens in Gang zu setzen«.Footnote 55 Dabei fügt sich die Liste in ein Netzwerk von unterschiedlichen Kooperationsmedien der Abwesenheit ein, welche die Transformationsprozesse der Projektarbeit realisieren. Dazu zählen Fotos als Präsentations- und Dokumentationsmedien, Zeichenpläne, auf denen die Anlegung der Gärten abgebildet wird, sowie Projektberichte, in denen die Arbeit vor Ort dokumentiert und zirkuliert wird. Die unterschiedlichen Kooperationsmedien, ihre Verfertigung und ihr Zusammenspiel verfolge ich im Rahmen meines Dissertationsprojekts weiter (Wiedmann, im Erscheinen).