Das Heft ist dem Apparat gewidmet, wobei seine Begriffsgeschichte ebenso wie ein Panorama verschiedener Einzelfälle zur Diskussion stehen: etwa eine in Uganda operierende NGO, ein niederländischer Verein zur Seenotrettung oder die britische Gefängnisverwaltung, welche die staatliche Zwangsernährung von Frauen entwickelte. Der Apparat ist für unsere Zwecke als Regierungsmaschine weit gefasst worden. Besprochen werden Konzerne, Bürokratien, Organisationen, große und kleine Verwaltungen und totale Institutionen, unbedingt aber auch autopoietische Normen und Dispositive.Footnote 1 Gemeinsam ist allen diesen Verwaltungen jedoch ein oft höchst charakteristisches mediales Handeln, das Ausdruck eines in überindividuellen Regeln aufgehobenen und stabilisierten Problemlösungsprozesses ist. Gelangweilt von der in liberaler Tradition stehenden Künstlerkritik an der Verwaltung, die im Namen der Kreativität nichts als individuelle Entfaltung einzuklagen mag, geht es in dieser Ausgabe um das Für und Wider eines positivierten Bürokratiebegriffes. Wie kann es jenseits der bloßen Machtapparate zu der notwendigen Neuerfindung des öffentlichen Raums im Zeichen analoger wie digitaler Infrastrukturen kommen und wie beginnt das unvermeidliche Nachdenken über Allokation von Ressourcen im Zeichen des Klimawandels? Subjekttheorie trifft dabei auf kopflos imaginierte Rechtsapparate, filmische Visionen auf die verwaltungswissenschaftliche Rechtskybernetik. Dabei sind es oftmals einzelne Medien und Zeichen, besondere Daten und Sprachen oder die designierten Praktiken und Techniken, an denen die apparative Logik von unterschiedlichen Seiten sichtbar wird. Anliegen der versammelten Beiträge ist es, die Apparate freizustellen und abzugrenzen, von neoliberaler Gouvernementalität einerseits und von opaken Automatismen andererseits.

Digitale Kopflosigkeit

Angesichts unermesslicher Datenströme sind die Apparate ins Schwimmen geraten. Standen sich früher Markt und bürokratischer Staatsapparat unversöhnlich, aber verlässlich gegenüber,Footnote 2 so sind Pläne wie Märkte nachhaltig diskreditiert und zudem immer schwerer unterscheidbar. Aus Afrika wird längst ein Zusammengehen von Finanzen und Verwaltung berichtet, von FinTech und Meldewesen im Zeichen neuer biometrisch gestützter Datenarchitekturen.Footnote 3 Verwaltung in großen, auch überstaatlichen Organisationen wird durch die neuen Technologien erheblich erleichtert, beschleunigt und verbilligt. So können UN-Agenturen der Flüchtlingshilfe weltweite Infrastrukturen auf der Basis neuer Geldformate aufbauen, deren Datenspuren in Genf zusammenlaufen. Insbesondere mobile moneys und Blockchain-Verfahren kommen dabei zum Einsatz. Diese gewaltigen neuen Apparate bringen aber auch Veränderungen mit sich. Neben der proprietären Opazität und Vorurteilsgeladenheit vieler Algorithmen, neben neuen Exklusionseffekten durch die Digitalität und ihre Scores, sind im Bereich staatlicher Grundversorgung ebenfalls deutliche tektonische Verschiebungen zu vermelden.Footnote 4 An die Stelle knapper Lebensmittel treten Conditional Cash Transfers (CCT’s), die mehr als Ernährung in der Not bedeuten. Als Gegenzug für die Unterhaltsleistungen werden Bedingungen gestellt, die von der Steuerung des Umgangs mit Kindern bis hin zu Computerkursen reichen können. Diese Bereiche des Privaten, die durch Arbeit und Lohn bisher nicht steuerbar und beeinflussbar waren, können durch CCT’s ebenso erzwungen werden wie klassische Arbeiten im Bereich etwa des Straßen- oder Brunnenbaus. Diese Verwaltungsgelder im Format der vgl. CCT’s sind ganz im Sinne der Behavioral Economics austestbar und gestaltbar. Ihre ausgewiesenen Handlungsvorschläge kommen im UNHCR und der Mehrheit der eingerichteten Sozialsysteme des Globalen Südens bereits zum Einsatz.Footnote 5

Dabei wären es diese Agenturen des vermeintlichen Wohlfahrtsstaates, denen der meiste Kredit in der Geschichte der Apparatekritik zugetraut wurde, seit die anarchistische Theorie in den Rettungsgesellschaften, den Hilfsorganisationen, freiwilligen Feuerwehren und Assoziationen zur Bewältigung des Überlebens einen brauchbaren Kern der lästigen Verwaltung ausgemacht hatte.Footnote 6 So ist es womöglich kein Zufall, dass eine der innovativsten Reflexionen des Apparatebegriffes – diejenige Félix Guattaris – auf Erfahrungen in einer Heilanstalt rekurriert. Durch die Rasterung alltäglicher Verwaltung können sich Subjekte in kollektiven Plänen neu zu einander und zu sich in Beziehung setzen. Viele Ansätze sprechen von den Rändern der Apparate, die sie intersektional benachteiligen. Zu denken wäre an Bini Adamczaks Ansätze relationaler Artenvielheit und revolutionärer Beziehungsweisen oder Stefano Harneys und Fred Motens Kritik an den hoffnungslosen Logistiken und Subjekten des Kapitalismus – denen mit einem Arsenal antikolonialer Kämpfe und des Schwarzen Radikalismus begegnet werden soll.Footnote 7 Auch der Datenfeminismus erinnert sich an die Schwarzen feministischen Stimmen von den Rändern.Footnote 8

Die Kritik an der digitalen und immer öfter algorithmischen oder von künstlicher Intelligenz geprägten Verwaltung profitiert umfänglich von medienarchäologischen Positionen, die sowohl die Verwaltungspraktiken als auch die Datenpraktiken des analogen Zeitalters berücksichtigen. Verwaltung aus der Perspektive ihrer Praktiken und Kulturtechniken könnte mit einer schriftlichen Mitgliedsliste beginnen, wie Jack Goody betont, der jegliche Bürokratie auf der Schrift fußen sieht.Footnote 9 Insbesondere mit der Etablierung der Akte, der Schreib-, Siegel- und Zeichenkulturen, entfaltet die Verwaltung das ihr eigene numerisch-rechtliche Universum. Schon für das europäische Mittelalter werden zwei entscheidende Schritte in Richtung Automation beschrieben – die von Personen abgelöste Autorität und die zeitgleich notwendige Etablierung einer Rechtlichkeit, die quantitativ in Fristen, Mengen und Ziffern gefasst ist. So werden Normen der Verantwortung zuweilen durch solche der Accountability ersetzt und die Investition in Verwaltung oftmals vorschnell mit einer Verrechtlichung gleichgesetzt.Footnote 10

Langeweile und ihre Inversion

Verwaltet werden bedeutet zunehmend das Eingelassensein in Infrastrukturen der Kommunikation und des Transports. Die Einrichtung des öffentlichen Raumes hat die sozialen Bindungen von jeher ergriffen und unauffällig dirigiert.Footnote 11 In dem Grad, wie der öffentliche Raum an digitale Architekturen angeschlossen wird, entsteht eine zunehmende aber zumeist unauffällige Immersion in digitale Verwaltungszweige. Für diese Ebene von Bürokratie galt eine scheinbar unauflösbare Assoziation mit Langeweile und nichtssagenden Prozessen, seit dieser Topos des Bürokratischen von Seiten der Wirtschaftsliberalen lanciert worden war.Footnote 12 Erst die jüngeren ungeahnten Krisen haben jedoch diese Verwaltungsdimension auf völlig neue Art freigestellt und sichtbar gemacht.

Für eine Ethnographie der Infrastruktur, die sich im Anschluss an die Arbeiten Susan Leigh Stars und Geoffrey Bowkers ausgebildet hat, wurde Infrastruktur in der Regel als das »bis zur Langeweile Gewöhnliche« betrachtet. »It needs some digging to unearth the dramas«,Footnote 13 heißt es gleich zu Beginn von Stars Einführung in dieses Forschungsprogramm. Die fundamentale Unverfügbarkeit und prinzipielle Gewöhnlichkeit lebensweltlicher Grundlagen markierte hier den Ausgangspunkt für einen entscheidenden Perspektivwechsel. Eine solche erhöhte Aufmerksamkeit für unauffällige Umgebungen ist das, was Bowker »infrastrukturelle Inversion«Footnote 14 genannt hatte. Infrastruktur hieß in diesem Sinne das Selbstverständliche, das Unhinterfragte, das stumm Funktionierende. Spätestens seit Beginn der Covid-19-Pandemie lässt sich eine Veränderung in der Wahrnehmung infrastruktureller Gegebenheiten beobachten. Fragen infrastruktureller Einrichtung drängen sich mit einer neuen Dynamik auf, das vormals Unsichtbare scheint widerspenstig und aufmüpfig geworden zu sein. Nicht allein, weil neue Infrastrukturen geschaffen wurden wie Test- und Impfzentren, sondern besonders auch weil vormals verhältnismäßig reibungslos – ›langweilig‹ – ablaufende Prozesse plötzlich gestört erscheinen.

Das betrifft einerseits die Sphäre der alltäglichen Ökonomien der Versorgung, die gerade zu Beginn der Krise zu einem (individuell wie strukturell) zu regelnden Problem wurden, in der völlig neue Wege durch die Infrastruktur gefunden und im Sinne der Kontakt- und Risikovermeidung eingerichtet werden mussten; andererseits lässt sich aber auch auf den Ebenen globaler Vernetzung beobachten, wie deren Strukturen aus der Unsichtbarkeit hervortreten. Nicht nur die durch (temporäre) Schließung von Landesgrenzen verdeutlichte Bedrohung der Freizügigkeit, auch mit der Logistik haperte es merklich. Gravierende Lieferengpässe von Warenströmen durch die Verkettung von nicht mehr aufeinander abgestimmten Prozessen wurden sichtbar, und eklatante Produktionsausfälle wie beispielsweise in der Halbleiterindustrie haben Probleme in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerückt, die vor Kurzem noch als gelöst imaginiert werden konnten und daher auch als funktionierende Prozesse unterhalb der Wahrnehmungsschwelle lagen. Die kriegs- und pandemiebedingte Krise der vormals wie ein Uhrwerk laufenden, weltweiten Warenadministration ist gleichzeitig ein komplementäres Symptom einer infrastrukturellen Verunsicherung, für die sich Vorläufer finden lassen, beispielsweise als die globalen Phänomene der Flucht 2014 in Europa sichtbar wurden und in der internationalen Finanzkrise 2008. Betrachtet man die Beschreibung dieser Phänomene zusammen, kommt man um den Eindruck nicht herum, Infrastrukturen hätten sich auf gewisse Weise selbst invertiert. Den Problemen, die sie hervorbringen, lässt sich zunehmend seltener entkommen.

Fraglos ist es so – und darauf weist Stars methodisches Instrumentarium hin –, dass die Unsichtbarkeit von Infrastruktur bestenfalls ein Ideal und immer eine Frage der Perspektive war: Für wen, zu welcher Zeit, zu welchen Kosten kann Infrastruktur als gewöhnlich und langweilig erlebt werden? Sicherlich nicht dort, wo sie sich als Baustelle, als Hindernis, als Umweltkatastrophe, als Gesundheitsrisiko oder politischer Konflikt ereignet.Footnote 15 Objekte, Strukturen, Ensembles sind »only solid, when seen from a distance«, heißt es in diesem Sinne auch bei Lauren Berlant.Footnote 16 Dennoch lässt sich anhand der gegenwärtig konstatierten infrastrukturellen Unruhe nachzeichnen, welche Leistung Infrastruktur im operationalen Regelfall vollbringt. Sie funktioniert als stabilisierte Problemlösung, sie antwortet auf eine Regelungsnotwendigkeit, die als Bedarf, also Problem nicht einmal mehr zum Vorschein kommt. Das Sichtbar- und Problematischwerden von Infrastrukturen sollte also als ein Hinweis verstanden werden auf den Regelungsbedarf, der einer globalisierten Gesellschaft zukommt und der allem Anschein nach und mindestens in der aktuellen Situation nicht adäquat beantwortet wird – und gerade deshalb zu erheblichen organisatorischen Aufwänden, sozialen Erregungen und damit in Verbindung stehenden Gegenbewegungen führt.

Von der Problematik der Infrastrukturen führt der Blick so zwangsläufig zu Fragen von Zuständigkeit und Verantwortung: Welche Stellen, welche Institutionen, welche Verfahren adressieren den Regelungsbedarf der Gesellschaft und wer lässt sich verantwortlich machen für das momentane Ungenügen der bis vor Kurzem noch adäquat erscheinenden Lösungen? An diesem Punkt erscheint uns das Studium dessen notwendig, was wir ganz allgemein als Apparate bezeichnen. Es geht im Folgenden unter diesem Begriff um Verwaltungen, Administrationen, Institutionen und ihre materiell-medialen Komplemente, die im allgemeinsten Sinne mit der Aufgabe betraut sind, kollektive Regelungsbedarfe in möglichst störungsfreie Routinen zu verwandeln und zu diesem Zweck soziale Erwartbarkeit produzieren. Wir betrachten dabei die geschilderten infrastrukturellen Probleme allerdings nicht (in erster Linie) als ein Versagen von Verwaltungsapparaten, denen die Aufgabe zugekommen wäre, diese zu verhindern, sondern als erneuerte Ansprüche an die Regelungskapazitäten und Verfahrensweisen einer verwaltungsmäßigen Ordnung. Eine (auch historisch) geläufige Form der Bürokratiekritik verweist die Verantwortung für Probleme an die entsprechenden Ordnungsinstanzen und kritisiert aus dieser Problematisierung heraus das ganze starre Gebilde und die Struktur von Verwaltung selbst, um unter dem Begriff »Bürokratieabbau«Footnote 17 auf die vermeintliche Vereinfachung und Beschleunigung von Prozessen zu zielen. Im Gegensatz dazu werden wir im Folgenden eine Evaluation dessen vornehmen, was verwaltungsmäßige Ordnungen und Prozesse von anderen Formen der Organisation unterscheidet und welches spezifische Potenzial diesen zukommt.

In einem ersten Schritt gehen wir dabei von der Kritik der Verwaltung aus, die ihre Charakteristika im Modus der Beschwerde benennt. Dies gilt bereits in der Frühzeit jener Verwaltung, die für den deutschen Sprachraum als paradigmatisch gelten muss – der preußischen. In einem berühmten Brief von Minister von Stein an den Freiherrn von Gagern äußert sich die Kritik am Prinzip von Verwaltung überhaupt:

»[E]igenthumslos, also alle Bewegungen des Eigenthums treffen sie [die Bürokraten] nicht; es regne oder scheine die Sonne, die Abgaben steigen oder fallen, man zerstöre alte hergebrachte Rechte, oder lasse sie bestehen, man theoretisire alle Bauern zu Tagelöhnern […], alles das kümmert sie nicht. Sie erheben ihren Gehalt aus der Staatskasse und schreiben, schreiben, schreiben im stillen, mit wohlverschlossenen Thüren versehenen Bureau, unbekannt, unbemerkt, ungerühmt, und ziehen ihre Kinder wieder zu gleich brauchbaren Schreibmaschinen an.«Footnote 18

Die Schreib- oder Regierungsmaschinen, von denen hier gesprochen wird, sind nicht die Mitglieder der Verwaltung oder deren Familien, die Verwaltung selbst verstehen wir als diese Daten erhebende und prozessierende Maschine. Von nichts lässt sie sich aus dem Takt bringen. Finanzielle Sorgen und individuelles wirtschaftliches Kalkül werden ausgesetzt, alles ist ihr immer schon bekannt. Probleme übersetzt sie in Formen, die sie auffindbar, vergleichbar und entscheidbar, also verwaltet macht. Dabei gibt es keine Ausnahmen. Vielmehr produziert sie durch ihre Verfahren Verwaltungsmäßigkeit: eine Ordnung der Realität, die keine Unvorhersehbarkeiten kennt, die langfristig und populationsmäßig ausgerichtet ist, und damit Erwartbarkeit organisiert und gewährleistet. Diese Ordnung ist zwangsläufig an Regeln gebunden. Sie ist aber auch, Stein benennt es polemisch, interesselos, also unpersönlich und überpersönlich, sowohl was ihre Gegenstände als auch was ihre Verfahren und Mitglieder anbelangt.

Steins Kritik an dieser Maschine ist unmittelbar nachvollziehbar, aber sie ist dies auch, weil sie nie aufgehört hat, auf ähnliche Art und Weise vorgetragen zu werden. Wenn von Verwaltung die Rede ist, wird von Unflexibilität in Bezug auf das Individuelle gesprochen, von Ineffizienz und vom mangelnden Enthusiasmus der von ihr Beschäftigten. Problematisch ist dieser Blick auf die Verwaltung dabei aus zwei Gründen. Zum einen, weil er die Verwaltung anhand von Maßstäben bewertet, die aus (vielleicht nicht nur schlechten) Gründen gerade nicht die Maßstäbe der Verwaltung selbst sind. Aus Steins Äußerungen spricht eine vielleicht unternehmerische, in jedem Fall ökonomische Betrachtungsweise, die der Verwaltung über weite Strecken ihrer Existenz fremd war, oft genug immer noch ist. Darunter leidet der Blick für die mögliche Leistungsfähigkeit einer der Verwaltung eigenen Rationalität. Zum anderen stehen die immer wieder erneuerten Varianten Stein’scher Bürokratiekritik auch einer Kritik der Verwaltung im Wege, die diese an ihren eigenen Prinzipien misst, um ihre je konkreten Mängel und Probleme präziser identifizieren zu können.Footnote 19 Gehen wir von einem unverändert hohen Regelungsbedarf der modernen Gesellschaft bei einem gleichzeitigen Ungenügen gegenwärtiger Problemlösungsformate aus, ist ein Blick auf die Spezifik und Potenziale von Verwaltungsapparaten unerlässlich.

Apparate und Fälle: Zu den Beiträgen

Das Ziel des vorliegenden Bandes ist es daher, ausgehend vom Begriff und Konzept des Apparats die Strukturen und Logiken formal stabilisierter Problemlösungen zu erforschen, wie sie sich paradigmatisch in der Verwaltung finden. Dabei sollen die Techniken, Strategien und Medien in den Blick kommen, die es der Verwaltung erlauben, auf Regelungsbedarfe zu reagieren, gleichzeitig soll in der Auseinandersetzung mit spezifischen Fällen die Bandbreite der Problemstellungen kartiert werden, auf die eine verwaltungsmäßige Antwort adäquat und produktiv ist. Zu hinterfragen wäre jeweils, welcher Grad an Automatisierung oder digitalisierter Automatisierung in die rechtlich gebundenen Verfahren eingebracht werden kann, ohne dass sie sich in ihr Gegenteil einer maschinellen Usurpation, Dysfunktionalität und Verweigerung von Grundrechten verkehren. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, die Topoi der Bürokratiekritik ernst zu nehmen, ohne ihren liberalen Reflexen blindlings zu folgen.Footnote 20 Erst da, wo Papier oder Speicherbaum prozesshaft die Selbstorganisation von Gesellschaft stützen, kann ein erster Blick auf spezifische Risiken, aber auch spezifische Leistungen und die vitale Notwendigkeit von Verwaltung gewonnen werden. Es steht zu vermuten, dass gerade die Eigenschaften, die von einer Kritik der Verwaltung als deren Defizite benannt werden, ihre eigentlichen Potenziale ausmachen. So produzieren beispielsweise die Rigidität von Verwaltungsstrukturen Erwartbarkeit, ihre Formalisierungen Transparenz und ihre Langsamkeit Chancen zur Revision und Korrektur, zum Aufarbeiten und Verstehen. Unzweifelhaft ist, dass diese Ideale verwaltungsmäßiger Praxis im Konkreten oft genug verfehlt werden und individuelle Alltagserfahrungen Zweifel an diesem Ideal wachsen lassen; doch gerade deswegen scheint uns die Betrachtung dieser konkreten Praxis eine produktivere Verwaltungskritik zu ermöglichen als die generalisierte Ablehnung ihrer Form.

Verwaltungshandeln ist an einer Vielzahl von Orten zu finden, schon bei Weber war auch die Administration eine Bürokratie, nicht nur in staatlichen Institutionen. In diesem Sinne sind womöglich nicht alle Apparate Staatsapparate, insbesondere wenn die älteste Domäne staatlichen Wissens, die statistische Datensammlung, nun in die Hände privater Datenkonzerne übergeht.Footnote 21 Den Blick auf diese Weise zu erweitern, heißt dann nach den Potenzialen von Verwaltungspraktiken zu fragen, die über die Durchsetzung einer zentralisierten Staatsmacht hinausgehen und Formen der regelbezogenen Entscheidungsfindung als Praktiken des Abwägens thematisieren. Dies bedeutet gleichzeitig auch, dass wir Verwaltung nicht als eine Menge von Behörden bzw. Büros verstehen, sondern als eine Form des Handelns, das sich mittels bestimmter regulativer Prinzipien – Formalisierung, Problembezug, Dokumentation – organisiert. Es wären dann auch eben diese Prinzipien, die eine Unterscheidung von Verwaltungshandeln von anderen Formen von Entscheidungs-, Handlungs- oder politischer Rationalität unterscheidet, insbesondere einer neoliberalen Logik der effizienzgetriebenen Wirtschaftlichkeit.

Schließlich zeigt sich in den vorliegenden Beiträgen auch, dass die abstrakten Prinzipien dieser Praxisform konkret verknüpft sind mit materiellen und medialen Artefakten und Ensembles. Verwaltungshandeln übersetzt sich in materielle Spuren, gleichzeitig bestimmen diese mit über die Formierung von Verwaltungspraktiken. Aus einer solchen Perspektive stellt sich auch die Frage nach den Konsequenzen medialen Wandels für Formen der Verwaltung, deren Möglichkeiten sich über Jahrhunderte an den technischen Möglichkeiten des paperworkFootnote 22 – des Umgangs mit und der Arbeit an Papier – bestimmten und von dessen Beschränkungen mitgeprägt wurden. Sollte tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt ein Abbau von Verwaltung zu beobachten sein, dann möglicherweise nicht als Konsequenz aus deren Kritik und vielleicht auch nicht, weil sich andere Rationalitäten als attraktiver erwiesen haben, sondern weil andere Medien andere Problembearbeitungen erlauben, fordern und gestalten. Möchte man vor diesem Hintergrund auf die Ideale und Prinzipien einer ›apparativen Vernunft‹ nicht verzichten, muss diese in veränderte mediale Umwelten übersetzt werden,Footnote 23 um auch dort zu funktionieren.

Die Beiträge des vorliegenden Bandes versuchen vor diesem Hintergrund eine Evaluation des gegenwärtigen Stands der Apparate der Verwaltung mit unterschiedlichen Fokussierungen. Einerseits gilt es zu klären, was das begrifflich-theoretische Potenzial der Rede vom Apparat und Apparativen ist und wie dieses zu einer Forschungsperspektive zu entwickeln sein könnte. In einer Reihe von Fallstudien soll wiederum die Realität und konkrete Praxis verwaltungsmäßiger Ordnungen zur Darstellung kommen, wobei sich ein Teil dieser Studien verstärkt auf die medialen Bedingungen apparativer Einrichtung fokussiert, während andere stärker dessen Praktiken in den Blick nehmen. Schließlich beschäftigt sich eine letzte Gruppe von Texten mit den Topoi der Bürokratiekritik und versucht, dieser alternative Argumentationen entgegenzustellen.

Analysen: Algorithmen und Verwaltung

Thomas Scheffer nimmt mit seinem Text Apparate und Apparaturen: Für eine soziologische Kasuistik de/stabilisierter Problemarbeiten eine Revision der politischen Konzeptgeschichte des »Apparates« vor. Ausgehend von den klassischen Kritiken des Staatsapparates durch Marx, Weber und Althusser und in Anlehnung an Foucaults Dispositiv-Begriff charakterisiert er Apparate als immer auch materiell vorliegende Versuche eines stabilisierten Umgangs mit zuvor identifizierten Problemen. Konkretisiert wird dies durch drei paradigmatische Fälle: das Schiff, das Labor und die Plantage/der Wald. In diesen Organisationsanlässen wird auch die Möglichkeit einer positiven Bestimmung apparativer Kapazitäten sichtbar, wie sie auch in pluralen Apparatebegriffen angelegt ist – etwa bei Barad. Durch welchen Zugriff lassen sich gesellschaftliche Problemlösungsmittel identifizieren, wie kann man sie verteilen und anordnen, um sie weder ihrer Eigenlogik noch gesellschaftlichen Überdeterminationen zu überlassen? Wie kann man organisatorische Ressourcen für unvorhergesehene Probleme mobilisierbar halten?

Mit Papiertechnologien und Formularen als mediale Formen der Problemlösung beschäftigt sich der Beitrag »Please sign here« von Astrid Wiedmann. Als eine Techniken des Zugriffs, wie sie zum Grundrepertoire der Verwaltung gehören, untersucht der Text das Enstehen bürokratischer Ordnung am Material eigener Feldforschungen zu einer NGO in Uganda. Mithilfe von Bruno Latours Kategorie der immutable mobiles und Susan Leigh Stars Weiterentwicklung der boundary objects beschreibt sie Teilnehmer*innen-Listen von Workshops als Kooperationszusammenhänge zwischen den an unterschiedlichen Stellen und Orten beteiligten Personen und Gruppen und stellt sie damit als integrierende Funktion für Handlung und Repräsentation der entstehenden NGO dar.

Christoph Engemann untersucht in Papier und Automatisierung in Speyer Auftakt und Herzstück der westdeutschen Automationstheorie in der öffentlichen Verwaltung. Die Speyerer Schule der Verwaltungsinformatik (Heinrich Reinermann, Jörn von Lucke) setzt in den frühen 1960er Jahren ein, nachdem IBM-Großrechner bei der Rentenreform ihre Durchschlagskraft gänzlich numerischer Verwaltung gezeigt hatten. Im Blickpunkt stehen dabei Regeln und Akten, immer wieder aber auch Fragen der Numeralisierbarkeit und Übersetzbarkeit einer Logik des Rechts, bis hin zu Versuchen einer Rechtskybernetik. Überraschenderweise aber bleibt diese Technik im Hintergrund, die Verwaltung tritt den Bürgern als Papier und Formular entgegen. Dem E-Government zum Trotz verbürgt das Medium Papier durchaus Beständigkeit und Transparenz, wobei sich in der BRD die Persistenz des Papiers und die Unausweichlichkeit des persönlichen Behördenbesuchs noch lange bis in die Pandemie von 2020 erhalten hat.

Die schwierige Allianz von Recht und Rechnerleistungen wird nicht in der Verwaltungsinformatik, sondern vor Gericht besonders evident. Mit ihrem Text Fälle digitaler Rechtsfindung thematisiert Manuela Klaut das Feld des Legal Tech. Ein Grundkonflikt besteht in der Übersetzbarkeit von Recht in Maschinensprache bzw. zunächst einer ausreichenden Standardisierung und Normierung von Rechtspraktiken, die eine Wiedererkennbarkeit erzeugen würden. Dies ist das zu lösende Kernproblem einer algorithmisierten Verwaltung im Bereich der Rechtsprechung. Die rechtswissenschaftlichen Merkmale Kasuem und Enthymen, die beide wesentliche Einzelsituationen in der Behandlung, Verwaltung und Beurteilung von Rechtsfällen thematisieren, sind dabei auch medienwissenschaftlich von hohem Interesse.

Aus der Perspektive der betroffenen Subjekte verändern sich die Apparate, ob digital oder analog betrieben. Eine der wichtigsten emanzipativen Lesarten der Verwaltung entsteht dabei im Kontext psychologischer Heilungsexperimente. Das Raster (la grille), um das es in Jakob Grüners Text »Cadrer le dérèglement« geht, nimmt es mit der institutionellen Praxis vom Standpunkt der subjektphilosophischen Theorie auf. In der Auseinandersetzung mit den Arbeiten Félix Guattaris bringt der Beitrag dessen theoretische Überlegungen zur Formierung von Subjektivität zusammen mit der logistischen Verwaltung der Klinik La Borde im Loiretal, an der Guattari entscheidende Organisationspraktiken der institutionellen Kritik entwickelte. Es geht um nichts weniger als die Möglichkeit einer Selbstschreibung durch Verwaltungsraster, Zeitphrasierungen und Teilungsmodelle. Nicht zuletzt sind es in dieser Klinik Pläne auf Papier, die medialer Ausdruck dieser Neuassoziation mit sich und den anderen sind. Das Raster setzt in der quantifizierten, in Einheiten übersetzten, veränderlich-stabilen Aufteilung der Aufgaben innerhalb der Klinik die Ärzt*innen, Patient*innen und Mitarbeiter*innen in neue Verhältnisse.

Nicht nur die Psyche der Subjekte, auch ihre Körper sind der Verwaltung ausgesetzt. Totalitäre Institutionen machen dabei von sehr konkreten Möglichkeiten der Disziplinierung der Körper und Subjekte Gebrauch, bis hin zur paradoxen Form des Erzwingens von Leben. Heidrun Mühlbradts Beitrag The Forcible Feeding of the English Suffragettes in Irish Prison setzt mit den Reaktionen der Verwaltung auf die Hungerstreiks englischer Suffragetten ein, die Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Herausforderung für die Verwaltung der Gefängnisse darstellten. Dabei zeichnet sie entlang der historischen Dokumente insbesondere nach, wie die Frage der Verantwortung für die Zwangsernährung zwischen medizinischen Experten, Gefängnisverwaltung und aktivistischen Publikationsorganen in Zirkulation geriet. Weibliche Häftlinge und männlich konnotierte Administration kollidierten in diesen Szenen, die wie geschaffen waren, um Fragen der Mündigkeit und Verantwortlichkeit ad absurdum zu führen – was in einem kollektiven Entscheidungsprozess der Beteiligten zunehmend zum Verschwinden gebracht werden sollte.

Auch Pujan Karambeigis Beitrag geht dem Verwaltungseinfluss auf Körper und ihre Umgebungen nach. Besonders eklatant zeigen sich diese Formen des Zugriffs in Fällen von atypischer Verkörperung, wobei das Spannungsfeld des Baurechts bzw. der Design-Theorie jeweils von juridischer wie aktivistischer Seite beleuchtet wird. Am Beispiel der Entwicklung von Regularien zu barrierefreier Architektur verfolgt er dazu in Bottom-Up Abandonment die wissentliche Exklusion durch die im Baurecht impliziten Standards und Normen in den USA. Nachgezeichnet wird zudem der mühsame Prozess, der von einer zentralisiert-administrativen Regulierung über den Einspruch und die errungene Partizipation von Aktivist*innen zu einem neuen Design-Paradigma führte. Neues Ziel der Einrichtung des öffentlichen Raums ist nun die individuelle Adaptivität. Deutlich wird dabei, dass diese Form individualisierter Problemlösung erneute Ausschlüsse produziert für diejenigen, deren Bedürfnisse sich den entsprechenden modularen Vorgaben nicht fügen oder die sich derartige Standards nicht leisten können.

Essays: Regierungsmaschinen

Henning Trüper widmet sich ebenfalls emergenten Organisationen, die sich um die sozialen Kernaufgaben der Rettung, Fürsorge oder Heilung herum herauskristallisieren. Sein Essay Seenotrettung und Sitzungsprotokoll widmet sich Vereinsbüchern aus der Gründungsphase niederländischer Rettungsgesellschaften. Es wird aufgezeigt, wie sich moralische Normen Zug um Zug in Verwaltungshandeln verstetigen. Der Beitrag bewegt sich damit auf klassischem Terrain anarchistischer Organisationstheorie. Auf der Suche nach leichtestmöglicher Vergesellschaftung wird im Vergleich zweier unterschiedlicher Vereine dennoch die Rolle der Formalia herausgearbeitet, die diesen Vorhaben ihre Stetigkeit verliehen.

Unter dem Titel Des Kaisers neue Kleider fragt Till Jansen nach der prinzipiellen Möglichkeit der ›rationalen‹ Verwaltung psychischer Krankheiten, die für den institutionalisiert-medizinischen Blick irrationales Verhalten hervorbringen. Obwohl die Anarchie am Boden psychiatrischer Nosologie lauert, zeigt dieser Beitrag die Taktiken und Strategien, die die Klinik als Organisation zu diesem Zweck entwickelt hat. Anders als in den progressiven Rastern bei Guattari steht im medizinischen Alltag die Prosa der Abrechnung im Vordergrund, die zugleich die glanzvolle Fähigkeit der Verwaltung zeigt, tendenziell alles verwaltbar erscheinen zu lassen.

Der Topos von der unmerklichen, infrastrukturellen Präsenz der Verwaltung setzt ungünstige Vorzeichen für die filmische Darstellbarkeit bürokratischer Praktiken. Allerdings zeigt Burkhardt Wolf in seinem Text Von der Akte zum Acting zahlreiche mediale Repräsentationen unterschiedlicher Verwaltungsformen auf. Trotz der Ausgangsvermutung, dass die immergleichen Regeln wenig filmische Spannungsbögen zulassen, zeigen sich intensive Auseinandersetzungen in polemischen, satirischen und dystopischen Genres – etwa »Die zwölf Arbeiten des Asterix«, »Brazil«, »Work Hard, Play Hard« oder »Mad Men«. Deutlich zeichnen sich nicht nur unterschiedliche Managementstile ab, sondern die Werbestrategien von Herstellern, etwa IBMs Clip »Paperwork Explosion« von 1967. Der Zankapfel der Entscheidung gehört in diesen Darstellungen durchaus nicht den Maschinen, sondern bleibt human. Allerdings um den Preis einer »privatisierten Entbürokratisierungsbürokratie«.

Wie eine solche Selbstoptimierung auf nachdrücklichen Vorschlag der maschinischen Umgebung aussehen könnte, hat Kai van Eikels beobachtet. In seinem Beitrag Mich. Nonkonform. Heiß. Geschlecht aus dem Apparat fragt er, in welchem Verhältnis gewünschtes Geschlecht auf der einen Seite und technische Rubrizierung von Geschlechtern auf der anderen Seite stehen. Dabei muss konstatiert werden, dass die Software-Menüs der Selbstidentifikation ein ebenso müder wie banaler Anschlag auf die Binarität sind. Ein Bollwerk der Normalität, das in analogen Zeiten noch artikulierte und gezielte Formen des Widerstands ausgelöst hatte, die überaus folgenreich und kostspielig sein konnten. In der Umarmung technischer Apparate hingegen macht van Eikels ein unangenehmes, aber nicht abstreitbares Potenzial aus. Es geht um die revolutionäre Latenz heutiger Dropdown-Menüs der personalisierten Sexverwaltung mit ihren gern über 50 Varietäten, die oftmals sehr beiläufig bedient werden und eigenartig laue Wunschmaschinen darstellen.

Mit Administering Emancipation werfen Lara Scherrieble und Lukas Stolz einen Blick zurück auf wichtige Positionen feministischer Verwaltungskritik, die die Dialektik aktivistischer Organisationsformen beleuchten. Während Jo Freeman die informellen Strukturen innerhalb eines aktivistischen Kontextes als wenig geschlechtergerecht kritisierte (»Tyranny of Structurelessness«), antwortete Cathy Levine auf diese Kritik mit der schlagkräftigen Beschreibung formalisierter Organisation als einer »Tyranny of Tyranny«. Es bleibt zu fragen, ob sich mit Bini Adamczaks umsichtiger Geschichte des revolutionären ›Katers‹ eine Lösung abzeichnet, die zwischen informeller und formeller Tyrannei zu vermitteln vermöchte. Trotz aller verlorenen Kämpfe kann das Begehren einer gesellschaftlichen, emanzipativen und freien Assoziation nicht einfach ad acta gelegt werden. Der Vorschlag lautet, die Relationalität als »Beziehungsweisen« zum Projekt zu machen.

In seinem Text Sich selbst beleihen macht Caspar-Fridolin Lorenz das akademische Verwaltungshandeln anhand einer Politik des Antrags zum Gegenstand. Das Zusammenspiel antragstellender Wissenschaftler*innen und ausschreibender Institutionen lenkt damit umfänglich die intellektuelle Arbeit. Ausgehend von den Textstrategien der »Antragsprosa« verfolgt Lorenz dabei die These, dass sich neben den bekannten, Wissenschaft einschränkenden Folgen der Drittmittelförderung auch kooperative Elemente finden lassen, die co-produktive Entwicklungen und in dieser Weise wissenschaftliche Arbeit sind.

Auf die Rolle einzelner Worte innerhalb des Verwaltungshandelns konzentriert sich Tilman Richters Beitrag »Auch solle niemand nichts unterschreiben, so er nicht zuvor ganz gelesen hat«. Wie in Stefan Nellens und Bruno Latours Ethnographie des Rechtsapparats wird durch die Geschichte der Unterschrift der Akzent auf das in digitalen Zeiten immer fragwürdigere Element der persönlichen Entscheidung gelegt. Dieses Repertoire der Bezeugung umfasst insbesondere das Moment des Zögerns wie die Möglichkeit der Revision von Entscheidungen. Anhand der Vorgaben zur Formalisierung von administrativen Angelegenheiten (insbesondere der Signatur) in frühneuzeitlichen Verwaltungshandbüchern sowie bei Niklas Luhmann fragt der Beitrag danach, inwieweit es sich bei diesem Zögern um einen Effekt der Medien der Verwaltung handelt.

In seinem Katalog Verwaltungsreform? fordert Birger P. Priddat 49 Reflexionen über die organisationstheoretischen Möglichkeiten von Verwaltung und ihrer Reform ein. Zugleich blickt er auf dabei entstehende Programme und Techniken – Karrieren in Ämterbürokratien, Outsourcing, Auditing –, die als Konsequenz vorherrschender Logiken mitentstehen.

Angesichts der dystopischen technischen Möglichkeiten digitaler Verwaltung, angesichts der verwirrenden Amalgamierung der vermeintlichen Gegensätze von Bürokratie und Wirtschaft bzw. Planung und Markt geht es einmal mehr um die Frage, ob sich ein positiver Verwaltungsbegriff gewinnen lässt, der das, was mit Thevenot noch immer als »investment in form« beschrieben werden könnte, also die entstehende Sozialität, gerade in Zeiten zunehmender Knappheiten und Krisen neu zur Debatte stellen müsste.

Die Texte in der Rubrik »Analysen« haben ein wissenschaftliches Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Bei den »Essays« des zweiten Teiles wurde zu offeneren Textformaten aufgerufen.