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Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft – Der Mensch, das Ideal bildende Tier

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Der Mensch spiegelt sich im Blick der Tiere

Part of the book series: Exil-Kulturen ((EK,volume 9))

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Zusammenfassung

Arendt veröffentlichte 1951 im New Yorker Exil zunächst auf Englisch, 1955 umgearbeitet auf Deutsch, die Schrift Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, die aus den drei im Untertitel genannten, selbständigen Bänden besteht. In dieser umfassenden Studie versucht Arendt angesichts der Shoah, die sie als Geschichts- und Traditionsbruch wertet, die historischen Bedingungen und Voraussetzungen für die Entstehung des rassistischen Antisemitismus und der totalitären Herrschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herauszuarbeiten.

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Notes

  1. 1.

    In Arendts Denktagebuch finden sich mehrere Einträge zum Stichwort „Traditionsbruch“. Dort heißt es u. a.: „Eigentlich, d. h. in diesem Fall römisch gedacht, der Bruch in der Nachfolge, ‚successio‘, der Generationen, die voneinander das Überlieferte empfingen und es weitergaben und sich so gleichsam durch die Jahrtausende, in chronologischer Reihenfolge, an der Hand hielten. Der Bruch war vorgezeichnet im Generationsbruch nach dem Ersten Weltkrieg, aber nicht vollzogen, insofern das Bewusstsein des Bruches noch das Gedächtnis an Tradition voraussetzte und den Bruch prinzipiell reparabel machte. Der Bruch erfolgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als er als Bruch gar nicht mehr notiert wurde.“ (Hannah Arendt: Denktagebuch 1950–1973. Hg. v. Ursula Ludz u. Ingeborg Nordmann, Bd. 1, München 2002, S. 300). Ausführlicher zu Arendts These des Traditionsbruchs vgl. Maike Weißpflug: Hannah Arendt. Die Kunst, politisch zu denken. Berlin 2019, S. 25–37.

  2. 2.

    Arendt notiert in ihrem Denktagebuch, bezogen auf den englischen Titel The Origins of Totalitarianism: „Alle Kausalitäten vergessen. An ihre Stelle: Analyse der Elemente des Ereignisses. Zentral ist das Ereignis, in dem sich die Elemente jäh kristallisiert haben. Titel meines Buches grundfalsch; hätte heissen müssen: The Elements of Totalitarianism“ (Arendt: Denktagebuch, S. 96).

  3. 3.

    Vgl. Miriam Rürup: Staatenlosigkeit als Entmenschlichung. Hannah Arendt: The Origins of Totalitarianism (1951). In: Uffa Jensen, Habbo Knoch, Daniel Morat, Miriam Rürup (Hgg.): Gewalt und Gesellschaft. Klassiker modernen Denkens neu gelesen. Göttingen 2011, S. 226–237, hier S. 227–228. Arendts Deutungsmuster sind vielfach autobiographisch, mit der Krise der Moderne und „dem tiefen Schock über das Gewahrwerden eines Traditionsbruchs in der realen Welt, der in extremo von den Vernichtungslagern und dem Gulag repräsentiert wurde“, erklärt worden (Antonia Grunenberg: Hannah Arendt, Martin Heidegger und Karl Jaspers. Denken im Schatten des Traditionsbruchs. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 16 (2007), S. 101–122, hier S. 111).

  4. 4.

    Hannah Arendt: Wir Flüchtlinge [1943]. Mit einem Essay von Thomas Meyer. Übers. v. Eike Geisel. Stuttgart 2016.

  5. 5.

    Ausführlicher zu Arendts Biographie vgl. Elisabeth Young-Bruehl: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit. Frankfurt a. M. 2004. Arendt erschien eine Rückkehr nach Deutschland unmöglich. Mit dem Wissen um das Ausmaß der Verbrechen in NS-Deutschland notierte sie 1948 zu ihrer ersten deutschsprachigen Veröffentlichung nach Kriegsende: „Angesichts dessen, was geschehen ist, zählt die Verführung, seine eigene Sprache wieder schreiben zu dürfen, wahrhaftig nicht, obwohl dies die einzige Heimkehr aus dem Exil ist, die man nie ganz aus den Träumen verbannen kann. Aber wir Juden sind nicht oder nicht mehr Exilanten und haben zu solchen Träumen schwerlich ein Recht.“ (Hannah Arendt: Zueignung an Karl Jaspers [1947]. In: Dies.: Die verborgene Tradition. Acht Essays. Frankfurt a. M. 1976, S. 7–11, hier S. 7). Die Problematisierung des Exil-Begriffs wurzelt in der ihm aus Arendts Sicht eingeschriebenen Ausrichtung auf eine Rückkehr, deren Möglichkeit ihr in Anbetracht der Shoah verstellt schien. Selbst eine „Heimkehr“ in die (durch das NS-Regime kompromittierte und instrumentalisierte) deutsche Sprache sieht sie skeptisch, wenn diese dennoch ein Traum bleibt. Für eine ausführlichere Auseinandersetzung mit Arendts ambivalentem Verhältnis zur deutschen Sprache vgl. Arendt: Wir Flüchtlinge; Stephan Braese: Hannah Arendt und die deutsche Sprache. In: Ulrich Baer, Amir Eshel (Hgg.): Hannah Arendt zwischen den Disziplinen. Göttingen 2014, S. 29–43.

  6. 6.

    In Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft unterscheidet Arendt nicht explizit zwischen Imperialismus und Kolonialismus. Gleiches gilt für ein Gros der sich auf ihren Text beziehenden Forschungsliteratur. Dieser sprachlichen Konvention wird sich in dieser Arbeit angeschlossen, um Verwirrung zu vermeiden.

  7. 7.

    Anne Norton: Heart of Darkness. Africa and African-Americans in the Writings of Hannah Arendt. In: Bonnie Honig (Hg.): Feminist Interpretations of Hannah Arendt. University Park (PA, USA) 1995, S. 247–262, hier S. 253. In eine ähnliche Richtung zielt u. a. Liliane Weissberg, wenn sie bemängelt: „Jede Kritik des Rassismus, die Arendt in dem ersten Teil der Elemente und Ursprünge hinsichtlich der Juden geübt hat, erscheint nun, hinsichtlich ihrer eigenen Beschreibung der schwarzen Bevölkerung seltsam hohl.“ (Liliane Weissberg: Hannah Arendt entdeckt Afrika. In: Barbara Thums, Volker Mergenthaler, Nicola Kaminski, Doerte Bischoff (Hgg.): Herkünfte historisch, ästhetisch, kulturell. Heidelberg 2004, S. 205–222, hier S. 221). Auch Hund erkennt in Arendts Ausführungen ein rassistisches Konzept (vgl. Hund: Rassismus, S. 112). Und Kathryn T. Gines proklamiert mit Bezug auf Arendts Conrad-Lektüre: „The fact that Arendt accepts and embraces this racist image of Africa undermines her efforts to position herself against racism“ (Kathryn T. Gines: Race Thinking and Racism in Hannah Arendt’s The Origins of Totalitarianism. In: Richard H. King, Dan Stone (Hgg.): Hannah Arendt and the Uses of History. Imperialism, Nation, Race, and Genocide. New York 2008, S. 38–53, hier S. 50).

  8. 8.

    Seyla Benhabib: Die Rechte der Anderen. Ausländer, Migranten, Bürger. Übers. v. Frank Jakubzik. Frankfurt a. M. 2008, S. 130.

  9. 9.

    Beide Zitate Benhabib: Die Rechte der Anderen, S. 144–145.

  10. 10.

    Christina Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips. In: Heike Kahlert, Claudia Lenz (Hgg.): Die Neubestimmung des Politischen. Denkbewegungen im Dialog mit Hannah Arendt. Königstein, Taunus 2001, S. 136–166, hier S. 146.

  11. 11.

    Aus heutiger Sicht trägt neben Arendts spezifischer Methode auch der Sprachgebrauch der 1950er Jahre dazu bei, dass einige Passagen irritierend oder auch schockierend wirken.

  12. 12.

    Weißpflug: Hannah Arendt. Die Kunst, politisch zu denken, S. 150.

  13. 13.

    Weißpflug: Hannah Arendt. Die Kunst, politisch zu denken, S. 149.

  14. 14.

    Wolfgang Heuer: Citizen. Persönliche Integrität und politisches Handeln. Eine Rekonstruktion des politischen Humanismus Hannah Arendts. Berlin 1992, S. 184.

  15. 15.

    Beide Zitate Karl Jaspers: Geleitwort. In: Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus. München 72000, S. 11–14, hier S. 12.

  16. 16.

    Meines Wissens gibt es keine Studien, die sich ausführlich mit dieser Thematik beschäftigen. Da zudem viele Arbeiten den Imperialismus-Band eher marginal behandeln, soll von einem Überblick über die ausladende Forschungsliteratur, die sich größtenteils auf die politische Theorie bezieht, abgesehen werden. Einzelne Untersuchungen, die sich mit Arendts Anthropologie und ihrem Verhältnis zum Humanismus beschäftigen, werden an entsprechenden Stellen herangezogen. Einzig hervorgehoben werden soll die Schrift Die Praxis der Freiheit von Manfred Reist, in der ein Kapitel dem Verhältnis von Mensch und Tier bei Arendt gewidmet ist, auch wenn dies relativ kurz und allgemein ausfällt (vgl. Manfred Reist: Die Praxis der Freiheit. Hannah Arendts Anthropologie des Politischen. Würzburg 1990, v. a. S. 36–39). In keiner Weise soll hier versucht werden, eine Deutung des Begriffs des Menschen vorzulegen, die sich aus dem gesamten Denken Arendts ergibt. Genauso wenig ist es der Anspruch, die Schrift der Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft vollständig systematisch nachzuvollziehen, denn wie nicht zuletzt Anette Vowinckel feststellt, waltet dort das „strukturelle Chaos“ (Anette Vowinckel: Geschichtsbegriff und Historisches Denken bei Hannah Arendt. Köln, Weimar 2001, S. 78). Zudem kann nicht jeder einzelnen Spur philosophischer Traditionen nachgegangen werden, die in Arendts Denken aufscheint.

  17. 17.

    Für eine Aufarbeitung des Antisemitismus-Bands vgl. z. B. Jürgen Brokoff: Gesellschaftlicher Antisemitismus und romantische Geselligkeit. Hannah Arendts Kritik des Gesellschaftsbegriffs und der klassische Begriff des Politischen. In: Eva Geulen, Kai Kauffmann, Georg Mein (Hgg.): Hannah Arendt und Giorgio Agamben. Parallelen, Perspektiven, Kontroversen. München 2008, S. 241–264.

  18. 18.

    Jaspers: Geleitwort, S. 13.

  19. 19.

    Vgl. Hannah Arendt: Denktagebuch 1950–1973. Hg. v. Ursula Ludz u. Ingeborg Nordmann, Bd. 2, München 2002, S. 680.

  20. 20.

    Weißpflug: Hannah Arendt, S. 204.

  21. 21.

    Weißpflug: Hannah Arendt, S. 204.

  22. 22.

    Hannah Arendt: Political Experience in the Twentieth Century. 1965, aus dem Nachlass, zit. n. Heuer: Citizen, S. 9.

  23. 23.

    Im wiederholten Bezug auf Literatur zur Entwicklung von philosophischen Gedanken kann nicht nur eine Parallele zu Adorno und Horkheimer gezogen werden, sondern auch zu Agamben, der sich in seiner Theoriebildung unter anderem explizit auf Arendt beruft.

  24. 24.

    Peter Trawny: Denkbarer Holocaust. Die politische Ethik Hannah Arendts. Würzburg 2005, S. 24.

  25. 25.

    Beide Zitate in Arendt: Denktagebuch 1, S. 9. Wolfgang Heuer macht eine Verwechslung von Vorstellungskraft und Empathie für viele Missverständnisse in der Rezeption Arendts verantwortlich (vgl. Wolfgang Heuer: Ein Bild von den Flüchtigen. In: Waltraud Meints, Michael Daxner, Gerhard Kraiker (Hgg.): Raum der Freiheit. Reflexionen über Idee und Wirklichkeit. Bielefeld 2009, S. 359–374, hier S. 366–367).

  26. 26.

    Heuer hebt hervor, dass Arendts Wunsch, Geschichte zu verstehen, nicht bedeutet, die Geschehnisse in irgendeiner Weise zu rechtfertigen, sondern eine Methode der analytischen Durchdringung ist: „Sich der Vergangenheit zuzuwenden, heißt […] für Arendt, Geschichte zu verstehen, ohne das Geschehene zu entschuldigen, sie aufzuschreiben, ohne ihren Verlauf als zwangsläufig erscheinen zu lassen, sich mit ihr, wie sie im Hegelschen Sinn sagt, zu versöhnen, ohne sich zum Komplizen zu machen, sondern umgekehrt die Geschichte als Wirklichkeit zu begreifen und wahrzunehmen. Das ist notwendig, weil die Vergangenheit niemals abgeschlossen ist, sondern in die Gegenwart hineinragt“ (Heuer: Citizen, S. 185).

  27. 27.

    Arendt: Denktagebuch 1, S. 451.

  28. 28.

    Arendt: Denktagebuch 1, S. 170.

  29. 29.

    Vgl. auch Weißpflug: Hannah Arendt, S. 150, 203.

  30. 30.

    Weißpflug: Hannah Arendt, S. 189.

  31. 31.

    Dieses methodische Vorgehen wird häufig vernachlässigt, was dazu führt, dass die Frage danach, wie Arendts Text erzählt wird, nicht gestellt wird. Wird aber Arendts Methode des Nachvollziehens historischer Perspektiven übersehen, führt dies häufig zu einem direkten Rückschluss der Aussagen im Text auf Arendts persönliche Haltung. So kommt es etwa zu der Bewertung, dass „die Autorin koloniale Denkmuster reproduziert“ und „Conrads Stilisierungen nahezu ungebrochen“ übernimmt, was von Arendts „Ignoranz und Eurozentrismus“ zeuge (Felix Axster: Inspiration und Irritation. Hannah Arendts Analyse des Imperialismus. In: Doris Blume, Monika Boll, Raphael Gross (Hgg.): Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert. München 2020, S. 73–82, hier erstes Zitat S. 73, zweites Zitat S. 77–78, drittes Zitat S. 78).

  32. 32.

    Arendt: Denktagebuch 1, S. 129.

  33. 33.

    Hannah Arendt: Vita activa oder Vom tätigen Leben [engl. 1958]. München 101998, S. 16. Vgl. auch Reist: Die Praxis der Freiheit, S. 46. Arendts Nachspüren des je gültigen historischen Begriffs des Menschen liegt nach Heuer die Erkenntnis zugrunde, „[d]aß sie ihre Person nicht unabhängig von der Umwelt bestimmen kann, sondern nur in der Auseinandersetzung mit ihr, und daß die Bestimmung der eigenen Person auch die der Gesellschaft […] mit einschließt“ (Heuer: Citizen, S. 11).

  34. 34.

    Arendt: Vita activa, S. 16.

  35. 35.

    Aristoteles hebt besonders die Fähigkeit des Menschen zur politischen Organisation hervor. Zur anthropologischen Konzeption von Aristoteles vgl. Wild: Tierphilosophie, S. 26.

  36. 36.

    Die Unterscheidung des Menschen von allen anderen Tierarten aufgrund seiner Sprachfähigkeit hat eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Eine paradigmatische logozentrische Definition stammt beispielsweise von Jean-Jaques Rousseau, der deklamiert: „Das gesprochene Wort unterscheidet den Menschen von den Tieren“ (Jean-Jacques Rousseau: Versuch über den Ursprung der Sprachen [1753]. In: Ders.: Sozialphilosophische und Politische Schriften. München 1981, S. 163–221, hier S. 165). Neuere Forschungsergebnisse verweisen auf ausgeprägte Kommunikationsmuster unter anderen Tierarten, darunter Delphinen und Raben, und stellen die logozentrische Begründungstradition des Anthropozentrismus in Frage. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Sprachfähigkeit von Tieren bietet z. B. Eva Meijer: Die Sprachen der Tiere. Übers. v. Christian Welzbacher. Berlin 2018.

  37. 37.

    Arendt: Vita activa, S. 11.

  38. 38.

    Hannah Arendt: Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlaß. Hg. v. Ursula Ludz. München, Zürich 2003, S. 38. Vgl. ausführlicher zu Arendts Politikbegriff Rahel Jaeggi: Welt und Person. Zum anthropologischen Hintergrund der Gesellschaftskritik Hannah Arendts. Berlin 1997, S. 28–48.

  39. 39.

    Arendt: Vita activa, S. 213.

  40. 40.

    Alle Zitate in Arendt: Was ist Politik?, S. 10.

  41. 41.

    Arendt: Denktagebuch 1, S. 218.

  42. 42.

    Arendt: Vita activa, S. 14.

  43. 43.

    Arendt: Vita activa, S. 15.

  44. 44.

    Vgl. auch Reist: Die Praxis der Freiheit, S. 55. Diese Unterscheidung erinnert an Aristoteles’ Unterscheidung zwischen zoe, der Tatsache des Lebens, und bios, der (politischen) Lebensform, sowie ihrer jeweiligen Zuordnung zur privaten Sphäre (oikos) und politischen Sphäre (polis), die später bei Agamben reaktualisiert wird.

  45. 45.

    Arendt: Denktagebuch 1, S. 16.

  46. 46.

    Arendt: Denktagebuch 1, S. 18.

  47. 47.

    Arendt: Denktagebuch 1, S. 17. Agamben  steht in dieser Hinsicht in der Tradition Arendt s.

  48. 48.

    Vgl. Christina Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt. Zum politischen Denken von Hannah Arendt. In: Dies.: Fremdheiten und Freundschaften. Essays. Bielefeld 2019, S. 53–68, hier S. 54.

  49. 49.

    Arendt: Was ist Politik?, S. 38.

  50. 50.

    Vgl. Arendt: Denktagebuch 1, S. 129.

  51. 51.

    Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt. Zum politischen Denken, S. 53.

  52. 52.

    Der antike Humanismus, dem etwa Aristoteles zuzurechnen ist, der für Arendts Denken von großer Bedeutung ist, prägt als historischer Vorläufer alle folgenden humanistischen Theorien. Er begründet ein städtisches Ideal, in dem Menschen in ‚Naturwesen‘ mit tiergleichen Existenzen (u. a. Sklaven, ‚Barbaren‘) und politische Bürger unterschieden werden, die durch ihre Sprach- und Politikfähigkeit Bildung erlangen und an einer politischen Kultur teilhaben können (vgl. Monika Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus. Der Verfall des Politischen bei Hannah Arendt. Wien 1997, S. 15). Zum Humanismus der Aufklärung gehört u. a. Kant, mit dem sich Arendt eingehend beschäftigt hat. Kant erkennt in der Vernunft die wesentliche anthropologische Differenz. Er versteht „unter der Idee der Menschheit ein über die empirischen Gegensätze hinaus gültiges Regulativ“ (Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus, S. 15). Der naturalistische Humanismus, wie zum Beispiel Karl Marx ihn vertritt, der ebenfalls einen Referenzpunkt in Arendts politischer Theorie darstellt, entwickelt demgegenüber ein geschichtsphilosophisches Gattungsideal, das auf ‚Natur‘ gründet und von der Gleichheit aller Menschen ausgeht. Marx definiert den Menschen nicht primär über eine innere, geistige Konstitution, sondern über seine spezifische Lebensweise bzw. seine Stellung in der Welt im Verhältnis zur Welt: „Die bewußte Lebensthätigkeit unterscheidet d[en] Menschen unmittelbar von der thierischen Lebensthätigkeit. Eben nur dadurch ist er ein Gattungswesen.“ (Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte [1844]. Kommentar v. Michael Quante. Frankfurt a. M. 2009, S. 90). Die freie Arbeit wird bei Marx als das entscheidende Wesensmerkmal des Menschen bestimmt. Menschen werden als natürliche Wesen konzipiert, die in ihrer individuellen wie gesellschaftlichen Verwirklichung zu politischen Wesen übergehen. Diese Vorstellung führt zu einer dialektischen Verschränkung der Kategorien Natur und Politik (vgl. Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus, S. 13). Friedrich Engels greift diese Grundannahme in anderen Schriften auf. So erklärt er, dass Tiere zwar planmäßig handeln könnten, stellt jedoch einschränkend fest: „Aber alle planmäßige Aktion aller Tiere hat es nicht fertiggebracht, der Erde den Stempel ihres Willens aufzudrücken. Dazu gehört der Mensch. Kurz, das Tier benutzt die äußere Natur bloß und bringt Änderungen in ihr einfach durch seine Anwesenheit zustande; der Mensch macht sie durch seine Änderungen seinen Zwecken dienstbar, beherrscht sie.“ (Friedrich Engels: Dialektik der Natur (1873–1882). In: Karl Marx, Friedrich Engels: Gesamtausgabe (MEGA). Abt. 1. Bd. 26. Berlin 1985, S. 95). Genau um diesen Punkt der Gestaltung und Weltbildung geht es auch Arendt. Die Moderne, die Objekt von Arendts Untersuchung ist, wird maßgeblich vom naturalistischen Humanismus bestimmt. Arendt selbst kann Tuija Pulkkinen zufolge der Teilströmung des modernen Humanismus zugeordnet werden, die aus der phänomenologisch-existenzialistischen Tradition Edmund Husserls, Martin Heideggers und Karl Jaspers’ entsteht: „Dieser Humanismus betont den menschlichen Leib, die Sinnesorgane, die gattungsspezifische Perspektive und vor allem die Einzigartigkeit jeder individuellen Existenz“ (Tuija Pulkkinen: Hannah Arendt zur Identität: Zwischen Moderne und Postmoderne. In: Kahlert, Lenz (Hgg.): Die Neubestimmung des Politischen, S. 47–76, hier S. 50).

  53. 53.

    Vgl. auch Reist: Die Praxis der Freiheit, S. 39.

  54. 54.

    Vgl. Heike Kahlert, Claudia Lenz: Verstehen, Urteilen, Handeln – Impulse Hannah Arendts für die Neubestimmung des Politischen. In: Dies. (Hgg.): Die Neubestimmung des Politischen, S. 7–43, hier S. 31.

  55. 55.

    Die NS-Verbrechen bewertet sie insofern historisch als ein Novum, als sich zuvor „selbst Greuel und Grausamkeit […] noch an gewisse Regeln hielten, bestimmte Grenzen nicht überschritten“ (EU 285). Dies führt Miriam Rürup zu der Vermutung, dass Arendt „fast wehmütig“ auf den historisch vorhergehenden Judenhass blickt: „Möglicherweise gerade vor dem Hintergrund ihrer eigenen Flucht- und Internierungserfahrungen wird bei ihr die Regelhaftigkeit der Exklusionsgewalt also fast zu einem utopischen Ort.“ (Rürup: Staatenlosigkeit als Entmenschlichung, S. 233).

  56. 56.

    Vgl. auch Norma Claire Moruzzi: Speaking through the Mask: Hannah Arendt and the Politics of Social Identity. Ithaca (NY, USA), London 2000, S. 87.

  57. 57.

    Vgl. auch Moruzzi: Speaking through the Mask, S. 64.

  58. 58.

    Diese mag zumindest in Teilen auf das Fehlen einer in Europa üblichen schriftlichen Tradition zurückgehen. In der europäischen Geschichte ist eine mündliche Tradition zwar ebenfalls bekannt, sie wird aber als zivilisatorisch überwunden betrachtet.

  59. 59.

    Bezeichnenderweise bezieht sich auch Kant in seinen Überlegungen zum Begriff des Menschen kontrastierend zu den europäischstämmigen Menschen auf „Südsee-Einwohner“, die ihre Talente durch fehlende Ausbildung der Vernunft „rosten ließe[n]“ und daher entgegengesetzt zur europäischen Kultur stünden (Immanuel Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht [1798]. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Abt. 1: Werke. Bd. 7: Der Streit der Fakultäten. Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Hg. v. der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1907, S. 107–333, hier S. 127). Zur Kopplung von Vernunft und Menschenwürde vgl. auch Oliver Bruns: Was heißt Menschenwürde? In: Meints, Daxner, Kraiker (Hgg.): Raum der Freiheit, S. 311–339, hier S. 338.

  60. 60.

    Diese Formulierung muss im Kontext der Zeit betrachtet werden, die in den 1950er Jahren durchaus gebräuchlich war. Dennoch hebt die Wortwahl hervor, dass Arendts Ausführungen explizit auf die „schwarzen Stämme“ (EU 389) abzielen.

  61. 61.

    Damit argumentiert Arendt genau entgegengesetzt zum prominenten und umstrittenen Tierrechtler Peter Singer, der den moralischen Status von Tieren bzw. dem Menschen ähnlichen Tieren (wie z. B. Menschenaffen) gerade eben mit ihrer Ähnlichkeit begründet und aufgrund dieser Ähnlichkeit die Anwendung des Gleichheitsprinzips fordert. So heißt es in der deutschen Ausgabe von Praktische Ethik: „Wenn ein Wesen leidet, kann es keine moralische Rechtfertigung dafür geben, sich zu weigern, dieses Leiden zu berücksichtigen. Es kommt nicht auf die Natur des Wesens an – das Gleichheitsprinzip verlangt, daß sein Leiden ebenso zählt wie das gleiche Leiden – soweit sich ein ungefährer Vergleich ziehen läßt – irgendeines anderen Wesens. Ist ein Wesen nicht leidensfähig oder nicht fähig, Freude oder Glück zu erfahren, dann gibt es nichts zu berücksichtigen.“ (Peter Singer: Praktische Ethik [engl. 1979]. Stuttgart 1994, S. 85). Das Argument des Gleichheitsprinzips ist jedoch durchaus problematisch, da es eben nicht nur inklusiv, sondern in höchstem Maße exklusiv ist und damit viele Lebewesen – und auch Menschen, die aus dem normativen Raster herausfallen, und aus welchen Gründen auch immer nicht fähig sind, Leiden, Glück und Freude auszudrücken – aus der moralischen Berücksichtigung ausschließt (vgl. zur Kritik des moralischen Individualismus u. a. Herwig Grimm: Tiere. Lebendiger Rohstoff? Zur Rekonstruktion der Verdinglichung als moralisch problematische Haltung. In: Fehlmann, Michel, Niederhauser (Hgg.): Tierisch!, S. 43–58, hier S. 46–49).

  62. 62.

    Vgl. Wild: Tierphilosophie, S. 45.

  63. 63.

    Christine Ivanovic: Illumination durch Entsetzen: Hannah Arendt liest Joseph Conrads „Heart of Darkness“. In: Baer, Eshel (Hgg.): Hannah Arendt zwischen den Disziplinen, S. 102–136, hier S. 107.

  64. 64.

    Vgl. auch Weissberg: Hannah Arendt entdeckt Afrika, S. 219.

  65. 65.

    Vgl. Weißpflug: Hannah Arendt, S. 153.

  66. 66.

    Im Gegensatz zu anderen literarischen Bezügen, bemerkt Christine Ivanovic, ist Arendts „Bezugnahme auf Heart of Darkness vollständig in den argumentativen Kontext des Kapitels integriert. Die Argumentation wird dabei mit Conrads Diktion so intensiv verwoben, dass sie nun als eine Art ‚Subtext‘ fungiert“ (Ivanovic: Illumination durch Entsetzen, S. 107).

  67. 67.

    Vgl. Edward W. Said: Through Gringo Eyes: With Conrad in Latin America [1988]. In: Ders.: Reflections on Exile and Other Essays. Cambridge (MA, USA) 2000, S. 276–281, hier S. 276–277. Said schreibt: „Conrad is the precursor of novelists such as Graham Greene, V. S. Naipaul, and Robert Stone; theoreticians of imperialism such as Hannah Arendt; and of the assorted travel writers and filmmakers whose specialty is bringing home the Third World for analysis, for judgment, or simply for the entertainment of European and North American audiences, with their taste for the ‚exotic‘“ (ebd.). Ivanovic macht darauf aufmerksam, dass Conrads Text mittlerweile zunehmend eine andere Bewertung erfährt, in der zwischen Autorfigur und Erzählfigur unterschieden wird, was zu einer Entlastung Conrads führt, während Arendt weiterhin für ihren scheinbar kolonialistischen Blick kritisiert wird: „Kaum eine andere Stelle in Arendts Text hat in der Forschung zu vergleichbaren Kontroversen geführt wie ihre Ausführungen zu Conrad. Während jedoch die kritische Conrad-Rezeption trotz gewichtiger Gegenstimmen nun mehr und mehr dazu neigt, den Roman als eines der frühesten Zeugnisse für eine allmählich sich distanzierende Haltung zum europäischen Kolonialismus zu lesen, wird Arendts Conrad-Lektüre nach wie vor mehrheitlich mit dem Vorwurf diskreditiert, sie habe sich dessen kolonialistische Perspektive kritiklos angeeignet.“ (Ivanovic: Illumination durch Entsetzen, S. 108). Ein jüngstes Beispiel für ebendiese Entlastung Conrads und gleichzeitiger Erneuerung des Vorwurfs an Arendt, die kolonialistische Perspektive der Romanfiguren unhinterfragt zu übernehmen, ist Axster: Inspiration und Irritation, S. 77.

  68. 68.

    So erkennt z. B. Gines in Arendts Schriften Spuren internalisierter Rassismen: „Despite the fact that Arendt seeks to take a position against racism, there are still traces of racism in her own analysis. This is marked by her frequent use of the terms ‚savage‘ as well as the way that she naturalizes Africans, asserting that they are pure nature and suggesting that they are somehow not capable of culture and the formation of (or participation in) that which is political.“ (Gines: Race Thinking and Racism, S. 38). Weissberg bemängelt, dass sie in ihren Analysen „die eurozentrische Sichtweise der ersten Reisenden [wiederholt; C.S.], die Kulturen zurückwiesen, die sie als unbedeutend betrachteten“ (Weissberg: Hannah Arendt entdeckt Afrika, S. 214). Andreas Huyssen wirft Arendt vor, dass sie „dem europäischen Humanismus befangen bleibt […]. Für Arendt ist Afrika wie bei Joseph Conrad ‚heart of darkness‘ und das erniedrigte koloniale Subjekt erscheint bei ihr nicht als Subjekt, sondern als gefangen in der Aura des barbarischen Wilden. […] Die Sprache selbst reproduziert hier das europäische Phantasma Afrika. […] Und zumindest implizit wird Afrika zum Geburtsort des Rassengenozids der Nazis – ein Fall von blaming the victim und von reduktiver Genealogie.“ (Andreas Huyssen: Holocaust Diskurs und Postkolonialismus. In: Sonja Klein, Vivian Liska, Karl Solibakke, Bernd Witte (Hgg.): Gedächtnisstrategien und Medien im interkulturellen Dialog. Würzburg 2009, S. 231–238, hier S. 236).

  69. 69.

    Ivanovic: Illumination durch Entsetzen, S. 106. Ivanovic hebt hervor, dass es Arendt nicht nur um ein Nachzeichnen des geschichtlichen Verlaufs geht, sondern auch „um das Aufzeigen des Zusammenhangs von historisch relevanten Geschehensabläufen mit sprachlich vermittelten Denkvorgängen (oder Konstruktionen), die in der gegenseitigen Abhängigkeit und Verschränkung von ‚Handeln‘ und ‚Sprechen‘ maßgebliche Faktoren geschichtlicher Entwicklungen von welthistorischer Bedeutung geworden sind respektive werden können.“ (ebd., S. 104–105).

  70. 70.

    Ivanovic: Illumination durch Entsetzen, S. 117.

  71. 71.

    Ivanovic: Illumination durch Entsetzen, S. 119.

  72. 72.

    Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 147.

  73. 73.

    Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 139.

  74. 74.

    Zu Arendts Definition von „Rasse“ vgl. auch Hannah Arendt: Macht und Gewalt [1970]. Übers. v. Gisela Uellenberg. München 81993, S. 75.

  75. 75.

    Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus, S. 114.

  76. 76.

    Der Begriff der „Natur“ ist höchst problematisch, denn die Trennung zwischen „Natur“ und „Kultur“ ist keine gegebene, sondern eine kulturell produzierte, die zumeist ideologisch konnotiert ist. Eine ausführliche Kritik des Naturbegriffes findet sich bei Donna Haraway: Monströse Versprechen. Eine Erneuerungspolitik für un/an/geeignete Andere. In: Dies.: Monströse Versprechen. Die Gender- und Technologie-Essays. Hamburg 2006, S. 11–80.

  77. 77.

    Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus, S. 138.

  78. 78.

    Arendts Ideologiebegriff lehnt sich nach Peter Trawny an Marx und Engels an, die Ideologie als Produkt von Ideen und Vorstellungen sehen, die abgelöst von der materiellen Erscheinung und den empirisch belegbaren Vorgängen die Zusammenhänge der Welt erklären (vgl. Trawny: Denkbarer Holocaust, S. 113). Darauf wird später noch ausführlicher eingegangen.

  79. 79.

    Vgl. auch Vowinckel: Geschichtsbegriff und Historisches Denken, S. 74.

  80. 80.

    Die Wortwahl muss im Kontext der Zeit betrachtet werden, da sie in den 1950er Jahren durchaus gebräuchlich war. Formulierungen wie jene, dass die „Vorväter in die Barbarei gezwungen“ worden seien oder dass es sich „wirklich“ um ein ins „Rassische degenerierte[s] Volk“ (EU 425) gehandelt habe, sind nicht neutral, sondern vermitteln eine Wertung. Dennoch bedeutet dies in Anbetracht von Arendts methodischen Setzungen nicht zwangsläufig, dass es Arendts eigene Wertsetzungen sind.

  81. 81.

    Darwins Theorie beschreibt Arendt in Kontrast zu den darwinistischen Ansätzen als politisch nicht festgelegt und daher für das gesamte politische Spektrum verwendbar (vgl. EU 392).

  82. 82.

    Darwin formuliert die Theorie, dass alle Lebewesen eine gemeinsame Abstammung haben, zunächst vorsichtig als These. Er bemerkt: „Man könnte noch fragen, wieweit ich die Theorie einer Umwandlung der Arten ausdehne. […] Ich glaube, daß die Tiere von höchstens vier oder fünf Vorfahren abstammen, die Pflanzen von derselben oder einer noch kleineren Anzahl. Die Analogie würde mich noch einen Schritt weiter führen, nämlich zu der Annahme, daß alle Tiere und Pflanze von einer einzigen Urform abstammen.“ (Darwin: Die Entstehung der Arten, S. 671; zu Darwins assimilationistischer Theorie vgl. auch Wild: Tierphilosophie, S. 54–55; zur künstlerischen wie wissenschaftlichen Rezeption bis 1900 vgl. Hanna Engelmeier: Der Mensch, der Affe. Anthropologie und Darwin-Rezeption in Deutschland 1850–1900. Köln, Weimar, Wien 2016). Für eine ausführlichere Darstellung von Darwins Thesen vgl. Abschn. 6.2.

  83. 83.

    Wie schon in Abschn. 6.2. erwähnt, ging Darwin selbst, im Gegensatz zu vielen seiner Interpreten, nicht von einem linear-fortschrittlichen Ordnungsmodell für die Entwicklung der Arten aus, sondern hing der Vorstellung von einem verästelten Lebensbaum an (vgl. Wild: Tierphilosophie, S. 58).

  84. 84.

    Bernhard Irrgang: Posthumanes Menschsein? Künstliche Intelligenz, Cyberspace, Roboter, Cyborgs und Designer-Menschen. Anthropologie des künstlichen Menschen im 21. Jahrhundert. Stuttgart 2005, S. 7.

  85. 85.

    Vgl. Arendt: Denktagebuch 1, S. 125; Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft [1788]. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Hg. v. Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. V: Kritik der praktischen Vernunft, Kritik der Urtheilskraft. Berlin 1913, S. 1–163, hier S. 87.

  86. 86.

    Wie zuvor besprochen ist Natalität ein essentieller Bestandteil von Arendts Politikbegriff. In der Eugenik wird die Geburt als Möglichkeit, einen Anfang zu machen, ausgesetzt. Ausführlicher zur Bedeutung der Geburt bei Arendt vgl. Julia Kristeva: Das weibliche Genie. Hannah Arendt. Hamburg 2008, S. 80–87.

  87. 87.

    Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 139. Thürmer-Rohr liest Arendt aufgrund ihrer Ablehnung der Politik der Verwandtschaft mit Derridas hier auch schon behandelter Politik der Freundschaft.

  88. 88.

    Vgl. Reist: Die Praxis der Freiheit, S. 40.

  89. 89.

    Vgl. Martin Heidegger: Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Einsamkeit. Frankfurt a. M. 2004, S. 263.

  90. 90.

    Diese Ausführungen sind sehr nah an Hegels Überlegungen. Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. In: Ders.: Werke in zwanzig Bänden. Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Ausgabe. Hg. v. Eva Moldenhauer u. Karl Markus Michel. Bd. 20 Frankfurt a. M. 1979, v. a. S. 122–129.

  91. 91.

    Hund beispielsweise erkennt in diesen Ausführungen Arendts eigene ‚Rassekonzeption‘ und sieht darin „ein unsägliches Konzept“, das mit „der geschichtsphilosophischen Variante eines abgeschmackten physiognomischen Ästhetizismus“ verbunden ist (Hund: Rassismus, S. 112). Wie schon beschrieben, ist dies angesichts von Arendts gewähltem und erklärtem methodischen Zugang nicht so eindeutig festzulegen, wie Hund es hier tut.

  92. 92.

    Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 148.

  93. 93.

    Vgl. Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 149.

  94. 94.

    Vowinckel arbeitet heraus, dass Arendt in späteren Schriften das Handeln bestimmt als „die einzige der drei Tätigkeiten [Arbeiten, Herstellen, Handeln; C.S.], die den Menschen vom Tier unterscheidet“ (Vowinckel: Geschichtsbegriff und Historisches Denken, S. 141). Das gilt für diese frühe Schrift nicht.

  95. 95.

    Jacques Derrida: Marx’ Gespenster. Der Staat der Schuld, die Trauerarbeit und die neue Internationale [franz. 1993]. Frankfurt a. M. 2004, S. 10.

  96. 96.

    Vgl. Hans Richard Brittnacher: Ästhetik des Horrors. Gespenster, Vampire, Monster, Teufel und künstliche Menschen in der phantastischen Literatur. Frankfurt a. M. 1994, S. 27–28.

  97. 97.

    Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 146.

  98. 98.

    Auch die Konzeption des Menschen als potentielles Lebewesen, dessen Erfüllung sich an der Ausbildung seiner Anlagen bemisst, erinnert an Aristoteles ebenso wie an Agamben, der sich in seinen Überlegungen, wenn auch nicht explizit in diesem Punkt, u. a. auf Arendt bezieht (vgl. Aristoteles: Über die Seele I 2, 404b7; Agamben: Was von Auschwitz bleibt, S. 55).

  99. 99.

    Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 149.

  100. 100.

    Den Vergleich mit dem Irrenhaus kennzeichnet Arendt als dem Herz der Finsternis entnommen.

  101. 101.

    Südafrika wird in dieser Beschreibung laut Weissberg zu „einem Ort des menschlichen Überflusses […], ein Europa ergänzender Rest, auf den Europa allerdings verzichten kann und sollte“ (Weissberg: Hannah Arendt entdeckt Afrika, S. 215). Und auch Thürmer-Rohr urteilt, die Einschätzung der afrikanischen Bevölkerung beruhe auf der „verheerenden Fehlinterpretationen einer unverstandenen Kultur“ (Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 147) – oder besser gesagt: unverstandenen Kulturen, denn der afrikanische Kontinent ist groß und untergliedert sich in viele verschiedene Länder mit vielfältigen Kultur- und Sprachräumen. Arendts Blick auf den afrikanischen Kontinent ähnelt stark dem von Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Hegels Geschichtstheorie zufolge hat der Westen stufenweise eine Kulturgeschichte ausgebildet und vorangetrieben, während die afrikanische Bevölkerung den Schritt vom ‚Naturzustand‘ hin zu einer Kulturgeschichte nicht vollzogen hat und deshalb auch aus dem Geschichtsbegriff ausgeschlossen ist. „[W]as wir eigentlich unter Afrika verstehen, das ist das Geschichtslose und Unaufgeschlossene, das noch ganz im natürlichen Geiste befangen ist, und das hier bloß an der Schwelle der Weltgeschichte vorgeführt werden mußte“, führt Hegel aus (Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, S. 145).

  102. 102.

    Ingeborg Nordmann: Die Frage ist, wie man das Schwimmen im Strom vermeiden kann. Widerstand bei Arendt und Adorno. In: Liliane Weissberg (Hg.): Affinität wider Willen? Hannah Arendt, Theodor W. Adorno und die Frankfurter Schule. Frankfurt, New York 2011, S. 31–66, hier S. 35.

  103. 103.

    Beide Zitate in Roland W. Schindler: Geglückte Zeit – gestundete Zeit: Hannah Arendts Kritik der Moderne. Frankfurt a. M., New York 1996, S. 43. Vgl. ausführlicher zum ‚Rasse‘-Begriff und zur Sklaverei bei Arendt auch Gines: Race Thinking and Racism, v. a. S. 41.

  104. 104.

    Die Aberkennung jedweder Form sozialer oder politischer Organisation – lediglich familiäre Bande werden anerkannt – ist problematisch, stellt Dan Stone fest, zumal Arendt ihr Wissen primär aus (literarischen) Quellen bezieht, die von außen auf die süd- und zentralafrikanischen Stämme blicken und nicht zwingend über die Abläufe innerhalb dieser informiert sind. Die Außenperspektive und die aus der Zivilisation gezogene Überlegenheit in der Darstellung Arendts kann daher als ethnozentristisch beschrieben werden (vgl. Dan Stone: The Holocaust and „The Human“. In: Richard H. King, Dan Stone (Hgg.): Hannah Arendt and the Uses of History. Imperialism, Nation, Race, and Genocide. New York 2008, S. 232–249, hier S. 233). Dieser Feststellung ist zuzustimmen. Es ist jedoch anzumerken, dass es, wie zuvor dargestellt, nicht Arendts Ziel ist, die afrikanische Kultur und Bevölkerung historisch abzubilden. Hingegen ist das ausgesprochene Vorhaben Arendts, die literarische Verarbeitung der Begegnung von europäischer Seite über fiktionale Erfahrungsberichte zu betrachten und so die zentrale Erfahrung des Entsetzens herauszudestillieren, die an eine europäische Leserschaft weitergegeben und dadurch tradiert wurde.

  105. 105.

    In Aristoteles’ Modell des politischen Staates befinden sich am unteren Ende der Hierarchie die „Sklaven“ und „Barbaren“, denen nur einfache Arbeiten und verminderte rationale Vermögen zugesprochen werden, während am oberen Ende die Philosophen, Wissenschaftler und Politiker verortet werden, da diese mithilfe ihrer ausgeprägten Rationalität eine soziale Organisation der Gemeinschaft vorantreiben würden. Alle Bestrebungen sollen sich auf das Gute richten, welches das höchste Ziel des Politischen und damit auch des Menschen als politischem Wesen sei (Aristoteles: Politik, S. 1 (1252a)). Dieses Modell geht insofern nicht originär auf Aristoteles zurück, als bereits bei Platon menschliches Handeln als Resultat eines inneren Kampfes zwischen dem Göttlichen und dem Tier im Menschen gesehen wird, wobei den unteren Klassen ein minderes Menschsein zugeschrieben wird, da sie vom Tier beherrscht würden (vgl. Platon: Politeia. In: Ders.: Sämtliche Werke. In der Übersetzung v. Friedrich Schleiermacher. Hrsg. v. W. F. Otto, E. Grassi u. G. Plamböck. Reinbek bei Hamburg 1962, 588b–590d).

  106. 106.

    Vgl. Vowinckel: Geschichtsbegriff und Historisches Denken, S. 84–85.

  107. 107.

    Abermals zeigen sich Parallelen zu Hegel, der sich wie Arendt zwar prinzipiell gegen Sklaverei äußert, jedoch als Voraussetzung für ihre Abschaffung ein Bewusstsein über die Autonomie des Subjekts der Versklavten sieht, was er wiederum mit der „Menschenverachtung der Neger“ als nicht erfüllt betrachtet (Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, S. 141).

  108. 108.

    Auch hier tritt deutlich die eurozentristische und ethnozentrische Perspektive von Arendts Text hervor, wenn Europa als der unmarkierte Normalzustand gesetzt wird.

  109. 109.

    Diese ahistorische Übertragung der Figur des ‚weltlosen‘ Menschen adaptiert Agamben mit seiner Figur des homo sacer.

  110. 110.

    Rürup: Staatenlosigkeit als Entmenschlichung, S. 233.

  111. 111.

    Die Menschenrechtsidee als philosophisches Konzept wurde in den aufklärerischen Theorien im 18. Jahrhundert entwickelt und war ein entscheidender Aspekt der daran anschließenden bürgerlichen Revolutionen. Sie basiert auf der Vorstellung einer natürlichen Gleichheit aller Menschen. Die Menschenrechtserklärung der UNO von 1948 schließt sich dieser Idee an. Vgl. ausführlicher Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 140–141.

  112. 112.

    Bereits 1949, ein Jahr nach der Verabschiedung der Erklärung, veröffentlicht Arendt zunächst auf Englisch, dann auf Deutsch zwei Texte, in denen sie eine Kritik der allgemeinen Menschenrechte formuliert (vgl. Hannah Arendt: „The Rights of Man“. What Are They? In: Modern Review 3,1 (1949), S. 24–36; Hannah Arendt: Es gibt nur ein einziges Menschenrecht. In: Die Wandlung IV (Dezember 1949), S. 754–770). Ihre Kritik wiederholt sie im Kapitel „Aporien der Menschenrechte“ in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft um einiges schärfer, indem sie die inhärenten Probleme hier als unauflösbar, eben als Aporien akzentuiert. Ausführlicher zu den beiden frühen Veröffentlichungen, auch im Vergleich mit dem später verfassten, hier behandelten Kapitel vgl. Christoph Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“. Zur Einheit von Hannah Arendts Argumentation. In: Eva Geulen, Kai Kauffmann, Georg Mein (Hgg.): Hannah Arendt und Giorgio Agamben. Parallelen, Perspektiven, Kontroversen. München 2008, S. 131–147.

  113. 113.

    In seiner Auseinandersetzung mit Arendts Kritik an den Menschenrechten problematisiert Werner Hamacher ebendieses Paradox: „Every given determination of man breaks with his right of belonging to humanity, because only the humanity and humaneness that are not yet given would be able to determine what or who a human is. […] The right to have rights therefore suspends all given, all posited rights that claim to define the substance of man. It must be the right of the cessation and ex-position of positive rights; and the right of transforming the so-called human rights in view of the rights for humanity.“ (Werner Hamacher: The Right to Have Rights (Four-and-a-Half Remarks). In: The South Atlantic Quarterly 103, 2/3 (2004), S. 343–356, hier S. 353–354).

  114. 114.

    Vgl. Christoph Menke, Arnd Pollmann: Philosophie der Menschenrechte zur Einführung. Hamburg 2007, S. 18–19.

  115. 115.

    Arendt bezieht sich in dieser Feststellung auf Edmund Burke: Reflections on the Revolution in France, And on the Proceedings in Certain Societies in London Relative to that Event. In a Letter Intended to Have Been Sent to a Gentleman in Paris. London 1790.

  116. 116.

    Menke hebt in Bezug auf Arendts Kritik, den Menschenrechten fehle es an Wirklichkeitssinn, hervor: „Eine solche Erklärung sagt, wie es sein soll – nicht, wie es ist. Auch ein Sollenssatz muß jedoch insofern der Wirklichkeit entsprechen, als er verwirklichbar ist: Er muß eine normative Forderung enthalten, die sich in wirklichen Handlungen erfüllen läßt. Eine normative Forderung, für die das nicht gilt, ist gar keine. Arendts Einwand gegen die Menschenrechtserklärungen, ihnen mangele es auffällig an Wirklichkeitssinn, besagt, daß genau dies auf sie zutrifft: Sie postulieren ein Sollen, dem kein (Handeln- oder Verwirklichen-) Können entspricht.“ (Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 133).

  117. 117.

    Dies wird in Arendts Überlegungen zum Ethik-Begriff deutlich. Sie stellt klar, „alle Ethiken, die christlichen wie die nicht-christlichen, gehen davon aus, daß das Leben für sterbliche Menschen nicht das höchste Gut ist, daß im Leben immer mehr auf dem Spiel steht als die Aufrechterhaltung und Hervorbringung lebendiger Organismen. Das, was wichtig ist, mag sehr verschieden sein: Größe und Ruhm wie im vorsokratischen Griechenland; das Überdauern der Stadt wie in der römischen Tugendlehre; die Gesundheit der Seele in diesem Leben oder ihre Rettung im Jenseits; es mag Freiheit sein oder Gerechtigkeit oder dergleichen mehr“ (Hannah Arendt: Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik [1965]. Aus dem Nachlass hrsg. v. Jerome Kohn. Übers. v. Ursula Ludz. München 2006, S. 12).

  118. 118.

    Diesen Gedanken greift Arendt in Wir Flüchtlinge wieder auf. Dort heißt es, „dass wir als Juden keinerlei rechtlichen Status in dieser Welt besitzen. Wenn wir damit anfingen, die Wahrheit zu sagen, nämlich dass wir bloß Juden sind, dann würden wir uns dem Schicksal bloßen Menschseins aussetzen“ (Arendt: Wir Flüchtlinge, S. 32).

  119. 119.

    Hauke Brunkhorst: Hannah Arendt. München 1999, S. 103. Hauke Brunkhorst verweist auf Arendts negative Einstellung zum Egalitarismus der Menschenrechte und begründet diese mit ihrer deutschen gymnasialen Bildung (vgl. ebd., S. 102). Dieser Einwurf mutet eigentümlich an, denn die Mehrheit der politischen und philosophischen Denkerinnen und Denker hat diese Bildung genossen, ohne dass sie ihnen vorgehalten würde.

  120. 120.

    Vgl. dazu auch Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt. Zum politischen Denken, S. 53.

  121. 121.

    Vgl. auch Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 134–135.

  122. 122.

    Wie es bei Christoph Menke und Arnd Pollmann heißt: „Denn gerade dass jeder Mensch als bloß natürlicher, herausgerissen aus allen politischen Gemeinschaften, Rechte hat, die jedem anderen Menschen ebenso von Natur aus unmittelbar evident sind – diese Selbstverständlichkeit, von der die Menschenrechtserklärungen des 18. Jahrhunderts ausgingen –, hat sich in den Lagern des 20. Jahrhunderts aufgelöst. Das ist, so Arendt, die zweite Aporie der Menschenrechte: dass all jene Gewissheiten verloren gegangen sind – Natur, Glaube, Vernunft –, durch die die Menschenrechte traditionell begründet wurden.“ (Menke, Pollmann: Philosophie der Menschenrechte, S. 20).

  123. 123.

    Bei der rechtlichen Einbeziehung der aus der politischen Gemeinschaft Ausgeschlossenen und der Veränderung der rechtlichen Grundstruktur setzen auch aktuelle Tierrechtsdebatten an. So beispielsweise der prominente Vorstoß von Sue Donaldson und Will Kymlicka, die in Zoopolis ein juristisches Modell zur rechtlichen Einbeziehung von Tieren entwerfen. Als Vorhaben formulieren sie explizit: „Im vorliegenden Buch geht es uns darum, einen neuen Rahmen bereitzustellen, in dem die Tierfrage im Mittelpunkt der Diskussion darüber steht, wie man über das Wesen unserer politischen Gemeinschaft sowie über deren Vorstellungen von Staatsbürgerschaft, Gerechtigkeit und Menschenrechten theoretisieren soll. Dieser neue Rahmen eröffnet in begrifflicher wie in politischer Hinsicht beispiellose Möglichkeiten, die heutzutage dem progressiven Wandel im Weg stehenden Hindernisse zu überwinden.“ (Sue Donaldson, Will Kymlicka: Zoopolis. Eine politische Theorie der Tierrechte [engl. 2011]. Berlin 2013, S. 7). Dennoch muss es bei dieser Art Modellen immer Stellvertreter geben, die das Recht einfordern, sowie Instanzen, die es durchsetzen. 

  124. 124.

    Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 138.

  125. 125.

    Christoph Menke versteht Arendts Hinweis auf die Aporien so, „daß er intern mit einem alternativen Verständnis der Idee eines Menschenrechts verbunden ist – einem Verständnis der Menschenrechtsidee jedoch, das in seinen Prämissen nicht von den Traditionen des neuzeitlichen Naturrechts oder Liberalismus abhängig ist, sondern wesentliche Grundannahmen dieser Tradition in Frage stellt“ (Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 133).

  126. 126.

    Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 139.

  127. 127.

    Vgl. Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 139. Noch deutlicher formuliert Arendt diese Forderung in ihrem früheren Aufsatz „Es gibt nur ein einziges Menschenrecht“, wie schon der Titel deutlich macht. Hier geht Arendt auch stärker auf einen möglichen politischen Ausweg aus den Aporien mit Hilfe einer übergeordneten politischen Instanz des Völkerrechts ein. Menke betont jedoch, dass die praktischen Lösungsvorschläge die philosophisch aufgezeigten Aporien der Menschenrechte und ihrer Legitimation nicht auflösen können (vgl. Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 141–142).

  128. 128.

    Benhabib: Die Rechte der Anderen, S. 63.

  129. 129.

    Benhabib zeigt in ihrer Studie die politischen Bemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg auf, durch internationale Institutionen und Verträge den rechtlichen Schutz der Staatenlosen, Geflüchtete und weiteren Entrechteten zu erhöhen, darunter die Genfer Flüchtlingskonvention und der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Dennoch resümiert sie, dass es zwar ein Recht darauf gäbe, Asyl zu suchen, doch keine Pflicht, Asyl zu gewähren, weshalb Arendt wie auch Kant nicht falsch lagen, „als sie im Konflikt zwischen Menschenrechten und Souveränität das zentrale Problem einer territorial bestimmten, staatszentrierten internationalen Ordnung erblickten“ (Benhabib: Die Rechte der Anderen, S. 74).

  130. 130.

    Menke ergänzt hinsichtlich Arendts Verständnis der Menschenwürde: „Die Würde des Menschen ist also nicht eine natürliche Eigenschaft, die der Mensch als einzelner hat und die dann auch im Sozialen Konsequenzen zeitigt. Die Würde des Menschen besteht in nichts anderem als in seiner sprachlich-politischen Existenz: seinem Sprechen, Urteilen und Handeln als Fähigkeiten, die er wesentlich durch, mit und vor anderen hat. Bildet mithin die sprachlich-politische Existenz des Menschen den Inhalt seiner Würde, so bedeutet dies zugleich, der sprachlich-politischen Existenz des Menschen einen ausgezeichneten Status zuzusprechen: Sie ist nicht nur eine, sondern die Lebensform des Menschen. Die sprachlich-politische Existenz ist die Bestimmung des Menschen“ (Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 144).

  131. 131.

    Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus, S. 32.

  132. 132.

    Vgl. auch Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 140–142; Reist: Die Praxis der Freiheit, S. 40, Menke: Die „Aporien der Menschenrechte“ und das „einzige Menschenrecht“, S. 136–137.

  133. 133.

    Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus, S. 31.

  134. 134.

    Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 139.

  135. 135.

    Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus, S. 41.

  136. 136.

    Vgl. Thürmer-Rohr: Anfreundung mit der Welt – Jenseits des Brüderlichkeitsprinzips, S. 144. Weissberg sieht in der Parallelisierung des imperialistischen Rassismus und des rassistischen Antisemitismus eine Relativierung der „Grenzen von ‚außen‘ und ‚innen‘, [… der] Unterscheidung zwischen den ‚anderen‘, im entfernten Land lebenden und den als fremd bestimmten Menschen im eigenen Land“ (Weissberg: Hannah Arendt entdeckt Afrika, S. 208). Dem kann entgegengehalten werden, dass Arendt strukturelle Ähnlichkeiten aufzeigt, die eben sowohl Nahes als auch Fernes betreffen. Die Ausgrenzung von Menschen im eigenen Land kann als Zuspitzung des Abgrenzungskonflikts betrachtet werden, der sich nicht nur gegen Fremdes, sprich Unbekanntes richtet, sondern generell gegen eine Pluralisierung der Selbstkonstitution als (europäischer) Mensch.

  137. 137.

    Christina Thürmer-Rohr: Freundschaft und Freiheit. In: Meints, Daxner, Kraiker (Hgg.): Raum der Freiheit, S. 33–56, hier S. 39.

  138. 138.

    Vgl. Weißpflug: Hannah Arendt, S. 70.

  139. 139.

    Vgl. Boll: Zur Kritik des naturalistischen Humanismus, S. 32.

  140. 140.

    In der Akzentuierung der Differenz, die der Pluralität der Menschen entspringt, liegt der entscheidende Unterschied zwischen Arendts Theorie der Pluralität und Agambens Theorie der Ununterscheidbarkeit: „Während nämlich Arendts ‚Kritik der Urteilskraft‘ auf eine Wiederbelegung vergessener politischer Unterscheidungen und damit auf eine Schulung des politischen Unterscheidungsvermögens insgesamt hinarbeitet, geht es Agamben darum, die Ununterscheidbarkeiten der Gegenwart gewissermaßen noch zu überbieten.“ (Susanne Lüdemann: Vom Unterscheiden. Zur Kritik der politischen Urteilskraft bei Hannah Arendt und Giorgio Agamben. In: Geulen, Kauffmann, Mein (Hgg.): Hannah Arendt und Giorgio Agamben, S. 27–40, hier S. 33–34).

  141. 141.

    Der Glaube an die Institutionen unterscheidet Arendt von Agamben, der eine fundamentale Kritik am Recht vorlegt. Trotz aller Ähnlichkeiten sind die Theorien deshalb als konträre Deutungen des Politischen zu werten: „Arendts Vertrauen in Institutionen und insbesondere in rechtsstaatliche Einrichtungen als eine den Handlungsraum schützende und die jedem Anfangen beigegebene Willkür umgrenzende Macht ist schlechterdings unvereinbar mit Agambens kritischer Analyse des Rechts als einer grundlegenden Funktion aller, auch und gerade demokratisch legitimierter Souveränität. […] Wie Arendts Theoreme einen Prüfstein für Agambens Behauptung einer heillosen Verstrickung aller Politik in das Recht darstellen, so dürfen umgekehrt Agambens kritische Analysen der Allmacht des Rechts als bisher radikalster Angriff auf jenes Politikverständnis gelten, für das Arendt exemplarisch steht.“ (Eva Geulen, Kai Kauffmann, Georg Mein: Vorwort. In: Dies. (Hgg.): Hannah Arendt und Giorgio Agamben, S. 7–10, hier S. 8).

  142. 142.

    Vgl. Weißpflug: Hannah Arendt, S. 108–109.

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Swiderski, C. (2023). Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft – Der Mensch, das Ideal bildende Tier. In: Der Mensch spiegelt sich im Blick der Tiere. Exil-Kulturen, vol 9. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-67629-5_9

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