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Anleitung zur Lektüre im Himmelsbuch

Johann Peter Hebels „Betrachtungen über das Weltgebäude“ zwischen Astronomie und Theologie

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Zeiten der Natur

Part of the book series: LiLi: Studien zu Literaturwissenschaft und Linguistik ((LiLi,volume 5))

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Zusammenfassung

Der Beitrag untersucht die im Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes (1811) versammelten „Betrachtungen über das Weltgebäude“, eine Serie von populärwissenschaftlichen Aufsätzen Johann Peter Hebels über das Weltall. Im Unterschied zu anderen populären Einführungen in die Astronomie seiner Zeit, z. B. der des Astronomen Johann Elert Bode oder der des Physikers Karl Wilhelm Böckmann, argumentiert der Theologe Hebel nicht physikotheologisch, sondern eschatologisch. Seine Reflexionen über das endzeitliche Vergehen der Schöpfung konvergieren teilweise mit der sich zeitgleich in Fachkreisen durchsetzenden, auf die Entdeckungen Herschels zurückgehende Einsicht in die Geschichtlichkeit des Universums. Auf die Frage nach dem geeigneten Umgang des Menschen mit dem Faktum seiner raumzeitlichen Verlorenheit im Universum gibt Hebel eine seelsorgerische Antwort, stellt er seinem Lesepublikum doch in Aussicht, dass es seine wahre Heimat erst am Ende der Zeit in einer neuen Schöpfung finden wird.

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Notes

  1. 1.

    Zu diesen Entdeckungen zählen die Erweiterung unseres Sonnensystems durch die Entdeckung des Planeten Uranus, die Durchmusterung von immer weiter entfernten Regionen des Universums aufgrund erheblich verbesserter optischer Möglichkeiten sowie die sich allmählich durchsetzende Einsicht in den evolutionären Charakter des Universums.

  2. 2.

    Unter der Sigle SK (für: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes) wird im Text nach der Ausgabe Hebel 2008 zitiert.

  3. 3.

    Vgl. Steiger (1994, S. 61): „Der vernünftige Mensch kann durch vernünftige Betrachtung die vernünftig geordnete Natur als Manifestation des vernünftigen Gottes begreifen. Daß jemand nicht glaubt, hat seinen Grund darin, daß er unvernünftig ist. Unvernunft und Unglauben werden zu Synonyma.“

  4. 4.

    Bis zur redaktionellen Übernahme durch Hebel im Jahr 1808 trug der Kalender den sperrigen Titel Kurfürstlich-badischer gnädigst privilegirter Landkalender für die badische Markgrafschaft lutherischen Anteils, danach hieß er Der Rheinländische Hausfreund.

  5. 5.

    Wie dieses Publikum die „Betrachtungen über das Weltgebäude“ rezipiert hat, lässt sich nur vermuten. So könnte es die Dialoge des „Kalendermachers“ mit dem „geneigten Leser“ (SK 9 u. ö.) aus einer Position intellektueller Überlegenheit heraus verfolgt haben (vgl. dazu Schlaffer 1980, S. 296) und sich dennoch zugleich durch die von Hebel inszenierte „Naivität“ und „einfältige Frömmigkeit“ angesprochen gefühlt haben, und zwar umso mehr, als diese „für die Gebildeten schon zu Hebels Zeiten verloren war.“ (Oettinger 1990b, S. 13).

  6. 6.

    Vgl. dazu den Kommentar zum „Unverhofften Wiedersehen“ in: Hebel 22020, Bd. III, S. 689.

  7. 7.

    Zur letzten Geschichte über den Rebellen Andreas Hofer, welche die geschlossene Ordnung des Schatzkästleins gewissermaßen sprengt, vgl. Schlaffer (1980, S. 347).

  8. 8.

    Diese durch den oben erwähnten Johann Elert Bode bekannt gemachte Formel geht auf eine These von Johann Daniel Titius (1729–1796) zurück, der zufolge sich aus der Progression der Planetenabstände eine mathematische Regel ableiten lässt.

  9. 9.

    Vgl. Kant (1988, S. 18): „Es ist also zu vermuthen, daß es noch andere Planeten über dem Saturn geben wird, welche noch eccentrischer, und dadurch also jenen noch näher verwandt, vermittelst einer beständigen Leiter die Planeten endlich zu Cometen machen.“

  10. 10.

    Vgl. Kant (1988, S. 9): „Allein allem Anschein nach ist dieser Mangel der Bewegung nur etwas scheinbares. Es ist entweder nur eine ausnehmende Langsamkeit, die von der grossen Entfernung von dem gemeinen Mittelpuncte ihres Umlaufs, oder eine Unmerklichkeit, die durch den Abstand von dem Orte der Beobachtung veranlasset wird.“

  11. 11.

    Vgl. dazu Hamel (2001, S. 29): „1755 leitete Kant, insbesondere aus der Grundstruktur des Planetensystems sowie unter Beachtung der wenigen Kenntnisse von den Nebelsternen eine Entwicklungstheorie kosmischer Körper ab, die auf dem Grundprinzip der gravitativen Verdichtung einer in den ‚elementarischen Grundstoff‘ aufgelösten Ursubstanz beruht. Was Kant nicht ohne empirische Befunde, weitgehend intuitiv erfaßte, brachte Herschel auf den Stand nachprüfbarer Fakten.“

  12. 12.

    Vgl. hierzu Knopf et al. in: Hebel (22020, Bd. III, S. 612): „Für Hebels Verfasserschaft gilt, was die Hebel-Forschung inzwischen weitgehend akzeptiert, dass er nicht als originaler Urheber (‚Schöpfer‘) seiner Geschichten – Kalendergeschichten genannt – anzusehen ist. Seine besondere Leistung besteht in der sprachlichen Bearbeitung der Quellen. Diese kennzeichnet die Qualität seiner Texte und nicht bzw. nur in Ausnahmefällen die Übermittlung von Inhalten oder die Originalität von Einfällen.“

  13. 13.

    Vgl. in diesem Zusammenhang auch Oettinger (1990a), S. 39, der anmerkt, dass Bodes Werk „höchstwahrscheinlich von Hebel benutzt wurde, denn die Anleitung war die am weitesten verbreitete Himmelskunde der Zeit, sie erschien 1806 in achter Auflage, und es finden sich auch eine Reihe nahezu zitathafter Parallelstellen im Rheinländischen Hausfreund.“

  14. 14.

    Vgl. dazu Knopf et al. in: Hebel 2019, Bd. III, S. 635.

  15. 15.

    „Es ist natürlich, daß diese Katastrophe der Auflösung am ersten in denjenigen Punkten des Weltraums erfolgt, die sich am frühesten ausbildeten; von da aus wogt sie fort durch die Unendlichkeit des Weltalls, aber neue Schöpfung wogt ihr auf dem Fuße nach, und stellt die Welten in vereinigter Schönheit wieder dar, bis auch diese nach Millionen Jahren einer neuen auflösenden Woge entgegen reisen.“ (Bode 31807, S. 216, Fußnote).

  16. 16.

    Vgl. wiederkehrende formelhafte Ausrufe wie zum Beispiel: „Wie weise und wohlthätig ist nicht diese Einrichtung?“ (Bode 31807, S. 111) oder „Welche hohe Weisheit des großen Weltenschöpfers leuchtet aber aus dieser Welten-Einrichtung hervor!“ (Böckmann 1805, Sp. 5).

  17. 17.

    Vgl. Bode (31807, S. 18): „Der Beobachter und Bewunderer des prächtig leuchtenden Firmaments wünscht von diesen Werken Gottes jenseits der Erde eine nähere Kenntniß zu haben, um sich nicht allein am bloßen sinnlichen Anblick derselben zu vergnügen. Er nimmt die ihm von Gott geschenkten Verstandeskräfte und aufgesammlete Erfahrungen zu Hülfe, und von diesen treuen Führern geleitet, sucht er, frei von allen Vorurtheilen, sich vom Weltgebäude richtige und dem großen Urheber desselben höchst anständige Begriffe zu verschaffen.“

  18. 18.

    Auf zwei davon weist der Hausfreund hin: Weder ist der (noch auf dem ptolemäischen Modell des Kosmos) basierende Glaube an die Jahresregentschaft der Planeten vernünftig (vgl. SK 83), noch sind die Kometen als Unglücksboten anzusehen (vgl. SK 170).

  19. 19.

    Steiger (1994, S. 66), entschlüsselt die zitierten Bibelstellen folgendermaßen: 1. Ps 102,25 f.; 2. Jer 23,23 f.; 3. Ps 139,1.3; 4. Ps 8,5; 5. Jes 49,15.

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Albes, C. (2023). Anleitung zur Lektüre im Himmelsbuch. In: Pause, J., Prokić, T. (eds) Zeiten der Natur. LiLi: Studien zu Literaturwissenschaft und Linguistik, vol 5. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-67588-5_2

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