I. Normative Implikationen

Preispersonalisierung ist ein Unterfall von Preisdiskriminierung. Sie hat der Natur der Sache nach stets ökonomische Auswirkungen, da von ihr Zahlungsströme zwischen den Kunden und den Anbietern und damit die Verteilung von finanziellen Ressourcen und Wohlstand abhängen. Die ökonomische Betrachtungsweise ist neutral und wertfrei: Sie stellt auf Faktoren wie Effizienz und Wohlfahrt ab, ohne die unterschiedliche Behandlung Einzelner mit einer darüber hinausgehenden Wertung zu verbinden.

Normativ betrachtet ist dies zunächst unproblematisch, da es jedem Kunden grundsätzlich frei steht, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu einem bestimmten Preis zu kaufen oder vom Kauf abzusehen. Die Diskriminierung aufgrund unterschiedlicher Zahlungsbereitschaften kann allerdings dann problematisch werden, wenn sie mit der Schlechterstellung von Personen einhergeht, die geschützten Gruppen – beispielsweise Zugehörigen bestimmter Ethnien oder Menschen mit Behinderung – angehören. Die Diskriminierung besteht dann darin, dass von Gruppenmitgliedern systematisch ein höherer Preis als von Nicht-Mitgliedern verlangt wird.Footnote 1 Zwei Szenarien sind denkbar.

1. Unmittelbare Diskriminierung

Im ersten Szenario findet die Diskriminierung unmittelbar aufgrund der Gruppenzugehörigkeit statt. Sie besteht darin, dass eine Person aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer geschützten Gruppe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.Footnote 2 Ein BeispielFootnote 3 hierfür sind unterschiedlich hohe Prämien, die von Männern und Frauen (bei ansonsten gleichen Rahmenbedingungen) aufgrund ihres Geschlechts für Versicherungen verlangt werden. Auch wenn die unterschiedlich hohen Prämien bloß die mit dem Geschlecht einhergehende statistisch bestimmte faktische Kostenintensität widerspiegeln sollen, können sie dennoch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung abzulehnen sein. In Test-Achats hat der EuGH dementsprechend eine Ermächtigungsgrundlage für ungültig erklärt, wonach die Mitgliedstaaten „proportionale Unterschiede bei den Prämien und Leistungen dann [zulassen dürfen], wenn die Berücksichtigung des Geschlechts bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist.“Footnote 4 Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Regelung gegen Art. 21, 23 GRCh verstoße.Footnote 5 Im Ergebnis sind unterschiedliche Prämien bzw. Leistungen aufgrund des Geschlechts also aus normativen Gründen selbst dann nicht zu rechtfertigen, wenn die unterschiedliche Behandlung die ökonomische Realität widerspiegelt. Generalanwältin Kokott führt in ihren Schlussanträgen etwas nuancierter aus, dass diese Form unmittelbarer Diskriminierung nicht mit rein statistischen (und dementsprechend pauschalisierten) Erfahrungswerten über die geschlechtsspezifisch verursachten Kosten, sondern nur bei Vorliegen dahingehend sicherer Erkenntnisse gerechtfertigt werden könne.Footnote 6 Auf das Geschlecht könne nicht aus Gründen der Einfachheit als Ersatzkriterium zurückgegriffen werden. Stattdessen sei, um eine objektiv nicht gerechtfertigte Andersbehandlung aufgrund des Geschlechts auszuschließen, die korrekte Erfassung und Bewertung der versicherungsrelevanten, einzelfallbezogenen Aspekte durchzuführen.Footnote 7 In diesen Ausführungen spiegelt sich der Grundsatz wider, dass in den Fällen, in denen Gleichbehandlung gesetzlich vorgegeben ist, Gleiches möglichst gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist.

Unmittelbare Diskriminierungen können grundsätzlich – in Abhängigkeit vom herangezogenen Anknüpfungsmerkmal und dem mit der Andersbehandlung verfolgten Zweck – gerechtfertigt sein. Als beispielhafte Vorlage für diese Überlegung dient der in § 20 I S. 1 AGG enthaltene Rechtfertigungsgrund. Unmittelbare Benachteiligungen i. S. d. §§ 19 I, 3 I AGGFootnote 8 sind demnach gerechtfertigt, wenn sie sich auf die Religion, eine Behinderung, das Alter, die sexuelle Identität oder das Geschlecht beziehen und zudem ein sachlicher Grund vorliegt. Dies zeigt zum einen, dass eine Rechtfertigung nicht bei jedem Anknüpfungsmerkmal möglich ist: Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft einer Person können über § 20 I AGG beispielsweise gar nicht gerechtfertigt werden.Footnote 9 Dies ist letztlich eine aus allgemein anerkannten Grund- und Menschenrechten abgeleitete Wertentscheidung. Zum anderen wird deutlich, dass nicht alle Formen der unmittelbaren Diskriminierung per se verpönt sein müssen, solange ein sachlicher Grund vorliegt. Eine wertende Abwägung ist also möglich.

Im Kontext von Preispersonalisierung stellt sich – losgelöst von konkreten Rechtsregimen – die Frage, ob anbieterseitige unmittelbare Diskriminierungen aufgrund der Zugehörigkeit zu geschützten Gruppen gerechtfertigt sein können. Das Personalisieren von Preisen dient letztlich immer den ökonomischen Interessen des Anbieters: Er strebt Gewinnmaximierung durch das Setzen des in der jeweiligen Situation „besten“ Preises an. Isoliert betrachtet ist dies ein legitimes Ziel: Ein Anbieter ist darauf angewiesen, sich gegenüber Konkurrenten zu behaupten und im Preiswettbewerb zu bestehen.Footnote 10 Wenn dieser Mechanismus allerdings dazu führt, dass Marktteilnehmer – hier die Kunden als Endverbraucher – aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit schlechter gestellt werden, kann dies grundsätzlich nicht von der Rechtsordnung gebilligt sein. Die Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Anbieters ist letztlich gering: Es handelt sich nicht um eine Vorgabe dahingehend, mit wem oder zu welchem konkreten Preis der Anbieter kontrahieren muss. Es geht letztlich – wie in Test-Achats – nur darum, dass bestimmte Merkmale des Kunden bei der Preisbestimmung keine Berücksichtigung finden dürfen. Ausnahmen davon sind denkbar. Sie bedürfen einer wertenden Abwägung unter Berücksichtigung von Anknüpfungsmerkmal und sachlichem Grund. Gesellschaftlich akzeptiert und aus Sicht des Diskriminierungsschutzes unproblematisch ist etwa das Anknüpfen an das Alter des KundenFootnote 11 im Falle von Rabatten für Senioren oder Schüler. Mit einer preislichen Besserstellung dieser Gruppen geht zwangsläufig eine Benachteiligung von Kunden außerhalb dieser Altersgruppen einher.Footnote 12 Diese Art von Preissetzung ist gesellschaftlich gebilligt, da das Einräumen der Rabatte dem Umstand geschuldet ist, dass die bevorzugten Gruppen in der Regel kein Erwerbseinkommen haben. Hinzu kommt, dass ein Verbot dieser Preissetzungspraxis letztlich nur dazu führen würde, dass der Rabatt nicht mehr gewährt wird.Footnote 13 Eine zu missbilligende Altersdiskriminierung der Kunden mittleren Alters liegt mithin nicht vor. Eine Rechtfertigung unmittelbarer Diskriminierung ist auch bei sog. positiven Maßnahmen (Affirmative Action)Footnote 14 denkbar, sofern die Art der Preisgestaltung Benachteiligungen geschützter Gruppen gerade zu verhindern oder auszugleichen versucht.

Eine pauschale Aussage, wann eine unmittelbare Diskriminierung von der Rechtsordnung gebilligt ist, ist also kaum möglich: Zu unterschiedlich sind die traditionell geschützten Gruppen und zu vielfältig die denkbaren Sachgründe, die über ein bloßes Gewinnstreben auf Seiten des Anbieters hinausgehen. Stattdessen ist eine wertende Einzelfallbetrachtung nötig, die den Gleichbehandlungsgrundsatz mit der unternehmerischen Freiheit und Privatautonomie des Anbieters in Einklang bringt.Footnote 15

2. Mittelbare Diskriminierung

Im zweiten Szenario findet die Diskriminierung nicht unmittelbar aufgrund der Gruppenzugehörigkeit statt. Bei der Preisberechnung kommen stattdessen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren zur Anwendung, die augenscheinlich neutral sind, de facto – vom Ergebnis her betrachtet – aber zur Benachteiligung geschützter Gruppen führen.Footnote 16

Ein Beispiel für diese Form der mittelbaren Diskriminierung stellt das sog. Redlining dar. Dieser vor allem im Kontext von Kredit-Scoring verwendete Begriff leitet sich von der früher verbreiteten Praxis von Banken und Versicherungen ab, bestimmte Gebiete auf einer Stadtkarte mit einem Rotstift zu markieren, um auf diese Weise pauschaliert ökonomisch „unattraktive“ Kundengruppen zu kennzeichnen.Footnote 17 Der Wohnort des Einzelnen wird damit herangezogen, um ihm gegenüber Entscheidungen (etwa über die Vergabe von Krediten) zu fällen. Der Wohnort begründet isoliert betrachtet grundsätzlich keine Zugehörigkeit zu einer geschützten Gruppe. Unmittelbare Diskriminierung nach dem ersten Szenario liegt also bei einer darauf basierenden Andersbehandlung nicht vor. Redlining wird aber dann problematisch, wenn in den negativ konnotierten Gebieten beispielsweise primär Angehörige einer ethnischen Minderheit wohnen, die durch diese Praxis de facto schlechter gestellt werden (etwa indem ihnen pauschal ein schlechterer Kredit-Score zugewiesen wird). Bei solchen Konstellationen handelt es sich um mittelbare Diskriminierung.Footnote 18 Unter Gleichheitsgesichtspunkten ist diese nicht minder problematisch als unmittelbare Diskriminierung.Footnote 19

Legaldefinitionen mittelbarer Diskriminierung schließen ihre Tatbestandsmäßigkeit regelmäßig dann aus, wenn das zur Diskussion stehende Vorgehen durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.Footnote 20 Dogmatisch liegt dann keine Rechtfertigung, sondern von vornherein gar keine Diskriminierung vor. Mittelbaren Diskriminierungen wohnt kein eigenständiger Unrechtsgehalt inne. Es handelt sich um ein Konstrukt, das letztlich dazu dient, Fallkonstellationen zu erfassen, die gleichermaßen verwerflich wie unmittelbare Diskriminierungen sind.Footnote 21 Auch hier stellt sich (hier bereits auf der Tatbestandsebene) die Frage, ob bzw. unter welchen Umständen eine Benachteiligung geschützter Gruppen als Folge von Preispersonalisierung zulässig sein kann. Insofern gelten die Überlegungen zur Rechtfertigung unmittelbarer Diskriminierungen entsprechend.

3. Praktische Probleme

Preispersonalisierung ist aus verschiedenen systemimmanenten Gründen geeignet, vielleicht sogar dafür anfällig, diskriminierende Ergebnisse zu produzieren.Footnote 22 Unmittelbare und mittelbare Formen der Benachteiligung geschützter Gruppen sind denkbar. Diese können sowohl im eingesetzten Ausgangs-Datenmaterial (Stufe 1) als auch im internen Entscheidungsfindungs- und Ausführungsprozess (Stufe 2 und 3) selber angelegt sein. Es ist beispielsweise möglich, dass die Daten, die in das Profiling einfließen, diskriminierende Muster enthalten, welche sich in dementsprechend diskriminierenden Ergebnissen niederschlagen. Dies kann etwa der Fall sein bei Verwendung historischer Daten, in denen bestimmte Ungleichbehandlungen und Stereotype bereits enthalten sind.Footnote 23 Gleichermaßen ist denkbar, dass der Algorithmus selber – von den Machern bewusst oder unbewusst implementierte – diskriminierende Wertungen enthält, oder dass selbstlernende Algorithmen solche im Laufe der Zeit entwickeln und umsetzen. Die bereits diskutierten Ausführungen von KokottFootnote 24 lassen sich auf Profiling übertragen: Hier wie dort werden statistische Erkenntnisse zum Treffen pauschalierter Entscheidungen herangezogen und können so diskriminierende Auswirkungen zeitigen.

In der Praxis ist aus der Sicht außenstehender Dritter oftmals nicht oder nur schwer erkennbar, wie es zu den diskriminierenden Ergebnissen gekommen ist.Footnote 25 Verschiedene, durchaus miteinander verwandte oder zusammenhängende Gründe für diskriminierende Ergebnisse sind möglich. So konnte beispielsweise empirisch nachgewiesen werden, dass das Werbenetzwerk Google DoubleClick Männern, die online nach berufs- bzw. karrierebezogenen Themen suchten, signifikant häufiger Werbeanzeigen mit Bezug zu sehr gut bezahlten Stellen angezeigt hat als Frauen mit ansonsten gleichen Eigenschaften.Footnote 26 Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass es aufgrund der unklaren Strukturen und internen Abläufe (die dementsprechend als „Blackbox“ bezeichnet werden) nicht möglich ist, festzustellen, welche der beteiligten Parteien für dieses Ergebnis verantwortlich ist.Footnote 27 Sie kritisieren, dass diese Werbepraxis – unabhängig von ihrer rechtlichen Bewertung – angesichts des sog. Gender Pay Gaps problematisch ist.Footnote 28 Es ist denkbar, dass die Einblendung der verschiedenen Werbeanzeigen daher rührt, dass das für die Datenauswertung herangezogene Datenmaterial die Situation widerspiegelt, dass Männer im Durchschnitt häufiger hoch bezahlte Positionen erreichen als Frauen. Durch die Datenauswertung und darauf basierende Ausspielung der Werbeanzeigen wird dann eine bestehende, politisch nicht (mehr) gewollte Ungleichbehandlung ungeprüft übernommen und perpetuiert.Footnote 29 Die strikte Orientierung am Faktischen führt dann zu normativ ungewünschten Ergebnissen. Denkbar wäre auch, dass die Anzeigen auf Veranlassung der Werbetreibenden selber geschlechtsspezifisch ausgespielt werden – oder dass eine Kombination verschiedener Faktoren zu diesem Ergebnis geführt hat. Ähnliche Wirkmechanismen sind auch im Kontext von Preispersonalisierung denkbar.

Mittelbare und (ungerechtfertigte) unmittelbare Diskriminierungen sind bei normativer Betrachtungsweise gleichermaßen abzulehnen: Für den betroffenen, durch die Preispersonalisierung schlechter gestellten Kunden macht es keinen Unterschied, ob der Anbieter bei seiner Preisgestaltung unmittelbar an ein verpöntes Merkmal ansetzt oder ob die Ungleichbehandlung mittelbar, aber doch kausal auf seine Gruppenzugehörigkeit zurückzuführen ist. Wenn der Anbieter automatisierte Verfahren nutzt, um Preise zu personalisieren, liegt es in seiner Verantwortung, etwaigen rechtlichen Diskriminierungsverboten effektiv nachzukommen. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er die Ergebnisse der von ihm eingesetzten Datenverarbeitungsprozesse inhaltlich nicht gänzlich steuern oder inhaltlich nicht nachvollziehen kann.

II. Rechtliche Implikationen

Die zuvor skizzierten normativen Implikationen führen zu der folgenden rechtlichen Fragestellung: Enthält das geltende materielle Recht im Falle von Preispersonalisierung ausreichende Schutzmechanismen vor Diskriminierung, die aus der Zugehörigkeit zu geschützten Gruppen resultiert? Die Untersuchung basiert auf der Prämisse, dass das Recht verschiedene Wege kennt, um die Diskriminierung geschützter Gruppen im Verhältnis zwischen Privaten zu unterbinden.Footnote 30 Die Frage, welche Gruppen mit welchen Mitteln und in welchem Ausmaß geschützt werden sollen, wurde damit vom Gesetzgeber bereits beantwortet. Die damit einhergehende grundsätzliche Wertentscheidung wird hier als gegeben vorausgesetzt. Die eingangs formulierte Fragestellung soll stattdessen beantworten, ob die existierenden Systeme auch im Falle von Preispersonalisierung Anwendung finden – und so ihre intendierte Schutzwirkung entfalten können – oder ob Schutzlücken bestehen. Diese rechtliche und damit auch normative Analyse beinhaltet zwangsläufig zugleich ökonomische Überlegungen, da die Diskriminierung in den hier diskutierten Konstellationen stets in einer finanziellen Schlechterstellung des Kunden besteht.

Bourreau und de Streel führen aus, dass für die rechtliche Bewertung von Preispersonalisierung generell vier übergeordnete Rechtsregime relevant sind: Verbraucherschutzrecht, Datenschutzrecht, Kartellrecht und Antidiskriminierungsrecht.Footnote 31 Diese Rechtsregime verfolgen verschiedene Schutzzwecke. Sie ergänzen sich, wobei gerade die beiden erstgenannten durchaus auch inhaltliche Überschneidungen aufweisen.Footnote 32 Die vier Gebiete lassen sich grob anhand ihrer jeweiligen Regelungsmethodik voneinander abgrenzen: Das Kartell- und das Antidiskriminierungsrecht postulieren Handlungsverbote, indem sie bestimmte wettbewerbsschädliche bzw. diskriminierende Verhaltensweisen untersagen. Verbraucher- und Datenschutzrecht setzen hingegen bereits zu einem vorgelagerten Zeitpunkt an.Footnote 33 Obgleich diese Rechtsregime teilweise auch Handlungsverbote aufstellen (etwa Art. 22 I DSGVO), liegt ein gemeinsamer Schwerpunkt eher auf der Absicherung von Transparenz zugunsten von Verbrauchern bzw. Betroffenen. So soll letztlich u. a. sichergestellt werden, dass Kunden eine informierte Kaufentscheidung treffen können.

Funktionierenden Wettbewerb vorausgesetzt, kommt es für die rechtliche Analyse von Preispersonalisierung unter dem eingangs beschriebenen Aspekt der Diskriminierung geschützter Gruppen auf verbraucherschutz-, datenschutz- und antidiskriminierungsrechtliche Regelungen an.Footnote 34 Auch wenn antidiskriminierungsrechtliche Vorschriften – in Deutschland auf einfachgesetzlicher Ebene vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – genuin der Sicherstellung von Gleichbehandlung in bestimmten Situationen dienen, ist das durch sie etablierte Schutzsystem nicht in sich abgeschlossen. Verbraucherschutzrechtliche Normen dienen der Fairness und der Transparenz im Rechtsverkehr. Sie geben den Kunden damit Möglichkeiten an die Hand, Diskriminierung zu entdecken und sich vor ihr zu schützen. Durch das Aufstellen von Transparenzerfordernissen ermöglichen sie auch die Kontrolle durch Dritte, etwa die zuständigen Behörden oder Verbraucherschutzverbände.Footnote 35 Sie ergänzen damit das Antidiskriminierungsrecht qualitativ.

Auch datenschutzrechtlichen Regelungen ist Diskriminierungsschutz inhärent.Footnote 36 Ebenso wie im Verbraucherschutzrecht gelten hier, die Verarbeitung personenbezogener Daten vorausgesetzt, verschiedene Transparenzpflichten.Footnote 37 Ein Diskriminierungsschutz wird mittelbar zudem dadurch erreicht, dass Betroffene (hier: Kunden) „Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen.“ Footnote 38 Je mehr Transparenz und Kontrollmöglichkeiten zugunsten eines Kunden bestehen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Anbieter diskriminieren und dass Diskriminierung unentdeckt bleibt. Am deutlichsten tritt der datenschutzrechtliche Diskriminierungsschutz in den in Art. 9 I und 22 IV DSGVO enthaltenen Regelungen zum Schutz sensibler Daten zutage.Footnote 39 Den in Art. 9 I DSGVO enthaltenen Datenkategorien, welche u. a. die Zugehörigkeit des Betroffenen zu bestimmten geschützten Gruppen abbilden, wohnt eine besondere Missbrauchs- und Diskriminierungsgefahr inne, weshalb sie besonderen Schutz erfahren.Footnote 40 Die Datenschutz-Grundverordnung wählt eine präventive Herangehensweise, indem sie die Verarbeitung sensibler Daten verbietet bzw. erhöhte Anforderungen an sie stellt. Zudem stellt sie in ihren Erwägungsgründen ausdrücklich den Zusammenhang zwischen der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten und dem damit einhergehenden Diskriminierungsrisiko her.Footnote 41 Der Gedanke hinter diesen Regelungen ist, dass die Möglichkeit, jemanden zu diskriminieren, ausgeschlossen oder zumindest erschwert ist, wenn der Verantwortliche von den für die Diskriminierung notwendigen Informationen gar nicht erst Kenntnis erlangt.Footnote 42 Diese Form des Diskriminierungsschutzes macht sich also ein (Datenverarbeitungs-)Verbot zunutze, setzt dabei aber zu einem frühen, der eigentlichen Preisentscheidung vorgelagerten Zeitpunkt an. Es geht damit funktional nicht primär um das Verbot diskriminierender Entscheidungen an sich, sondern um ihre Verhinderung bereits im Vorfeld.Footnote 43 Ein relevantes Handlungsverbot, welches ggf. auch zum Schutz vor Diskriminierung herangezogen werden kann, enthält die Datenschutz-Grundverordnung zudem in Art. 22 I DSGVO.

Ausgehend von der eingangs formulierten Rechtsfrage widmet sich der dritte Teil dieser Arbeit der Analyse, welche konkreten Regelwerke relevant sind, welche Schutzmechanismen sie bereitstellen und wie diese ineinandergreifen. Ausgangspunkt ist der Rechtsrahmen, der sich aus dem primären und sekundären Gemeinschaftsrecht sowie, soweit relevant, der deutschen Umsetzung sowie der sonstigen deutschen Regulierung ergibt. Der Aufbau orientiert sich am hier vertretenen 3-stufigen Modell.

Generell gilt, dass die Preishöhe nur in Ausnahmefällen rechtlich vorgegeben sein kann, etwa im Arzneimittelsektor. Sie spielt nur am Rande eine Rolle. Relevante Ansatzpunkte sind hingegen die Preisbestimmung und die Preiskommunikation. Die Preisbestimmung spielt sich auf Stufe 1 und 2 des Modells ab. Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, welche Daten erhoben und wie sie zwecks Preisbestimmung verarbeitet werden dürfen. Diese beiden Stufen sind vor allem unter den Aspekten der Transparenz und der datenschutzrechtlichen Kontrollmöglichkeiten relevant. Die Preiskommunikation – das Fordern eines bestimmten Preises einem bestimmten Kunden gegenüber – entspricht Stufe 3 des Modells. Auch hier stellen sich Transparenzfragen, welche aber von verschiedenen möglicherweise einschlägigen Handlungsverboten flankiert werden.