I. Preispersonalisierung heute und in Zukunft

Unmittelbare Preispersonalisierung im Online-Handel ist in den Ländern der Europäischen Union nach heutigem Wissensstand ein seltenes, nur in wenigen Fällen beobachtbares Phänomen. Das Ausmaß ist quantitativ wie qualitativ begrenzt: In den wenigen registrierten Fällen waren die prozentual messbaren Unterschiede zwar nicht in allen, aber in den meisten Fällen gering. Das Ausmaß mittelbarer Preispersonalisierung, welche empirisch nur schwer mit der notwendigen statistischen Signifikanz zu erheben ist, dürfte größer sein. Es scheint allerdings auch eher gering zu sein. Häufig vorzufinden ist hingegen Verhaltensdiskriminierung (Behavioural Discrimination): Internet-Seiten und vernetzte Endgeräte des Internet of Things sind geprägt durch eine zunehmende Personalisierung, was die Suchergebnisse und andere Formen der Seitengestaltung sowie Werbung jeglicher Art angeht. Diese Form der Personalisierung ist strikt zu trennen von Preispersonalisierung, deren Wesen in der Anpassung des Preises an die (aus Eigenschaften und Verhalten abgeleitete) Zahlungsbereitschaft des Kunden besteht. Gleichermaßen notwendig ist die Abgrenzung von dynamischen Preisen.

Es ist denkbar, dass Personalised Pricing zukünftig häufiger vorkommen wird. Ein tragender Grund – neben verschiedenen anderen – für ihre gegenwärtige Seltenheit ist das negativ konnotierte Gefühl der Ungleichbehandlung auf Kundenseite, wenn Preispersonalisierung als solche erkannt wird.Footnote 1 Dieser Aspekt mag an Bedeutung verlieren, sofern die generelle Akzeptanz dieser Art von Preissetzung steigt und sie im Laufe der Zeit von den Kunden nicht mehr als unfair rezipiert oder zumindest als normales Vorgehen wahr- und hingenommen wird.Footnote 2

Darüber hinaus ist abzusehen, dass neue Geschäftsmodelle mit neuen Formen der Kundeninteraktion einhergehen. Damit sind auch Formen der Preiskommunikation gemeint, welche es erlauben, personalisierte Preise zu verschleiern. Zu denken ist hierbei etwa an digitale, über das Internet verbundene Assistenzsysteme, beispielsweise Alexa von Amazon oder Siri von Apple.Footnote 3 Diese oftmals sprachgesteuerten, in sich abgeschlossenen Systeme ermöglichen ein äußerst hohes Maß an Personalisierung im Rahmen der Erbringung verschiedenster Dienstleistungen. Neben der Funktion eines „persönlichen virtuellen Assistenten“, der etwa Auskunft über die Wettervorhersage gibt, Fragen beantwortet oder angewiesen werden kann, Anrufe einzuleiten oder bestimmte Musikstücke abzuspielen, erlauben diese Systeme auch den Kauf von Gütern und Dienstleistungen. Alexa ermöglicht beispielsweise den Erwerb zahlreicher Produkte aus dem Sortiment von Amazon. Dies erfolgt mittels Sprachsteuerung, welche mithilfe eines Endgeräts im Haushalt des Nutzers technisch ermöglicht wird. So führt der Anbieter aus: „Prime-Mitglieder können Produkte von Amazon.de ganz einfach mit Alexa nachbestellen. Wenn Sie ein neues Produkt benötigen sucht Alexa relevante Artikel und bittet Sie Ihren Kauf zu bestätigen. (…) [S]agen Sie einfach: ‚Alexa, bestelle Kaffee.‘ [oder] ‚Alexa, bestelle Küchenpapier nach.‘“Footnote 4 Auf diese Weise wird die konkrete Kaufentscheidung teilweise in die Hände des Anbieters gelegt. Auf Seiten des Anbieters läuft das Verfahren gänzlich automatisiert, d. h. ohne Mitwirkung eines menschlichen Entscheiders ab. Für den Kunden ist es aus Gründen der Bequemlichkeit – vor allem bei eher niedrigpreisigen Alltagsgegenständen – attraktiv, auf die getroffene Wahl zu vertrauen. De facto sinkt damit für ihn die Transparenz: Er wählt das Produkt nicht mehr unbedingt selber aus und unterlässt zudem eher den Preisvergleich mit anderen Anbietern. Verhaltensdiskriminierung, etwa in Form des bevorzugten Verkaufs eher hochpreisiger Produkte an erkennbar wohlhabende Kunden, wird für den Anbieter damit deutlich erleichtert, zumal ein bestimmtes Ausmaß an Personalisierung Teil des Geschäftsmodells ist und von den Kunden erwartet wird.

Es ist nicht auszuschließen, dass solche und ähnliche Konstellationen zukünftig von Anbietern vermehrt genutzt werden, um Preise zu personalisieren. Unter verschiedenen Gesichtspunkten sind sie anderen Anbietern gegenüber, welche ihre Produkte oder Dienstleistungen im regulären Online-Handel vertreiben, im Vorteil: Sie haben Zugriff auf sehr viele personenbezogene Daten, welche sie im Laufe der Interaktion mit dem einzelnen Kunden über längere Zeiträume sammeln und auswerten können. Die hohe Anzahl an Kunden insgesamt erleichtert die Bildung von abstrakten Vergleichsgruppen (Stufe 1 des hier vertretenen Modells) und ermöglicht so eine aussagekräftigere Profilbildung und Bestimmung der Preissensitivität (Stufe 2). Die Identifizierung des einzelnen Kunden stellt bei einem dergestalt personalisierten System kein Problem dar, da jeder Nutzer sich zwingend einloggen muss. Es ist auch denkbar, dass ein solches System in der Lage ist, verschiedene im selben Haushalt wohnende Kunden jeweils anhand ihrer Stimme voneinander zu unterscheiden und dementsprechend verschiedene Profile der individuellen Preisbestimmung zugrunde zu legen. Personenverwechslungen und darauf basierende false positives in Form der Zuweisung eines „falschen“ Preises sind damit nahezu ausgeschlossen (Stufe 3).

Kritisch ist aber auch hier die weitere Gestaltung der Preiskommunikation: Es ist anzunehmen, dass ein Anbieter eines solchen Systems mediale Aufmerksamkeit und öffentliche Kritik auf sich ziehen würde, wenn bekannt wird, dass er seine Preise an die Zahlungsbereitschaft der Nutzer anpasst.Footnote 5 Je größer und bekannter er ist, desto stärker steht er zudem im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit und Beobachtung. Unmittelbare Preispersonalisierung scheint demnach so gut wie ausgeschlossen, sofern die gesellschaftliche Akzeptanz personalisierter Preise in Zukunft nicht deutlich ansteigt. Eher denkbar sind Formen mittelbarer Preispersonalisierung, wie etwa die Zusendung von Gutscheinen an ausgewählte Nutzer im Rahmen von Werbeaktionen oder das Angebot von individuell kombinierten Produkten, die etwa besonders günstig als „individuell zusammengestelltes“ Set verkauft werden. Wie bereits festgestellt, ist anzunehmen, dass die Personalisierung von Preisen – sofern sie überhaupt stattfindet – am ehesten in der Reduktion eines Referenzpreises ihren Ausdruck findet. Denkbar ist auch hier, Preispersonalisierung mit Produktpersonalisierung zu kombinieren und auf diese Weise zu verschleiern.

II. Ungleichbehandlung durch Gruppenbildung

Profiling basiert methodisch auf dem Prinzip der Gruppenbildung: Der Datenverarbeiter (oder ein für ihn tätig werdender Dritter) sortiert die Betroffenen in Gruppen. Aus der Gruppenzugehörigkeit wird dann auf Eigenschaften oder Verhalten des Einzelnen geschlossen. Diskriminierung ist dem Profiling damit methodisch inhärent.Footnote 6 Preispersonalisierung macht sich die gleichen Methoden zunutze: Die Bildung von Gruppen und die daran anknüpfende unterschiedliche Behandlung von Kunden in Form der Zuweisung personalisierter Preise ist ihr zentrales Element. Dies gilt unabhängig davon, ob die im Einzelfall herangezogenen Gruppen fein definiert sind und dementsprechend viele persönliche Aspekte des Kunden berücksichtigen oder ob nur anhand eines einzelnen Merkmals eine grobe Zuordnung vorgenommen wird. Der dritte Teil dieser Arbeit analysiert diese Ungleichbehandlung in rechtlicher Hinsicht.