I. Überblick und Definition

1. Annäherung an den Begriff

Der Begriff Preisdiskriminierung wird in den Wirtschaftswissenschaften unterschiedlich definiert. Als Annäherung an die Thematik wird hier zunächst eine vereinfachte Definition herangezogen. Diese besagt, dass Preisdiskriminierung vorliegt, wenn ein Anbieter zum selben Zeitpunkt für das gleiche Gut von verschiedenen Käufern verschiedene Preise verlangt.Footnote 1 Diese Formulierung ist aber aus verschiedenen Gründen irreführend und ungenau. So wäre nach dieser Definition Preisdiskriminierung z. B. auch dann gegeben, wenn ein Anbieter nur deshalb von Kunden unterschiedliche Preise verlangt, weil er tatsächlich unterschiedliche Kosten hat. Ein Beispiel hierfür wäre der Fall, dass ein Anbieter aufgrund höherer Versandkosten vom Kunden A einen höheren Gesamtpreis als vom Kunden B verlangt, da A – im Gegensatz zu B – im Ausland lebt und dementsprechend höhere Portokosten anfallen.Footnote 2 Zugleich würden Situationen von dieser Definition mangels „verschiedener Preise“ nicht erfasst, in denen alle Betroffenen denselben Preis zahlen, dieser de facto aber diskriminierend ist, weil beim Anbieter verschiedene Kosten anfallen.Footnote 3 Dies ist in der Praxis zum Beispiel der Fall, wenn Industriegüter, deren Versand besonders kostenintensiv ist (etwa Zement), an Kunden unabhängig vom Lieferort zum gleichen Preis verkauft werden und die Versandkosten immer im Endpreis enthalten sind.Footnote 4 Hierdurch werden die Kunden, bei denen besonders hohe Transportkosten anfallen, gegenüber den günstiger zu erreichenden bevorzugt.

Die geschilderten Situationen entsprechen aber kaum dem Gemeinten. So ist beispielsweise das Verhalten des Anbieters, der mit im Einzelfall erhöhten Preisen nur seine gestiegenen (Versand- oder anderweitige) Kosten auffangen möchte, dabei aber den gleichen Gewinn erzielt wie bei anderen Kunden auch, nach allgemeinem Verständnis nicht vom Begriff der Preisdiskriminierung erfasst.Footnote 5 Gemeint sind stattdessen solche Konstellationen, in denen Anbieter zwecks Gewinnmaximierung systematische Preissetzungsmethoden einsetzen, die zu einer Segmentierung des Marktes auf der Nachfragerseite führen bzw. versuchen, eine bestehende Segmentierung preislich widerzuspiegeln. Der Zweck besteht darin, Preise von den Kunden verlangen und durchsetzen zu können, welche im theoretischen Idealfall möglichst genau ihrem Reservationspreis entsprechen. Dies ist der Preis, den ein bestimmter Kunde für eine konkrete Ware bzw. Dienstleistung maximal zu zahlen bereit ist.Footnote 6 Der Grad an Individualisierung kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und hängt neben der Art der Preisdiskriminierung (1., 2. oder 3. Grades)Footnote 7 von zahlreichen Faktoren ab. Letztlich dient Preisdiskriminierung in der Regel dem Ziel, die Produzentenrente zu steigern, indem Konsumentenrente abgeschöpft wird.Footnote 8

2. Konkretisierung der Definition von Stigler

Im Rahmen dieser Arbeit wird für die Begriffsdefinition die Definition von Stigler herangezogen und konkretisiert. Stigler beschreibt Preisdiskriminierung als „the sale of two or more similar goods at prices that are in different ratios to marginal cost.“Footnote 9 Prägend für diese Formulierung und Grundlage des dieser Arbeit zugrunde liegenden Verständnisses von Preisdiskriminierung sind zwei ihrer Charakteristika.

Zunächst ist es so, dass die Definition von Stigler die Grenzkosten des Anbieters zum verlangten Preis in Relation setzt. Sie ist also relativ und stellt nicht auf absolute Preise ab. Übertragen auf das obige Beispiel geht es darum, welche Kosten dem Anbieter tatsächlich entstehen und wie er in Abhängigkeit davon verschiedenen Kunden gegenüber verschiedene Preise setzt. Sofern er seine Kosten bloß an die Kunden weitergibt, liegt grundsätzlich keine Preisdiskriminierung vor, da der von ihm erzielte Gewinn gleichbleibt.Footnote 10 Von den erhöhten Versandkosten hat er selber nämlich keinen finanziellen Vorteil. Er reicht diesen Posten bloß an den Kunden A weiter.Footnote 11

Sind verschiedene Preise für das gleicheFootnote 12 Produkt bloß das Ergebnis von Skalen- oder Verbundeffekten, liegt auch darin also keine Preisdiskriminierung.Footnote 13 Anders zu bewerten ist der Fall hingegen, wenn der Anbieter beispielsweise anhand der IP-Adresse des A erkennt, dass dieser sich im Ausland befindet, ihm daher eine höhere Kaufkraft und dementsprechend einen erhöhten Reservationspreis unterstellt und in der Folge den Preis anhebt.Footnote 14 Wird dem A deshalb von vornherein ein höherer Preis angezeigt (oder ein solcher wird etwa indirekt über überproportional erhöhte Versandkosten durchgesetzt, welche nicht durch die tatsächlich gestiegenen Kosten gerechtfertigt sind), so liegt angesichts des im Vergleich zur Transaktion mit B gestiegenen Gewinns Preisdiskriminierung vor. Der Anbieter macht, sofern seine Prognose zugetroffen hat und A den Preis auch tatsächlich zu zahlen bereit ist, in der Relation mit dem gleichen Produkt einen höheren Gewinn. So greift er Teile der Konsumentenrente des A ab, um seine Produzentenrente und damit letztlich seinen Gewinn zu steigern. In der Tat wird in der Praxis der Aufenthalts- bzw. Wohnort eines Nutzers – etwa eine Wohnadresse in einer wohlhabenderen Wohngegend – als Parameter für seine Zahlungsbereitschaft angesehen.Footnote 15

Ein anschauliches Beispiel für Preisdiskriminierung aufgrund des Herkunftslands von Kunden ist die (frühere) Praxis der unionsweit tätigen Autovermietungen Sixt, Enterprise, Goldcar, Europcar, Hertz und Avis. Diese Unternehmen wurden im Jahr 2014 von der Europäischen Kommission vor dem Hintergrund der Dienstleistungs-RichtlinieFootnote 16 aufgefordert, ihre dahingehende Vorgehensweise zu beenden, Verbraucher aus verschiedenen Mitgliedstaaten preislich zu diskriminieren.Footnote 17 Der Vorwurf bestand darin, dass von Mietwageninteressenten je nach Herkunftsland online für die gleiche Leistung verschiedene Preise verlangt wurden, ohne dass dies für die Anbieter mit unterschiedlichen Kosten verbunden war.Footnote 18 Beispielsweise erfuhr ein Mietinteressent aus Deutschland bei der Online-Anmietung eines Autos im Vereinigten Königreich einen Preisaufschlag von 100 %, nachdem er während der Buchung sein Herkunftsland angegeben hatte. Die Europäische Kommission führt in ihrer Pressemitteilung aus: „Die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen länderspezifischen Internetseiten ein und derselben Autovermietung können erheblich sein. Doch oft bestehen sie für die gleiche Dienstleistung am gleichen Standort und von demselben Anbieter. Die Kosten für die Erbringung solcher Dienste dürften sich daher nicht aufgrund des Wohnsitzes des Kunden erheblich unterscheiden. Eine unterschiedliche Behandlung von Verbrauchern aus verschiedenen EU-Ländern ist somit nicht gerechtfertigt.“Footnote 19 Sie stellt damit auch auf das Verhältnis zwischen Kosten und Gewinn der Anbieter ab und macht deutlich, dass unterschiedliche Preise aufgrund unterschiedlich hoher Kosten unproblematisch wären. Freilich gilt es hier zu beachten, dass diese Aussage nicht ohne Weiteres auf inländische Sachverhalte übertragen werden kann, da sie im Kontext der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union getätigt wurde. Ähnliche Vorwürfe hatte die EU-Kommission auch im Jahr 2003 vor dem Hintergrund zahlreicher Verbraucherbeschwerden gegenüber Luftfahrtunternehmen erhoben.Footnote 20 Auch diese sollen Kunden aufgrund ihres Wohnsitzes preislich diskriminiert haben, was zu Preisunterschieden von bis zu 300 % für identische Flugtickets geführt hat.Footnote 21

Das zweite Charakteristikum der Definition von Stigler ist die Verwendung des Begriffs „similar“. Er selbst präsentiert keine vertiefte Erläuterung dieses Begriffs. Nach hiesigem Verständnis wird damit deutlich gemacht, dass Preisdiskriminierung auch dann vorliegen kann, wenn die Produkte bzw. Dienstleistungen, welche an verschiedene Kunden zu verschiedenen Preisen verkauft werden, nicht völlig identisch sind. Es geht stattdessen darum, ob es sich aus Sicht der Kunden im Kern um das gleiche Produkt handelt, welches mehr oder weniger stark modifiziert wurde oder unter verschiedenen Bedingungen angeboten wird. Die Produkte müssen so ähnlich sein, dass sie grundsätzlich austauschbar sind, auch wenn sie als unterschiedlich hochwertig wahrgenommen werden. Durch das Abstellen auf „Ähnlichkeit“ werden mehr Sachverhalte vom Begriff der Preisdiskriminierung erfasst. In diesem Sinne führt auch die OECD zutreffend aus: „The meaning of the word ‘similar’ in this definition is important, since products may differ in quantity, quality, purpose, over time, and in the circumstance in which they are sold.“Footnote 22

Dieser offene und damit auslegungsbedürftige Begriff führt zu einer gewissen Unschärfe der Definition, da der Übergang vom „ähnlichen“ zum nicht mehr ähnlichen Produkt fließend ist und eine genaue Abgrenzung in Einzelfällen schwierig sein dürfte. Ihrer Bestimmung wohnt immer auch eine wertende Komponente inne. Ein wesentlicher Vorteil ist allerdings, dass nur so auch die Fälle des sog. Versionings erfasst sind.Footnote 23 Versioning ist ein Unterfall von Preisdiskriminierung 2. Grades und bedeutet, dass das an sich gleiche Produkt in Ausführungen verschiedener Qualität vermarktet wird. Der Kunde wählt „seinen Preis“ dadurch aus, dass er sich für eine Variante entscheidet (sog. Selbstselektion). Durch das Anbieten unterschiedlicher Qualitätsstufen werden verschiedene Kundengruppen mit verschiedenen Präferenzen angesprochen.Footnote 24 Ein alltägliches Beispiel hierfür sind Bücher, die als Taschenbuch und als gebundene Ausgabe auf den Markt kommen.Footnote 25 Inhaltlich sind diese Ausgaben identisch, da sie denselben Text beinhalten. Dem typischen Käufer wird es in aller Regel primär um das Lesen des Buchs als solches gehen. Die Produkte sind also im Sinne der Definition „ähnlich“. Die gebundene Ausgabe wird als höherwertiger wahrgenommen und deutlich teurer verkauft. Der Preisaufschlag geht dabei typischerweise deutlich über die Mehrkosten des Produzenten für die aufwändigere Herstellung hinaus, womit sein Gewinn steigt.Footnote 26 Diese in der Relation höheren Gewinnmargen bei den höherwertigen Varianten eines Produkts sind beim Versioning typisch.Footnote 27 Preisdiskriminierung liegt nach der hier verwendeten Definition vor, da das gleiche (bzw. nach der hier verwendeten Definition „ähnliche“) Produkt an verschiedene Kunden zu verschiedenen Preisen verkauft wird und dabei Gewinne produziert werden, die in unterschiedlicher Relation zu den angefallenen Kosten stehen.Footnote 28 Diese Art der Marktsegmentierung durch Produktdifferenzierung kann auch durch eine künstliche Verschlechterung des Produkts herbeigeführt werden. So hat IBM in den 1990er-Jahren seinen „LaserPrinter Series E“ in zwei Versionen verkauft, wobei die günstigere Variante langsamer gedruckt hat als die (doppelt so) teure. Um diesen Effekt herbeizuführen, hatte IBM in die eigentlich „schnelle“ Variante des Druckers einen Chip eingebaut, der den Druckvorgang künstlich verlangsamt hat.Footnote 29 Abgesehen davon waren die Modelle baugleich. Die Kunden konnten nach ihrer Präferenz auswählen, ob sie lieber den schnell druckenden, teuren, oder den langsamen und dafür günstigen Drucker kaufen möchten. Die höhere Gewinnmarge pro Stück ist in diesem Fall besonders deutlich: Abgesehen von den zusätzlichen, vermutlich zu vernachlässigenden Kosten für den Chip und seinen Einbau stellt die komplette Differenz zwischen dem günstigen und dem hochwertigen Modell einen zusätzlichen Gewinn für IBM dar. Da es sich um „ähnliche“ Produkte gehandelt hat, liegt Preisdiskriminierung nach der hier vertretenen Definition vor.

3. Value-based Pricing und risk-based Pricing

Im Folgenden wird unter Preisdiskriminierung in der Gestalt von Preispersonalisierung die Situation verstanden, dass der Preis für ein bestimmtes Gut bzw. für eine bestimmte Dienstleistung in Abhängigkeit von der mit den Methoden des Profilings „berechneten“ bzw. vermuteten Zahlungswilligkeit des Kunden, also seinen Präferenzen, festgesetzt wird (sog. value-based Pricing).Footnote 30 Der Preis orientiert sich also nicht (nur) an den entstandenen Kosten, sondern auch an der Zahlungswilligkeit des Betroffenen. Dementsprechend werden die Fälle ausgenommen, welche unter den Begriff risk-based Pricing fallen. Letzteres liegt vor, wenn verschiedene Preise verschiedene Risiken für den Anbieter widerspiegeln.Footnote 31 Klassisches Beispiel hierfür sind Versicherungen, bei denen der individuell verlangte Tarif (zumindest auch) von individuellen Risikofaktoren abhängt. Je nach Art der Versicherung haben solche Faktoren wie Alter oder Wohnort des Versicherungsnehmers Einfluss auf die verlangte Versicherungsprämie. Im Gegensatz zu diesen relativ groben, verallgemeinernden Faktoren gibt es auch stärker individualisierte Modelle, z. B. Telematik-Tarife für Kraftfahrzeuge. Bei diesen wird die zu zahlende Prämie noch stärker an den jeweiligen Versicherungsnehmer angepasst, indem sein Fahrverhalten beispielsweise durch eine im Auto installierte „Telematik-Box“ oder anhand einer Smartphone-App erfasst wird und je nach Fahrstil (z. B. Brems- und Beschleunigungsverhalten) und festgestellter Risikofreude des Fahrers im Laufe der Zeit angepasst wird.Footnote 32 Sofern die im Einzelfall bestimmten Preise bloß Ausdruck des Risikos sind, welches die Versicherung abdeckt, die relative Gewinnmarge aber bei den verschiedenen Kunden grundsätzlich gleich bleibt, liegt keine Preisdiskriminierung (und dementsprechend erst recht keine Preispersonalisierung) vor.

II. Voraussetzungen für Preisdiskriminierung

Um Preisdiskriminierung betreiben zu können, müssen grundsätzlich drei Voraussetzungen gegeben sein: Der Anbieter muss ein gewisses Maß an Marktmacht innehaben; er muss in der Lage sein, Arbitrage (also den Weiterverkauf des Gutes bzw. der Dienstleistung) zu verhindern oder zumindest zu beschränken; und er muss (zumindest ungefähre) Kenntnis des Reservationspreises seiner Kunden haben.

1. Gewisser Grad an Marktmacht

Solange perfekter Wettbewerb herrscht, kann ein Anbieter grundsätzlich nicht auf Dauer erfolgreich Preise verlangen, welche vom Marktpreis abweichen. Der Marktpreis entspricht in diesem hypothetischen Modell den Grenzkosten. Um überhaupt Preise setzen zu können, welche von diesem Wert abweichen, muss ein Unternehmen zwingend ein gewisses Maß an Marktmacht innehaben.Footnote 33 Letzteres gilt demzufolge auch, wenn der Anbieter Preisdiskriminierung betreibt.Footnote 34 Die notwendige Marktmacht kann im Online-Bereich z. B. aus hohen Wechselkosten für Kunden, Skaleneffekten, Verbundvorteilen, Intransparenz oder Netzwerkeffekten resultieren.Footnote 35 Allerdings besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Marktmacht von Unternehmen und dem Ausmaß ihres Einsatzes von Preisdiskriminierung.Footnote 36 Aus der Marktmacht des Unternehmens lassen sich also keine pauschalen Schlüsse ziehen: Auch Unternehmen mit eher geringer Marktmacht können differenzierte Preise verlangen. Dies überrascht nicht, denn auf den meisten Märkten ist Preisdiskriminierung der Regelfall und kommt unabhängig von der Unternehmensgröße zum Einsatz.Footnote 37

Diese Erkenntnisse sind für die Einordnung und Bewertung der rechtlichen Zulässigkeit von Preisdiskriminierung im Online-Handel relevant. Ein Unternehmen muss nicht im kartellrechtlichen Sinne marktbeherrschend sein, um Preisdiskriminierung betreiben zu können. Zugleich lässt sich aus dem Umstand, dass ein Unternehmen Preisdiskriminierung betreibt, nicht auf besondere Marktmacht oder gar Marktbeherrschung schließen. Hieraus folgt wiederum, dass die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit von Preisdiskriminierung keinesfalls in jeder Konstellation auch eine kartellrechtliche ist.

2. Verhinderung von Arbitrage

Preisdiskriminierung ist nur möglich, wenn Arbitrage, also „die Möglichkeit, Preisunterschiede risikofrei zur Gewinnerzielung zu nutzen“,Footnote 38 per se ausgeschlossen oder praktisch eingeschränkt ist. Der vom Anbieter angestrebte Effekt von Preisdiskriminierung – die Steigerung der Produzentenrente bzw. des Gewinns durch Abschöpfung der Konsumentenrente – kann auf längere Sicht gesehen nicht eintreten, wenn Kunden, die ein Gut (oder eine Dienstleistung) zu einem bestimmten Preis gekauft haben, dieses für einen höheren Preis an andere Kunden weiterverkaufen, welche beim selben Anbieter sonst einen noch höheren Preis gezahlt hätten.Footnote 39 Dies gilt für alle Formen von Preisdiskriminierung. Gewährt ein Anbieter z. B. Mengenrabatt (Preisdiskriminierung 2. Grades), wird der für ihn positive Effekt langfristig wieder reduziert oder gänzlich zunichte gemacht, wenn einzelne Kunden größere Mengen des Produkts kaufen – wodurch für sie der Stückpreis sinkt – und es dann stückweise zu einem Preis weiterverkaufen, der über dem von ihnen gezahlten Stückpreis, aber unter dem Einzelpreis des Anbieters liegt.Footnote 40 Ein praktisches Beispiel für Arbitrage ist der Parallelimport von Arzneimitteln: Wenn die Hersteller diese in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Preisen verkaufen, erschwert der Bezug der Produkte aus „günstigeren“ Drittländern diese Form von Preisdiskriminierung.Footnote 41

Ein solcher Weiterverkauf zwischen den Kunden muss also unmöglich sein oder aus anderen Gründen nicht oder nur eingeschränkt stattfinden, damit Preisdiskriminierung funktionieren kann. Die Art des Gutes spielt eine entscheidende Rolle. Bei vielen beweglichen Gütern ist der Weiterverkauf grundsätzlich unproblematisch möglich und Arbitrage aus Sicht des Anbieters durchaus ein potenzielles Hindernis.Footnote 42 Bei manchen Gütern, wie z. B. solchen, die verderblich sind oder deren Weiterverkauf mit besonders hohen Transaktionskosten einhergeht, ist Arbitrage hingegen per se unmöglich oder eingeschränkt.Footnote 43 Dies gilt vor allem auch für viele Arten von offline genutzten Dienstleistungen, bei denen der Kunde konkret benannt und nicht ohne Weiteres austauschbar ist. Beispiele dafür sind die Buchung eines Hotelzimmers sowie der Kauf von Flugtickets bzw. personengebundenen Frühbuchertickets bei der Bahn.Footnote 44 Das letztgenannte Beispiel (Sparangebote der Bahn) zeigt anschaulich das Bestreben, Arbitrage durch gezielte Maßnahmen zu verhindern: Weil die Tickets personengebunden sind, kann kein Zweitmarkt entstehen. Für die Erbringung der Dienstleistung ist die Personalisierung aber unnötig.Footnote 45 Für den Anbieter gibt es verschiedene weitere Möglichkeiten, Arbitrage aktiv zu unterbinden: So kann er z. B. den Verkauf eines Produkts an Dritte oder Reimporte vertraglich untersagen oder Garantie- und Serviceleistungen im Falle des Weiterverkaufs einschränken.Footnote 46 Auch das Personalisieren des Produkts senkt die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit des Weiterverkaufs.

3. Kenntnis des Reservationspreises

Die dritte zwingende Voraussetzung für Preisdiskriminierung ist Kenntnis des Reservationspreises der Kunden. Der Anbieter muss zumindest näherungsweise erkennen können, wie viel dem Kunden oder bestimmten Kundengruppen ein konkretes Gut bzw. eine Dienstleistung wert ist. Dementsprechend kann er mit Preisdiskriminierungsmaßnahmen keinen Erfolg haben, wenn alle Kunden anonym sind und ein homogenes Kaufverhalten an den Tag legen.Footnote 47

Perfekte Preisdiskriminierung, für die u. a. die exakte Kenntnis des Reservationspreises eines bestimmten Kunden notwendig ist, ist aus verschiedenen Gründen auch in einer digitalisierten Welt nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Im Standardmodell der neoklassischen Theorie ergibt sich der Reservationspreis als Ausdruck der maximalen Zahlungswilligkeit der Kunden rein nach ihren Präferenzen.Footnote 48 Diese sind subjektiv und dementsprechend heterogen. Sie bestimmen sich u. a. nach dem erwarteten Nutzen, den der Kauf mit sich bringen wird. Die Präferenzen – und die daraus resultierende Wertschätzung eines Produkts bzw. einer Dienstleistung – werden aber darüber hinaus auch von den Vorstellungen der Kunden über die Eigenschaften des Kaufgegenstands beeinflusst. Fehlvorstellungen schlagen auf die Höhe des Reservationspreises durch, sofern die Kunden etwa aufgrund von Unwissenheit (oder auch aufgrund einer Täuschung bzw. Irreführung) von einer falschen Tatsachengrundlage ausgehen.Footnote 49 Fehlvorstellungen können sich auch auf das eigene zukünftige Verhalten des Kunden beziehen und so bei diesem beispielsweise einen Reservationspreis bewirken, der eigentlich zu hoch ist. So überschätzen Kunden von Fitnessstudios in vielen Fällen ihre Selbstdisziplin, was zu einer irrationalen, weil ökonomisch situativ nicht optimalen Auswahl bei mehreren zur Wahl gestellten Vertragsoptionen (etwa mit unterschiedlicher Laufzeit bzw. Kündigungsmöglichkeiten) führt.Footnote 50 Der Schwerpunkt der Fehlvorstellung kann sich auch auf den verlangten Preis beziehen. Ein Beispiel dafür sind etwa Säumnisgebühren, die unter Umständen im Rahmen der Nutzung einer Kreditkarte von der Bank verlangt werden können. Fallen diese wider Erwarten an – weshalb der vom Karteninhaber zu zahlende Geldbetrag planwidrig steigt –, lag de facto eine preisliche Fehlvorstellung beim Kunden vor.Footnote 51

Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass das Zustandekommen des Reservationspreises von ganz verschiedenen Faktoren abhängt. Er ist aufgrund seines subjektiven Charakters situativ, oftmals irrational, fehleranfällig und Schwankungen unterworfen.Footnote 52 Dennoch stehen Anbietern mittlerweile immer bessere technische Möglichkeiten zur Verfügung, die es zumindest in der Theorie erlauben, die Reservationspreise konkreter Kunden näherungsweise zu bestimmen. Nach gegenwärtigem Stand der Technik basiert dies nahezu immer auf Pauschalierungen, Schätzungen und Hochrechnungen und lässt sich damit in der Regel unter den Begriff des Profilings i. S. v. Art. 4 Nr. 4 DSGVO subsumieren.

Stets ist es notwendig, dass die Kunden entweder aus Sicht des Anbieters unterscheidbar sind oder ihre unterschiedlichen Präferenzen selber durch ihr Kaufverhalten nach außen zu erkennen geben.Footnote 53 Der letztgenannte Fall wird als Selbstselektion bezeichnet. Der Preis wird in dieser Konstellation nicht aktiv an den konkreten Kunden angepasst (etwa aufgrund von dessen Alter, Status, Gruppenzugehörigkeit, erkannter oder vermuteter Präferenzen). Stattdessen wählt der Kunde „seinen“ Preis aus mehreren, vom Anbieter jedermann angebotenen Optionen aus. Selbstselektion ist damit von ihrer Grundkonzeption her datenschutzrechtlich neutral, da der Anbieter keinerlei Informationen über den konkreten Kunden benötigt.

Wenn man die Kenntnis des Reservationspreises als Voraussetzung für Preisdiskriminierung betrachtet, ist es zunächst unerheblich, wie er allgemein und im Einzelfall zustande kommt. Für den Anbieter kommt es nur auf die Höhe an – und darauf, diese möglichst präzise erkennen zu können. Der Reservationspreis wird im Rahmen von ökonomischen Untersuchungen in der Regel als fixes Datum behandelt. Das Gesagte zeigt aber, dass Anbieter auf ihn durchaus Einfluss nehmen können: Eine Beeinflussung, eventuell Manipulation des Kunden mittels Einwirken auf seine Vorstellungen kann diesen zu einer Zahlungsbereitschaft verleiten, die eigentlich nicht von seinen Präferenzen gedeckt ist.Footnote 54

III. Arten von Preisdiskriminierung

Seit den Ausführungen von Pigou werden in der Ökonomie drei verschiedene Grade von Preisdiskriminierung unterschieden.Footnote 55 Auch die vorliegende Arbeit orientiert sich an dieser Einteilung. Sie ist neutral und beschreibend. Ihr wohnt weder eine Wertung noch eine Aussage über die jeweilige rechtliche Zulässigkeit oder Fragen der Verteilungsgerechtigkeit inne. Nicht alle Formen von Preisdiskriminierung lassen sich eindeutig in die im Folgenden dargestellte Klassifizierung einordnen, zumal sehr häufig Mischformen vorkommen.Footnote 56 Auch ist in vielen Fällen nicht klar bestimmbar, ob überhaupt Preisdiskriminierung vorliegt oder ob ein bestimmter Preis das Ergebnis dynamischer Preisfestsetzung ist (sog. Dynamic Pricing).Footnote 57 Im letztgenannten Fall ist der sinkende oder steigende Preis bloßer Ausdruck von Angebot und Nachfrage und stellt damit gerade keine Preisdiskriminierung angesichts verschiedener Käufer oder Käufergruppen dar.Footnote 58 Diese Art von dynamischer Preissetzung wird häufig in Echtzeit umgesetzt, womit eine Abgrenzung von Preisdiskriminierung in der Praxis oftmals schwierig ist.

Bereits an dieser Stelle werden erste Einschätzungen getroffen, welche Rolle das Datenschutzrecht spielt, wenn Anbieter Preisdiskriminierung betreiben. Für diesen Zweck ist der Blick auf die Grundprinzipien, die sich aus der von Pigou vorgenommenen Einteilung ergeben, sehr nützlich, auch wenn ihnen eine gewisse Verallgemeinerung innewohnt. Es wird im Folgenden aus Gründen der Einfachheit unterstellt, dass der Anbieter zugleich der datenschutzrechtlich Verantwortliche gem. Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist. Zudem wird die betroffene Person i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO als Kunde bezeichnet. Gemeint ist damit ein tatsächlicher Käufer bzw. ein Kaufinteressent einer vom Anbieter online angebotenen Ware oder Dienstleistung.

1. Preisdiskriminierung 1. Grades

a. Definition

Preisdiskriminierung 1. Grades (sog. perfekte Preisdiskriminierung) liegt vor, wenn der Anbieter von jedem Kunden für ein konkretes Gut bzw. eine konkrete Dienstleistung exakt den Reservationspreis verlangen kann.Footnote 59 Neben den bereits beschriebenen, allgemeinen Voraussetzungen ist es also notwendig, dass der Anbieter genaue Kenntnis über die Präferenzen des Kunden hat. Preisdiskriminierung 1. Grades ist (nahezu) immer ein rein hypothetisches Modell, da es kaum möglich ist, den Reservationspreis des Einzelnen eindeutig zu bestimmen.Footnote 60

Praktische Fälle von Preisdiskriminierung 1. Grades sind dementsprechend äußerst rar.Footnote 61 Ein Beispiel, welches dem Konzept eines individuell „maßgeschneiderten“ Preises zumindest nahe kommt, sind Studiengebühren für private Universitäten in den USA. Dabei ist es nicht unüblich, dass Studienplatzbewerber (und ihre Eltern) den Hochschulen gegenüber ihre finanzielle Lage detailliert offenlegen. Diese und andere Kriterien – wie z. B. das zu erwartende spätere Einkommen des Bewerbers oder sein Abschneiden in einem Eignungstest – werden herangezogen, um die regulären Studiengebühren mittels der Vergabe von Stipendien, individuellen Nachlässen etc. an die Zahlungsfähigkeit bzw. Zahlungswilligkeit des Bewerbers anzupassen und ggf. abzusenken.Footnote 62 Diese Art der Preissetzung ist nicht immer „perfekt“, da es auch Bewerber gibt, die bereit wären, mehr als diesen errechneten Preis zu bezahlen.Footnote 63

Auch wenn Profiling und verwandte Methoden dem Anbieter bei Vorliegen von ausreichend Datenmaterial gewisse Erkenntnisse über die Zahlungsbereitschaft eines Kunden vermitteln können, handelt es sich letztlich meistens nur um eine ungefähre Annäherung an den Reservationspreis.Footnote 64 Dies kommt daher, dass nach momentanem Stand der Technik in der Regel nur grob zwischen verschiedenen Käufergruppen mit jeweils unterschiedlicher Zahlungsbereitschaft unterschieden werden kann.

b. Datenschutzrechtliche Relevanz

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist für Preisdiskriminierung 1. Grades der Umstand prägend, dass der Anbieter – die technische Machbarkeit der Berechnung des Reservationspreises unterstellt – zwingend personenbezogene Daten des Kunden verarbeiten muss. Konzeptionell ist sie ohne Informationen über den individuellen Kunden nicht durchführbar, denn der Preis wird ja gerade an ihn als Individuum angepasst. Die Informationen, aus denen sich der Reservationspreis ergibt, müssen sich also zwingend „auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person“Footnote 65 beziehen und sind mithin personenbezogene Daten. Es ist hierbei unerheblich, mit welcher Methode der Reservationspreis genau bestimmt wird. Spätestens in dem Moment, wenn einem konkreten Kaufinteressenten ein individualisierter Preis zugewiesen und angeboten wird, ist der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung gem. Art. 2 I DSGVO eröffnet.Footnote 66

2. Preisdiskriminierung 2. Grades

a. Definition

Preisdiskriminierung 2. Grades bedeutet, dass der Preis nicht von der Person des Kunden und dessen Eigenschaften abhängig gemacht wird, sondern davon, wie viele Einheiten des Produkts er kauft.Footnote 67 Der klassische Fall ist der, dass der Stückpreis für ein Gut bei steigender Abnahmemenge sinkt (Mengenrabatt), weshalb auch von nicht-linearer Preissetzung gesprochen wird. Kaufen verschiedene Kunden die gleiche Menge des Gutes, so zahlen sie jeweils den gleichen Preis; kaufen sie verschiedene Mengen des Gutes, kann der Stückpreis variieren. Der im Wesentlichen gleiche Effekt tritt bei sog. zweiteiligen Tarifen auf. Von solchen spricht man, wenn jeder Kunde einen fixen Grundpreis zahlt, zu dem je nach individuellem Konsum weitere, variable Kosten hinzukommen, wie es etwa bei Telefontarifen teilweise der Fall ist. Mit steigendem Konsum wird der Stückpreis des konsumierten Guts – wie auch beim klassischen Mengenrabatt – immer niedriger.Footnote 68

Preisdiskriminierung 2. Grades ist aber nicht notwendig rein quantitativer Natur. Auch das bereits beschriebene Versioning, also das Anbieten des im Kern gleichen Produkts in qualitativ unterschiedlichen Ausführungen, wird unter diesen Begriff subsumiert.Footnote 69 Ökonomisch betrachtet ist Versioning vergleichbar mit dem Gewähren von Mengenrabatt.Footnote 70 Der Kunde selbst trifft die Entscheidung, welchen Preis er zahlt, indem er die für ihn passende Qualitätsstufe kauft. Er wählt „seinen“ Preis aus den ihm vorliegenden Optionen selber aus. Es geht dem Anbieter darum, durch das Bereitstellen verschiedener Angebote die Kunden nach ihrer Zahlungsbereitschaft zu sortieren: Kunden mit hoher Zahlungsbereitschaft sollen dazu gebracht werden, die höherwertigen Produkte zu kaufen; Kunden mit niedriger Zahlungsbereitschaft sollen dazu gebracht werden, die qualitativ weniger hochwertigen Produkte zu kaufen.

Auf diese Weise versuchen z. B. Fluggesellschaften, zwischen privat und geschäftlich reisenden Passagieren zu differenzieren und die Preise für Flugtickets an die Zahlungsbereitschaft bestimmter Kundengruppen anzupassen.Footnote 71 Diese Art von Gewinnmaximierung wird auch als Yield Management bezeichnet. Es werden dabei ganz verschiedene Methoden kombiniert verwendet,Footnote 72 von denen sich einige unter den Begriff der Preisdiskriminierung 2. Grades subsumieren lassen. So richten sich Flugtickets, bei denen Hin- und Rückflug unter der Woche stattfinden, eher an Geschäftsleute und sind im Schnitt dementsprechend deutlich teurer als Flüge über das Wochenende, welche eher von privat Reisenden (z. B. Touristen) gekauft werden, die in der Regel eine niedrigere Zahlungsbereitschaft aufweisen.Footnote 73 Es handelt sich dabei nicht um Preisdiskriminierung 1. Grades, denn der Reservationspreis des Einzelnen ist der Fluggesellschaft nicht bekannt. Stattdessen wählt jeder Reisende „seinen“ Preis selber aus, indem er sich für einen konkreten Flug entscheidet. Nicht immer, aber im Durchschnittsfall wird die Fluggesellschaft so von den Geschäftsleuten einen höheren Preis als von den privat Reisenden verlangen können. Aus demselben Grund spielt es für den Preis des Tickets typischerweise eine Rolle, wie lange im Vorhinein es gekauft wird.Footnote 74 Je kurzfristiger die Buchung erfolgt, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich um einen weniger preissensitiven Käufer, wie etwa einen geschäftlich Reisenden, handelt. Gerade der letztgenannte Aspekt (steigende Preise bei näherrückendem Abflugdatum) ist zugleich Ausdruck von sog. dynamischer Preisfestsetzung (Dynamic Pricing), also des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage: Je weniger Tickets noch verfügbar sind, desto teurer werden sie.Footnote 75

Diese Arten von Preisdifferenzierung führen dazu, dass Passagiere im selben Flieger in der gleichen Buchungsklasse unterschiedliche Preise für ihr Ticket gezahlt haben, obwohl die Kosten der Fluggesellschaft für den Transport jeweils gleich groß sind. Die verschiedenen angebotenen Buchungsklassen („Economy“, „Business“ etc.) sind zudem typisch für Versioning als Variante von Preisdiskriminierung 2. Grades. Das im Kern gleiche Produkt wird qualitativ in verschiedenen Varianten angeboten: Reisende in der Business Class erhalten im Vergleich zu denen in der Economy Class verschiedene Arten von Annehmlichkeiten, zahlen dafür aber überproportional mehr.Footnote 76 Qualitative Preisdiskriminierung liegt auch dann vor, wenn ein Flugticket dahingehend flexibel ist, dass der Flug umgebucht werden kann.

An den aufgeführten Beispielen zeigt sich, dass der für Preisdiskriminierung 2. Grades wesentliche Grundsatz der Selbstselektion sich auf verschiedene Aspekte des Produktes beziehen kann (quantitative, qualitative, zeitliche etc.). Allen genannten Beispielen ist zudem gemein, dass die Höhe der verlangten Preise nicht davon abhängig gemacht wird, wer im Einzelfall tatsächlich das Ticket bucht: Auch ein Geschäftsreisender zahlt den günstigeren „Touristentarif“, wenn die Geschäftsreise sich über ein Wochenende erstreckt, und auch ein Tourist mag bereit sein, den höheren Preis für kurzfristig gebuchte Tickets oder für solche in der „Business Class“ zu zahlen. Es werden also zwar Gruppen von Passagieren mit unterschiedlicher Preissensitivität gebildet (Geschäftsleute und privat Reisende) und die Preise dementsprechend gesetzt. Ob die Gruppenzugehörigkeit auch im Einzelfall zu bejahen ist, weiß die Fluggesellschaft in den genannten Beispielen aber nicht. Hätte sie positive Kenntnis von der Gruppenzugehörigkeit eines konkreten Kunden und würde den Preis darauf aufbauend individualisieren, z. B. während des Buchungsvorgangs, läge Preisdiskriminierung 3. GradesFootnote 77 vor.

b. Datenschutzrechtliche Relevanz

Um Preisdiskriminierung 2. Grades zu betreiben, müssen dem Anbieter von ihrer Grundkonzeption her keine Informationen über den jeweiligen Kunden vorliegen. Da dieser „seinen“ Preis selber auswählt (sog. Selbstselektion), ist diese Vorgehensweise datenschutzrechtlich grundsätzlich neutral. Der Preis wird nicht an den Kunden angepasst; die Kunden sind aus Sicht des Anbieters austauschbar, ohne dass dies die Preisgestaltung beeinflussen würde. Es handelt sich damit um eine „indirekte“ Form der Diskriminierung.Footnote 78 Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen von Preisdiskriminierung 1. und 3. Grades. Bei diesen ist es möglich, dass der Kunde den Preissetzungsmechanismus des Anbieters (selber oder mit technischen Hilfsmitteln) durchschaut und dahingehend zu seinem Vorteil nutzt, dass er eine niedrigere Zahlungsbereitschaft vorgibt, als bei ihm eigentlich besteht.Footnote 79 Dies ist nur möglich, weil der Preis an den konkreten Käufer angepasst wird. Bei Preisdiskriminierung 2. Grades ist eine derartige Täuschung des Anbieters nicht möglich. Die Preise werden von ihm abstrakt vorgegeben. Dies macht ihn unabhängig davon, ob er Zugriff auf personenbezogene Daten über seine Kunden hat oder nicht. Zugleich kann ein Anbieter durchaus damit werben, dass er sich besonders „datensparsam“ verhält und von Personalisierung jedweder Art absieht. Mit Blick auf diejenigen Kunden, die gesteigerten Wert auf Datenschutz und den Schutz ihrer Privatsphäre allgemein legen, dürfte diese Aussage durchaus einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Aus Sicht des Anbieters stellt sich letztlich die Frage, welches Geschäftsmodell für ihn lukrativer ist: Das werbewirksam „datensparsame“ oder dasjenige, welches im größtmöglichen Umfang von Personalisierung Gebrauch macht und dementsprechend auf anderen Wegen den Umsatz steigert.

Die eben beschriebene „Unabhängigkeit“ vom Zugang zu personenbezogenen Daten gilt zum einen gegenüber den Kunden. Zugleich besteht sie gegenüber Wettbewerbern: Umfassender Zugang zu personenbezogenen Kundendaten bringt im Rahmen von Preisdiskriminierung 2. Grades keinen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil. Allerdings benötigt der Anbieter Daten auch bei Preisdiskriminierung 2. Grades: Er muss zwar nicht wissen, welche Eigenschaften ein konkreter Käufer hat oder welche Gruppenzugehörigkeit er aufweist. Dennoch ist er darauf angewiesen, die Marktgegenseite dahingehend zu kennen, dass er sein Angebot auf bestimmte Käufergruppen zuschneiden kann. Personenbezogene Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind dafür grundsätzlich nicht notwendig, wohl aber abstrakte (ggf. anonymisierte) Vergleichsdaten nach dem Verständnis des hier verwendeten Modells.Footnote 80

Die grundsätzlich festgestellte datenschutzrechtliche Neutralität von Preisdiskriminierung 2. Grades gilt allerdings nicht ausnahmslos. So sind etwa bestimmte Fälle des Versionings durchaus datenschutzrechtlich relevant. In der Digitalökonomie gibt es eine erkennbare Tendenz zu einer stärkeren Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen. Um ein Produkt für einen konkreten Kunden zu personalisieren, ist die Verarbeitung personenbezogener Daten notwendig. Dies kann, je nach Fallgestaltung, durchaus als spezielle, singuläre – also kundenbezogene – Form der qualitativen Produktvariation (Versioning) beschrieben werden.Footnote 81 Der Anbieter passt sowohl den Preis als auch das Produkt mithilfe der Verarbeitung personenbezogener Daten an. Diese Situation ist besonders: Das für Preisdiskriminierung 2. Grades typische „passive“ Reagieren der Anbieter-Seite auf die Präferenzen der Nachfragerseite nimmt in diesen Fällen eine andere Gestalt an. Das Angebot wird nicht mehr nur abstrakt an die Bedürfnisse der Marktgegenseite angepasst, sondern zugleich für den einzelnen Kunden personalisiert. Sofern der Anbieter den Preis dabei (auch) in Abhängigkeit von der Zahlungsbereitschaft des konkreten Kunden bestimmt oder anderweitig personenbezogene Daten verarbeitet, besteht datenschutzrechtliche Relevanz.

3. Preisdiskriminierung 3. Grades

a. Definition

Preisdiskriminierung 3. Grades ist die in der Praxis wohl am meisten verbreitete Form differenzierter Preise. Sie liegt vor, wenn verschiedene Gruppen von Kunden für das gleiche Gut bzw. die gleiche Dienstleistung verschiedene Preise zahlen („Gruppenpreise“).Footnote 82 Dabei zahlt jedes Gruppenmitglied den gleichen Preis, unabhängig von der Anzahl der gekauften Einheiten.Footnote 83 Die gemeinsamen Eigenschaften der Gruppenmitglieder stehen im Vordergrund.Footnote 84 Der im Einzelfall verlangte Preis ergibt sich aus der Gruppenzugehörigkeit und wird dem konkreten Kunden vom Anbieter dementsprechend „zugewiesen“. Die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe kann auch vorübergehender Natur sein.Footnote 85 Der Kunde sucht sich also – im Gegensatz zu Preisdiskriminierung 2. Grades – „seinen“ Preis nicht aus. Der individuelle Preis ist stattdessen von der Gruppenzugehörigkeit vorherbestimmt, was freilich voraussetzt, dass der Anbieter diese erkennen kann.Footnote 86

Es geht auch hier darum, den Markt zu segmentieren und verschiedene Nachfragegruppen zu unterscheiden. Je preissensitiver das durchschnittliche Gruppenmitglied ist, desto niedriger ist der verlangte Preis. Anders formuliert führt eine gruppenspezifisch höhere Preiselastizität zu niedrigeren Preisen für die betroffenen Gruppenmitglieder.Footnote 87 Typisches Beispiel sind Studenten- und Seniorenrabatte sowie verschiedene Preise für Käufer mit Wohnsitz in verschiedenen Ländern.Footnote 88 Derlei Gruppenpreise basieren konzeptionell auf Pauschalisierungen, die sich zum einen aus ökonomischen Erkenntnissen und Erfahrungen, häufig aber auch aus Fairness-Gesichtspunkten ergeben. Es wird z. B. pauschal davon ausgegangen, dass Studenten und Senioren weniger einkommensstark sind als Arbeitnehmer, weshalb von einer höheren Preissensitivität ausgegangen und ihnen ein Rabatt beispielsweise im Theater oder im Kino eingeräumt wird.Footnote 89 Eine Diskriminierung nach Wohnsitz des KundenFootnote 90 basiert auf den unterschiedlichen Pro-Kopf-Einkommen verschiedener Länder und unterstellt, dass der durchschnittliche Wohnsitzinhaber je nach Land eine unterschiedliche Kaufkraft und damit einhergehende Zahlungsbereitschaft aufweist.Footnote 91 Diese Annahmen sind ihrer Natur nach manchmal unzutreffend. So gibt es wohlhabende Studenten, die den Rabatt eigentlich nicht bräuchten, sowie wohlhabende Bürger in ärmeren Ländern und arme Bürger in reicheren Ländern, deren Pro-Kopf-Einkommen nicht dem Landesdurchschnitt entspricht. Je gröber und pauschaler die Gruppen bestimmt werden, desto weiter entfernt sich im Durchschnitt der verlangte Preis vom Reservationspreis der einzelnen Kunden.

Die hier genannten Beispiele (Studentenrabatte etc.) sind typisch für Preisdiskriminierung 3. Grades und in den allgemein bekannten Formen durchaus auch gesellschaftlich akzeptiert. Wie sie zustande kommen, ist für Kunden und andere Marktteilnehmer leicht nachvollziehbar, vor allem wenn ihnen neben der ökonomischen auch eine soziale Komponente innewohnt. Diese Transparenz schafft Akzeptanz bei den Kunden.Footnote 92 Die konkrete Ausgestaltung von Preisdiskriminierung 3. Grades kann aber auch deutlich komplexere und undurchsichtigere Formen annehmen. Die preisrelevanten Gruppen können auch sehr fein gegliedert und speziell sein. Sie können sich überlappen und mit Blick auf die im Rahmen der Preissetzung berücksichtigten Faktoren, also vor allem die Eigenschaften der Gruppenmitglieder, ein theoretisch unbegrenztes Maß an Komplexität annehmen. Dies gilt vor allem, wenn die Gruppenbildung ausschließlich nach ökonomischen Kriterien erfolgt, also grundsätzlich in Abhängigkeit von der Zahlungsfähigkeit und Preiselastizität der Gruppenmitglieder. Daraus folgt auch, dass die relevanten „Kundengruppen“ sich dem unbefangenen Betrachter nicht unbedingt von selbst erschließen müssen. Der soziale Aspekt von Preisdiskriminierung tritt zudem bei einer rein ökonomischen Betrachtungsweise völlig zurück, wenn auch die Preissensitivität der Gruppenmitglieder häufig mit sozialem Status, Alter etc. korrelieren wird.Footnote 93

b. Datenschutzrechtliche Relevanz

Aus Sicht des Datenschutzrechts ergeben sich hieraus mehrere Konsequenzen. Zunächst spielt die Quelle der Informationen eine Rolle, also wie genau der Anbieter von der Gruppenzugehörigkeit erfährt und dieses Wissen nutzt, um den „richtigen“ Gruppenpreis zu verlangen. Hilfreich ist in diesem Kontext die von Zuiderveen Borgesius und Poort beschriebene Kategorisierung von drei Arten der Informationsbeschaffung, die sich Anbieter zu Nutze machen können: Aktive Mitteilung der Daten vom Kunden selbst (Kategorie 1), eigene Erhebung der Daten (Kategorie 2), Erhebung der Daten durch bzw. mithilfe von Dritten (Kategorie 3).Footnote 94 Diese Methoden kommen häufig kombiniert zum Einsatz.

Die erste Kategorie erfasst diejenigen Fälle, bei denen der Kunde die notwendigen Informationen bewusst und freiwillig dem Anbieter gegenüber preisgibt. Dies ist die typische Vorgehensweise bei den weit verbreiteten Gruppenrabatten, wie z. B. beim Studentenrabatt. Die Preisgabe des notwendigen personenbezogenen Datums (in diesem Fall das Bestehen des Studentenstatus) wird dem Betroffenen freigestellt. Er wählt selber aktiv seine Preisgruppe aus, indem er seine Gruppenzugehörigkeit mitteilt oder die Angaben etwa in einem Nutzerprofil bzw. Kundenkonto angibt. Für den Anbieter ist es meistens zudem recht einfach, die getroffene Angabe zu verifizieren.Footnote 95 Ihm kommt es insofern zu Gute, dass Preisdiskriminierung 3. Grades anhand objektiv feststellbarer Kriterien durchgeführt wird. Mit Blick auf das Leitbild der informationellen Selbstbestimmung ist diese Vorgehensweise durchaus positiv zu bewerten: Der Kunde gibt die notwendige Information freiwillig und in Kenntnis der Konsequenzen preis. Er behält insofern die Kontrolle über die sich auf ihn beziehenden personenbezogenen Daten und kann sich (in gewissen Grenzen) auch dafür entscheiden, Informationen zurückzuhalten. Jedem Betroffenen steht es damit frei, „grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“Footnote 96

In der zweiten Kategorie werden die notwendigen personenbezogenen Daten vom Anbieter online gesammelt, ohne dass der Kunde sich unbedingt dieses Umstands bewusst ist und dies möchte.Footnote 97 Ein Anbieter, der Preisdiskriminierung z. B. aufgrund des Wohnsitzes betreiben möchte, bedient sich dafür in der Regel der IP-Adresse des Kunden. Diese gibt nämlich Auskunft über den (ungefähren) Standort des vom Kunden verwendeten Endgeräts und ist ohne Weiteres vom Anbieter erfassbar.Footnote 98 Auf dem Endgerät gespeicherte Cookies oder Beacons dienen zudem u. a. dazu, das Surfverhalten des Kunden zu beobachten und auszuwerten.Footnote 99 Die datenschutzrechtliche Schlüsselfrage ist hier, ob (bzw.: ab wann) die vom Anbieter gesammelten Informationen es erlauben, auf die Identität des Kunden zu schließen, ob also personenbezogene Daten verarbeitet werden i. S. d. Art. 2 I, 4 Nr. 1 DSGVO. Nach hier vertretener Ansicht ist dies bereits in dem Moment der Fall, wenn der Anbieter erstmalig Daten zum Zwecke der Preispersonalisierung erhebt.Footnote 100 Sobald personenbezogene Daten zur Preissetzung verwendet werden, muss eine Rechtsgrundlage gem. Art. 6 I DSGVO für die Datenverarbeitung vorliegen.

Die dritte Kategorie ist eng mit der zweiten verwandt. Sie umfasst die Fälle, in denen Daten über den Kunden von Dritten gesammelt und zusammengeführt werden, ohne dass dies dem Nutzer unbedingt bewusst ist. So können sog. Affiliated Ad Networks oder Affiliated Websites das Surfverhalten einzelner Nutzer anhand von Cookies nachvollziehen und auf diese Weise verschiedene Arten von Informationen sammeln und zusammenführen.Footnote 101 Die drohende Beeinträchtigung der informationellen Selbstbestimmung ist der Natur nach ähnlich wie beim zuvor beschriebenen Datensammeln durch den Anbieter (Kategorie 2): Auch hier werden Daten über den Kunden gesammelt, um daraus für den Anbieter nutzbare Erkenntnisse abzuleiten. Durch den größeren Umfang der Datensammlung steigt potenziell die Gefahr für die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen. Dieser wird „durchschaubarer“, was gerade auch für Preisdiskriminierung genutzt werden kann.

4. Gemeinsamkeiten, Unterschiede und datenschutzrechtliche Überlegungen

Die hier behandelten Arten von Preisdiskriminierung weisen Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Allen ist gemein, dass sie vom Anbieter typischerweise eingesetzt werden, um Konsumentenrente abzugreifen und so den eigenen Gewinn zu steigern. In gewissen Konstellationen kommen zudem soziale Erwägungen hinzu (z. B. besonders günstige Preise für Theaterbesuche von Schulklassen), welche allerdings im Online-Handel in der Regel keine Rolle spielen und deshalb im Folgenden nicht weitergehend behandelt werden.

Im Rahmen der eigentlichen Preisbestimmung stellt bei Preisdiskriminierung 1. und 3. Grades der Kunde den Bezugspunkt für die Preissetzung dar: Sofern die übrigen Voraussetzungen für das Setzen individualisierter Preise vorliegen, hängt es maßgeblich von seinen individuellen Eigenschaften (Preisdiskriminierung 1. Grades) bzw. von seiner Gruppenzugehörigkeit (Preisdiskriminierung 3. Grades) ab, welcher Preis verlangt wird. Daher muss ein Informationsfluss bestehen, der dem Anbieter diese Preisfestsetzung erlaubt: Er benötigt zwingend gewisse relevante Informationen, die sich auf den Kunden beziehen. Diese erhält er entweder vom Kunden selbst oder von Dritten.

Der Reservationspreis einzelner Kunden ist eine Eigenschaft, die nicht unmittelbar und objektiv festgestellt oder beobachtet werden kann. Bei dahingehenden Datenverarbeitungen handelt es sich um Hochrechnungen, also das Erzeugen neuer Daten (welche Auskunft über die Zahlungswilligkeit geben) aus den bereits gegebenen.Footnote 102 Damit geht zwingend die Verarbeitung personenbezogener Daten und mithin die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts einher. Preisdiskriminierung 1. Grades in ihrer „Reinform“, also die genaue Bestimmung des Reservationspreises, stellt ein wertvolles Arbeitsmodell dar. Da die dafür nötigen subjektiven, inneren Präferenzen und Eigenschaften des Betroffenen aber nicht mit der nötigen Genauigkeit „von außen“ bestimmt werden können, handelt es sich in der Praxis in nahezu allen Fällen um ein rein hypothetisches Ziel. Anders verhält es sich mit Preisdiskriminierung 3. Grades, welche praktikabel ist und häufig zum Einsatz kommt. Erkauft wird diese Praktikabilität damit, dass die Verwendung von Gruppenpreisen konzeptionell auf Pauschalisierungen beruht: Die Gruppenzugehörigkeit des Einzelnen wird pauschal mit einem bestimmten Preis verknüpft. Durch das Abstellen auf objektiv feststellbare, äußere Eigenschaften des Kunden, wie z. B. sein Alter, ist Preisdiskriminierung 3. Grades relativ leicht umzusetzen, führt in der Regel aber zu ungenauen Ergebnissen. Eine solche grobe Gruppeneinteilung führt zu Preisen, die dem Reservationspreis des Einzelnen näherkommen als Einheitspreise. Sie stellen aber eben auch nur Näherungswerte dar. Wenn die im Rahmen von Preisdiskriminierung 3. Grades eingesetzten Gruppen feiner, vielschichtiger und zielgenauer werden, kann zumindest in der Theorie preislich eine äußerst hohe Präzision erreicht werden – die Gruppen werden spezieller und der Gruppenpreis nähert sich dem Reservationspreis seiner Mitglieder immer weiter an. Die Bestimmung der Gruppenzugehörigkeit ist Schlüssel für die Bestimmung des Preises. Ohne Kenntnis über zumindest eine Eigenschaft des Betroffenen („Alter?“, „Student?“, „Bestandskunde?“ etc.) ist die Einordnung in die richtige Gruppe unmöglich. Aus diesem Grund werden auch hier zwingend personenbezogene Daten über den konkreten Kunden verarbeitet und das Datenschutzrecht ist anwendbar.

Preisdiskriminierung 2. Grades unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der 1. und 3. Grades. Der Grundsatz der Selbstselektion hat zur Folge, dass es für den Anbieter egal ist, wer kauft – die Käufer sind austauschbar und zahlen alle den gleichen Preis, sofern sie im gleichen Zeitpunkt das Gut bzw. die Dienstleistung in der gleichen Menge, auf der gleichen Qualitätsstufe etc. erwerben. Der Anbieter muss nichts über den konkreten Käufer wissen, was über die für die Kaufabwicklung unbedingt notwendigen Informationen hinausgeht. Preisdiskriminierung 2. Grades hat deshalb keine datenschutzrechtliche Relevanz, sofern sie nicht mit anderen Arten von Preisdiskriminierung oder sonstigen Preissetzungsmethoden, für die die Verarbeitung personenbezogener Daten notwendig ist, kombiniert zum Einsatz kommt. In der Praxis ist Preisdiskriminierung 2. Grades oftmals die „zweitbeste“, aber dafür einzig praktikable Wahl des Anbieters: Wenn er im Einzelfall nicht feststellen kann, wer bei ihm kauft, kann er den Preis nicht individualisieren. Stattdessen richtet er sein Angebot von vornherein auf verschiedene Gruppen von Nachfragern aus.Footnote 103 Er bietet etwa Mengenrabatte oder Preisvorteile bei frühzeitigem Kauf an oder produziert das gleiche bzw. nach hiesiger Definition „ähnliche“ Produkt in verschiedenen qualitativen Ausführungen. Die Käufer offenbaren ihre Gruppenzugehörigkeit selber, indem sie das für sie passende Produkt auswählen und kaufen. Im (in der Regel hypothetischen) Idealfall erreicht der Anbieter mit den verschiedenen Angeboten immer die „richtigen“ Käufer, also diejenigen mit der passenden Zahlungsbereitschaft. Preisdiskriminierung 2. Grades hat für den Anbieter den Vorteil, dass sie von den Kunden in aller Regel nicht als ungerecht wahrgenommen wird, da sie grundsätzlich transparent ist und kein Gefühl der Benachteiligung entsteht.Footnote 104 Auch die datenschutzrechtliche Neutralität ist für Anbieter in der Praxis durchaus vorteilhaft: Es erwachsen für sie weniger rechtliche Verpflichtungen (etwa mit Blick auf datenschutzrechtliche Auskunftsrechte) und Risiken (etwa mit dem Blick auf Bußgelder, vgl. Art. 83 V DSGVO). So führt auch das Office of Fair Trading des Vereinigten Königreichs (seit 2014: Competition and Markets Authority) im Kontext von Online-Preisdiskriminierung aus: „The research and evidence we have collected indicates that businesses are trying to identify different sorts of customer and segment their customer base into fine groups, rather than seeking to identify who individuals are. They are very aware of the potential adverse consumer reaction to actual or perceived invasions of their customers’ privacy“.Footnote 105

Um den Bedürfnissen der Marktgegenseite zu entsprechen, passen die Anbieter also ihr Angebot entsprechend an. Konsequent weitergedacht führt Preisdiskriminierung 2. Grades damit nicht nur zur Anpassung von Preisen, sondern – im Gegensatz zu Preisdiskriminierung 1. und 3. Grades – auch zu einer Veränderung des Angebots. Für den Anbieter wäre der (hypothetische) Idealfall derjenige, dass er es schafft, mit einem fein ausdifferenzierten Angebot möglichst genau die Zahlungsbereitschaft aller Kunden abzudecken. Praktisch ist dies kaum möglich, da Preisdiskriminierung 2. Grades (ebenso wie diejenige 3. Grades) mit Verallgemeinerungen arbeiten muss und zudem den Variationen des Produktangebots Grenzen gesetzt sind. Dennoch besteht strukturell eine Wechselwirkung zwischen beiden Marktseiten, die beim Einsatz von Preisdiskriminierung 1. und 3. Grades in diesem Ausmaß nicht zu erwarten ist. Unter dem Gesichtspunkt der informationellen Selbstbestimmung ist diese Preissetzungsmethode positiv zu bewerten, da sie datenschutzrechtlich neutral ist.