Der folgende Überblick dient dazu, die (möglicherweise) einschlägigen Regelwerke zu eruieren und festzustellen, ob ihnen grundsätzliche Relevanz und Anwendbarkeit im Kontext von Preispersonalisierung zukommt. Im darauf folgenden Kap. 11 erfolgt die eigentliche rechtliche Analyse unter Rückgriff auf das 3-stufige Modell.

I. Datenschutzrecht

1. Datenschutz-Grundverordnung

Sobald zur Personalisierung von Preisen personenbezogene Daten verarbeitet werden, ist die Datenschutz-Grundverordnung anwendbar, Art. 2 I i. V. m. 4 Nr. 1 DSGVO. Es sind keine Methoden denkbar, welche auf allen Stufen gänzlich datenschutzneutral sind. Dies gilt auch, soweit zur Preispersonalisierung pseudonym erhobene oder pseudonymisierte DatenFootnote 1 i. S. d. Art. 4 Nr. 5 DSGVO verarbeitet werden, da diese aufgrund ihrer Personenbeziehbarkeit einen Unterfall der personenbezogenen Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO darstellen.Footnote 2 Die Datenschutz-Grundverordnung, welche als dogmatische Vorlage für das hier vertretene Modell dient, kann mithin auf allen drei Stufen relevant sein.

2. ePrivacy-Richtlinie und Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz

a. Regelungsgehalt der ePrivacy-Richtlinie

Zudem stellt sich die Frage, welche Rolle die datenschutzrechtlichen Vorschriften spielen, die in der Richtlinie 2002/58/EGFootnote 3 (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, sog. ePrivacy-Richtlinie) sowie im deutschen Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-GesetzFootnote 4 enthalten sind. Diese könnten vor allem auf der ersten Stufe des Modells relevant sein. Die ePrivacy-Richtlinie hat ein telekommunikationsrechtliches Sonderregime etabliert. Sie wurde 2009 durch die Richtlinie 2009/136/EGFootnote 5 (sog. Cookie-Richtlinie) geändert und in ihrem Anwendungsbereich erweitert. Ursprünglich sollte zeitgleich mit Erlass der Datenschutz-Grundverordnung die ePrivacy-Richtlinie durch eine ePrivacy-Verordnung ersetzt werden.Footnote 6 Ob bzw. wie dieses Gesetzgebungsvorhaben tatsächlich realisiert werden wird, ist momentan unklar.Footnote 7 Die ePrivacy-Richtlinie „sieht die Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten vor, die erforderlich sind, um einen gleichwertigen Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre und Vertraulichkeit, in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation sowie den freien Verkehr dieser Daten und von elektronischen Kommunikationsgeräten und -diensten in der Gemeinschaft zu gewährleisten.“Footnote 8 Laut ihrem zweiten Erwägungsgrund dient sie nicht nur der Umsetzung von Art. 8 GRCh (Schutz personenbezogener Daten), sondern auch dem Schutz der Privatheit und des Kommunikationsgeheimnisses gem. Art. 7 GRCh.Footnote 9 Insoweit zieht sie ihren Anwendungsbereich weiter als die Datenschutz-Grundverordnung.Footnote 10 Gem. Art. 1 II S. 1 ePrivacy-RL dient sie zur Detaillierung und Ergänzung – und mithin als lex specialisFootnote 11 – der mittlerweile aufgehobenenFootnote 12 Datenschutz-Richtlinie. Aus Art. 95 DSGVO ergibt sich, dass nationale, die ePrivacy-Richtlinie umsetzende Gesetze bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen als sektorspezifisches Datenschutzrecht vorrangig anwendbar sind.Footnote 13

b. Umsetzung von Art. 5 III ePrivacy-Richtlinie

Im Kontext von Preispersonalisierung ist einzig die nationale Umsetzung von Art. 5 III ePrivacy-RL relevant. Dieser wurde durch die Cookie-Richtlinie eingeführtFootnote 14 und richtet sich u. a. an die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft.Footnote 15 Damit sind auch Anbieter nach dem hiesigen Verständnis, also Online-Händler von Waren und Dienstleistungen, als Normadressaten erfasst. Die Norm verpflichtet die Mitgliedstaaten in ihrem Satz 1, sicherzustellen, „dass die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, nur gestattet ist, wenn der betreffende Teilnehmer oder Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen, die er gemäß der [Datenschutz-Richtlinie] u. a. über die Zwecke der Verarbeitung erhält, seine Einwilligung gegeben hat.“ Der Begriff „Einwilligung“ bezeichnet eine Einwilligung im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung, Art. 2 lit. f ePrivacy-RL, 94 II S. 1 DSGVO. Der Ausdruck „Informationen“ erfasst personenbezogene und nicht personenbezogene Daten.Footnote 16 Gem. Art. 5 III S. 2 ePrivacy-RL ist nur im Falle der technischen Erforderlichkeit von Speicherung bzw. Zugriff keine Einwilligung des Betroffenen einzuholen. Klassischer Anwendungsfall ist das Setzen von Cookies auf den Endgeräten von Nutzern bzw. Teilnehmern.Footnote 17 Art. 5 III ePrivacy-RL ist technologieneutral gehalten und erfasst auch andere Arten des Trackings (z. B. Browser Fingerprinting), welche ohne das Setzen bzw. Auslesen von Cookies auskommen.Footnote 18 Da Tracking zum Zwecke der Preispersonalisierung eingesetzt werden könnte, besteht insoweit grundsätzlich Relevanz für die vorliegende Arbeit. Art. 5 III ePrivacy-RL ist in Deutschland seit 1.12.2021 durch § 25 TTDSG umgesetzt.

c. § 15 III TMG a. F.

Die Vorgängernorm zu § 25 TTDSG, § 15 III TMG a. F.,Footnote 19 war äußerst umstritten. Sie erlaubte Diensteanbietern „für Zwecke der Werbung, der Marktforschung oder zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien Nutzungsprofile bei Verwendung von Pseudonymen [zu] erstellen, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht“ (§ 15 III S. 1 TMG a. F.). Solange für die Erstellung dieser Nutzungsprofile nur pseudonymeFootnote 20 Daten zum Einsatz kamen, war Tracking zum Zwecke der Webanalyse, Reichweitenmessung und personalisierten Werbung (Targeted Advertising) einer Widerspruchslösung unterworfen (sog. Opt-out).Footnote 21 Der Nutzer musste sich ggf. aktiv gegen die Datenverarbeitung wehren. § 15 III S. 1 TMG a. F. stand damit in klarem Widerspruch zum Einwilligungserfordernis des Art. 5 III S. 1 ePrivacy-RL.Footnote 22 § 15 III TMG a. F. stellte damit keine Umsetzung von Art. 5 III ePrivacy-RL in nationales Recht dar, sondern war mit diesem unvereinbar.Footnote 23 Die Anwendbarkeit der Norm über Art. 95 DSGVO wurde dementsprechend mit guten Gründen abgelehnt.Footnote 24 Die Abschaffung des § 15 III TMG a. F. wurde letztlich durch die Rechtsprechung in der Rechtssache Planet49Footnote 25 angestoßen. Dort konnte der EuGH sich zwar nicht unmittelbar zur Europarechtskonformität des § 15 III TMG a. F. äußern, die der vorlegende BGH indirekt thematisiert hatte.Footnote 26 Die Ausführungen des EuGH hinsichtlich der Anforderungen, die an eine wirksame Einwilligungserklärung i. S. d. Art. 5 III S. 1 ePrivacy-RL zu stellen sind, ließen aber erkennen, dass die deutsche Opt-out-Lösung europarechtswidrig war.Footnote 27 Der BGH urteilte daraufhin, dass § 15 III TMG a. F. richtlinienkonform dahingehend auszulegen sei, dass in die Norm contra legem ein aktives Einwilligungserfordernis hineinzulesen sei.Footnote 28 Die recht gekünstelte Argumentation, dass „[im] Fehlen einer (wirksamen) Einwilligung (…) der nach dieser Vorschrift der Zulässigkeit der Erstellung von Nutzungsprofilen entgegenstehende Widerspruch gesehen werden“Footnote 29 könne, ist nur vor diesem Hintergrund verständlich und war letztlich Ausdruck einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung.Footnote 30

d. § 25 TTDSG

Der Wortlaut des § 25 TTDSG entspricht im Wesentlichen dem des Art. 5 III ePrivacy-RL. Die Speicherung von bzw. der Zugriff auf Informationen in der Endeinrichtung (etwa einem Smartphone oder einem Smarthome-GerätFootnote 31) eines EndnutzersFootnote 32 ist gem. § 25 I S. 1 TTDSG nur zulässig, wenn dieser auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen eingewilligt hat. Bzgl. der Information des Endnutzers und der Einwilligung verweist § 25 I S. 2 TTDSG pauschal auf die Datenschutz-Grundverordnung. Die Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis in § 25 II TTDSG entsprechen denen des Art. 5 III S. 2 ePrivacy-RL. Der Anwendungsbereich der Norm erfasst personenbezogene und nicht personenbezogene Daten. Die deutsche Umsetzung steht nun mit den europarechtlichen Vorgaben im Einklang.Footnote 33 Die daraus resultierende Rechtssicherheit ist angesichts des jahrelang schwelenden Streits über die Anwendbarkeit des § 15 III TMG a. F. zu begrüßen. Die streitgegenständliche Thematik bedarf aufgrund der oftmals grenzüberschreitenden Sachverhalte und der drohenden Rechtsfragmentierung einer europäischen Lösung. § 25 TTDSG stellt damit eine Übergangslösung bis zum Erlass der ePrivacy-Verordnung dar.

Soweit § 25 TTDSG einschlägig ist und dabei personenbezogene Daten verarbeitet werden, werden die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung wegen der Kollisionsnorm Art. 95 DSGVO verdrängt.Footnote 34 Eine Einwilligung i. S. d. § 25 I S. 2 TTDSG i. V. m. Art. 4 Nr. 11 und 7 DSGVOFootnote 35 ist notwendig, solange keine der Ausnahmen des § 25 II TTDSG greift. Der Anwendungsvorrang des § 25 TTDSG erstreckt sich nur auf den Regelungsbereich der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung (mithin vor allem auf das Vorliegen einer Rechtsgrundlage), nicht aber etwa auf die weiterhin anwendbaren Betroffenenrechte der Datenschutz-Grundverordnung.Footnote 36 § 25 TTDSG kommt nur im kurzen Moment der Speicherung von Informationen bzw. des Zugriffs auf diese im Endgerät des Endnutzers zur Anwendung. Die zeitlich nachfolgende Datenverarbeitung unterliegt, soweit es sich um personenbezogene Daten handelt, den Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung.Footnote 37

Wenn Informationen zum Zwecke der Preispersonalisierung in der Endeinrichtung eines Endnutzers gespeichert werden (bzw. wenn zu diesem Zweck auf dort bereits gespeicherte Informationen zugegriffen wird), ist mithin stets eine Einwilligung notwendig, da die im zweiten Absatz der Norm formulierten Ausnahmen nicht greifen. Abgesehen davon hat § 25 TTDSG für den hiesigen Untersuchungsgegenstand keine Relevanz.

e. Zwischenergebnis

Durch § 25 TTDSG wurde Art. 5 III ePrivacy-RL europarechtskonform in nationales Recht umgesetzt und kommt über Art. 95 DSGVO als bereichsspezifisches Datenschutzrecht der Datenschutz-Grundverordnung gegenüber vorrangig zur Anwendung. Wenn die Speicherung von bzw. der Zugriff auf Informationen im Endgerät des Endnutzers dem Ziel der Preispersonalisierung dient, ist mithin eine Einwilligung i. S. d. § 25 I S. 2 TTDSG i. V. m. Art. 4 Nr. 11, 7 DSGVO auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen zwingend erforderlich. Eine darüber hinausgehende Bedeutung der Regelung ist im hiesigen Kontext nicht gegeben. Aufgrund der bestehenden Sachnähe wird § 25 TTDSG im Folgenden nicht in einem separaten Abschnitt, sondern im Kontext der Datenschutz-Grundverordnung thematisiert.

3. ePrivacy-Verordnung (Entwurf)

Im Januar 2017 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation (sog. ePrivacy-Verordnung) veröffentlicht.Footnote 38 Die ePrivacy-Verordnung wurde als Teil der Strategie für einen digitalen Binnenmark gesehen. Sie sollte die ePrivacy-Richtlinie ersetzen, den Schutzstandard innerhalb der Europäischen Union durch die gewählte Rechtsform weiter vereinheitlichen und mit neuen Regelungen auf verschiedene technische Entwicklungen reagieren.

Der Vorschlag der Kommission fand keine ausreichende Unterstützung in den Mitgliedstaaten. Im Oktober 2017 wurde ein Vorschlag des Europäischen Parlaments veröffentlicht.Footnote 39 Im Rat der Europäischen Union wurden daraufhin zahlreiche Änderungsvorschläge zirkuliert und diskutiert.Footnote 40 Im Februar 2021 hat der Rat der Europäischen Union schließlich einen Entwurf beschlossen, der als Grundlage eines Verhandlungsmandats für Trilog-Verhandlungen dienen sollte.Footnote 41 Ob bzw. wann diese Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden können, ist zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Arbeit noch nicht absehbar.

Für eine vertiefte Analyse der Relevanz dieses Gesetzesvorhabens im Kontext von Preispersonalisierung fehlt mithin eine geeignete Arbeitsgrundlage. Immerhin lässt sich aus den zirkulierten Entwürfen die Tendenz ablesen, die Zulässigkeit der Verarbeitung endgerätebezogener Informationen von einer Einwilligung des Endnutzers abhängig zu machen.Footnote 42 Da nach hiesiger Ansicht Preispersonalisierung nur bei Vorliegen einer Einwilligung des Kunden i. S. d. Art. 6 I S. 1 lit. a DSGVO zulässig ist,Footnote 43 sieht es momentan danach aus, dass der (etwaige) Erlass der ePrivacy-Verordnung auf die hier gefundenen Ergebnisse keinen bedeutenden Einfluss haben wird.

II. Verbraucherschutzrecht

Gem. Art. 38 GRCh „stellt [die Politik der Union] ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.“ In ähnlicher Weise spricht Art. 169 I AEUV – neben der auch dort erwähnten „Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus“ – von der „Förderung der Interessen der Verbraucher“ durch die Union. Darüber hinaus ist das europäische Verbraucherschutzrecht historisch und rechtlich eng mit dem Schutz des europäischen Binnenmarkts verknüpft.Footnote 44 Diese Zusammenhänge werden etwa mit Blick auf die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (sog. UGP-Richtlinie)Footnote 45 deutlich. Diese Richtlinie bezweckt, „zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen.“Footnote 46 Dies zeigt, dass das Verbraucherschutzrecht, welches dem Zweck dient, den Verbraucher als strukturell schwächer gestellten Marktteilnehmer zu schützen, einen grundrechtlichen Charakter hat und zugleich von wettbewerbspolitischen Implikationen geprägt ist.Footnote 47 Preispersonalisierung könnte unter verschiedenen verbraucherschutzrechtlichen Aspekten relevant sein.

1. AGB-Richtlinie

Die Richtlinie 93/13/EWG über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (sog. AGB-Richtlinie)Footnote 48 wurde in Deutschland in den Regelungen zur AGB-Kontrolle in den §§ 305 ff. BGB umgesetzt. Von der Missbrauchskontrolle von vornherein ausgenommen sind gem. Art. 4 II AGB-RL allerdings u. a. die „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefaßt sind.“ Die Mitgliedstaaten können, wie sich aus Art. 8 AGB-RL ergibt, strengere Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher erlassen (Mindestharmonisierung). Deutschland hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Eine Kontrolle der Höhe des Preises ist damit, wie sich auch aus der nationalen Umsetzung in § 307 III S. 1 BGB ergibt,Footnote 49 grundsätzlich ausgeschlossen.Footnote 50 Dies ist angesichts des aus der Vertragsfreiheit abgeleiteten Grundsatzes der Preisgestaltungsfreiheit konsequent: Bei der betriebswirtschaftlichen Kalkulation des Preises und der Entscheidung für eine bestimmte Preishöhe ist der Anbieter grundsätzlich frei.Footnote 51 Eine Kontrolle preisbezogener Klauseln ist nur über das Transparenzgebot des § 307 I S. 2 BGB möglich. Dieses kommt gem. § 307 III S. 2 BGB auch bei ansonsten kontrollfreien Klauseln zur Anwendung. Demnach kann eine unangemessene Benachteiligung des Kunden auch darin begründet liegen, dass Bestimmungen in AGB aus Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners nicht klar und verständlich formuliert sind.Footnote 52 Die bloße Intransparenz einer Klausel genügt aber noch nicht. Nur wenn die Intransparenz dazu führt, dass der Kunde inhaltlich benachteiligt wird, liegt eine gem. § 307 I S. 1 BGB unwirksame Klausel vor.Footnote 53

Der Anwendungsbereich des § 307 BGB dürfte im Kontext von Preispersonalisierung eng sein. Sofern in den AGB eine datenschutzrechtliche Einwilligung in eine Datenverarbeitung zwecks Preispersonalisierung verlangt wird, geht es der Sache nach um eine Preishöhenbestimmung, sodass wegen § 307 III S. 1 BGB eine Angemessenheitsprüfung per se nicht stattfindet. Sollte ein Einwilligungsverlangen intransparent formuliert sein, kommt es auf das Transparenzgebot des § 307 III S. 2 i. V. m. I S. 2 BGB nicht an, da die Datenschutz-Grundverordnung ohnehin hohe Anforderungen an die Transparenz der Einwilligungserklärung stellt.Footnote 54 Eine Einwilligungserklärung, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist auch ohne eine darüber hinausgehende inhaltliche Benachteiligung des Kunden unwirksam.

Dennoch sind Einzelfälle denkbar, in denen die in § 307 III S. 2 i. V. m. I S. 2 BGB vorgesehene Transparenzkontrolle eine Rolle spielt. Sie könnte etwa zur Anwendung kommen, wenn Anbieter versuchen, mithilfe intransparenter Klauseln Verschleierungspraktiken zu legitimieren, die den Kunden unangemessen benachteiligen.

2. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

Im Kontext des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb,Footnote 55 welches u. a. der Umsetzung der UGP-Richtlinie dient, werden personalisierte Preise unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Im April 2018 hat die Europäische Kommission die sog. New Deal for Consumers-Initiative vorgeschlagen, mit der eine „Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher“ vorgesehen war.Footnote 56 Diese führte schließlich zu einer neuen Richtlinie „zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union“, welche Ende 2019 erlassen wurde und u. a. die UGP-Richtlinie, die AGB-Richtlinie und die Verbraucherrechte-RichtlinieFootnote 57 abgeändert hat.Footnote 58 Das UWG wurde dementsprechend mit Wirkung zum 28.5.2022 geändert. Im Kontext von Preispersonalisierung hatten diese Änderungen keine materiell-rechtlichen Auswirkungen.Footnote 59

Auf Stufe 1 und 2 des hiesigen Modells spielen lauterkeitsrechtliche Erwägungen keine Rolle. Mit Blick auf die dritte Stufe gilt, dass auch das Lauterkeitsrecht keine Kontrolle der Preishöhe anordnet oder erlaubt. Es gilt der Grundsatz der Preisgestaltungsfreiheit.Footnote 60 Sonderpreise gegenüber Einzelnen sind – abgesehen von kartellrechtlich relevanten Fällen – auch ohne sachlichen Grund oder eine anderweitige Rechtfertigung zulässig.Footnote 61 Dementsprechend gibt es auch kein lauterkeitsrechtliches Gebot, von allen Kunden stets den gleichen Preis zu verlangen.Footnote 62

Relevanz erfährt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb allerdings im Kontext der Preiskommunikation (Stufe 3). So wird etwa diskutiert, ob personalisierte Preise als per se unzulässige Täuschung über Markt- bzw. Anbieterbedingungen gem. Anhang Nr. 18 zu § 3 III UWG eingeordnet werden können.Footnote 63 Heftig diskutiert – und verbraucherpolitisch gefordertFootnote 64 – wird zudem auch, ob aus dem UWG eine Pflicht für Anbieter abgeleitet werden kann, Kunden über den Einsatz von Preispersonalisierungsmethoden aktiv aufzuklären.Footnote 65 Teil dieser Diskussion ist auch die Frage, ob Anbieter lauterkeitsrechtlich verpflichtet sind, aus Transparenzgründen ggf. Durchschnitts- oder andere Referenzpreise anzuzeigen. Art. 4 Nr. 4 lit. a (ii) Modernisierungsrichtlinie hat schließlich auf europarechtlicher Ebene eine verbraucherschutzrechtliche Pflicht eingeführt, Kunden darüber zu informieren, wenn von ihnen personalisierte Preise verlangt werden. Diese Informationspflicht wurde in Art. 246a § 1 I S. 1 Nr. 6 EGBGB aufgenommen und kommt seit dem 28.5.2022 über §§ 312d I S. 1, 312j II BGB zur Anwendung.Footnote 66

3. Preisangabenverordnung

Die PreisangabenverordnungFootnote 67 stellt formelles Preisrecht dar und regelt somit nicht die Preishöhe oder die anbieterseitige Bestimmung des Preises, sondern die Art und Weise, wie Preise im Geschäftsverkehr kommuniziert werden.Footnote 68 Demzufolge ist auch die Preisangabenverordnung potenziell (nur) auf der dritten Stufe des Modells relevant. Verstöße gegen die in ihr enthaltenen Vorschriften haben auf materiell-rechtlicher Ebene keine Auswirkungen und führen nicht zur (teilweisen) Unwirksamkeit von Verträgen.Footnote 69 Die hier diskutierten Konstellationen – Online-Preispersonalisierung von Anbietern gegenüber Kunden – fallen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Preisangabenverordnung, vgl. §§ 1 I i. V. m. 3 I PAngVO. Das Regelwerk „dient dem Zweck, durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und -klarheit zu gewährleisten, durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken und den Wettbewerb zu fördern (…).“Footnote 70 Damit werden sowohl der Verbraucher als auch der Wettbewerb als solches geschützt.Footnote 71

§ 1 III S. 2 PAngVO verlangt, dass Preisangaben der allgemeinen Verkehrsauffassung sowie den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen müssen.Footnote 72 Im Kontext personalisierter Preise werden diese Grundsätze vor allem vor dem Hintergrund etwaiger Informationspflichten diskutiert.Footnote 73 Im Folgenden werden sie aufgrund der bestehenden Sachnähe zusammen mit den Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb diskutiert.

III. Antidiskriminierungsrecht

Der verfassungsrechtliche Rahmen des Antidiskriminierungsrechts der Europäischen Union wird auf Ebene des primären Unionsrechts vor allem durch Art. 10, 18, 19, 157 AEUV und Art. 2, 3 III UA 2, 6, 9 S. 1 EUV gezogen.Footnote 74 Art. 6 I EUV erkennt die Europäische Grundrechte-Charta und ihre rechtliche Gleichrangigkeit mit den europäischen Verträgen an. Gem. Art. 51 I S. 1 GRCh sind damit alle Stellen der Union sowie die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts den in Art. 20, 21 und 23 GRCh enthaltenen Gleichheitsrechten verpflichtet. Art. 6 III EUV nimmt Bezug auf die in der europäischen Menschenrechtskonvention enthaltenen Grundrechte sowie auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und erkennt diese als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts an. Im nationalen Verfassungsrecht ist vor allem Art. 3 GG relevant.

Das Antidiskriminierungsrecht auf Ebene des sekundären Gemeinschaftsrechts wird vor allem durch die sog. Antidiskriminierungsrichtlinien geprägt, die für bestimmte Lebensbereiche Gleichstellungsgebote zugunsten verschiedener geschützter Gruppen etablieren.Footnote 75 Ihre Umsetzung auf nationaler Ebene ist gebündelt durch das Allgemeine GleichbehandlungsgesetzFootnote 76 erfolgt. Sein Ziel ist es, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“Footnote 77 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt primär arbeitsrechtliche Sachverhalte. Sein 3. Abschnitt dient aber – teilweise weit über die europarechtlichen Vorgaben hinausgehendFootnote 78 – auch dem Schutz vor Benachteiligung im allgemeinen Zivilrechtsverkehr. § 19 I AGG postuliert ein dahingehendes Handlungsverbot.

IV. Zwischenergebnis

Die Untersuchung, ob das geltende materielle Recht im Kontext von Preispersonalisierung ausreichenden Schutz vor Diskriminierung geschützter Gruppen gewährt, fokussiert sich im Folgenden auf die Datenschutz-Grundverordnung, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, die Preisangabenverordnung und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Analyse orientiert sich am hier vertretenen 3-stufigen Modell.