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1 Die Digitalisierung im Baugewerbe

Die Digitalisierung zieht sich unaufhaltsam durch diverse Facetten unserer Gesellschaft. Die Covid-19-Pandemie wird dabei als Digitalisierungsbeschleuniger angesehen, da durch Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren und weitere Schutzmaßnahmen digitale Mittel für die (Zusammen-)Arbeit unumgänglich wurden. Arbeit wird dementsprechend vernetzter, schneller und virtueller (Kauffeld & Maier, 2020). Das Baugewerbe gilt allerdings gerade bei der Digitalisierung häufig als außen vor (Moring et al., 2018). Baustellen erfordern Arbeit in Präsenz. Prozesse zwischen verschiedenen Gewerken verlaufen aufgrund dessen häufig noch langsam und wenig virtuell, besonders in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), denen nicht dieselben finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung stehen wie Großbetrieben (Lindner & Leyh, 2019). Tatsächlich zeigen sich allerdings auch im Baugewerbe deutliche Digitalisierungstrends, die zur Bewältigung der Herausforderungen auf und abseits der Baustelle genutzt werden sollen (Moring et al., 2018). Dazu gehört unter anderem das Building Information Modeling (BIM; z. B. Wu et al., 2018) als Möglichkeit, die Planung- und Ausführung von Bauprozessen durch virtuelle Gebäuderepräsentationen zu digitalisieren. Damit entfernt sich das Baugewerbe immer mehr von der traditionellen, sequenziellen Arbeitsweise und nähert sich parallel ablaufenden und zyklischen Arbeitsprozessen an. Unter anderem um KMU bei dieser Entwicklung zu unterstützen, entstand im Projekt IN-DIG-O (siehe Exkursbox „► Das Projekt IN-DIG-O“) das digitale Gebäudemodellierungstool Koop-3D. Im vorliegenden Buchkapitel wird nach einer theoretischen Einführung eine praxisnahe Studie zur Evaluation der Technikakzeptanz, Chancen und Risiken und notwendige Kompetenzen von Koop-3D im Baugewerbe vorgestellt.

Das Projekt IN-DIG-O

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekts „IN-DIG-O – Kooperieren und lernen in innovativen Netzwerken im Bau: Schnittstellen digital optimieren“ fokussiert sich auf die konzeptuelle Entwicklung und praktische Erprobung zweier digitaler Tools. Das LeWiT-Tool bietet eine digitale Möglichkeit zur Optimierung der unternehmensinternen Lern- und Wissensweitergabe (siehe ► Kap. 11). Das digitale Tool Koop-3D zielt durch dreidimensionale Repräsentationen von Gebäuden darauf ab, die gewerbeübergreifende Zusammenarbeit im Baugewerbe in der Planungs- und Ausführungsphase zu verbessern. Die Toolentwicklung wird durch evaluative Forschung begleitet. Diese analysiert, wie digitale Tools effektiv implementiert, Lerntransferprozesse optimiert und Veränderungen unternehmensinterner Prozesse begleitet werden können. Die Leitung des Projekts liegt bei Prof. Dr. Simone Kauffeld vom Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie der Technischen Universität Braunschweig. Die digitalen Tools werden von 4A-SIDE GmbH (LeWiT-Tool) und cadwork informatik Software GmbH (Koop-3D) entwickelt. Erprobt werden sie von den Anwendungsunternehmen SAINT-GOBAIN Brüggemann Holzbau GmbH und ebm GmbH & Co. KG. In Kooperation mit der TU Braunschweig begleitete das Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim die Implementierung der digitalen Tools in die betriebliche Praxis und erstellte Beratungskonzepte sowie Schulungen. Bei Interesse an den Inhalten des Projekts finden Sie Informationen unter ► www.projekt-indigo.de.

1.1 Building Information Modeling als Trend im Baugewerbe

Building Information Modeling beschreibt eine Vielfalt an technologischen und organisationalen Ansätzen, die die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Baugewerbe optimieren sollen, um die Produktivität teilnehmender Gewerke und die Gebäudequalität zu erhöhen (Miettinen & Paavola, 2014). Durch die Bereitstellung virtueller Gebäudemodelle können die Kommunikation, die interdisziplinäre Koordination und die generelle Planbarkeit der Projektarbeit im Bau verbessert und damit der gesamte Bauprozess von der Auftragsakquisition bis hin zur finalen Übergabe optimiert werden (Chan et al., 2018; Moring et al., 2018). Auf Seite der Gewerke erleichtert eine verbesserte Dokumentation des Bauprozesses die Nachverfolgung und regelmäßige Überprüfung des Baustands. Darüber hinaus bietet BIM die Möglichkeit, Kundinnen und Kunden anschauliches Bildmaterial vom Bauprojekt zu übermitteln, um die Entscheidungssicherheit zu erhöhen (Crotty, 2012; Rothenbusch & Kauffeld, 2020). Chan et al. (2018) verknüpfen BIM zudem stark mit einer Projektmanagement-Komponente, die in den Prozess integriert werden muss, um das Potential beim Bauprozess voll ausschöpfen zu können. Eine einfache Einführung von BIM würde demnach nicht automatisch zu einer Verbesserung führen (Rothenbusch & Kauffeld, 2020). Besonders in KMU besteht häufig noch keine Unternehmenskultur, die neue Technologien ermöglicht. Auf deutschen Baustellen wird beispielsweise häufig die papier-basierte 2D-Planung genutzt (Babič & Rebolj, 2016). Durch diese Unterschiede in der Unternehmenskultur kann eine Einführung neuer Technologien auf Widerstand bei den Mitarbeitenden stoßen. Neue Werkzeuge erfordern dementsprechend passende Schulungsformate, um die Kompetenzen von Mitarbeitenden zu fördern und sie für die Anwendung von Neuerungen vorzubereiten (Seitz & Seitz, 2018). Zudem müssen soziale Faktoren bei der Einführung mitgedacht werden – eine Verbesserung des interdisziplinären Austausches kann nur erfolgen, wenn alle Beteiligten gemeinsames Basiswissen (z. B. Fachbegriffe oder Prozesswissen) teilen, auf welchem die Zusammenarbeit aufbauen kann (Pinjani & Palvia, 2013). Ist dies nicht der Fall, wird der Aufbau einer erfolgreichen Zusammenarbeit erschwert (Forgues et al., 2016; Rothenbusch & Kauffeld, 2020).

International gesehen ist die Nutzung von BIM in vielen Ländern (z. B. Singapur, Finnland oder Australien) bereits etabliert, in einigen sogar verpflichtend (Moring et al., 2018). Auch in Deutschland gewinnt BIM an Bedeutung, wobei die Entwicklung primär auf organisationaler Ebene vorangetrieben wird. Hier profitieren vor allem große Betriebe mit entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen von BIM als innovativer Methode (Moring et al., 2018). KMU hingegen haben häufig nicht die Mittel, um BIM einzuführen. Es fehlen beispielsweise BIM-Managerinnen und Manager, die die Nutzung koordinieren (Jacobsson & Merschbrock, 2018), oder Kompetenzen im Bereich Computer-Aided-Design (CAD)-basierter 3D-Modellierung. Aufgrund dessen werden häufig hybride Formen von BIM verwendet, die eine vereinfachte Version nutzen, um KMU an der Digitalisierung teilhaben zu lassen (Rothenbusch & Kauffeld, 2020).

1.2 Herausforderungen für KMU bei der Umstellung auf BIM im MTO-Dreieck

Besonders KMU haben Probleme bei der Einführung neuer Technologien, da häufig organisationale Rahmenbedingungen und individuelle Kompetenzen eine umfassende Einführung digitaler Technologien auf allen relevanten Ebenen (Individuum, Team, Führungskraft und Organisation) nicht erlauben (Parker & Grote, 2020). Die Herausforderungen, denen KMU dabei ausgesetzt sind, lassen sich im Rahmen des soziotechnischen Systems (Ulich, 2013) beschreiben. Dabei wird zwischen den Aspekten Mensch, Technik und Organisation unterschieden. Alle drei Komponenten stehen in Beziehung zueinander, was zu differenzierten Auswirkungen der Schnittstellen auf die Arbeitsaufgabe führen kann.

Technik/Mensch

Die Interaktion zwischen Technik und Mensch ist aufgrund konstanter Weiterentwicklungen sehr dynamisch. Ein relevanter Faktor bei der Einführung von neuen Technologien in Organisationen ist die Technologieakzeptanz (Mlekus et al., 2020). Einschränkungen bei der Akzeptanz gehen mit niedriger Arbeitszufriedenheit, Arbeitsleistung und seltenerer Nutzung der Technologien einher (Devaraj & Kohli, 2003; Mariani et al., 2013; Turner et al., 2010). Mlekus et al. (2020) nutzen zur Beschreibung der Technikakzeptanz eine Erweiterung des Technologieakzeptanzmodells (TAM; Venkatesh & Bala, 2008) um die Nutzendenerfahrung (UX TAM). Daraus ergibt sich folgendes Gesamtmodell: Die generelle Technikakzeptanz setzt sich aus der wahrgenommenen Nützlichkeit (Wie funktional ist die Technologie?) und der wahrgenommenen Bedienbarkeit (Wie gut ist die Technologie nutzbar?) zusammen. Diese wirken zusammen mit der hedonistischen Qualität (Wie stimulierend und neu ist die Technologie?) auf die Nutzungsintention, die sich wiederum auf die finale Nutzung der Technologie auswirkt (Mlekus et al., 2020).

Mensch/Organisation

Die Schnittstelle zwischen Mensch und Organisation bietet ebenfalls viel Raum für Herausforderungen bei der Nutzung von BIM (Rothenbusch & Kauffeld, 2020). Ein relevanter Aspekt ist dabei der Informationsaustausch innerhalb eines Gewerks oder zwischen verschiedenen Gewerken. So besteht die Möglichkeit, dass Informationen unvollständig, missverständlich oder verspätet weitergegeben werden, was zu Problemen im Bauprozess führt. Darüber hinaus erfolgen Änderungen am Bauplan häufig kurzfristig und ohne notwendige Abstimmungen. Gegensätzlich dazu dauern andere Aspekte wiederum länger. Lange Entscheidungsphasen bei Kundinnen und Kunden oder Architektinnen und Architekten und lange Wartezeiten bei der Kommunikation von Entscheidungen führen ebenfalls zu Verzögerungen im Arbeitsprozess. Des Weiteren werden Verantwortlichkeiten häufig nicht eindeutig geklärt, sodass Prozesse durch unklare Rollenverteilungen verzögert werden. Dazu tragen auch nicht oder falsch aufeinander abgestimmte Planungen bei, die zu zusätzlichen Prozessiterationen führen und ebenfalls Zeit und Ressourcen kosten (Rothenbusch & Kauffeld, 2020).

Organisation/Technik

Zwischen Organisation und Technik sind Anpassungen erforderlich, damit die Organisation eine Technologie erfolgreich einführen kann. Dabei muss die Organisation zunächst einen Rahmen für neue Technologien bieten. Das bedeutet, dass Mitarbeitende bestenfalls schon beim Auswahlprozess der Technologien involviert werden und systematisch auf die Nutzung der neuen Technologien vorbereitet werden, beispielsweise durch entsprechende Schulungen oder Weiterbildungen (Rieder & Bröckl, 2018). Dabei sind zudem interorganisationale Verbindungen zu beachten. Bei der Zusammenarbeit mehrerer Gewerke müssen unterschiedliche Digitalisierungsgrade innerhalb der Gewerke berücksichtigt werden. Um BIM in verschiedenen Gewerken effektiv gemeinsam nutzen zu können, müssten demnach organisationsübergreifende Strukturen existieren, die eine einheitliche und einfache Nutzung ermöglichen und auf Vorteile neuer Technologien abgestimmt sind (Pasmore et al., 2019; Rothenbusch & Kauffeld, 2020).

1.3 Das digitale Tool Koop-3D zur dreidimensionalen Gebäudemodellierung

Die Herausforderungen bei der Arbeit mit Technologien im Baugewerbe haben zur Entstehung des digitalen Tools Koop-3D im Projekt IN-DIG-O geführt. Bei dem Tool Koop-3D handelt es sich um ein 3D-Gebäudemodellierungstool, mit dem Bauvorhaben auf Basis von CAD-Modellen digital abgebildet werden können (◘ Abb. 3.1). Angelehnt an BIM nutzt es virtuelle und mehrdimensionale Repräsentationen von Gebäuden sowohl für die Planung als auch für die Ausführung von Bauvorhaben.

Abb. 3.1
figure 1

Gebäudeansicht Koop-3D mit Innenansicht ins erste Stockwerk

Anmerkung. Zu sehen sind neben dem Gebäudemodell erste Einrichtungsgegenstände sowie der frei bewegliche Avatar in Rot

Bei der Anwendung von Koop-3D kann zwischen der Planungs- und der Ausführungsphase unterschieden werden. In der Planungsphase erstellt das Generalunternehmen aufbauend auf bestehenden Plänen einen detaillierten virtuellen Gebäudeplan. Ein Betrieb steuert das Projekt und fordert von den Subunternehmen die Gewerkeplanungen an, um sie zentral in das Koop-3D-Modell zu integrieren. Bei dieser Integration in das Gesamtmodell können Überschneidungen bei der Planung direkt erkannt und beseitigt werden. In der Ausführungsphase haben alle Subunternehmen Zugriff auf das Tool und können den aktuellen Arbeitsstand oder Probleme auf der Baustelle durch Fotos festhalten. Diese können so direkt an die anderen beteiligten Unternehmen kommuniziert werden.

Koop-3D soll bisher wenig digitalisierte KMU an die Arbeit mit digitaler, gewerkeübergreifender 3D-Modellierung heranzuführen. Um den Zugang für diese zu erleichtern, handelt es sich bei Koop-3D um eine Browser-basierte Anwendung, die keine zusätzliche technische Infrastruktur benötigt, sondern auf verschiedenen Endgeräten (z. B. Tablet oder Smartphone) über den Webbrowser gestartet werden kann. Im Modell selbst erfolgt die Navigation über einen Avatar. Dieser kann beliebig im Modell platziert und frei bewegt werden. Dabei können im Modell sogenannte „Knoten“ eingestellt oder abgerufen werden, die genauere Informationen über das Bauprojekt aus den verschiedenen Subunternehmen enthalten (z. B. die Platzierung einer Steckdosenleiste oder einer Heizung; ◘ Abb. 3.2). Diese können bearbeitet und angepasst werden. Direkte Umsetzungen der Knoten können im Tool als Foto festgehalten werden. Über eine Kommentarfunktion können wichtige Informationen an andere am Bauprojekt beteiligte Personen gesendet werden.

Abb. 3.2
figure 2

Transparente Innenansicht von Koop-3D mit Informationen zum Bauprojekt

Anmerkung. Links unten erleichtert eine kleine Karte die Übersicht. In pink eingezeichnet sind die „Knoten“ mit Informationen zum Bauprojekt.

Ziele von Koop-3D sind die Integration möglichst vieler Informationen in ein für alle Gewerke zugängliches 3D-Modell, die Erleichterung der zwischengewerklichen Weitergabe von Informationen durch standardisierte Eingabemasken und die Entwicklung eines gemeinsamen Kommunikationskanals, der den Austausch und die Dokumentation verbessern soll (d. h. eine integrierte Kommentar- und Nachrichtenfunktion). Durch die Reduktion langer Kommunikationswege mit der Möglichkeit zum direkten Feedback soll Koop-3D zu einer Zeitersparnis beim Bauprozess beitragen. Nutzende sollen des Weiteren in gezielten Kompetenzbereichen unterstützt werden. Für dieses Buchkapitel werden Kompetenzen definiert als „alle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissensbestände, die eine Person, ein Team oder eine Organisation bei der Bewältigung konkreter sowie vertrauter als auch neuartiger Arbeitsaufgaben handlungs- und reaktionsfähig machen und sich in der erfolgreichen Bewältigung konkreter Arbeitsanforderungen zeigen“ (Kauffeld & Paulsen, 2018). Dabei wird zwischen vier miteinander interagierenden Kompetenzfacetten differenziert. Unter Fachkompetenzen werden vor allem organisations-, prozess-, aufgaben- und arbeitsplatzspezifische, berufliche Fähigkeiten verstanden. Zur Methodenkompetenz gehören situationsübergreifend und flexibel einzusetzende, kognitive Fähigkeiten. Sozialkompetenzen beschreiben ein eigenständiges, kommunikatives und kooperatives Handeln und die Selbstkompetenz umfasst die Fähigkeit, die eigene Arbeit zu gestalten (Kauffeld & Paulsen, 2018).

Im Bereich der Selbstkompetenzen sollen durch Koop-3D die individuelle Lernfähigkeit, sowie die Offenheit gegenüber digitalisierungsbedingten Veränderungen gefördert werden. Sozialkompetenzen zeigen sich bei Koop-3D im Bereich der interdisziplinären und teaminternen Kommunikation. Konkrete Methodenkompetenzen, wie erste Erfahrungen in der 3D-Modellierung von Gebäuden und Kompetenzen im Umgang mit Technik und Medien, werden ebenfalls trainiert.

2 Kompetenzen und Fähigkeiten zur Nutzung von Koop-3D – ein Vignettenansatz

Digitale Tools werden in KMU in Zukunft eine immer größere Rolle spielen, da sie nicht nur einen Wettbewerbsvorteil bieten, sondern zusätzlich Prozesse optimieren und Mitarbeitende bei der Aufgabenbearbeitung, Arbeitskoordination und der internen sowie externen Kommunikation entlasten können (Lindner, 2019; Seitz & Seitz, 2018). Aufgrund dessen ist es relevant, sich ausführlicher mit den Bedingungen zu beschäftigen, unter denen digitale Werkzeuge in KMU eingeführt werden müssen, um zu einer möglichst hohen Technikakzeptanz zu führen. Dazu sollte der Fokus auf der Bewertung von Personen liegen, die von den Veränderungen direkt betroffen sind – in diesem Fall Mitarbeitende und Führungskräfte in kleinen und mittleren Bauunternehmen. Wir wollen uns im Rahmen der hier vorgestellten Studie am Beispiel von Koop-3D genauer damit auseinandersetzen, wie Fachpersonen aus dem Baugewerbe die Herausforderungen digitaler Technologien am Arbeitsplatz einschätzen. Dabei interessiert uns besonders, aus welchen Gründen eine Nutzung des Tools als sinnvoll oder nicht sinnvoll eingeschätzt wird, um potenzielle Hemmschwellen für die Nutzung des Tools zu identifizieren. Darüber hinaus sind wir daran interessiert, welche Chancen und Risiken für die Kooperation innerhalb des eigenen und mit bzw. zwischen anderen Gewerken im Tool gesehen werden. So können relevante Faktoren für die Einführung des Tools isoliert werden. Zuletzt soll ermittelt werden, welche konkreten Kompetenzen für die Arbeit mit Koop-3D benötigt werden. Der Fokus liegt dabei auf bereits vorhandene Kompetenzen, an die mit der Einführung eines digitalen Tools direkt angeknüpft werden kann. Insgesamt ergeben sich folgende drei Forschungsfragen für diese Studie: (1) Welche Gewerkevertretende würden Koop-3D in der Praxis aus welchen Gründen (nicht) einsetzen? (2) Welche Chancen und Risiken sehen die Gewerkevertretenden durch Koop-3D für die Kooperation? (3) Welche Methoden-, Sozial-, Fach- und Selbstkompetenzen werden zur Nutzung von Koop-3D benötigt?

2.1 Methoden

Durchführung der Studie

Die Beantwortung der Fragestellungen dieser Studie erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt wurde eine Online-Vignettenstudie (Aguinis & Bradley, 2014; Schnurr, 2003) durchgeführt. Teilnehmende füllten dazu einen Online-Fragebogen zu einer Video-Vignette aus, welche einen konkreten Einblick in die Nutzung von Koop-3D bot. Auf Basis dieser Video-Vignette wurden Meinungen und Einstellungen zu Koop-3D erfragt. Im Anschluss wurde mittels validierter Messinstrumente die Einschätzung der Nutzendenerfahrung, der Ergebnisqualität, der Nützlichkeit, der Bedienbarkeit sowie der Nutzungsabsicht erfasst. Teilnehmende für die Fragebogenstudie wurden mittels eines Online-Verteilers kontaktiert und erhielten finanzielle Incentives. Das Ausfüllen des Fragebogens erfolgte freiwillig und anonym. Im zweiten Schritt wurden die benötigten Kompetenzen für die Nutzung von Koop-3D gesammelt und im Rahmen eines virtuellen Workshops einer Gruppe von Fachpersonen vorgelegt. Diese bewerteten die genannten Kompetenzen anhand ihrer Eignung sowieRelevanz und ordneten sie den vier Kompetenzfacetten zu (Fach-, Sozial-, Methoden- und Selbstkompetenz; Kauffeld, 2006; Kauffeld & Paulsen, 2018), um eine angemessene Abbildung der Kompetenzen in einem entsprechenden Kompetenzmodell für die Nutzung von Koop-3D zu gewährleisten. Die Auswertung der Fragestellungen erfolgte über die Statistiksoftware SPSS Version 28 (IBM Corp, 2021). Offene Fragen wurden in MAXQDA 12 (MAXQDA, 1989–2021) nach einer induktiven Clusterung deskriptiv anhand der Kompetenzfacetten ausgewertet.

Stichprobe

Insgesamt nahmen 84 Personen aus dem Baugewerbe an der Fragebogenstudie teil. Ein Großteil der Teilnehmenden (71 %) identifizierten sich als männlich. Im Durchschnitt waren die Teilnehmenden 48 Jahre alt (SD = 10,81). Am häufigsten arbeitetensie in den Berufsfeldern Hochbau, Bauplanung- und Überwachung sowie Klempnerei, Sanitäts-, Heizungs- und Klimatechnik. In der vorliegenden Stichprobe sind 38 % der Teilnehmenden in einer Führungsposition beschäftigt und 2 % waren Personen in Ausbildung. Durchschnittlich arbeiteten die Teilnehmenden seit 20,81 Jahren in ihrem bisherigen Beruf. Mit 85 % arbeitete ein Großteil der Teilnehmenden in KMU. Es gaben 68 % der Teilnehmenden an mit der Einführung neuer Technologien „eher“ oder „sehr“ vertraut zu sein und 17 % waren bereits vertraut mit BIM.

Messinstrumente

Kompetenzen zur Nutzung sowie Vor- und Nachteile der Nutzung von Koop-3D. Die Kompetenzen, die nach Meinung der Teilnehmenden zur Nutzung von Koop-3D notwendig sind, sowie die Vor- und Nachteile des Tools wurden mittels offener Fragen erhoben, um möglichst viel Flexibilität und Antwortspielraum zu bieten.

Nutzendenerfahrung. Die Nutzendenerfahrung wurde mittels des User Experience Questionnaire (Laugwitz et al., 2008) erfasst, welcher insgesamt 26 gegensätzliche Itempaare auf einer 7er-Skala bewerten lässt (z. B. unerfreulich bis erfreulich). Die 26 Items lassen sich sechs Subskalen (Attraktivität, Verständlichkeit, Effizienz, Verlässlichkeit, Stimulation und Neuartigkeit) zuordnen. Cronbachs Alpha reicht von α = 0,68 bis α = 0,94 und liegt damit im akzeptablen bis sehr guten Bereich (Cronbach, 1951).

Ergebnisqualität. Die Ergebnisqualität wurde mit einer 3-Item-Abfrage nach Mlekus et al. (2020) auf einer Antwortskala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 7 (stimme völlig zu) erfragt. Cronbachs Alpha beträgt α = 0,92 und liegt damit im exzellenten Bereich (Cronbach, 1951).

Wahrgenommene Nützlichkeit. Die wahrgenommene Nützlichkeit wurde mit einer 4-Item Abfrage nach Mlekus et al. (2020) auf einer Antwortskala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 7 (stimme völlig zu) durchgeführt. Cronbachs Alpha beträgt α = 0,96 und liegt damit im exzellenten Bereich (Cronbach, 1951).

Wahrgenommene Bedienbarkeit. Für die wahrgenommene Bedienbarkeit wurde eine 4-Item-Abfrage nach Mlekus et al. (2020) auf einer Antwortskala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 7 (stimme völlig zu) verwendet. Cronbachs Alpha beträgt α = 0,86 und liegt damit im hohen Bereich (Cronbach, 1951).

Nutzungsabsicht. Die Nutzungsabsicht wurde mittels offener Fragen erfasst. Zum einen wurde erfragt, ob die Intention bestünde, sich weiter über das Tool zu informieren. Darüber hinaus wurde erfragt, ob Teilnehmende an einem professionellen Austausch zur Nutzung des Tools interessiert wären. Diese beiden Items würden eine potenzielle Tool-Nutzungsabsicht nahelegen. Abschließend wurde direkt erfragt, ob die Teilnehmenden das Tool auf der Arbeit nutzen würden.

2.2 Ergebnisse

Koop-3D: Generelle Bewertungen

Die wahrgenommene Bedienbarkeit (M = 4,50; SD = 1,30), die wahrgenommene Nützlichkeit (M = 4,76; SD = 1,60) und die Ergebnisqualität (M = 4,98; SD = 1,38) lagen alle im neutralen bis guten Bereich. Das Tool wurde dementsprechend mit Einschränkungen als nützlich und leicht zu nutzen wahrgenommen und produziere voraussichtlich gute Ergebnisse. Koop-3D wurde als durchaus attraktiv (M = 5,31; SD = 1,32), stimulierend (M = 5,26; SD = 1,45) und verlässlich (M = 5,01; SD = 1,32) wahrgenommen. Die Aspekte Neuartigkeit (M = 4,99; SD = 1,20), Effizienz (M = 4,91; SD = 1,13) und Verständlichkeit (M = 4,84; SD = 1,32) lagen im neutralen bis guten Bereich. In der Stichprobe würden sich im Sinne der Nutzungsabsicht 69 % der Teilnehmenden auf der IN-DIG-O Homepage informieren und 50,6 % wären an einem Austausch zum Tool interessiert. Insgesamt könnten sich 66,27 % der Stichprobe vorstellen, Koop-3D im Arbeitsalltag zu nutzen.

Welche Gewerkevertretende würden Koop-3D in der Praxis aus welchen Gründen (nicht) einsetzen?

Zur Beantwortung der Fragestellung wurden die Bewertungen in verschiedenen Gruppen innerhalb unserer Stichprobe verglichen. Bei der Bewertung von Führungskräften und Mitarbeitenden lagen folgende Unterschiede vor: Die Bewertung der Führungskräfte von Koop-3D zeigte signifikant höhere Werte im Bereich Effizienz, F(1;77) = 6,48; p = 0,01, Stimulation, F(1;77) = 5,66; p = 0,02, und Attraktivität, F(1;77) = 3,94; p = 0,05. Außerdem gaben signifikant mehr Führungskräfte an, das Tool nützlich zu finden, F(1;77) = 4,31; p = 0,04. Die Bedienbarkeit schätzten Führungskräfte marginal signifikant höher ein, F(1;77) = 3,81; p = 0,06. Zudem ging aus unserer Studie hervor, dass Personen, die bereits Erfahrungen mit BIM sammeln konnten, signifikant häufiger Koop-3D auf der Arbeit nutzen würden, F(1;76) = 4,78; p = 0,03. Insgesamt zeigte sich, dass Personen aus Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen Koop-3D mit marginaler Signifikanz als weniger nützlich betrachten, F(3;79) = 2,17; p = 0,10, und dementsprechend weniger häufig nutzen würden, F(3;78) = 2,27; p = 0,09. Die Häufigkeit, mit der Personen innerhalb eines Betriebes zusammen an einem Projekt arbeiten, zeigte einen positiven Zusammenhang mit der wahrgenommenen Neuartigkeit (r = 0,26; p = 0,20) und der Effizienz des Tools (r = 0,31; p = 0,01). Personen, die mit anderen Gewerken kooperieren, zeigten höhere Werte bei der erwarteten Ergebnisqualität (r = 0,23; p = 0,05), der Nützlichkeit (r = 0,34; p = 0,04), der Verlässlichkeit (r = 0,24; p = 0,04) und der Effizienz (r = 0,31; p = 0,01). Darüber hinaus zeigte sich, dass je häufiger mit externen Gewerken kooperiert wird, umso häufiger wird Koop-3D als nützlich (r = 0,31; p = 0,01), einfach zu nutzen (r = 0,26; p = 0,02), neuartig (r = 0,24; p = 0,03), verlässlich (r = 0,25; p = 0,02), effizient (r = 0,34; p ≤ 0,01) und attraktiv (r = 0,25; p = 0,03) wahrgenommen. Zwischen verschiedenen Berufsgruppen im Baubereich (z. B. Hochbau, Bauplanung- und Überwachung oder Klempnerei, Sanitäts-, Heizungs- und Klimatechnik) konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Das Alter und die Erfahrungen, die bereits im Baugewerbe gesammelt wurden, zeigten ebenfalls keinen Zusammenhang mit den Bewertungen des Tools. Insgesamt zeigte sich, dass Führungskräfte, mit BIM erfahrende Mitarbeitende, größere Unternehmen sowie häufig intern und extern kooperierende Unternehmen Koop-3D positiver bewerteten.

Welche Chancen und Risiken sehen die Gewerkevertretenden durch Koop-3D für die Kooperation?

Zur Übersichtlichkeit wurden die Chancen und Risiken nach den Kategorien des MTO-Dreiecks (Mensch, Technik, Organisation; Ulich, 2013, ◘ Abb. 3.3) sortiert. Informationen zu den Häufigkeiten der Nennungen werden im Anschluss an die Aussagen in Klammern mit angegeben. Im Bereich des Menschen wurde vor allem die bessere und optimierte Planung von Bauvorhaben (n = 10) genannt. So würden sich alle Informationen „auf einen Blick“ abrufen lassen, was eine ganzheitliche Planung ermögliche. Darüber hinaus biete Koop-3D eine „gute Vernetzung der Gewerke“ und ermögliche somit bessere Absprachen (n = 7). Durch den einfachen Zugang führe das Tool zu einer Zeitersparnis (n = 7) und ermögliche „schnelles Umändern“. Dem gegenüber stehe jedoch ein eventueller Informationsüberfluss (n = 6). Demnach könne ein komplexes Modell dazu führen, dass „zu viele Informationen […] die am Bau Beteiligten“ überfordern.

Abb. 3.3
figure 3

Zuordnung von Chancen und Risiken von Koop-3D zu den Ausprägungen des MTO-Dreiecks nach Ulich (2013)

Anmerkung. In Klammern hinter den Chancen (grün) und Risiken (rot) findet sich die Häufigkeit der Nennungen.

Im Bereich der Technik überzeuge Koop-3D vor allem mit der Visualisierung (n = 18). Es handle sich um eine „sehr gute Darstellung des zukünftigen Projekts“. Besonders betont wurde das „Darstellen von verschiedenen Ebenen“ und das „Arbeiten auch in ungewöhnlichen Perspektiven“. Als Risiken wurde vor allem in der Schnittmenge zur Organisation eine befürchtete aufwendige Einrichtung und Einführung des Tools (n = 9) sowie in der Schnittstelle zum Menschen komplexes technisches Wissen (n = 3) angebracht. Es wurde angemerkt, dass „das Programm und die entsprechende Hardware, sowie Personal, dass sich damit auskennt“ benötigt werden. Außerdem sei „nicht jedes Gewerk computeraffin“. Die Darstellung im Modell (n = 2) selbst wurde ebenfalls wie die Abhängigkeit von Daten (n = 2) bemängelt. Man „muss sich auf die Daten verlassen können“ und das 3D-Modell „wirkt nicht hochwertig“.

Im organisationalen Bereich stellten besonders die Vernetzung von Arbeitsbereichen (n = 20) und die damit einhergehende Erleichterung von Prozessen und Vorgängen (n = 7) Stärken von Koop-3D dar. So könne man „Schnittstellen schneller und effizienter festlegen und daraus resultierende Probleme beseitigen“ und das Tool ermögliche eine „gute Zusammenarbeit mit anderen Betrieben“. Dies führe insgesamt zu einer erhöhten Ausführungssicherheit (n = 2), sowohl bei der Planung als auch bei der Ausführung von Bauvorhaben. Risiken wurden im Bereich der Kosten (n = 4) gesehen. Zudem sei Koop-3D nicht für alle Branchen geeignet (n = 3) und könne zu Widerstand bei den Mitarbeitenden führen (n = 2). So seien „nicht alle Gewerke bereit, in so einem Tool zu arbeiten“ und Koop-3D sei eher etwas „für Architekten oder den Großimmobilienbereich“.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass in allen drei Bereichen des MTO-Dreiecks (Ulich, 2013) Chancen und Risiken bei der potenziellen Anwendung beachtet werden müssen. Auffällig ist dabei, dass im organisationalen und technischen Bereich noch viele Risiken gesehen werden.

Welche Methoden-, Sozial-, Fach und Selbstkompetenzen werden zur Nutzung von Koop-3D benötigt?

Die in der Studie erhobenen Kompetenzen wurden den vier Kompetenzfacetten (Kauffeld, 2006; Kauffeld & Paulsen, 2018) zugeordnet und basierend auf den Rückmeldungen im Workshop mit Expertinnen und Experten überarbeitet. Die finale Zuordnung kann in ◘ Abb. 3.4 eingesehen werden. Im Bereich Fachkompetenz wurde besonders häufig das Fachwissen (n = 10) sowie ein grundlegendes, technisches Verständnis (n = 6) genannt. Darüber hinaus werden räumliches Vorstellungsvermögen (n = 5), Erfahrungen mit der Arbeit auf der Baustelle oder mit der Modellierung von Gebäuden (n = 5) sowie fachspezifische Kenntnisse (n = 4), wie beispielsweise Softwarewissen oder technisches Zeichnen, benötigt. Im Bereich der Selbstkompetenz wird vor allem die Eigenverantwortung bei der Arbeit (n = 10) betont. Darüber hinaus seien Fantasie (n = 1) und Lernbereitschaft von Bedeutung (n = 1). Bei der Methodenkompetenz werden Computerkenntnisse und der Umgang mit Hardware (n = 16) als relevant angesehen. Planung und Organisation (n = 15), z. B. inhaltlich in Form von Gebäudeplanung oder prozessual in Form von Verantwortungsklärung, werden ebenfalls als wichtig erachtet. Grundsätzlich sollte digitales Wissen vorliegen (n = 2). Abschließend wurden bei der Sozialkompetenz die Aspekte Kommunikation (n = 5) und Teamarbeit (n = 2) herausgestellt. Für die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit wurde die Interdisziplinarität (n = 2) und der Informationsaustausch untereinander (n = 1) aufgegriffen. Die Teilnehmenden gaben an, im Durchschnitt bereits über 62,25 % (SD = 27,22%) der benötigten Kompetenzen zu verfügen. Es seien zudem 81 % der Teilnehmenden bereit, sich für die Nutzung eines Tools wie Koop-3D neue Kompetenzen anzueignen.

Abb. 3.4
figure 4

Vorläufiges induktives Kompetenzmodell für die Nutzung von Koop-3D

Anmerkung. Die Zuordnung zu den vier Kompetenzfacetten (Kauffeld, 2006; Kauffeld & Paulsen, 2018) folgte iterativ mittels MAXQDA (1989–2021). Die Häufigkeiten der Nennungen sind hinter den Kompetenzen in Klammern zu finden.

Zusammenfassend werden, basierend auf der Anzahl der Nennungen, besonders bei der Fach- und der Methodenkompetenz relevante Voraussetzungen für die Nutzung von Koop-3D gesehen. Den Selbst- und Sozialkompetenzen scheint eine sekundäre Rolle zuzufallen.

2.3 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

In dieser Studie hat sich gezeigt, dass Koop-3D als digitales Tool im Baugewerbe auf Akzeptanz seitens der Nutzendengruppe trifft. Besonders auf Führungsebene scheint das Tool in der Anwendung interessant zu sein. Zudem zeigen Personen, die bereits Schnittpunkte mit BIM hatten, mehr Akzeptanz gegenüber dem Tool. Im Einklang mit den theoretischen Annahmen dieser Studie zeigt sich zudem, dass KMU sich aufgrund eingeschränkter Ressourcen negativer gegenüber dem Tool zeigen, während größere Betriebe sich eher auf digitale Tools einlassen können (Lindner & Leyh, 2019). Personen, deren Betriebe vor allem extern vernetzt sind, sehen eine erhöhte Nützlichkeit und Einfachheit bei der Nutzung des Tools. Hiermit reiht sich die Studie in bisherige Forschung ein. KMU haben größere Schwierigkeiten bei der Einführung und Nutzung digitaler Technologien (Lindner, 2019). Durch einen starken Digitalisierungsdruck geraten Führungskräfte zudem in die Situation, sich mehr mit den neuen Herausforderungen der Digitalisierung auseinander zu setzen als Mitarbeitende (Lindner, 2019). Die höhere Akzeptanz der Führungskräfte kann beispielsweise aus dem Bedürfnis resultieren, aktiver an der Digitalisierung teilhaben zu wollen. Im Rahmen des transtheoretischen Modells der Veränderungen sind sie bereits weiter fortgeschritten und haben einen Informationsvorsprung (Kauffeld et al., 2019). Mitarbeitende hingegen stehen dieser Entwicklungen skeptischer gegenüber und scheinen die Notwendigkeit digitaler Entwicklung häufig noch nicht wahrzunehmen. Es zeigt sich zudem, dass Berührungspunkte mit neuen Technologien, beispielsweise durch gesammelte Erfahrungen oder die Vernetzung mit anderen Betrieben, die Technikakzeptanz fördern können.

Chancen von Koop-3D werden in dieser Studie beim Menschen (z. B. bessere Planungen und Absprachen), bei der Technik (z. B. Visualisierung von Gebäudemodellen) und der Organisation (z. B. Vernetzung diverser Arbeitsbereiche) gesehen, während Risiken eher im organisationalen (z. B. Widerstand der Mitarbeitenden) und technischen Bereich (z. B. aufwendige Einrichtung der Technik) zu finden sind. Die Ergebnisse dieser Studie betonen, dass nicht nur strukturelle Schwierigkeiten, wie fehlende zeitliche oder finanzielle Ressourcen, sondern zusätzlich personelle Herausforderungen, wie Widerstand der Mitarbeitenden, bei der Einführung neuer Technologien bestehen. Bei der Einführung neuer Technologien muss demnach ganzheitlich gedacht werden. Rothenbusch und Kauffeld (2020) merken an, dass weitere Maßnahmen parallel zur Einführung für eine erfolgreiche Einführung neuer Technologien notwendig sind. Partizipative Maßnahmen, wie begleitende Workshops oder spezifische Weiterbildungen, können beispielsweise zu einer Erhöhung der Technologieakzeptanz führen (Rothenbusch & Kauffeld, 2020; Venkatesh & Bala, 2008). Generell wurde bei dem Koop-3D Workshop mit Expertinnen und Experten zudem festgestellt, dass Koop-3D eine spezifische Erwartungshaltung gegenüber einer neuen Technologie weckt, auch wenn diese gar nicht zutreffend ist (z. B. "neue Technologien gehen mit erhöhter Komplexität und hohen Kosten einher").

Bei den Kompetenzen zur Nutzung von Koop-3D stehen vor allem Fach- und Methodenkenntnisse im Fokus, während Selbst- und Sozialkompetenzen einen geringeren Stellenwert einnehmen. Auf Basis des Workshops mit Expertinnen und Experten wurde festgestellt, dass das Kompetenzmodell grundlegende Kompetenzen für die Arbeit auf dem Bau beinhaltet, die spezifisch auf Koop-3D angepasst und zum Teil bereits bei Mitarbeitenden vorhanden sind. Generell zeigt sich bei KMU im Vergleich zu Großunternehmen, dass die digitalen Kompetenzen niedriger ausgeprägt sind (Czernich et al., 2019). Unsere Ergebnisse zeigen zudem, dass zur erfolgreichen Einführung neuer Technologien vielfältige Kompetenzbereiche mitgedacht werden müssen. Zum anderen zeigen sie auf, dass vorhandene Kompetenzen in KMU genutzt werden können, um Risiken digitaler Tools und deren Einführung zu reduzieren.

3 Implikationen der Studienergebnisse für das Baugewerbe

3.1 Praktische Implikationen

Die Rückmeldungen der Nutzenden verdeutlichen, dass neue Technologien in KMU eine ganzheitliche Einführungsstrategie benötigen. Alle Bereiche des MTO-Dreiecks müssen dabei in die Planung und Organisation der Technikeinführung einbezogen werden. In der Schnittstelle Mensch und Technik zeigt sich gegenüber Koop-3D eine neutrale bis gute Technikakzeptanz. In der Studie werden einige Aspekte aufgegriffen, die bei einer funktionalen Interaktion von Technologie und Mensch beachtet werden müssen, beispielsweise die Bedienbarkeit oder die erwartete Nützlichkeit. Hier ist es zudem wichtig, die Erwartungshaltung gegenüber neuen Technologien zu berücksichtigen und aufgrund dessen den konkreten Umfang und Nutzen eines Tools klar und transparent zu kommunizieren. Auf organisationaler Ebene ist es für Betriebe relevant zu wissen, wie es um die Technikakzeptanz der Mitarbeitenden steht, um diese effektiv auf die Einführung neuer Technologien vorbereiten und begleiten zu können. Darüber hinaus stellt sich für die Zukunft der Digitalisierung in KMU die Frage, inwiefern Mitarbeitende bereit für neue Technologien am Arbeitsplatz sind. Die vorliegende Studie zeigt, dass viele Mitarbeitende schätzen, dass sie bereits über einen Großteil der Kompetenzen für die Nutzung verfügen und zusätzlich bereit sind, sich neue Kompetenzen anzueignen. Diese Bereitschaft kann innerhalb der Schnittmenge zwischen Mensch und Organisation genutzt werden, um die Einführung neuer Technologien, beispielsweise durch gezielten Kompetenzaufbau, zu erleichtern und Widerstand gegen neue Technologien zu reduzieren. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass es zur Steigerung der Akzeptanz neuer Tools sinnvoll sein kann, bereits vorher Berührungspunkte mit der Digitalisierung (z. B. durch den Austausch mit Mitarbeitenden anderer Unternehmen oder die Nutzung im Rahmen von Weiterbildungen oder Schulungen) zu schaffen. Damit wird Mitarbeitenden ermöglicht, bereits erste Erfahrung mit neuen Technologien zu sammeln und den Nutzen in der Praxis kennenzulernen. Möglichkeiten dafür bietet beispielsweise die externe Kooperation mit anderen Gewerken oder Betrieben, sodass Mitarbeitende neue Perspektiven und Arbeitsrealitäten kennenlernen können. Die durch den zwischengewerklichen Austausch entstehenden Netzwerke können von KMU als Ressource genutzt werden, um Informationen weiterzugeben und erste Berührungspunkte mit digitalen Arbeitsweisen zu schaffen.

3.2 Methodische Implikationen

Die Studie zur Einschätzung der Nutzbarkeit zeigt einige methodische Implikationen für zukünftige Forschung. So zeigt sich die Nutzung einer Videovignette als effektive Möglichkeit, Feedback und Rückmeldungen von einer großen Anzahl an Personen zu einem digitalen Tool erhalten zu können. Die Bewertung der Teilnehmenden erlaubte Rückschlüsse auf die Nutzbarkeit des Tools, weckte Interesse und schuf Berührungspunkte mit dem Konzept von BIM in KMU. Dennoch zeigten qualitative Aussagen, dass nicht alle Aspekte des Tools über die Videovignette übertragen werden konnten. Zukünftige Studien benötigen eine zusätzliche anwendungsorientierte Komponente, bei der Personen das Tool probeweise nutzen und Funktionen selbst erfahren können (z. B. über eine Demo-Version des Tools).

Darüber hinaus bietet das MTO-Dreieck (Ulich, 2013) eine übersichtliche Grundlage für die Kategorisierung von Chancen und Risiken digitaler Tools im Baugewerbe. Dabei sind vor allem die Interaktionen innerhalb des Modells relevant und sollten bei der Einführung eines digitalen Tools berücksichtigt werden. Das MTO-Dreieck eignet sich für einen Überblick, da es als sehr schlankes Modell eine einfache Annäherung an verschiedene Facetten der Technikakzeptanz erlaubt. Eine Erweiterung in zukünftiger Forschung bietet beispielsweise eine Annäherung über zusätzliche Faktoren, die eine potenzielle Berücksichtigung erfordern (z. B. Umwelt oder andere Stakeholder, wie Kundinnen und Kunden oder Zuliefernde; Pasmore et al., 2019).

Des Weiteren bieten die Kompetenzfacetten (vgl. z. B. Kauffeld, 2006; Kauffeld & Paulsen, 2018) als Modellierung auf hohem Abstraktionsniveau eine gute Möglichkeit einen ersten Eindruck zu potenziellen Kompetenzen zu erhalten. Anzumerken ist, dass das Modell besonders bei spezifischem Nutzen mehr Detailtiefe benötigt und Nachanpassungen erfordert. In weiterer Forschung wird es bei der Einführung digitaler Tools in KMU notwendig sein, passgenaue und detailliertere Kompetenzmodelle zu nutzen, um spezifischere Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten erarbeiten zu können (z. B. Blumberg & Kauffeld, 2021; Karwehl & Kauffeld, 2021; Kauffeld & Albrecht, 2021).

3.3 Fazit

Die Digitalisierung wird für KMU im Baugewerbe in Zukunft eine große Rolle spielen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, besteht eine Notwendigkeit, digitale Entwicklungen und Trends aufzugreifen. Koop-3D als ein an BIM angelehntes Gebäudemodellierungstool bietet eine einfache und niedrigschwellige Möglichkeit für KMU, Berührungspunkte mit digitalen Technologien zu schaffen. Dabei hat sich gezeigt, dass das Tool als geeignet für die Praxis eingeschätzt wird und Kompetenzen zur Nutzung digitaler Tools bereits in Betrieben vorliegen, die Einführung jedoch in einen ganzheitlichen und strategischen Rahmen eingebettet sein muss. In diesem Sinne können die durch diese Studie ermittelten Chancen, Risiken und Kompetenzen genutzt werden, um Entwicklungspotenziale auf allen Ebenen des MTO-Dreiecks zu nutzen (z. B. Technologien nutzendenorientiert weiterzuentwickeln oder durch Transparenz und unterstützende, organisationale Strukturen bei Mitarbeitenden mehr Akzeptanz zu schaffen). So können individuelle Bedarfe der Mitarbeitenden aufgegriffen und Digitalisierungstrends sinnvoll umgesetzt werden. Zukünftige Forschungs- und Entwicklungsprojekte müssen sich darauf fokussieren, wie digitale Tools durch effektive Ressourcennutzung und zugeschnittene Strategien in KMU eingeführt und effektiv genutzt werden können.

Förderhinweis

Die vorliegende Arbeit ist Teil des Projektes IN-DIG-O (FKZ: 02L117C590). Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt IN-DIG-O wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ unter dem Dachprogramm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei dem Autor und den Autorinnen.