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Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit als zwei Seiten einer Medaille: ein Aufruf zur „Intelligenz“ im Europäischen Tourismus

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Der Schutz des Individuums durch das Recht
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Zusammenfassung

Selten wohl hat ein einziger Begriff eine derartig ubiquitäre gesellschaftspolitische Karriere gemacht wie jener der „Nachhaltigkeit“. „Nachhaltigkeit“ steht für ein dringendes gesamtgesellschaftliches Anliegen, das in seiner Urgenz und Präsenz ein ideales „Trägerkonzept“ bildet für andere, verwandte, Anliegen. In diesem Beitrag geht es um die Frage, wie Nachhaltigkeit zur Barrierefreiheit steht und wie die beiden Anliegen besser miteinander verbunden werden können, um sich gegenseitig zu verstärken. Um diese exzessiv breite Fragestellung einzugrenzen, wird der Tourismus als Fallbeispiel herangezogen wobei – als zweite Eingrenzung – der Fokus auf die Regulierungsebene der Europäischen Union gelegt wird. Die EU hat kürzlich einen mehrjährigen EU-Arbeitsplan für die neue Europäische Agenda Tourismus 2030 vorgestellt. Eines seiner insgesamt 16 Schwerpunktthemen ist der Barrierefreiheit gewidmet. Intelligent umgesetzt lässt sich diese bescheidene politische Grundlage gut nützen um die Barrierefreiheit prominenter und durchgängiger in die Nachhaltigkeitsbemühungen des Europäischen Tourismus der kommenden Jahre einzubauen. Dies ist nicht nur politisch sinnvoll, sondern auch juristisch geboten wie ein Blick auf den europa- und völkerrechtlichen Kontext deutlich zeigt.  

Prof. Dr. Gabriel N. Toggenburg, Leiter des Sektors „Human Rights Structures and Instruments“ in der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und Honorarprofessor für Menschenrechtsschutz und das Recht der Europäischen Union an der Karl-Franzens-Universität Graz. Der Aufsatz gibt die private Meinung des Autors wieder und kann nicht seinem Arbeitgeber zugerechnet werden.

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Notes

  1. 1.

    So meint Heine (2017), dass der Spott über den Begriff Nachhaltigkeit damit zu tun habe, „dass eine neue säkulare Priesterkaste entstanden ist, die Nachhaltigkeitsablasszettelchen verkauft, die der Käufer dann in Pressekonferenzen schwenken oder auf seine Produkte kleben kann.“.

  2. 2.

    Nicht umsonst gibt es bereits postgraduale Juristenausbildungen die sich dem „Nachhaltigkeitsrecht“ verschreiben.

  3. 3.

    Vereinte Nationen (2015).

  4. 4.

    Ein „Hochrangiges Politisches Forum“ (High-Level Political Forum, HLPF) bildet das zentrale UN-Gremium das die Umsetzung der Agenda 2030 und der Nachhaltigkeitsziele überwacht – allerdings ohne mit Entscheidungs- und Sanktionsgewalt ausgestattet zu sein. Das HLPF ersetzte die vorhergehende Kommission für Nachhaltigkeit, die auch jährlich tagte. Die Details sind in einer Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen grundgelegt, siehe Resolution A/67/L.72 Format and organizational aspects of the high-level political forum on sustainable development, angenommen am 07.07.2013.

  5. 5.

    Siehe FRA European Union Agency for Fundamental Rights (2019).

  6. 6.

    Siehe United Nations (2017, 2018, 2019, 2020).

  7. 7.

    Präambel des Vertrages über die Europäische Union (EUV).

  8. 8.

    Art. 3 Abs. 3 EUV.

  9. 9.

    Art. 11 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Siehe auch Art. 37 der EU-Grundrechtecharta.

  10. 10.

    Art. 3 Abs. 5 EUV.

  11. 11.

    Art. 21 Abs. 2 lit. d) EUV. Auch soll die Zusammenarbeit zur „Entwicklung von internationalen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Qualität der Umwelt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen [beitragen], um eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen“. Siehe Art. 21 Abs. 2 lit. f) EUV.

  12. 12.

    Art. 3 Abs. 3 EUV.

  13. 13.

    Freilich mag man bezweifeln, ob sich der EU-Gesetzgeber dieser Verpflichtungen stets ausreichend bewusst ist, weswegen Vorschläge, diese primärrechtliche Verpflichtung zu verdeutlichen, willkommen sind. Siehe etwa den Entwurf der Stellungnahme des LIBE-Ausschusses zur Abänderung der Verträge vom 15.12.2022, (2022/2051(INL)), Ziffer 5.

  14. 14.

    Europäischer Rechnungshof Hüter der EU-Finanzen (2021).

  15. 15.

    Europäisches Parlament (2022) Kurzdarstellung.

  16. 16.

    Mit der Verordnung (EU) Nr. 692/2011 vom 06.07.2011 wurde ein gemeinsamer Rahmen für die systematische Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken aufgrund nationaler Daten geschaffen.

  17. 17.

    Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Zusammenarbeit für die Zukunft des Tourismus in Europa (KOM(2001) 665 endgültig), 13.11.2001.

  18. 18.

    Es findet seit 2002 jährlich in der zweiten Jahreshälfte statt und wird mit dem Präsidentschaftsland veranstaltet.

  19. 19.

    Europäische Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europa – wichtigstes Reiseziel der Welt: ein neuer politischer Rahmen für den europäischen Tourismus (KOM(2010)352 endgültig), 30.06.2010.

  20. 20.

    Kirch (2020), S. 561–564.

  21. 21.

    Europäisches Parlament, Entschließung vom 29.10.2015 zu neuen Herausforderungen und Konzepten für die Förderung des Fremdenverkehrs in Europa (2014/2241(INI)) und Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19.06.2020 zu Verkehr und Tourismus im Jahr 2020 und darüber hinaus (2020/2649(RSP)).

  22. 22.

    Schlussfolgerungen des Rates angenommen am 27.05.2021, Tourismus in Europa im nächsten Jahrzehnt: Nachhaltig, widerstandsfähig, digital, global und sozial, https://www.consilium.europa.eu/media/49960/st08881-en21.pdf,

  23. 23.

    Rat der Europäischen Union, Schlussfolgerungen zur Europäischen Agenda für den Tourismus 2030, Ratsdokument 15441/221 vom Dezember 2022.

  24. 24.

    Europäische Kommission, Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Grundlinien zur Nachhaltigkeit des europäischen Tourismus (KOM(2003) 716 endgültig), 21.11.2003.

  25. 25.

    Europäische Kommission, Mitteilung: Agenda für einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Tourismus (KOM(2007) 621 endgültig), 19.10.2007. Diese Initiative ging zurück auf die Arbeiten der Gruppe „Nachhaltigkeit im Tourismus“ (GNT) die 2004 eingerichtet wurde, um den „Agenda-21-Prozess für die Nachhaltigkeit im europäischen Tourismus mit Inhalt zu füllen“. Siehe Europäische Kommission, Mitteilung: Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen Tourismus (KOM(2006) 134 endgültig), 17.03.2006. Die Mitteilung spezifiziert, dass sich GNT aus Sachverständigen zusammensetzt und eine Vertretung von Industrieverbänden, Repräsentanten von Reisezielen und Gewerkschaften/Bürgergesellschaft aber auch Behörden sicherstellt. Das besondere Augenmerk der GNT galt Umweltfragen.

  26. 26.

    Europäische Kommission, Mitteilung: Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen Tourismus, KOM(2006) 134 endgültig vom 17.03.2006, S. 3.

  27. 27.

    https://single-market-economy.ec.europa.eu/sectors/tourism/eden/previous-editions/eden-destinations/austria_en.

  28. 28.

    https://single-market-economy.ec.europa.eu/sectors/tourism/eden/previous-editions/edendestinations/germany_en.

  29. 29.

    Europäische Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschluss der Regionen (COM(2014) 86 final), 20.02.2014.

  30. 30.

    Travellife basiert auf den GSTC Standard (Global Sustainable Tourism Council Standard). Siehe https://travelifestaybetter.com/.

  31. 31.

    Siehe Europäischen Kommission (2016).

  32. 32.

    Europäische Kommission, Comission Staff Working Document: Scenarios towards co-creation of transition pathway for tourism for a more resilient, innovative and sustainable ecosystem (SWD(2021) 164 final), 21.06.2021.

  33. 33.

    Agenda für den Tourismus 2030, Z 17.

  34. 34.

    Vergleiche Buhalis und Darcy (2011); Buhalis et al. (2012); Michopoulou et al. (2015), S. 179–188.

  35. 35.

    Siehe etwa Europäische Kommission (2015).

  36. 36.

    KOM(2003) 716 endgültig, 21.11.2003.

  37. 37.

    Kriterien 4.1 bis 4.4 des ETIS.

  38. 38.

    Europäische Kommission, Mitteilung: Eine neue EU-Tourismuspolitik: Wege zu mehr Partnerschaft für den europäischen Tourismus (KOM(2006) 134 endgültig), 17.03.2006.

  39. 39.

    KOM(2010)352 endgültig, 30.06.2010. Dieses Ziel wurde auch über das Pilotprojekt CALYPSO gefördert, und zwar für 9 Projekte im Zeitraum 2009–2013. Es wurde dann unter dem Mantel des Programmes COSME fortgesetzt.

  40. 40.

    Siehe hier: http://www.europeforall.com/home.seam.

  41. 41.

    ENAT wurde 2008 gegründet und hat mittlerweile 350 Mitglieder in 50 Ländern. Die Mitglieder umfassen alle Beteiligten wie Tourismusunternehmen, private wie öffentliche Einrichtungen, NGOs, Experten etc.

  42. 42.

    2022 haben Bordeaux und Valencia gewonnen, siehe für Information https://smart-tourism-capital.ec.europa.eu/about_en.

  43. 43.

    Agenda für den Tourismus 2030, Z. 20 lit. h.

  44. 44.

    Art. 30 Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

  45. 45.

    Art. 30 Abs. 5 Ziffer 3 des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

  46. 46.

    Art. 30 Abs. 5 Ziffer 5 des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

  47. 47.

    Europäisches Parlament (2020), Entschließung vom 19. Juni 2020 zu Verkehr und Tourismus im Jahr 2020 und darüber hinaus (2020/2649(RSP)). Unter anderen fordert das Parlament „die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die laufende Entwicklung der Norm für barrierefreie touristische Dienstleistungen der Internationalen Organisation für Normung aktiv voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass sie nach ihrer Annahme rasch und korrekt umgesetzt wird und dass die Dienstleister die einschlägigen Barrierefreiheitsstandards einhalten, die bereits bestehen oder derzeit umgesetzt werden; fordert die Kommission ferner auf, Anstrengungen zu unternehmen, um die mögliche umfassendere Einführung und Anerkennung des EU-Behindertenausweises zu erleichtern“.

  48. 48.

    Rat der Europäischen Union, Tourismus in Europa im nächsten Jahrzehnt: Nachhaltig, widerstandsfähig, digital, global und sozial - Schlussfolgerungen des Rates angenommen am 27.05.2021, Ratsdokument 8881/21.

  49. 49.

    So Haimayer (1993), S. 745 und 752.

  50. 50.

    Siehe Zsarnoczky (2018), S. 39–43.

  51. 51.

    Einreichungen können hier getätigt werden: EU-TOURISM-PATHWAY-2030@ec.europa.eu, siehe https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/Together4EUTourism. Auch Kleinstanbieter können pledges abgeben, siehe zum Beispiel das Haus Himmelfahrt: https://www.youtube.com/watch?v=zB3p3bdviDc

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Toggenburg, G.N. (2023). Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit als zwei Seiten einer Medaille: ein Aufruf zur „Intelligenz“ im Europäischen Tourismus. In: Donath, P.B., Heger, A., Malkmus, M., Bayrak, O. (eds) Der Schutz des Individuums durch das Recht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66978-5_76

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

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