1 Kontextualisierung

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts lassen sich im deutschsprachigen Raum nur wenige Spuren einer Englandrezeption feststellen, und diese sind in der Regel solche aus ‚zweiter Hand‘. Begonnen hatte der wirtschaftliche und politische Austausch mit England bereits im Mittelalter, jedoch gewann der Kulturtransfer erst mit dem gedruckten Wort, der Ausbreitung des Buchhandels und seit der Reformation, mit der Aufnahme theologischer Literatur, an Einfluss.Footnote 1 Bildungsreisen junger Adeliger, Entdeckungs- oder Gesandtschaftsreisen nach England respektive der Einfluss englischer Schauspieltruppen in Deutschland trugen weiterhin das Ihre zur kulturellen Öffnung von und nach den britischen Inseln bei.

Bestätigt wird diese Beobachtung durch die noch immer wertvolle Grundlagenarbeit von Lawrence Marsden Price und seinen ausführlichen Überblick über die English-German Literary Influences, der sich im zweiten Teil (survey) The Eighteenth Century and before auf ganzen 30 (von rund 600) Seiten mit dem 17. Jahrhundert beschäftigt.Footnote 2 In jüngerer Zeit bestätigt die eingehende Quellenstudie Jennifer Willenbergs bisherige Forschungsergebnisse.Footnote 3 Holland und Frankreich waren die Mittler englischer Literatur nach und in Kontinentaleuropa, und dem Lateinischen kam als internationaler Gelehrtensprache, besonders bei theologischen und historischen Werken, die wichtige Funktion eines Bindeglieds zwischen englischer und deutscher Sprache zu.

Somit befinden wir uns um 1650, zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Übersetzungsleistung, gleichsam am Beginn des vermittelten englisch-deutschen Kulturtransferprozesses. Englische Bücher waren noch rar, auch weil die englische Sprache weder zum Bildungsgut der Gelehrten (Lateinisch, Hebräisch, Griechisch) gehörte, noch als Sprache in der Fürstenerziehung (Französisch, Italienisch, Spanisch) vorgesehen war. Carl Gustav von Hille kann als Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (in der Gesellschaft lautet sein Name „Der Unverdrossene“)Footnote 4 somit durchaus als Ausnahmeerscheinung gelten, wenn er bereits 1647 eine Lanze für die englische Sprache brach und für Direktübersetzungen plädierte: „dannenhero hertzlich zu wünschen/ daß wir Teutsche ein mehrern Fleiß an solcher Sprache legten/ als leider nicht geschiehet, damit wir ihre übrige Geistliche[!] Bücher/ die sie artlich und wol gegeben/ in unsere hochteutsche Sprache gleichfalls übersetzen könten“Footnote 5. Innerhalb der Fruchtbringenden Gesellschaft war der in England geborene „Unverdrossene“ Hille mit Blick auf anglophile Tendenzen keinesfalls exzeptionell. Ihm folgten die im Buwinghausen-Kontext wichtigen Mitglieder Georg Philipp Harsdörffer („Der Spielende“) und Johann Wilhelm von Stubenberg („Der Unglückliche“/ „Der Unglückselige“)Footnote 6 und – um den Vertreter Englands der späteren Phase der Fruchtbringenden Gesellschaft hervorzuheben – Martin Kempe („Der Erkorne“). Bereits in dem Lobgedicht auf die deutsche Sprache und Poesie, dem Palmzweig (1664), wandte er sich explizit „Britannien“ zu. Er übersetzte – wie Buwinghausen und Harsdörffer – Joseph Hall, außerdem Thomas Goodwin und Charles Richardson. Seine 1677 erschienene Bibliographie der englischen theologischen Literatur mit dem Schwerpunkt im 17. Jahrhundert Charismatum sacrorum trias, Sive Bibliotheca Anglorum theologica lässt mit dem Appendix De Regia societate Londinensi hinter dem sozietären Tugend-, Eruditio- und Conversatio-Ideal der Fruchtbringenden Gesellschaft bereits das neue Wissensmodell des Akademiewesens aufscheinen.Footnote 7

Um 1650 jedoch war der Blick von Deutschland aus ins ‚literarische‘ Königreich England insgesamt ein vorsichtiger und der Kreis der (anfangs indirekten) Dolmetscher überschaubar und männlich. Deshalb könnte der Titel eines in Tübingen im Jahre 1652 veröffentlichten Werks beim Lesepublikum immerhin Aufmerksamkeit geweckt haben. Es handelt sich um eine Übertragung des 1606 in London erschienenen erbaulichen Werks des Calvinisten Joseph Hall Heaven upon earth, für die – wie auf dem Titelblatt zu lesen ist – „Eine Tugend-Begierige Liebhaberin der hochberühmten Teutschen Völkerschaft“ verantwortlich zeichnete.Footnote 8 Die Autorin gibt sich erst am Ende ihrer Widmung (an die Herzogin Anna Katharina von Salm-Kyrburg, Gattin des württembergischen Herzogs Eberhard III.) zu erkennen: „Vnderthänig- und gehorsame Dienerin Margreta Maria/ Fräulen von Buwinckhaussen/ zu Walmerot“.Footnote 9

Die junge Margareta Maria von Buwinghausen und Walmerode (1629 – nach 1679) stand zum Zeitpunkt der in Frage stehenden Veröffentlichung in engem Kontakt mit einigen herausragenden Mitgliedern der größten, männlichen und fast gänzlich adeligen Akademie des 17. Jahrhunderts, der Fruchtbringenden Gesellschaft, auf deren Programmatik in Kap. 2 näher einzugehen ist. Die Werke des in Deutschland äußerst beliebten Joseph Hall wurden innerhalb des Fruchtbringer-Kreises ebenso positiv aufgenommen, verband der englische Autor doch den allgemein christlichen, erbaulichen Inhalt einer praktischen Moraltheologie mit dem luziden Stil Senecas, jenes Autors, den nicht nur Hall selbst, sondern auch die Gesellschafter im Zusammenhang ihrer eigenen neostoizistischen Neigungen sehr zu schätzen wussten.Footnote 10 So übersetzte Georg Philipp Harsdörffer, wohlwollender Beförderer der Buwinghausen, auch die Erbauungsschrift „Charackters of Vertues and Vices“ (1608) im gleichen Jahr 1652 und widmete dieselbe einem just aufgenommenen Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, dem königlich-dänischen Rat und Pinneberger Drosten Jaspar von Oertzen („Der Verständige“). Auch Harsdörffer erscheint als Autor-Übersetzer nicht auf dem Titelblatt. Es heißt dort schlicht „gedolmetscht Durch ein Mitglied der hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft“,Footnote 11 eine Provenienz, die im 17. Jahrhundert fraglos Qualität versprach. Diese Formulierung war üblich, genau wie eine andere Variante der anonymen Verfasserschaft innerhalb der Akademie: die Nennung des Gesellschaftsnamens. Dieser wurde bei Eintritt in die Gesellschaft verliehen, und er erlaubte es, sich innerhalb der sozial und politisch heterogenen Sozietät gleichberechtigt und ohne Standesunterschiede zu begegnen. Die kaum erforschten, zahlreichen Übersetzungen (und Paratexte) aus dem Fruchtbringer-Kreis spielten in der Programmatik und der fruchtbringerischen Kommunikation explizit eine herausgehobene Rolle bei der Aufgabe des hochdeutschen Sprachausbaus und der Entwicklung einer anspruchsvollen deutschen Kunstpoesie.Footnote 12

Margareta Maria befand sich mit ihrem Unterfangen einer Hall-Übersetzung somit ‚in sehr guter Gesellschaft‘. Der Titel ihrer Übersetzung sei hier angeführt, deutet er doch die verschiedenen Ebenen der folgenden Argumentation an:

Waarer und großmütiger Christen Krieg- Sieg- und Frieden-Spiegel. Erstlich in Englischer Sprach herauß gegeben durch Msr. Joseph Hall; Hernach von Monsr. Cheureau, in Frantzösisch übersetzt: Vnd auß disem, Zu sonderbarer Bezeugung/ der Treu und Wolgewogenheit/ gegen Jhrem Geburts-Land‘ in rein Hoch-Teutsch gebracht. Durch Eine Tugend-Begierige Liebhaberin der hochberühmten Teutschen Völckerschafft. 2.Tim.2.v.5 Niemand wird gekrönet/ er kämpfe dann recht. Tübingen/ Getruckt bey Dieterich Werlin: Jm Jahr/ 1652.

Die weibliche Autorschaft, es wurde bereits erwähnt, wird unübersehbar auf dem Titelblatt festgehalten, genau wie der kulturpatriotische Akzent pro deutsche Sprache deutlich gesetzt wird.Footnote 13 Auch aus der Vermittlung via französische Sprache und dem (Erst-)Übersetzernamen wird kein Geheimnis gemacht. Dagegen bleibt der Name und damit auch der Stand der Übersetzerin ungenannt, was im Übrigen auch auf die über das Lateinische vermittelte Vorgängerübersetzung des Gelehrten Christophorus Colerus (Köler) aus dem Jahre 1632 zutraf.Footnote 14

Dass die Übertragung von einer Frau geleistet wurde, dürfte die frühneuzeitliche Leserschaft der Hall-Übersetzung von 1652 Waarer und großmütiger Christen Krieg- Sieg- und Frieden-Spiegel überrascht haben. Übersetzungen von weiblicher Hand ins Deutsche finden wir im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation um die Jahrhundertmitte äußerst selten, und wir finden sie – nach bisherigem Forschungsstand und mit o. g. Ausnahme – überhaupt nicht, wenn es um den englisch-deutschen Kulturtransfer im 17. Jahrhundert geht.Footnote 15 Trotz der weiblichen Autorschaft, die im 18. Jahrhundert noch deutliche Rezeptionsspuren hinterließ, geriet die Übersetzung in der Folge in Vergessenheit.Footnote 16 Es ist Martin Birchers Studie zum Freundeskreis des 500. Mitgliedes der Fruchtbringenden Gesellschaft, des österreichischen Exulanten Johann Wilhelm von Stubenberg, zu verdanken, dass die Autorin und ihr Werk wieder ins wissenschaftliche Bewusstsein gelangten.Footnote 17 In der Folge dieser Publikation widmeten sich einige Wissenschaftler*innen der adeligen Buwinghausen, ihrer Person und ihrer Lebensleistung.Footnote 18 Ihr Name fand folgerichtig auch Eingang in das Lexikon Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes.Footnote 19

Der vorliegende Beitrag lenkt den Fokus auf die Briefeschreiberin und macht in diesem Kontext erstmalig auf ein zusammenhängendes Konvolut von zwölf Autographen aufmerksam. Diese wurden zwischen März 1650 und Februar 1653 verfasst, als die junge Adelige mit dem Universalgelehrten, Theologen und Enkel des Reformators und Tübinger Kanzlers Jakob Andreae, namentlich mit Johann Valentin Andreae, in Briefkontakt stand. Die Brieforiginale befinden sich in der Herzog August Bibliothek und sind bisher weder systematisch transkribiert noch inhaltlich analysiert worden.Footnote 20 Die Briefschreiberin thematisiert im Alter von 20 bis 23 Jahren in diesen Schreiben die Entstehungsgeschichte ihrer Übersetzung aus ihrer Sicht und in ihren Worten, was wiederum die seltene Chance eröffnet, die Entwicklung einer adeligen Autorin gleichsam als selbst bezeugte zu erfahren. Der Beitrag fragt nach dem Mindset der auf den zeitgenössischen Buchmarkt strebenden Autorin, die sich mit dem populären englischen Erbauungsschriftsteller positionieren möchte. Es stellt sich daher die Frage, welche Strategien sie als unverheiratetes, früh vaterlos gewordenes Freifräulein auszubilden gezwungen war, da ihr die für die Sichtbarkeit auf dem Buchmarkt oft maßgeblichen männlichen Verwandten fehlten. Weiterhin wird untersucht, welche Netzwerke sie nutzte und wie sie den Prozess der Publizität vorantrieb.Footnote 21

Margareta Maria von Buwinghausen und Walmerode wurde 1629 in Stuttgart geboren. Ihr Vater Benjamin (1571–1635) stammte aus dem Geschlecht derer von Buwinghausen, das bis ins 13. Jahrhundert nachweisbar ist und seinen ursprünglichen Sitz in Walmenroth über Betzdorf in Westfalen hatte. Auf seiner Bildungsreise nach Frankreich von König Henri IV. zum Ritter geschlagen, trat Benjamin Buwinghausen in den Dienst der Herzöge von Württemberg (Friedrich I., Johann Friedrich u. Eberhard III.) als Diplomat, Kriegsrat und Gesandter. Er begab sich im Auftrag der Protestantischen Union im Jahre 1610 zum englischen Königshaus, zu König James I.Footnote 22 Die Quellen bestätigen, dass er einige Jahre später als Geheimer Rat des Herzogs (jetzt: Johann Friedrichs) angehalten war, in Regensburg den Verdacht Kaiser Ferdinands II. auszuräumen, sein Dienstherr wolle sich an einer neuen Union beteiligen.Footnote 23 Aus Westfalen stammend und durch seine Gesandtschaften geprägt, wusste er um die Bedeutung der europäischen Schalthebel in London, Paris und im Haag. Buwinghausen lebte in dieser Phase mit seiner Frau und fünf Kindern in der Nähe von Calw auf Schloss Zavelstein, und eine enge Freundschaft verband ihn mit dem erwähnten Theologen Andreae, welcher als Diakon in Vaihingen, wirkte.Footnote 24 1619 verstarb Buwinghausens erste Frau, und der herzogliche Gesandte lernte die aus einem alten protestantischen Adelsgeschlecht Österreichs stammende Johanna Ursula von Concin kennen, die er 1621 ehelichte. Acht Jahre später wurde Margareta Maria als wiederum fünftes Kind dieser zweiten Verbindung Buwinghausen-Concin in Stuttgart geboren. Ihr Vater starb, als Margareta Maria sechs Jahre alt war. Über ihre Mutter ist wenig mehr bekannt, als dass sie die Tochter des Johann Christoph Concin und der Barbara von Pranckh war, und ihre Familie den Freiherrenstand 1607 erhielt. In unserem Zusammenhang erscheint es erwähnenswert, dass die (spätere) Freundin Margareta Marias, Catharina Regina von Greiffenberg, eine entfernte Verwandte war.Footnote 25

Der langjährige Freund der Familie, Johann Valentin Andreae, inzwischen Superintendent, lebte, wie Margareta Maria von Buwinghausen, seit 1638 ebenfalls in Stuttgart, da er dort in die württembergische Kirchenleitung berufen wurde und sein Amt als Hofprediger und Konsistorialrat in der herzoglichen Residenzstadt ausübte. Er blieb somit in persönlichem Kontakt mit den Buwinghausens, bis er sich im fortgeschrittenen Alter noch einmal beruflich veränderte. Er trat 1650 in Bebenhausen, nahe Tübingen, die Stelle als Abt und Generalsuperintendent der evangelischen Klosterschule an, die er bis zu seinem Tod 1654 ausfüllte. Seine späte Mitgliedschaft in der Fruchtbringenden Gesellschaft, der er mit 60 Jahren unter dem Gesellschaftsnamen „Der Mürbe“ und durch die Vermittlung Herzog Augusts d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel („Der Befreiende“) beitrat, war gleichsam Bezugs- und Angelpunkt in der brieflichen Kommunikation mit Margareta Maria von Buwinghausen und Walmerode.

Die junge Frau suchte und fand in dem mehr als 40 Jahre älteren Andreae einen väterlichen Freund, und in den Schreiben wird eine vertrauensvolle Lehrer-Schülerin-Beziehung deutlich. Die Bildungsvoraussetzungen Margareta Marias sowohl von Seiten der kosmopolitischen Eltern als auch vermittels des Theologen und Ersatzvaters Andreae waren ideal, und die vorliegenden Briefe berichten nicht allein von ihrer Liebe zur deutschen Literatur und Sprache, sondern auch von aktiven Versuchen, ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet zu erweitern. So schrieb sie 21-jährig an Andreae: „an büchern bin ich ietzund gantz arm […] bite zum allerhöchsten, der herr vatter [i.e. Andreae] wolle […] mir jrgendt etwas neues zu kommen lassen“.Footnote 26

Dieser Briefausschnitt deutet bereits an, dass wir mit der Auswertung dieser Frauenbriefe die Möglichkeit erhalten, weibliche Autorschaft im deutsch-englischen Kulturtransfer und deren Bedingungen in der Frühen Neuzeit zu erhellen, und die Briefquellen erlauben uns, diese mit Blick auf Stand, Konfession, Alter und Netzwerk nachzuzeichnen.Footnote 27 Die grundsätzliche Differenz zwischen männlicher und weiblicher Autorschaft wird in Kenntnis der unterschiedlichen Lebensbedingungen, Überlieferungslagen und Rezeptionshürden deutlich wahrnehmbar.

Eine Bemerkung zum Begriff des „Autors“ respektive „Übersetzers“ im 17. Jahrhundert und innerhalb der Fruchtbringenden Gesellschaft sei zunächst erlaubt. Es ist festzuhalten, dass Original und Übertragung keine Gegensätze, sondern komplementäre Begriffe darstellten. Die ‚dolmetscher‘ waren zugleich Stifter eines neuen Textes, und vor allem: Spracharbeit und damit auch Übersetzungen in die deutsche Sprache bildeten die angestrebte kulturelle Eigenständigkeit und die Qualität der Vernakularsprache erst aus.Footnote 28 Georg Philipp Harsdörffer formulierte diesen Zusammenhang in einer Vorrede zu einer Übertragung Stubenbergs aus dem Italienischen wie folgt: „Es ist fast so löblich eine Sache wol übersetzen/ als selbsten aus eignem Gehirn etwas zu Papier bringen“.Footnote 29 Der Übersetzer war im 17. Jahrhundert somit zugleich Autor, die Buwinghausen mithin zugleich Autorin des Werks Waarer und großmütiger Christen Krieg- Sieg- und Frieden-Spiegel.

Die folgende Analyse bestätigt eine der unabdingbaren Voraussetzungen weiblichen Kulturschaffens in der Frühen Neuzeit: die Fähigkeit der meist adeligen Autor-Übersetzerin, männliche und manchmal weibliche Kräfte für das Ziel des Publizierens, i.e. Sichtbarmachens der eigenen Übersetzer-Kompetenz, zu akquirieren und zu bündeln.

2 Die Akteurin Buwinghausen im Netzwerk der „Löblichen Genossenschaft“: Briefe an Johann Valentin Andreae („Der Mürbe“)

Quelle: HAB: Cod. Guelf. 236.13 Extrav. Bibliographischer Nachweis Otte (1993), S. 51. Gestrichene Wörter wurden in der Wiedergabe nicht erwähnt, Einfügungen am Rande oder im Text ungekennzeichnet ergänzt. – Hier: HAB: Cod. Guelf. 236.13 Extrav., Bl. 223v i.e. Brief vom 23.11.1652 (Nr. 4715): „ein so höchst fruchtbares Mit-Glied der Löbl. Genossenschaft zu sehen“.

Der briefliche Kontakt im Entstehungsprozess der Joseph Hall-Übersetzung zwischen der in Stuttgart lebenden Buwinghausen und dem Superintendenten Andreae in Bebenhausen begann am 5. März 1650. Es ist nicht bekannt, ob Buwinghausens Entscheidung für dieses Vorhaben von Andreae (oder anderen Fruchtbringern) beeinflusst wurde, aber außer Frage steht Andreaes intensives Engagement für die Publikation, das er auch in seiner Biographie erwähnt.Footnote 30 Während der Übersetzungsarbeit schrieb Buwinghausen dem „vatter“ Andreae bis Mitte 1652 in mehrmonatigen Intervallen. Der Briefwechsel verdichtete sich seit Juni 1652 bis Februar 1653 zu einem etwa zweiwöchentlichen Rhythmus, was mit notwendigen Abschlussarbeiten der Übersetzung und der sich nähernden Publikation in engstem Zusammenhang stand.

Buwinghausens Handschrift ist gut lesbar, Streichungen sind selten, und ihr flüssiger Stil verrät die geübte Leserin und Kennerin der deutschen Sprache. Er entbehrt insbesondere der Schwerfälligkeit manch anderer adeliger Briefverfasser aus dem weiteren Fruchtbringerkreis (im Gegensatz zum schreibgewandten inner circle). Sie ist als selbstsichere Schreiberin zu erkennen, die dem „hoch geehrten Hern vatter“ Andreae respektvoll begegnet, ihre Wünsche jedoch durchaus entschieden an ihn heranträgt. Die die Episteln kennzeichnende Schlusskurialie, in der sie sich als „gehorsame Dochter“ bezeichnet, konfirmiert die (Ersatz-)Vater-Tochter-Beziehung auf formaler Ebene, und die Briefinhalte füllen diese Bindung mit Leben. Sie vertraut auf ein Wachsen ihrer Kompetenzen neben und durch ihren Ziehvater: „in betrachtung aber, daß kein unrecht, wan ein kind seinen vatter, um eines buchstaben erkäntnus fraget, sondern an ihm gelobt wirdt, als gebrauch ich mich kindes-freyheit, damit ich gemächlich, nur ein wenig wissendt werde“.Footnote 31 Ob es sich um grundsätzliche literarisch-sprachliche Fragen handelt oder Andreae als versierter Theologe adressiert wird, Buwinghausen erscheint als autonome und reflektierte Briefkorrespondentin, die „ihre Welt wissen“Footnote 32 möchte. Ein Beispiel mag für viele stehen, wenn sie über die Etymologie des Wortes ‚Glück‘ nachdenkt und Andreae um „günstige Entdeckung seiner Meynung über das Wort“ gebeten wird, „ob nämlich solches seinen Ursprung auß unserer teutschen Haubt-SprachFootnote 33, und dannenher ein Erstes Grund-Wort: Oder ob eß aus irgend einer andern Sprach, in unßere eingeleytet worden; [ihr sei] nach vilem Nachforschen, nichts dienliches wissend worden“.Footnote 34

Sie ist sich zudem der (auch finanziell) prekären Situation, in der sie sich als vaterlose und unverheiratete Frau befindet, sehr bewusst und fasst 1652 ihre Erfahrungen in einer bemerkenswerten, ihre lutherische Haltung reflektierenden Devise zusammen: „nach dem mir aber bekant, das auf diser Welt nichts beständiges anzutreffen, mus ich mich auch in alle zufällige Veränderungen, ungewidert schicken“.Footnote 35 Folgt man den Briefen, fördert Andreae die Entwicklung der jungen Frau, und er tut dies en passant, kontinuierlich und – was besonders erstaunen mag – auf Augenhöhe. Faszinierend ist es zu beobachten, dass ihm sehr daran gelegen zu sein scheint, ihr andere Autorinnen nahezubringen, denn er lässt ihr auf dem Postweg entsprechende Neuerscheinungen zukommen. So übersandte Andreae 1653 beispielsweise das Buch Deutsche poetische Gedichte aus der Feder Sibylle Schwarz’. Über das Geschenk ist sie nicht nur erfreut und dankbar, sondern es lässt sie auch Opitz’ Poetik aufrufen und veranlasst sie zu folgender literaturkritischer Bemerkung:

Ich bedanke mich auch höchstens, um übersendete Reim-Wercke der Sibilen Schw. Sie ähmen so sehr dem Opitz nach, daß man etliche Vers gar nicht vor einander kennet, weßwegen sie sehr fein seyn. […] Die Erlaubniß das Buch zu behalten ist gar zu vil: damit ich aber nicht undankbar seyn müsse, hat mir das Glük beykom[m]enden Briefe von dem lobwürdigsten hern Unglükseeligen (D. i. Johann Wilhelm von Stubenberg) anvertraut. Der zweifels ohne, meinen vil ehrenden hern Vattern höchst angenem seyn wird (s. Abb. 16.1 und 16.2).Footnote 36

Abb. 16.1
figure 1

Brief des Freifräuleins Margareta Maria von Buwinghausen und Walmerode an Johann Valentin Andreae vom 9.2.1653 mit Adressse (HAB: Cod. Guelf. 236.13 Extrav., Bl. 228r)

Abb. 16.2
figure 2

Brief des Freifräuleins Margareta Maria von Buwinghausen und Walmerode an Johann Valentin Andreae vom 9.2.1653 mit Adressse (HAB: Cod. Guelf. 236.13 Extrav., Bl. 228v)

Und so lernen die Leser*innen der Frauenbriefe eine belastbare Freundschaft zwischen Alt und Jung, Mann und Frau, Bürgerlichem und Adeliger kennen, von der im Laufe des Kontakts das Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft Andreae selbst profitiert. Margareta Maria wird – als Nichtmitglied und nicht mit einem Mitglied verheiratete adelige Frau dieser bedeutendsten deutschen Sprach- und Tugendgesellschaft – zur literarischen Mittlerin und schließlich als Gleichberechtigte im Netz etablierter Mitglieder akzeptiert, was folgende kleine Episode unterstreichen mag. Harsdörffer möchte zwei Exemplare seiner 1652 erschienen Sonntagsandachten dem „Mürben“, d. h. Andreae, zukommen lassen und sendet die Bücher via Boten nach Stuttgart zur Buwinghausen, die diese Sendung mit einer zusätzlichen Nachricht an Andreae ausstattet und per Kurier nach Bebenhausen weiterschickt.Footnote 37 Beachtenswert auch, dass Buwinghausen den „Mürben“ mit dem 1648 aufgenommenen und oben genannten 34-jährigen Freiherrn Johann Wilhelm von Stubenberg überhaupt erst bekanntmacht: „Den Preißwürdigen Unglükseeligen betreffend, halt ich mir vor eine sonderliche Ehre, den Ersten Briefwechsel, zwischen zweyen so fürnemenen[!] GesellschaftsGenossen, gemittelt zu haben“.Footnote 38

Buwinghausen wusste also um die Chancen eines Netzwerks und nutzte dieses für ihre Zwecke. Da sie als Frau keine Mitgliedschaft in besagter Männerakademie erlangen konnte, partizipierte sie erfolgreich als informelle und vor allem gut informierte assoziierte Korrespondentin, ohne jedoch ihr eigentliches Ziel der Einbindung in eine Frauen akzeptierende Sozietät aus den Augen zu verlieren. Sie bat Andreae im Oktober 1652 eindringlich: „Worum ich ihne hoch Ehren freindlich bitte: gleichmassig um Erinnerung, wegen aufgerichteter Frauen Zimmer Gespilschaft; so ihme hiervon, schon etwaß bekant worden“.Footnote 39 Gemeint ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Ister-Gesellschaft, die sich um 1650 bildete und Männern als auch Frauen offenstand. Buwinghausens sozietäre Ambitionen, eine Vollmitgliedschaft zu erlangen, stehen außer Frage. Solange jedoch eine solche für adelige Frauen zugängliche, protestantische Vereinigung im Süden Deutschlands nicht existiert (oder besser: nicht wirkungsmächtig existiert), weiß sie sehr wohl ihre Verbindung mit der seit 35 Jahren etablierten Männerakademie, vertreten durch die literarisch rührigen und anerkannten Mitglieder, den „Mürben“ (Andreae), den „Spielenden“ (Harsdörffer) und den „Unglückseligen“ (Stubenberg), zu schätzen. Die Akademie (1617–1680) befand sich 1650 auf ihrem Zenit, den sie dem einflussreichen ersten Leiter, Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen („Der Nährende“), verdankte, der im Januar des Jahres verstorben war. Unter seiner Ägide hatte sich die Gesellschaft zur größten und tonangebenden Sozietät der Frühen Neuzeit entwickelt, die in ihrem Programm, das sich in den verschiedenen Auflagen ihrer Gesellschaftsbücher nicht veränderte, zwei die Sozietät bestimmende Ziele festschrieb:

Erstlich/ daß sich ein jedweder in dieser Gesellschafft/ erbar/ nütz- und ergetzlich bezeigen/ und also überall handeln solle/ bey Zusammenkunfften gütig/ frölich/ lustig und verträglich in worten und wercken seyn/ auch wie darbey keiner dem andern ein ergetzlich wort für übel auffzunehmen/ also soll man sich aller groben verdrießlichen reden und schertzes enthalten. Fürs ander/ daß man die Hochdeutsche Sprache in jhrem rechten wesen und standt/ ohne einmischung frembder ausländischer wort/ auffs möglichste und thunlichste erhalte/ und sich so wol der besten aussprache im reden/ als der reinesten und deutlichsten art im schreiben und Reimen-dichten befleissige.Footnote 40

Um die Jahrhundertmitte gehörten der Gesellschaft 527 lutherische, reformierte und wenige katholische Mitglieder an, die meist aus dem adeligen Stand und durchweg männlich waren. Die Sozietät strebte demnach nicht nur – im Sinne der conversazione civile – vorbildliches Verhalten an und war einem irenischen Auftrag verpflichtet, sondern sie förderte auch maßgeblich die deutsche Sprache mittels Übersetzungen, besonders aus dem Lateinischen, Französischen, Italienischen und Spanischen (über französische Vermittlung), aber auch dem Niederländischen, Griechischen, Arabischen und Hebräischen. Die Kommunikationsform bildete in dieser ‚europäischen‘ Vereinigung der sogenannte Gesellschaftsbrief, in dem Fragen der Sprachkunst, der Grammatik und Übersetzung diskutiert wurden.Footnote 41

Die Übertragungen aus dem Fruchtbringer-Kreis betrafen vielfältige Themen der Poetik, Grammatik, Astrologie, Astronomie, Geschichte, Meteorologie, Medizin, Musik und Theologie (hier: Erbauungsschriften) und dienten, wie Briefkorrespondenzen und Paratexte belegen, gleichermaßen den beiden genannten Zielen der Gesellschaft, dem ethischen des tugendhaften Verhaltens wie auch dem ästhetischen der Förderung der deutschen Sprache und Literatur. Einige wenige literarische Formen mögen einen Einblick in die Übersetzungswelt der Fruchtbringer geben; dem jeweiligen Beispiel folgen Namen von übersetzten Autoren, um die europäische Dimension zu veranschaulichen: Übertragen wurden Bibeldichtungen (Guillaume de Saluste sieur Du Bartas), Fürstenspiegel (Antonio de Guevara), Heldenepen und -gedichte (Ludovico Ariosto, Torquato Tasso, Giambattista Marino), Sittenlehren (Seneca), Regimentslehren (Francis Bacon), Erbauungsliteratur (Charles Drelincourt, Piero Malvezzi, Puget de la Serre), Gesprächslehren à la civil conversazione (Giovanni Battista Gelli, Stefano Guazzo, Giovanni Francesco Loredano, Francesco Petrarca, Jacques Du Bosc) und Romane (John Barclay, Lope de Vega, Luca Assarino).Footnote 42

Buwinghausen war durch ihren Mentor Johann Valentin Andreae mit den sozietären Praktiken der Fruchtbringenden Gesellschaft durchaus vertraut, und ihre Briefe bezogen sich häufig auf die Akademie, was in den bisher erforschten Fruchtbringer-Korrespondenzen eine Ausnahme darstellt. Weitere unverheiratete Frauen aus dem niederen Adel ohne enge verwandtschaftliche Bindungen zur Sozietät oder eine Mitgliedschaft in einer Damengesellschaft sind nicht bekannt. Dies bestätigt die ernstzunehmende Vaterrolle Andreaes, der sich, neben dem genannten Harsdörffer und dem österreichischen Protestanten Stubenberg, als zuverlässiger Ansprechpartner für ‚Fruchtbringerisches‘ erwies. Eine Briefpassage mag das durchgängige und große Interesse Buwinghausens an der Männerakademie verdeutlichen. Die junge Frau bittet darum, den Namen des jüngsten Sohns Herzog Augusts von Braunschweig-Wolfenbüttel zu erfahren und äußert den Wunsch, dass Andreae ihr das Gesellschaftsbuch, ein von Matthäus Merian d. Ä. glanzvoll ausgestattetes Emblembuch mit den Mitgliederimpresen, ausleihen möge: „her doctor andræ wirdt von mir freundlich gebeten mir den namen deß jüngsten printzen hertzog augustii von lüneburg [i.e. Ferdinand Albrecht („Der Wunderliche“)] zu schicken, so wol mir auff ein tag etlich das buch der fruchtbringenden geselschafft zu vertrauen.“Footnote 43

Anzunehmen ist, dass die Buwinghausen aufgrund ihrer Sozialisation, von der sprachlichen Weltläufigkeit und Zivilität, die sich in den beiden Zielen der Gesellschaft ausdrücken, fasziniert war und diese sie nachhaltig prägten. Als sie Andreae im Juli 1651, kurz vor der Veröffentlichung, die Bekanntschaft mit dem Freiherrn Johann Wilhelm von Stubenberg mitteilt, argumentiert sie wie ein informiertes Mitglied des inneren Gesellschaftszirkels. Sie verwendet die im Fruchtbringer-Netzwerk üblichen Gesellschaftsnamen gleichsam selbstverständlich und plädiert für Übersetzungen, um die Entwicklung einer konkurrenzfähigen deutschen Sprache voranzutreiben:

unlängsten aber hat mir das glückh, ein rühmliches mit-Glied der Frucht-bringenden geselschafft zugesicht gebracht, einen Freyhern von Stubenberg, der an der Zahl der 500te [d. h. Nr. 500 der unter Fürst Ludwig aufgenommenen 527] ist, und den namen des unglückseligen führet: habe mich sehr in seinen gesprächen erfreyet, er hat schon underschiedliche bücher in unßer teutsches über-setzet, und alßo seinem Vatterland die Wider-erhebung befördern geholffen, ist auch in fernerem arbeit unverdrossen. wie ich von aussen verstanden, ist er willens in kurtzer zeit, der befreiendin ein schönes wercklein zuzuschreiben.Footnote 44

Sie kennt nicht nur den Gesellschaftsnamen Stubenbergs, sondern auch jenen Herzog Augusts („Der Befreiende“). Seine Gattin, Herzogin Sophia Elisabeth, darf den „männlichen“ Gesellschaftsnamen tragen, unter dem sie auch veröffentlichte.Footnote 45 Die Herzogin wird von Buwinghausen in den Briefen als Vorbild eingeführt, das den Weg in die Publizität – als Komponistin – bereits erfolgreich beschritten hatte. Buwinghausen dürfte die 1651 erschienene zweite Auflage des Werks von Joachim Glasenapp („Der Erwachsene“), Vinetum Evangelicum, bekannt gewesen sein, zu der die Herzogin die Vertonungen beitrug und in der sie auf dem Titelblatt als „Befreyende“ genannt wird.Footnote 46

Margareta Maria von Buwinghausen ihrerseits hatte den Ehrgeiz, als Autorin zu reüssieren, und reflektierte ihre eigene Sprache kritisch. Sie war sich der unterschiedlichen, geographisch bedingten Einflüsse auf ihre (Schrift-)Sprache sehr bewusst, und sie stellt bezüglich ihrer Übersetzungsleistung fest, dass „das drite teihl an mir Niderländisch, das drite teihl Österreichisch, und das drite teihl Schwäbisch, [und sie] alßo keiner Lands-Art recht zugetahn [sei]“.Footnote 47Der väterliche Freund stärkte ihr Selbstbewusstsein und machte ihr deutlich, dass jedes Land das andere für die jeweilige Landessprache tadele und sie sich deshalb nicht beirren lassen solle. Buwinghausen kommt dann zu dem durchaus überraschenden, aber argumentativ zulässigen Schluss, dass durch ihre dialektalen Eigenheiten eine Publikumserweiterung zu erhoffen sei: „alßo werden die 3 obgesagte Ort [und ihre niederdeutschen, schwäbischen und österreichischen Leser*innen], doch etwaß in meinem Büchlein finden, daß ihnen eigentlich ist“.Footnote 48 Damit verteidigte sie die Geltung verschiedener deutscher Sprachvarietäten, die auf dem Weg zu einer standardisierten Ausgleichssprache ihre Wirksamkeit in der gesprochenen Sprache ja auch behielten, und fällt im Dialog mit Andreae erneut durch Unbeirrbarkeit in ihrem Wunsch nach Publizität auf.Footnote 49

Im Folgenden wenden wir uns der praktischen Umsetzung ihres Übersetzungsprojekts zu. Im März 1650 sandte sie die ersten sechs Kapitel mit der Bitte um Durchsicht an Andreae.Footnote 50 Trotz ihres sprachlichen Interesses bleibt die problematische konfessionelle Provenienz des Werks Joseph Halls im Argumentationshorizont der jungen Frau. Hier verlässt sie sich auf den versierten Lutheraner, wenn sie ihn um eine Einschätzung bittet:

ihme nit mißfallen zulassen, das ich ihme hierbey die erstlinge, meines verteutschten werckleins schicke: weil ich nit allein in der reinen schreib-richtigheit, noch eine a, b, c, schulerin, sonder auch und fürnemlich, weilen das büchlein eines Calvinisten erfindung, als darf ich meiner einfalt nit trauen, die villeicht das verborgene [205v] gifft, das sie gewöhnlich in ihren schrifften führen, nit erkennen möchte.Footnote 51

Erst neun Monate später, am 8. Jänner 1651, wagt sie ihm auf seine „grüss- und straffworte“Footnote 52 zu antworten und flicht in ihre Frage nach dem Ergehen des Ehepaars Andreae die Trauer über seinen Wegzug aus Stuttgart ins entfernt gelegene Bebenhausen.Footnote 53 Just an diesem 8. Januar 1651 geschieht in der Fruchtbringenden Gesellschaft Entscheidendes: 24 herausragende Mitglieder ersuchen den Lutheraner Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar („Der Schmackhafte“) die Nachfolge des reformierten Fürst Ludwig anzutreten. Diesen Brief lässt Georg Philipp Harsdörffer in seinem ebenfalls 1651 in Nürnberg bei Endter erschienenen Werk Fortpflanzung der Hochlöblichen Fruchtbringenden GesellschaftFootnote 54 abdrucken. Buwinghausen ist in Kenntnis der gelungenen Übergabe des Zepters vom „Nährenden“ auf den „Schmackhaften“ überzeugt davon, dass ihre Publikation in diesem Netzwerk und bei Andreae in den besten Händen ist. Im Sommer des gleichen Jahres bittet sie ihn dringlich, ihr die vor mehr als einem Jahr zugesandte Fassung „neben einer aus zeichnung was darinnen zu ändern“Footnote 55 zu senden, und „zu gleich um einen treuen raht, wie es mit dem trucken anzugreiffen, damit ich nit grossen kosten darauf anwenden müste: ich suche wenigest einen nutzen, wan ich nur keinen schaden leide“.Footnote 56

Sie erhält die Fassung der Übersetzung durch eine gemeinsame Bekannte, durch die ebenfalls in Stuttgart lebende Witwe Rosina Reisch zurück, bei der Andreae während des Besuchs des Württemberger Landtags am 3.11.1651 nächtigte.Footnote 57 In der Folge schreibt Buwinghausen Andreae Ende November, wie glücklich sie über den Empfang ihrer Übersetzung sei. Nichtsdestotrotz bliebe, ihrer geringen Meinung nach, das Problem des Druckers zu lösen. Hier sei sie Neuling und nicht sonderlich kompetent, um sogleich selbstsicher hinzuzufügen, dass dies Defizite seien, die sie mit Hilfe ihres von Gott gegebenen Verstandes sicherlich ausgleichen in der Lage sei.Footnote 58 Ende Juni 1652 scheint sie Andreaes Vorschläge eingearbeitet zu haben, denn sie sendet ihm das Werk erneut zu. In der Zwischenzeit fällte sie einen Entschluss von einiger Tragweite und ohne erkennbare Einflussnahme von außen: Sie widmet das Buch der Landesfürstin, Herzogin Anna Katharina von Württemberg (Gattin Hz. Eberhards III.), geb. Salm-Kyrburg (1614–1655),Footnote 59 und damit einer gesellschaftlich herausragenden Person ihres eigenen Geschlechts, um sich durch deren hohe Reputation vor Verleumdern zu schützen. Sie schreibt an Andreae:

schick ich auch hierbey mein Büchlein; welches ich in der Zeit volendet, und auß erheblicher Ursachen, unßerer hertzogin zugeschriben: bite zum allerhöchsten, der her Vatter erinnere sich seines Verspruchs, daß es under günstige Richter komme; in bedencken, daß der Meister der Übersetzung, noch ein Lehr-Jung, und seine Feder noch keines hohen Flugs mächtig.Footnote 60

Mit dem treffenden Bild des noch nicht flügge gewordenen Jungvogels unterstreicht sie noch einmal die ihrer Einschätzung nach notwendige Verteidigung durch einerseits weibliche Personen hohen Standes und andererseits männliche Mitglieder der zeitgenössischen Scientific Community als Verbündete gegen mögliche Anfeindungen ihres Werkes. Diese Negativerwartungen werden sowohl in der Zuschrift als auch im Brief deutlich und könnten ihre Ursache in Erfahrungen haben, die sie als ‚gelehrte Frau‘ und ambitionierte Schriftstellerin erfuhr. Erwähnenswert erscheint in diesem Kontext, dass sie bei der Druckvorbereitung nur sehr ungern der Empfehlung Lotters folgt, mit einem Bekannten Andreaes, dem Theologen Heinrich Schmid, Kontakt aufzunehmen. Hier äußert sie ihre Bedenken vor Geringschätzung aufgrund ihres Geschlechts unverblümt: „bit’ ich, alß eine gehorsame Tochter, um einen Fürspruch bey hern Schmid; darmit die sonsten gewöhnliche Ringschätzung, deß geneideten Weiblichen Ge-[214r]schlechts, um etwaß achtbarer gehalten werde“.Footnote 61

Die Suche nach dem Drucker gestaltete sich in der Folge als äußerst schwierig, und sie bittet Andreae ohne Scheu und unter Betonung des Ziels einer zügigen Publikation ein drittes Mal um Unterstützung, „weil ich sehr verlange, daß es ehest herauß [212v] kom[m]en solle“.Footnote 62 Dies tut sie, nicht ohne ihre Bedingungen an den potentiellen Drucker zu äußern, nämlich die genaue Beachtung ihrer Interpunktion und Auszeichnungen, die sie nach „anweisung guter Meister“ (ergänze: HarsdörffersFootnote 63) gesetzt habe.Footnote 64

Dass sie eigene Anstrengungen vor Ort in Stuttgart unternommen hatte, einen guten Drucker zu finden, verschweigt sie nicht. Diese seien leider nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Sie habe Matthias Kautt um den Druck gebeten.Footnote 65 Dieser habe das Werk wegen schlechter Absatzmöglichkeiten auf dem Stuttgarter Buchmarkt abgelehnt: „der sagte mir er handle niergend hin, hier gehe nichts ab, und nam’ eß alßo nicht an“.Footnote 66

Ein Brief vom Juli 1652 belegt das kontinuierliche Engagement Andreaes für die Übersetzung am deutlichsten, wenn er seinen Verwandten, langjährigen Freund und seit 1642 Nachfolger in Calw, Christoph Zeller, um Endkorrektur bittet. Dieser wurde in der Folge mit der Durchsicht des Manuskripts durch den Geistlichen Rat, die Zensurbehörde der Landeskirche und des Herzogs beauftragt.Footnote 67 Margareta Maria von Buwinghausen konstatiert im Brief an Andreae recht bündig, dass sie die Vorschläge Zellers zur Kenntnis genommen und die fraglichen Textstellen „dan teihls nach sein hern Zellers gut heissen, teihls nach meiner Einfalt geändert“ habe.Footnote 68

Das Buch kommt gemäß dem Vorschlag des obgenannten Druckersohns Lotter und Bekannten Andreaes und mit Hilfe des gleichfalls mit dem Theologen befreundeten Heinrich Schmid schließlich in Tübingen heraus:

nun gieng es mir mit dem trucken, eine Weile sehr hinderlich, weil es hier gantz nichts tuhn wolte: es schluge mir aber der Junge Lotter, mein Hauß-Herr, einen Trucker zu Tübingen, namens Wärrlin [Dietrich Werlin d. J.], vor, bey welchem ich [mich] entschlossen; weil das Wercklein klein, und der kosten nicht groß seyn kan, eß selbsten zu verlegen: hab’ eß derwegen, durch gedachten hn. Lotter ihm anbieten lassen.Footnote 69

Die dem Text beigegebenen Lobgedichte, im gleichen Brief als „Schutz- und Geleyt-Verße“ (Bl. 214v) bezeichnet, legt sie – mit Ausnahme des von Stubenberg bereits früh zugesagten – ebenso in Andreaes Hände. Zudem bittet sie ihn dringlich, Schmid anzuhalten, keine Einwände gegen den Druck zu entwickeln. Diese Vorkehrungen seien nach ihrer Meinung notwendig, um die Widmungsempfängerin Herzogin Anna Katharina von Württemberg zügig von der Qualität ihrer Arbeit zu überzeugen. Die Württembergerin müsse noch vor ihrer Abreise zum Reichstag, der am 1. November 1652 seinen Anfang nehme, erreicht werden, da es auf demselben turbulent zugehe und keine Zeit für eine Lektüre ihrer Übersetzung sei:

bite dennoch zum allerhöchsten, der her Vatter leyste einige Vorbitte bei herrn Doctor Schmid, das wercklein unbeschwert treiben zulassen; damit eß nur nach so bald geendet werde, daß ich eß unserer [218r] gn. Fürstin, noch vor deren Abreys auf den Reichstag, selbsten überreychen möchte; dan solches biß dort hin zu schicken, weyß der Herr Vatter, daß dergleichen Sachen handlende Bücher, bey so grossen Versammlungen, und stätigem Gezwänge, nicht geöffnet, weniger geleßen werden.Footnote 70

Da Buwinghausen schon länger an einer Augenkrankheit litt, konnte sie die Fürstin vor der Abreise zum Reichstag nicht mehr aufsuchen, und erneut war es der Vermittlung Andreaes zu verdanken, dass das Buch durch seinen Verwandten Christoph Zeller, wahrscheinlich Anfang Dezember, in die fürstlichen Hände gelangte. Folgt man dem Brief vom 14.12.1652, blieb die positive Antwort seitens der Landesfürstin nicht aus: „[Ich] war höchlich erfreuet, alß ich durch zweymaligen Wort-Dank Versicherung bekam, daß meine geringe Arbeit in Gnaden aufgenommen war; worfür ich mehrest mich meinem vilgeehrten hern pflichtig erkenne“.Footnote 71

Mit diesem letzten Brief aus dem Publikationsjahr 1652 erhielt Johann Valentin Andreae zugleich das Exemplar der Hall-Übertragung Waarer und großmütiger Christen Krieg- Sieg- und Frieden-Spiegel mit „so vil schöner [Widmungs-]Gedichte“Footnote 72 frisch aus der Druckerpresse.Footnote 73 Erst im Februar des folgenden Jahres erfuhr Buwinghausen durch Harsdörffer, dass sie nicht die erste Übersetzerin des berühmten Erbauungswerks Heaven upon Earth war. Buwinghausens Kommentar ist ein erneuter Beweis ihrer vom ‚englischen Seneca‘ beeinflussten Lebenseinstellung: „reuet mich also schier, daß ich iemand nach gearbeitet; doch ists schon geschehen.“Footnote 74

Wie die Briefe lebhaft bezeugen, wurde das Projekt Heaven upon Earth-Deutsch maßgeblich mit der fortgesetzten Hilfe des (Ersatz-)Vaters Johann Valentin Andreae sowie im ‚programmatischen‘ Geist der Fruchtbringenden Gesellschaft verwirklicht. Zwei weitere, im Verlauf der 1640er Jahre aufgenommene Männer profilierten sich ebenfalls als wichtige Unterstützer des von Margareta Maria mit Nachdruck und Engagement vorfolgten Unterfangens, ihren Landsleuten den Engländer und Erbauungsschriftsteller Joseph Hall in gutem Deutsch bekanntzumachen: Georg Philipp Harsdörffer, zugleich Stifter des im Jahre 1644 entstandenen Pegnesischen Blumenordens, und der österreichische Exulant und spätere Lebensgefährte der jungen Adeligen Johann Wilhelm von Stubenberg. Diese beiden, ebenso im englisch-deutschen Kulturtransfer aktiven Männer und zudem im Fruchtbringer-Sinne in deutscher Sprache publizierenden „GesellschaftGenossen“ begleiteten und förderten den publizistischen Weg und das Erscheinen der jungen Autorin auf dem deutschen Buchmarkt wirkungsvoll.

3 Die Paratexte der Hall-Übertragung Waarer und großmütiger Christen Krieg- Sieg- und Frieden-Spiegel: Publizität durch Buchdruck

Der Blick richtet sich jetzt auf den Druck selbst, auf das Unikat, das sich im Bestand der Herzog August Bibliothek in der sogenannten Mittleren Aufstellung mit der Signatur Th. 1127 befindet. Dabei werden zunächst die im Briefwechsel verhandelten Paratexte (Widmung, Vorrede und ‚Geleitverse‘) eingeordnet, bevor das Netzwerk der am Vorwerk beteiligten Sozietätsmitglieder in den Mittelpunkt gerückt wird.Footnote 75 Die sehr bewusste Einbettung der Übersetzung in das Fruchtbringer-Umfeld lässt sich an der Entscheidung der Beiträger Stubenberg, Andreae und Harsdörffer ablesen, sich nicht etwa des Geburtsnamens zu bedienen, sondern die Poemata mit den Gesellschaftsnamen zu signieren.

Der in den Briefen ausführlich besprochenen und acht Seiten umfassenden Zuschrift an die Landesfürstin folgt die dreiseitige Vorrede Buwinghausens „An den Leser“, die allein mittels der Anrede „Tugendliebender Teutscher“ die beiden Ziele der Fruchtbringenden Gesellschaft, Virtus und deutsche Sprache, aufruft. Vergleicht man die Briefmanuskripte mit dem Druck, so erweist sich besonders eine in der Vorrede wiederkehrende Argumentationslinie als auffällig. Wir finden im Briefgespräch mit Andreae vom Juni 1652 eine das Streben nach Sprachrichtigkeit betonende Stelle, wobei Buwinghausen nüchtern konstatiert: „das Teutsch betrefend, hab’ ich etliche’ unßerer besten Sprach-Lehrer, zu Raht gezogen, und mich ihnen zufolgen möglichst beflißen; wiewol es sehr schwehr ist, weil sie selber in den mehresten haubtregeln, noch uneinig.“Footnote 76

Auch im Druck lesen wir von der Uneinigkeit der Gelehrten in der Scientific Community (der Fruchtbringenden Gesellschaft), die eine angemessene Anwendung von Sprachregeln für Außenstehende schwierig mache. Es heißt dort:

zu dem’ auch unsere gelehrtesten Männer/ in Vnderweisung der Schreib-Richtigkeit/ noch nicht Einerley Meinung; derhalben in vilem/ nur jedes Gutachten/ den Schluß machen muß; welcher dann bey denen/ denen jhr Stand nicht gestattet/ ander’ als stumme Lehr-Meister zu suchen/ gar leicht jrrig sey kan.Footnote 77

Im Druck geht Buwinghausen somit einen Schritt weiter und fragt – öffentlich – nach den Gründen der Uneinigkeit und den Folgen für ihren (weiblichen) Stand. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Societas fructifera die Regeln ständig weiterentwickele, sodass die vom unmittelbaren literaturkritischen Diskurs ausgeschlossenen Personen (hier: gebildete Frauen), die sich auf gedruckte Regelwerke („stumme Lehrmeister“) verlassen müssten, leicht in die Irre gehen können. Es lässt sich hier keine in Vorreden übliche weibliche Demutsgeste erkennen, vielmehr macht Buwinghausen sehr deutlich auf objektive Hürden in puncto ‚weibliche Autorschaft‘ aufmerksam.

Nach der Vorrede folgen Dedikationspoemata von fünf adeligen und bürgerlichen Männern, sodann die 27 eigentlichen Kapitel des Werks. Abgeschlossen und ergänzt wird die Übertragung aus dem Französischen durch ein Lobgedicht des sechsten männlichen Beiträgers, des „Spielenden“, der die Verse am 12. Dezember 1652 verfasste. Es heißt nach der letzten paginierten Seite 187 (Übersetzungsende) und vor dem Druckfehlerverzeichnis, „wegen zuspater Einkommung diser Gedichte/ haben sie hier [auf dem letzten Druckbogen] nachgesetzet werden müssen“.Footnote 78

Die fünf Widmungsgedichte des Vorwerks sind in deutscher sowie in französischer (1) und lateinischer (1) Sprache verfasst. Unter den Autoren lassen sich – wenig überraschend – die beiden Akademiemitglieder Stubenberg und Andreae identifizieren. Den Anfang macht der „Unglückselige“, der ihr früh und als erster Beiträger eine Widmung zusagte. Er legt im Sinne der Sozietät Wert auf das Faktum einer Übersetzung, auf die Zielsprache ‚Deutsch‘ und auf die tugend- und sprachliche Kompetenz der Autorin: „Ruhm-Schrift an die Tugend-liebende Fräulen Vbersetzerin über die Glücklich vollendete Verteutschung dieses Büchleins“ und zeichnet bereits am 31. Oktober 1651 mit „benahmt der Unglükkseelige“. An dritter Stelle kommt der „hochgeehrte vatter“ in deutscher Sprache zu Wort, und er nimmt damit die Mittelstellung innerhalb der Beiträger ein. Andreaes Poem findet seinen Platz zwischen dem französischen und dem lateinischen Gedicht. Mit dem für das protestantische Kirchenlied typischen jambischen Vierheber evoziert er, antike und christliche Topoi in fruchtbringerischer Manier verbindend, einen unter Gottes Schutz stehenden blühenden und Früchte bringenden Garten mit einer klugen Nymphe (i.e. Buwinghausen). Möglicherweise bezieht sich Andreae sehr konkret auf die Ister-Gesellschaft als Schäfer-Akademie und auf ihr neues Mitglied M. M. v. B. W.

III.

Ehrengezeugnuß

Einem Edlen Frembden Gewächs/

so in Teutschen garten

zierlich versezet.

WAs gepflanzt in Engeland/

Vnd in Fränckhisch Reich versandt/

Hat ein Teutscher Blumen-gart

Deß ein Kluge Nimf hat wahrt/

(zu Trei Rosen wolgenandt/

Hohe Zier seim VatterLand)

Vber-Schön vnd Tugent-reich

Wenig hat des seinen gleich/

Wol-versetzt mit Kunst vnd Fleis

Billich heißt der Ehren-Preis

GOTT diß Gwächse wol bewahr

Blüh vnd Fruchte alle Jahr.

gegeben von dem Murben.

20. Augst. 1652.Footnote 79

Die übrigen drei Nichtmitglieder und Autoren der (lateinischen, französischen und deutschen) Lobgedichte sind 1) der im Briefwechsel präsente, als nicht sonderlich frauenfreundlich vermutete Tübinger Theologieprofessor Dr. Heinrich Schmid, der ein lateinisches Poem beitrug, das er – ohne Datumsangabe – mit HENRICUS SCHMIDIUS D. zeichnete. Die beiden anderen Dichter, die im Briefwechsel nicht genannt werden, jedoch von Andreae gewonnen werden konnten, sind 2) der Theologe, Dichter und Verfasser des Triumphus Pacis (1649)Footnote 80 Johann EbermayerFootnote 81 und – mit letzterem eng verbunden – 3) der politisch-historische Autor und Rat am Hof Herzog Eberhards III., Gatte der Widmungsempfängerin Anna Katharina, Louis du May, der zugleich Mitglied des Ordre de Saint-Michel war.Footnote 82

Ebermayer wurde von Andreae 1636 als Pfarrer von Zavelstein eingesetzt, kam also ein Jahr nach dem Tod Benjamin Buwinghausens in dessen ehemalige Heimat,Footnote 83 und übernahm 1662 als einer der Nachfolger Andreaes und Zellers das Amt des Superintendenten und Stadtpfarrers in Calw. Wichtig für das erweiterte Netzwerk der Hall-Übersetzung sind seine beiden emblematischen Werke New Poetisch Hoffnungs-Gärtlein (1653) und die im gleichen Jahre publizierte Gelegenheitsschrift Syzygia Connubilais Cerui et Leaenae (1653). Letztere erblickte anlässlich der Hochzeit Prinzessin Clara Augustas von Braunschweig-Wolfenbüttel, Tochter des „Befreienden“ (Herzog Augusts), mit Herzog Friedrich von Württemberg-Neuenstadt, das Licht der Bücherwelt. Die Okkasionaldichtung diente Ebermayer offensichtlich als formale Vorlage für sein Lobgedicht auf Buwinghausen in deren Werk. Er übernahm die dort verwendete Einteilung der Pindarischen Ode („Satz – Gegen-Satz – Nach-Klang“) und dichtete den Inhalt um.Footnote 84 Somit spielte das Netzwerk um die Fruchtbringende Gesellschaft und den Wolfenbütteler Hof in der Entstehungsgeschichte der Hall-Übersetzung erneut eine bedeutende Rolle.

Das Poetisch Hoffnungs-Gärtlein Ebermayers dagegen bot der Protagonistin selbst, nach ihrem Debüt, eine literarische Bühne. Sie beteiligte sich als prima inter pares mit einer Sapphischen Ode über die Hoffnung – vor Louis du May und zwei weiteren Andreae-Korrespondenten – an dem Emblembuch.Footnote 85

4 Resümee

Über die Kontakte zur Fruchtbringenden Gesellschaft hat sich Buwinghausen, ein assoziiertes weibliches (und daher per definitionem) Nichtmitglied, auf dem damals religiös geprägten Buchmarkt behaupten können, der – anders als häufig vermutet – kein ‚typisch‘ weiblicher Ort der Profilierung war. Gerade in der erbaulichen Literatur gibt es um die Mitte des 17. Jahrhunderts noch keine geschlechtsspezifische Vorliebe für allgemein christliche, irenisch geprägte Schriften.

Die Fruchtbringende Gesellschaft ließ Buwinghausen in der Folge weiterhin an ihren Schriften, auch solchen säkularen Inhalts, teilhaben.Footnote 86 Die Rolle ihres 1654 verstorbenen wichtigsten Mentors Andreae wird in ihrer nächsten und zugleich letzten Übersetzung (1668 Das Liecht der Weißheit nach Pierre Charrons De la sagesse) vom zweiten, Frauen besonders fördernden Oberhaupt des Pegnesischen Blumenordens, Sigmund von Birken (Der Erwachsene), übernommen. Er verfasste einen vierseitigen „Zuruff“, der sechzehn Jahre nach ihrem Debüt in vertrauter Manier gezeichnet wurde: „Der Hoch-Wolgebornen Fräulin/ als hochfürtrefflichen Ubersezerin/ opfert dieses mit tiefschönster Gnad-Empfehlung/ Der Erwachsene.“Footnote 87

Auch nach Buwinghausens Tod lassen sich Hinweise auf ihre Publizität finden, so im Jahre 1695, in dem lateinischen, in Nürnberg erschienenen Werk Pera Librorum Jvvenilivm Johann Christoph Wagenseils, wo sie als positives Exemplum einer Friedensdichterin angeführt wird: „Ein Beyspiel wird mitgetheilet/ wie ich es aus der edlen Hand/ der an Schönheit des Gemüths und Leibes höchstgezierten Fräulein Margaretha Maria von Bubingshausen/ empfangen/ welches Gedicht von ihr/ nach den zu Münster und Osnabruck glücklich geschlossenen Teutschen Frieden sinnreich verfertiget worden“.Footnote 88

Diese bis dato letzte Spur ihrer Sichtbarkeit in der Literatur des 17. Jahrhunderts weist erneut zurück auf ihre programmatische Nähe zur Fruchtbringenden Gesellschaft, auf deren irenische Haltung und das erste Fruchtbringer-Ziel eines tugend- und vorbildhaften Lebens.