1 Überblick

§ 1666 Abs. 3 BGB zählt beispielhaft Maßnahmen auf, die das Familiengericht zum Schutz des Kindes vor Gefahren ergreifen kann.Footnote 1 Bei der Auswahl der in Betracht kommenden Handlungsoptionen hat das Familiengericht ein Ermessen.Footnote 2 Dieses sogenannte Auswahlermessen wird im Wesentlichen durch zwei Aspekte begrenzt. Zum einen ist das Familiengericht gehalten, die Maßnahmen zu ergreifen, die den verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Kinderschutz sicherstellen. Zum anderen hat es dabei stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Mit anderen Worten: Das Familiengericht muss diejenigen Maßnahmen treffen, die geeignet, aber auch ausreichend, sind, um das Kind vor Gefahren im Haushalt seiner Erziehungsberechtigten zu schützen. Solange niedrigschwellige Maßnahmen ohne (teilweisen) Entzug der elterlichen Sorge den erforderlichen Schutz des Kindes gewährleisten (dazu 7.2), muss sich das Gericht auf deren Anordnung beschränken. Ein (teilweiser) Entzug der elterlichen Sorge ist hingegen erst dann möglich, wenn niedrigschwellige Maßnahmen zum Schutz des Kindes nicht (mehr) ausreichen (dazu 7.3).

2 Niedrigschwellige familiengerichtliche Maßnahmen

Maßnahmen, die (noch) nicht mit einem Eingriff in die elterliche Sorge verbunden sind, können z. B. Auflagen, Ge- oder Verbote sein. Gerade in den Konstellationen schleichend verlaufender Gefährdungsverläufe, wie beispielsweise im Falle der Vernachlässigung, ist es wichtig, möglichst frühzeitig zum Schutze des Kindes tätig zu werden, um Fehlentwicklungen effektiv entgegenzuwirken und Zustände zu vermeiden, in denen die Kindeswohlgefährdung nur noch mit der für Eltern und Kind invasivsten Maßnahme, nämlich der Trennung des Kindes von seinen Eltern, abgewendet werden kann.Footnote 3 Niedrigschwellige Maßnahmen, wie die in § 1666 Abs. 3 Nr. 1–5 BGB genannten, ermöglichen es dem Gericht, frühzeitig korrigierend in Gefährdungsverläufe einzugreifen und eine bestehende Gefahr für das Kind abzuwenden. Setzen die Eltern die angeordneten Maßnahmen effektiv um, werden weitere gerichtliche Maßnahmen zum Schutz des Kindes nicht mehr erforderlich (dazu 7.3.2.1).

2.1 Gebot der Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen

Nach § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB kann den Eltern zum Beispiel die Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (§§ 27 ff. SGB VIII) oder der Gesundheitsfürsorge auferlegt werden. In der Praxis werden den Eltern häufig die Auflagen erteilt, mit in der Familie eingesetztem Fachpersonal (z. B. sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehungsbeiständ*innen) zu kooperieren, Beratungsangebote z. B. zu Erziehungsfragen oder Problemen der Eltern (miteinander) anzunehmen (§§ 16 ff., 28 SGB VIII), Angebote der Förderung in Tageseinrichtungen oder in der Kindertagespflege für das Kind in Anspruch zu nehmen (§§ 22 ff. SGB VIII) oder an einem Anti-Gewalt-Training oder einem Kurs zur Stärkung der elterlichen Feinfühligkeit bei Säuglingen und Kleinkindern teilzunehmen. Dabei ist es Aufgabe des Jugendamtes, zunächst zu ermitteln, welche Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe für die betroffene Familie am besten geeignet wären und dies sodann dem Gericht mitzuteilen, weil vor allem das Jugendamt über das hierfür erforderliche Fachwissen verfügt und einen Überblick über das vorhandene Angebot hat.Footnote 4

Im Bereich der Gesundheitsfürsorge kann den Eltern insbesondere die Durchführung medizinischer, psychiatrischer, psychologischer, logopädischer Behandlungen und Therapien oder einer entsprechenden Diagnostik oder Begutachtung des Kindes (z. B. Vorsorgeuntersuchungen oder Diagnostik zu Entwicklungsverzögerungen in einem sozialpädiatrischen Zentrum) aufgegeben werden. § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB bietet allerdings keine Rechtsgrundlage für die Auflage der Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung der Eltern.Footnote 5

2.2 Gebot der Einhaltung der Schulpflicht

In den Fällen der Schuldistanz können Gebote nach § 1666 Abs. 3 Nr. 2 BGB, wie beispielsweise für einen regelmäßigen Schulbesuch des Kindes zu sorgen und mit den Lehrer*innen zusammenzuarbeiten oder die Hilfe durch eine Schulbegleitung in Anspruch zu nehmen, um schulische oder soziale Probleme des Kindes zu beseitigen,Footnote 6 ein milderes Mittel zu einem Entzug der elterlichen Sorge im Bereich schulischer Angelegenheiten des Kindes sein.

2.3 Aufenthaltsverbote, Wohnungszuweisung, Kontaktverbote

Da das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) im Verhältnis zwischen Kindern und ihren Sorgeberechtigten nach § 3 GewSchG nicht anwendbar ist, enthalten § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB den §§ 1, 2 GewSchG entsprechende Rechtsfolgen. § 1666 Abs. 3 Nr. 4 BGB ist Rechtsgrundlage für die Anordnung von Kontakt- und Näherungsverboten zum Kind. Nach § 1666 Abs. 3 Nr. 3 BGB (i. V. m. § 1666 Abs. 4 BGB) kann den Eltern oder Dritten untersagt werden, die Wohnung des Kindes zu nutzen oder sich im Umkreis dieser oder anderer Orte, an denen sich das Kind regelmäßig befindet (z. B. Kita, Schule), aufzuhalten.Footnote 7

Beispiel

Das OLG Koblenz hat ein im Wege einstweiliger Anordnung vom Familiengericht angeordnetes Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber dem Vater zweier Kleinkinder bestätigt, weil dieser sich im Besitz kinder- und jugendpornografischer Videos befand und die Gefahr bestand, dass er diese Videos im Beisein der Kinder anschaut.Footnote 8

Da ein Wohnungsnutzungsverbot für die hierdurch betroffene Person regelmäßig mit großen Beeinträchtigungen verbunden ist, wird regelmäßig nur eine vorübergehende bzw. befristete Wohnungszuweisung zulässig sein (§ 1666a Abs. 1 S. 3 BGB).Footnote 9

2.4 Ersetzung der elterlichen Erklärung

Wenn Eltern sich weigern, zum Schutz des Kindes erforderliche Erklärungen abzugeben, ermöglicht es § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB, diese Erklärungen der Eltern zu ersetzen. Diese Ersetzung der elterlichen Erklärung kann insbesondere dann ein milderes Mittel zum Entzug eines Teilbereichs der elterlichen Sorge sein, wenn nur eine punktuelle Maßnahme zum Schutz des Kindes getroffen werden muss.

Beispiele

Schweigepflichtsentbindung von Fachpersonal (z. B. Ärzt*innen, Lehrer*innen);Footnote 10 Einwilligung in medizinische, psychologische oder sonstige Untersuchungen/Behandlungen des Kindes;Footnote 11 Zustimmung zum Schwangerschaftsabbruch;Footnote 12 Zustimmung zur Fortsetzung der Begutachtung im Rahmen eines Umgangsverfahrens;Footnote 13 Anträge auf Hilfen zur Erziehung.Footnote 14

2.5 Sonstige Maßnahmen

Da die in § 1666 Abs. 3 BGB aufgeführten Maßnahmen nicht abschließend sind, können auch andere, in dieser Norm nicht aufgeführte Anordnungen zum Schutz des Kindes ergriffen werden.Footnote 15 Eine Einschränkung gilt allerdings dann, wenn eine solche Anordnung mit einem erheblichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen verbunden ist. In diesem Fall stellt § 1666 Abs. 3 BGB nur dann eine ausreichende Rechtsgrundlage dar, wenn es sich hierbei um eine Anordnung handelt, die den in § 1666 Abs. 3 BGB genannten Maßnahmen vergleichbar ist.

Beispiele

Den in § 1666 Abs. 3 BGB aufgeführten Anordnungen vergleichbar sind z. B. die Weisung, unangemeldete Besuche des Jugendamtes zur Kontrolle der Einhaltung der nach § 1666 Abs. 3 BGB angeordneten Maßnahmen zu gestatten, sowie die Anordnung gegenüber einem Elternteil, Kontakte des Kindes zum anderen Elternteil oder zu einer/einem Dritten, von dem eine Kindeswohlgefährdung ausgeht, nicht zuzulassen.Footnote 16

Nicht vergleichbar und mangels Rechtsgrundlage unzulässig ist beispielsweise die Auflage an die Eltern, sich psychiatrisch begutachten zu lassen.Footnote 17

Gemäß § 1666 Abs. 4 BGB kann das Gericht in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegenüber Dritten treffen. Allerdings gibt diese Regelung Familiengerichten keine Befugnis zur Anordnung von Maßnahmen gegenüber Behörden und sonstigen Trägern der öffentlichen Gewalt. Beispielsweise dürfen Familiengerichte Schulbehörden weder auferlegen noch untersagen, schulinterne Infektionsschutzmaßnahmen (z. B. Abstandsgebote, Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, Durchführung von Schnelltests) zu ergreifen; zuständig hierfür sind vielmehr allein die Verwaltungsgerichte.Footnote 18

3 (Teil-) Entziehung der elterlichen Sorge

Da das Sorgerecht erst mit Geburt des Kindes entsteht, kann es den Eltern für das noch ungeborene Kind nicht entzogen werden.Footnote 19 In der Rechtsprechung ist umstritten, ob ein vorgeburtlicher Sorgerechtsentzug möglich ist, der erst ab Geburt des Kindes wirksam wird.Footnote 20 In der Praxis wird diese Frage selten Probleme aufwerfen, da die Einleitung eines Kinderschutzverfahrens nach den §§ 1666, 1666a BGB nebst Bestellung einer/eines Verfahrensbeiständin/-beistands nach § 158 Abs. 1, 2 Nr. 1 FamFG sowie die Anordnung niedrigschwelliger familiengerichtlicher Maßnahmen unstreitig bereits vor Geburt des Kindes möglich sind,Footnote 21 sodass ein vorgeburtlicher Sorgerechtsentzug mit Wirkung ab Geburt des Kindes nur in Ausnahmefällen verhältnismäßig sein wird.Footnote 22

Aufgrund des Eingriffsgewichts eines (Teil-) Entzugs der elterlichen Sorge, insbesondere dann, wenn dieser mit der Trennung des Kindes von seinen Eltern verbunden ist, gelten unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten besonders strenge Anforderungen.Footnote 23 Der Grundrechtseingriff muss zur Erreichung des Zwecks, der Abwendung einer Kindeswohlgefährdung, geeignet und erforderlich sein und zu diesem Zweck in einem angemessenen Verhältnis stehen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).Footnote 24

3.1 Geeignetheit

Geeignet ist der Eingriff in das Elternrecht grundsätzlich nur dann, wenn er im konkreten Fall eine effektive Abwendung der Kindeswohlgefährdung gewährleisten kann.Footnote 25 Kann er nicht zur Beseitigung des als gefährlich erkannten Zustands beitragen, ist er zur Gefahrenabwehr ungeeignet.Footnote 26

Beispielsweise fehlt es nach der Rechtsprechung des BVerfG bei einer Trennung des Kindes von seinen Eltern an der Geeignetheit des Eingriffs, wenn mit der Fremdunterbringung voraussichtlich schwerwiegendere Schäden für das Kind verbunden sind als im Falle seines Verbleibs im elterlichen Haushalt (sogenannte sekundäre Kindeswohlgefährdung). Denn dann würden die mit der Fremdunterbringung verbundenen eigenständigen Belastungen die beabsichtigte Gefahrenbeseitigung nicht aufwiegen. Die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern sind daher stets zu berücksichtigen und müssen prognostisch durch die mit der Fremdunterbringung verbundenen Vorteile aufgewogen werden. Ein Sorgerechtsentzug, der mit der Trennung des Kindes von seinen Eltern verbunden ist, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung hierdurch verbessert.Footnote 27

Beispiel

In einem vom BGH und in der Vorinstanz vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall litt das Kind unter der Fremdunterbringung so sehr, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine psychische Erkrankung des Mädchens bei fortgesetzter Fremdunterbringung vorlag. Ein sexueller Missbrauch durch den Lebensgefährten der Mutter war aufgrund erheblicher Schutzfaktoren (positive Lebenssituation und psychische Stabilität des Lebensgefährten, emotionale Bindung an Mutter und Kind, Eindruck der strafrechtlichen Verurteilung) nach Einschätzung des Sachverständigen sehr unwahrscheinlich. Die Situation des Kindes hätte sich in der Gesamtbetrachtung damit nicht verbessert, sondern prognostisch zu einer sekundären Kindeswohlgefährdung durch die Fremdunterbringung geführt.Footnote 28

3.2 Erforderlichkeit

Erforderlich ist eine (teilweise) Entziehung der elterlichen Sorge dann, wenn zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung gleich geeignete, mildere, also die geschützte Rechtsposition weniger beeinträchtigende, Mittel nicht vorhanden sind.Footnote 29

3.2.1 Vorrang öffentlicher Hilfen

Vor einem (teilweisen) Sorgerechtsentzug trifft den Staat deshalb die Verpflichtung, sein Ziel der Gefahrenabwehr zunächst durch unterstützende öffentliche, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete, Maßnahmen zu erreichen.Footnote 30 Für Sorgerechtseingriffe, die mit einer Trennung des Kindes von den Eltern verbunden sind, folgt dies direkt auch aus der Regelung des § 1666a Abs. 1 S. 1 BGB.

Art und Maß der staatlichen Hilfepflicht hängen dabei vom Einzelfall ab. Bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im konkreten Fall ist die Kreativität und Sachkunde der am Verfahren beteiligten Fachkräfte und insbesondere des Jugendamtes gefragt (dazu 7.2.1). Eine gute Zusammenarbeit aller am Verfahren beteiligten Personen ist deshalb dringend notwendig, um zu Lasten des Kindes bestehende Schutzlücken einerseits und unverhältnismäßige staatliche Maßnahmen andererseits auszuschließen. Alle zur Gefahrenabwehr geeigneten Hilfemöglichkeiten sind deshalb im Termin mit den Fachkräften zu erörtern und ihre Möglichkeiten und Grenzen im konkreten Fall aufzuklären und darzulegen. Insbesondere sollte dabei untersucht und in der Entscheidung begründet werden, warum welche konkreten Hilfen die im Einzelfall bestehenden Gefährdungsrisiken voraussichtlich kompensieren können oder warum dies nicht möglich ist.Footnote 31 Diese Begründungsobliegenheit der Gerichte gilt insbesondere dann, wenn Fachkräfte, wie z. B. Jugendamt, Verfahrensbeistandschaft, Sachverständige und Familienhelfer*innen, unterschiedliche Auffassungen zur Geeignetheit öffentlicher Hilfen zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung im konkreten Fall vertreten. Das Gericht muss dann die abweichende Auffassung der betreffenden Fachkraft in den Entscheidungsgründen thematisieren und stichhaltig begründen, weswegen es dieser Einschätzung nicht folgt.

Beispiel

Unzureichend ist die (pauschale) gerichtliche Einschätzung der Geeignetheit öffentlicher Hilfen zur Gefahrenabwehr, wenn ein erst wenige Monate alter Säugling im Haushalt der Eltern unter anderem mehrere Rippenserienbrüche und Einblutungen an den Gliedmaßen erlitt, die Eltern bei der Aufklärung der Verletzungen jedoch nicht mitwirken und keinerlei Unterstützungsbedarf sehen und die Sachverständige ambulante Hilfen für unzureichend hielt.Footnote 32

Fehlt den Eltern die notwendige Problemeinsicht oder Fähigkeit und/oder Bereitschaft, externe Hilfen anzunehmen, mit den Fachkräften zu kooperieren und an der Beseitigung der Kindeswohlgefährdung mitzuwirken, sind öffentliche Hilfen regelmäßig nicht zur Gefahrenabwehr geeignet.Footnote 33

Problematisch sind Situationen, in denen Gericht und Jugendamt unterschiedliche Auffassungen zur Geeignetheit öffentlicher Hilfen vertreten. Liegen nach Einschätzung des Gerichts geeignete, mildere Mittel zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung vor, lehnt aber das Jugendamt eine Hilfemaßnahme ab, ist eine (teilweise) Entziehung der elterlichen Sorge unzulässig.Footnote 34 Da dem Gericht nach überwiegender Auffassung keine Anordnungskompetenz gegenüber dem Jugendamt zukommt,Footnote 35 müssen die vom Familiengericht für geeignet gehaltenen Hilfemaßnahmen von den Sorgeberechtigten dann über den Verwaltungsrechtsweg eingeklagt werden.Footnote 36

3.2.2 Teilentzug vor vollständigem Sorgerechtsentzug

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, vor einem vollständigen Entzug der elterlichen Sorge stets zu prüfen, ob die Entziehung von Teilbereichen der elterlichen Sorge zum Schutz des Kindes ausreichend ist (§ 1666a Abs. 2 BGB). Es dürfen folglich nur die Teile der elterlichen Sorge entzogen werden, die zum Schutze des Kindes notwendig, aber auch ausreichend sind.Footnote 37 Sind mehrere Kinder vorhanden, ist zudem zu erörtern, ob der (teilweise) Entzug der elterlichen Sorge bezüglich eines Kindes oder eines Teils der Kinder ausreicht, um eine Gefährdung der im elterlichen Haushalt verbleibenden Kinder abzuwenden.

3.2.3 Fremdunterbringung mit Einverständnis der Eltern

Eine (teilweise) Sorgerechtsentziehung ist in der Regel nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig, wenn die Eltern mit der notwendigen Fremdunterbringung ihres Kindes einverstanden und bereit sind, alle hierfür notwendigen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, z. B. die notwendigen Anträge zur Bewilligung der erforderlichen Hilfen zu stellen.Footnote 38 Ob die notwendige Mitwirkungsbereitschaft bei den Eltern vorliegt, kann prognostisch regelmäßig anhand ihrer bisherigen Zusammenarbeit mit den Fachkräften festgestellt werden. Trotz Einverständnis und Mitwirkungsbereitschaft der Eltern ist ein (teilweiser) Sorgerechtsentzug erforderlich, wenn die Kindeswohlgefährdung hierdurch nicht beseitigt werden kann, etwa wenn das Kind durch elterliche Verhaltensweisen traumatisiert ist und der Fortbestand der elterlichen Sorge den Bedürfnissen des Kindes widerspricht.Footnote 39

Erteilen die Eltern dem Jugendamt eine Sorgerechtsvollmacht, kann diese ein milderes Mittel zu einem Sorgerechtsentzug darstellen, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Eltern ihre Vollmacht alsbald widerrufen werden, sie mit dem Jugendamt zusammenarbeiten und die Angelegenheiten ihres Kindes weiterhin aktiv begleiten.Footnote 40 Im Rahmen von Sorgerechtsentscheidungen nach § 1671 BGB hat der BGH bereits entschieden, dass die Bevollmächtigung eines mitsorgeberechtigten Elternteils durch den anderen eine Übertragung des Sorgerechts entbehrlich machen kann, wenn und soweit sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange gibt. Voraussetzung hierfür ist eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern, soweit diese unter Berücksichtigung der durch die Vollmacht erweiterten Handlungsbefugnisse des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich sind. Insoweit ist zu prüfen, ob der bevollmächtigende Elternteil zur Mitwirkung bereit und in der Lage wäre, sollte die Vollmacht im Rechtsverkehr nicht anerkannt werden. Denn dem bevollmächtigten Elternteil ist es nicht zuzumuten, rechtlich gegen Dritte vorgehen zu müssen, um eine Akzeptanz der Vollmacht zu erstreiten. Hingegen bedarf es nach Ansicht des BGH keiner Prognose über die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Widerrufs der Vollmacht.Footnote 41 Es bleibt abzuwarten, ob der BGH diese Grundsätze künftig auch auf Kinderschutzverfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB anwenden wird.

Ein milderes Mittel zu einem Sorgerechtsentzug kann auch die von den Eltern gewünschte Unterbringung des Kindes bei Verwandten (z. B. Großeltern) sein, sofern diese zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung geeignet ist.Footnote 42 Dabei ist zu prüfen, ob die Unterbringung bei Verwandten ihrerseits mit einer Kindeswohlgefährdung verbunden wäre, die auch durch öffentliche Hilfen nicht abgewendet werden kann.Footnote 43

3.2.4 Sorgerechtsentzug bezüglich beider Elternteile

Leben die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern getrennt, muss das Gericht für beide Elternteile separat prüfen, ob beiden die Sorge jeweils (teilweise) entzogen werden muss. Insbesondere ist zu erörtern, ob dem Kind auch im Haushalt des Elternteils, in dem das Kind bisher nicht gelebt hat, eine Kindeswohlgefährdung drohen würde. Erst wenn dies der Fall ist oder dieser Elternteil mit einer erforderlichen Fremdunterbringung nicht einverstanden und zur Mitwirkung mit den Fachkräften nicht bereit sein sollte, kommt ein Entzug der elterlichen Sorge auch bezüglich dieses Elternteils in Betracht.Footnote 44

3.2.5 Verbleibensanordnung

Ein milderes Mittel zu einem Sorgerechtsentzug ist ferner der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB, wenn das Kind bereits seit längerer Zeit in einer Pflegefamilie gelebt hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Endpunkt der Verbleibensanordnung noch nicht abzusehen ist. Ein Entzug der elterlichen Sorge ist ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn die Eltern durch ihr Verhalten das Pflegeverhältnis in kindeswohlgefährdender Weise beeinträchtigen oder wenn eine Rückkehr des Kindes dauerhaft ausgeschlossen ist, etwa weil Misshandlungen durch die leiblichen Eltern drohen.Footnote 45 Mit dem durch das Kinder- und JugendstärkungsgesetzFootnote 46 neu eingefügten § 1632 Abs. 4 S. 2 BGB ist es nun auch möglich, den Verbleib des Kindes in seiner Pflegefamilie als dauerhafte Maßnahme anzuordnen, wenn erstens sich die Erziehungsverhältnisse trotz angebotener geeigneter Hilfemaßnahmen innerhalb eines vertretbaren Zeitrahmens nicht nachhaltig gebessert haben und eine Besserung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch künftig nicht zu erwarten ist sowie zweitens die Maßnahme zum Wohl des Kindes erforderlich ist.Footnote 47

3.3 Angemessenheit

Die Angemessenheit oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne eines (teilweisen) Sorgerechtsentzugs ist gegeben, wenn der Eingriff unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zumutbar ist. Hierbei ist insbesondere auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und seinen Folgen, dem Gewicht des dem Kind drohenden Schadens und dem Grad der Gefahr zu berücksichtigen.Footnote 48 Da es sich bei der – auch teilweisen – Entziehung der elterlichen Sorge um einen besonders schweren Grundrechtseingriff handelt, ist dieser nach Auffassung des BGH nur dann angemessen, wenn eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung vorliegt und eine höhere Wahrscheinlichkeitsschwelle für den Eintritt eines Schadens beim Kind überschritten ist, als dies auf Tatbestandsebene für das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung der Fall sein muss. Wann eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung vorliegt, hat der BGH bislang nicht näher erläutert. Betrachtet man seine Definition einer Kindeswohlgefährdung auf Tatbestandsebene, setzt diese bereits eine gegenwärtige Gefahr voraus, bei der eine erhebliche Schädigung des Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein muss. Drohen dem Kind jedoch erhebliche Schäden, sind praktische Fallgestaltungen, in denen nicht zugleich auch eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung vorliegt, schwer vorstellbar. Der Begriff der Nachhaltigkeit dürfte daher eher als Signal an die Praxis verstanden werden, besonders sorgfältig zu prüfen, ob es wirklich bereits einer Trennung des Kindes von seinen Eltern bedarf, um das Kind ausreichend vor einer Gefährdung zu schützen. Sodann muss nach der BGH-Rechtsprechung auf der Rechtsfolgenebene für den (teilweisen) Entzug der elterlichen Sorge ein Schaden, nicht nur wie auf Tatbestandsebene mit „hinreichender Wahrscheinlichkeit“, sondern mit „ziemlicher Sicherheit“ drohen.Footnote 49

Der BGH nimmt folglich auf der Rechtsfolgenseite – wie bereits auf der Tatbestandsebene – nochmals eine Kindeswohlprüfung vor. Kann hierbei nicht festgestellt werden, dass dem Kind ein Schaden mit der geforderten „ziemlichen Sicherheit“ droht, ist die (teilweise) Entziehung der elterlichen Sorge ausgeschlossen. Möglich sind dann nur familiengerichtliche Maßnahmen, die nicht mit einem (teilweisen) Sorgerechtsentzug verbunden sind (dazu 7.2). Mit der Unterscheidung der Wahrscheinlichkeitsgrade auf Tatbestands- und Rechtsfolgenebene möchte der BGH übermäßige Eingriffe in die elterliche Sorge, die sich gerade auch zu Lasten des Kindes auswirken können, verhindern.

Sofern nicht bereits Schäden beim Kind eingetreten sindFootnote 50, ist die vom BGH vorgenommene Differenzierung der Wahrscheinlichkeitsschwelle auf Tatbestands- und Rechtsfolgenebene in der Praxis schwierig handhabbar. Die Rechtsprechung des BGH sollte auf keinen Fall dahingehend missverstanden werden, dass konkrete Prozentzahlen zur Darlegung der „ziemlichen Sicherheit“ genannt oder festgestellt werden müssen. Wie bereits zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Kindeswohlgefährdung ausgeführt, ist die Angabe von Wahrscheinlichkeiten eines Schadenseintritts in Prozentzahlen nicht möglich.Footnote 51 Darüber hinaus lassen sich Schadensverläufe oftmals nur schwer mit einer „ziemlichen Sicherheit“ im engeren Wortsinn prognostizieren. Bei der Anwendung dieses Kriteriums besteht daher zugleich die Gefahr, dass zum Schutz des Kindes notwendige Sorgerechtseingriffe zu spät erfolgen könnten. Dies gilt insbesondere dann, wenn niedrigschwellige Maßnahmen aufgrund mangelnder Kooperation der Eltern nicht greifen.Footnote 52 Am sinnvollsten erscheint es daher, wie auch bei der Feststellung der Kindeswohlgefährdung, auf Tatbestandsebene vorzugehen:

Es sind zunächst alle Risiko- und Schutzfaktoren, die für oder gegen den Eintritt eines Schadens beim Kind sprechen, sorgfältig für- und gegeneinander abzuwägen. Dabei wird man umso eher von einer „ziemlichen Sicherheit“ eines Schadenseintritts ausgehen können, je weniger Schutzfaktoren im konkreten Fall vorliegen und je gewichtiger und umfangreicher die vorliegenden Risikofaktoren sind.

Als risikoerhöhend muss dabei berücksichtigt werden, wenn den Eltern die notwendige Problemeinsicht, Veränderungsfähigkeit/-bereitschaft und Kooperationsfähigkeit/-bereitschaft mit den Fachkräften fehlen und niedrigschwellige Maßnahmen zum Schutz des Kindes aus diesem Grund nicht ergriffen werden können.

Als eigenständiges Risiko ist nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der Angemessenheit auch die Gefahr einer sekundären Kindeswohlgefährdung, d. h. der Eintritt eines Schadens beim Kind durch die beabsichtigte familiengerichtliche Maßnahme, insbesondere der Fremdunterbringung, zu erörtern. Eine Fremdunterbringung ist ausgeschlossen, wenn sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung im Hinblick auf die bestehende Gefährdungsprognose nicht verbessert (zur sekundären Kindeswohlgefährdung s. a. Kindesschutz im BGB, FamFG und SGB VIII [Kap. 1]).Footnote 53

Wenngleich der BGH nicht ausdrücklich danach unterscheidet, ob der Sorgerechtsentzug mit einer Trennung des Kindes von den Eltern verbunden ist oder nicht, ist es doch auch Ausdruck der Verhältnismäßigkeit, dass ein Sorgerechtsentzug, der nicht mit einer Fremdunterbringung des Kindes verbunden ist (z. B. Entziehung nur der Gesundheitssorge oder des Rechts zur Regelung schulischer Angelegenheiten), unter weniger strengen Anforderungen als den hier aufgezeigten zulässig sein dürfte als ein solcher, der zur Trennung des Kindes von seinen Eltern führt.Footnote 54

Beachte: Bedauerlicherweise wenden BGH und BVerfG einen unterschiedlichen Prüfungsansatz im Hinblick auf die Zulässigkeit von Maßnahmen, die mit einer Trennung des Kindes von den Eltern verbunden sind, an. Anders als der BGH nimmt das BVerfG im Rahmen der Angemessenheit keine weitere Kindeswohlprüfung vor und verlangt insbesondere keine weitere, eine höhere Sicherheit des Schadenseintritts erfordernde, Prognose für Fremdunterbringungen.Footnote 55 Denn dieser Gesichtspunkt der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit wird bereits durch die auf Tatbestandsebene des § 1666 BGB vorzunehmende Kindeswohlprüfung erfasst. Im Rahmen der dort anzustellenden Schadensprognose sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts desto geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der dem Kind drohende Schaden wiegt („je-desto-Formel“).Footnote 56 Liegt nach dieser Prüfung eine Kindeswohlgefährdung vor, bedarf es im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung keines höheren Wahrscheinlichkeitsgrades, um das Kind von seinen Eltern zu trennen.

Im Extremfall können beide Ansätze zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Wandelt man den oben dargestellten (dazu 7.3.1), vom BGH/OLG Karlsruhe entschiedenen, Fall beispielsweise dahingehend ab, dass weniger gegebene Schutzfaktoren zu einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit eines sexuellen Missbrauchs durch den Lebensgefährten der Mutter führen würden, ohne jedoch den – ohnehin schwer greifbaren – Grad der „ziemlichen Sicherheit“ zu erreichen, wäre eine Fremdunterbringung nach der Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen, während das BVerfG eine solche zum Schutz des Kindes unter Umständen für notwendig halten würde.Footnote 57 Bis es zu einer höchstrichterlichen Klärung dieser Divergenz kommt, empfiehlt es sich im Zweifelsfall, zum Schutze des Kindes dem Ansatz des BVerfG zu folgen.

Die Gefahr einer sekundären Kindeswohlgefährdung prüft das BVerfG bereits unter dem Aspekt der Geeignetheit (dazu 7.3.1) und nicht erst – wie der BGH – im Rahmen der Angemessenheit. Allerdings hat dieser Unterschied – anders als die Anwendung unterschiedlicher Schwellen der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit – in der Praxis keine Auswirkungen. Entscheidend ist vielmehr, dass dieser Gesichtspunkt im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geprüft wird.

3.4 Weitere Entscheidungen bei (teilweiser) Sorgerechtsentziehung

3.4.1 Sorgerechtsübertragung auf den anderen Elternteil

Wird dem alleinsorgeberechtigten Elternteil die elterliche Sorge (teilweise) entzogen, ist zunächst zu prüfen, ob eine (teilweise) Sorgerechtsübertragung auf den anderen Elternteil nach § 1680 Abs. 2, 3 BGB möglich ist.Footnote 58 Nur wenn die (teilweise) Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil dem Wohl des Kindes widerspricht (§ 1680 Abs. 2 BGB), darf für das Kind gemäß § 1778 Abs. 1 BGB (i.V.m. § 1813 Abs. 1 BGB). eine Vormundsperson bzw. im Fall der teilweisen Entziehung der elterlichen Sorge eine Ergänzungspflegeperson bestellt werden.

3.4.2 Auswahl der Vormunds-/Ergänzungspflegeperson

In der Praxis wird die Auswahl der Vormunds- bzw. Ergänzungspflegeperson häufig den Rechtspfleger*innen überlassen. Das BVerfG hat jedoch deutlich gemacht, dass diese Auswahl gemäß § 6 Rechtspflegergesetz (RPflG) von den Familienrichter*innen selbst getroffen werden muss, weil sowohl die Eignung als auch die Erforderlichkeit der Sorgerechtsentziehung sowie der Anordnung von Vormundschaft von der konkreten Auswahl der Vormunds-/Ergänzungspflegeperson abhängen können.Footnote 59 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es nämlich, vorrangig vor der Bestellung des Jugendamtes eine dem Kind nahestehende und ihm vertraute Person, insbesondere nahe Verwandte, als Vormunds-/Ergänzungspflegeperson zu bestellen, wenn eine engere familiäre Bindung zum Kind besteht.Footnote 60 Denn die Unterbringung des Kindes bei Verwandten kann im Vergleich zur Heimunterbringung eine die Eltern und das Kind weniger stark belastende Maßnahme darstellen. Ist die Unterbringung des Kindes bei Verwandten zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung ebenso geeignet, genügt eine Unterbringung des Kindes in einer Einrichtung oder bei dem Kind nicht bekannten Pflegeeltern nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.Footnote 61 Die Auswahl muss unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit deshalb integraler Bestandteil der Sorgerechtsentscheidung sein.Footnote 62

Nahen Verwandten kommt bei der Auswahl der Vormunds- oder Ergänzungspflegeperson der Vorrang gegenüber nicht verwandten Personen zu, sofern dem Wohl des Kindes durch die Auswahl einer dritten Person nicht besser gedient ist.Footnote 63 Erst wenn weder Angehörige noch sonstige Bindungspersonen des Kindes als Vormunds- oder Ergänzungspflegeperson in Betracht kommen, darf auf das Jugendamt zurückgegriffen werden (sogenannte Nachrangigkeit der Amtsvormundschaft/-pflegschaft).

Auch wenn bereits eine Amtsvormunds- oder Amtspflegeperson bestellt wurde, obliegt es dem Jugendamt, nach § 56 Abs. 4 SGB VIII jährlich zu prüfen, ob im Interesse des Kindes die Bestellung einer Einzelperson angezeigt ist. Ist das der Fall, hat das Jugendamt dies dem Familiengericht umgehend mitzuteilen.

4 Fazit

Die Familiengerichte tragen eine große Verantwortung bei der Auswahl der ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen zum Schutze des Kindes. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten, dass übermäßigen gerichtlichen Eingriffen in die elterliche Sorge unter Umständen ein eigenständiges Gefährdungspotenzial zu Lasten des Kindes innewohnen kann. Um eine ausgewogene Entscheidung treffen zu können, die den Schutz des Kindes in jeglicher Hinsicht sicherstellt, müssen sich familiengerichtliche Entscheidungen stets im Spannungsfeld zwischen der verfassungsrechtlich gebotenen Gewährleistung eines effektiven Kinderschutzes einerseits und der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes andererseits bewegen. Ganz besonders gilt dies, wenn die beabsichtigte Maßnahme mit einer Trennung des Kindes von seinen Eltern verbunden ist. In diesem Fall ist besonders genau zu prüfen, ob die dem Kind im Haushalt der Eltern drohenden Gefahren bereits eine Fremdunterbringung des Kindes rechtfertigen oder ob weniger intensive Maßnahmen zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung (noch) ausreichen. In jedem Fall ist die Zusammenarbeit mit allen am Verfahren beteiligten Fachkräften, insbesondere mit dem Jugendamt, von herausragender Bedeutung.