1 Beteiligte in Kinderschutzverfahren

Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls nach §§ 1666 f. BGB (Kinderschutzverfahren) sind grundsätzlich Kindschaftssachen im Sinne von § 151 FamFG. Sie werden von Amts wegen eingeleitet und sind nach § 155 Abs. 1 FamFG vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Bei der Vorbereitung des oftmals kurzfristig anberaumten Termins stellt sich die Frage, wer an dem Verfahren zu beteiligen und wer anzuhören ist. Dies lässt sich nicht pauschal beantworten und ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Zudem ist nicht jede/r Anzuhörende auch gleichzeitig Beteiligte*r, wie sich aus § 7 Abs. 6 FamFG ergibt.

Zunächst soll daher ein kurzer Überblick über den Beteiligtenbegriff erfolgen, der in den allgemeinen Vorschriften des FamFG geregelt ist. Nach § 7 Abs. 2 FamFG gibt es zwingend zu Beteiligende (sogenannte „Muss-Beteiligte“) und nach § 7 Abs. 3 FamFG Beteiligte, die das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen hinzuziehen kann (sogenannte „Kann-Beteiligte“).

1.1 Beteiligte nach § 7 Abs. 2 FamFG

Zwingend zu beteiligen sind nach § 7 Abs. 2 FamFG diejenigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird (4.1.1.1) und diejenigen, die aufgrund des FamFG oder eines anderen Gesetzes von Amts wegen oder auf Antrag zu beteiligen sind (4.1.1.2).

1.1.1 In Rechten durch das Verfahren unmittelbar betroffen, § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG

In Kinderschutzverfahren, die die Einschränkung oder Entziehung der elterlichen Sorge zum Gegenstand haben, ist jedenfalls immer das Kind nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu beteiligen.Footnote 1 Ebenfalls werden die sorgeberechtigten Eltern unter diese Ziffer fallen und auch der nicht sorgeberechtigte Elternteil, wenn ein Entzug der elterlichen Sorge in Betracht kommt, da sein Recht aus § 1680 BGB betroffen sein kann.Footnote 2 Ob weitere Personen vorhanden sind, die in ihren Rechten betroffen sind, ist im Einzelfall festzustellen. Zu beachten ist, dass § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG eine Generalklausel darstellt, die durch speziellere Regeln verdrängt werden kann.Footnote 3

1.1.2 Aufgrund Gesetzes zu beteiligen, § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG

In Kinderschutzverfahren wird die/der Verfahrensbeiständin/-beistand gemäß § 158b Abs. 3 S. 1 FamFG durch ihre/seine Bestellung als Beteiligte*r zum Verfahren hinzugezogen. Die Bestellung ist in diesen Verfahren nach der seit Juli 2021 geltenden Neuregelung stets erforderlich, wenn die (teilweise) Entziehung der Personensorge in Betracht kommt (§ 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Nach § 162 Abs. 2 S. 1 FamFG ist in Verfahren nach den §§ 1666 f. BGB auch das Jugendamt zu beteiligen (s. a. Das Jugendamt als Fachbehörde – Rolle und Aufgaben im Verfahren nach § 1666 BGB [➔ Kap. 36], Aufgaben und Stellung der Verfahrensbeistandschaft im Kinderschutzverfahren [➔ Kap. 37]).

1.2 Beteiligte nach § 7 Abs. 3 FamFG

§ 7 Abs. 3 FamFG eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, weitere Personen als Beteiligte hinzuzuziehen, soweit das FamFG oder ein anderes Gesetz dies vorsieht. In Kinderschutzverfahren ist dabei insbesondere an die Pflegeperson zu denken, die gemäß § 161 Abs. 1 FamFG in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, im Interesse des Kindes als Beteiligte hinzugezogen werden kann, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt. Dies wird anzunehmen sein, wenn es dort „seine Bezugswelt“ gefunden hat.Footnote 4

1.3 Zusammenfassung

In Kinderschutzverfahren sind somit in der Regel Kind, Eltern, Jugendamt und die/der Verfahrensbeiständin/-beistand als Beteiligte hinzuzuziehen. Ob weitere Beteiligte hinzuzuziehen sind, ist im Einzelfall zu prüfen.

2 Anhörung

2.1 Allgemeines

Die Anhörung einer/eines Beteiligten im Termin dient verschiedenen Zwecken. Sie kann in Verbindung mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens zum einen zur Sachverhaltsaufklärung (§§ 26, 33 FamFG) und zum anderen zur Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) erforderlich sein. Eine Anhörung hat zudem zu erfolgen, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). Über die Anhörung ist ein Vermerk zu fertigen (§ 28 Abs. 4, § 29 Abs. 3 FamFG). Der Verstoß gegen eine Pflicht zur Anhörung stellt einen Verfahrensfehler dar.Footnote 5

2.2 Anzuhörende Personen

In Kinderschutzverfahren sind anzuhören:

  • das Kind unter den Voraussetzungen des § 159 FamFG,

  • die Eltern (§ 160 Abs. 1 S. 2 FamFG),

  • das Jugendamt (§ 162 Abs. 2 S. 1 FamFG),

  • Pflegepersonen, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt (§ 161 Abs. 2 FamFG),

  • weitere Beteiligte, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts (§§ 26, 33 FamFG) bzw. zur Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 34 FamFG) erforderlich ist,

  • Auskunftspersonen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich ist (§ 26 FamFG).

2.2.1 Anhörung des Kindes

Die Anhörung des Kindes in Kindschaftssachen ist in § 159 FamFG geregelt. Ihr ist in diesem Modul ein gesonderter Fachtext (s. a. Rechtliche Vorgaben zur Kindesanhörung und kindgerechte Anhörung [➔ Kap. 5]) gewidmet. An dieser Stelle soll daher nicht näher auf die Kindesanhörung eingegangen werden.

2.2.2 Anhörung der Eltern

Art und Umfang

Die Anhörung der Eltern hat in Verfahren nach §§ 1666 f. BGB persönlich zu erfolgen (§ 160 Abs. 1 S. 2 FamFG). Sie ist im Unterschied zur persönlichen Anhörung in anderen Kindschaftssachen, die die Person des Kindes betreffen (§ 160 Abs. 1 S. 1 FamFG: „soll“), zwingend vorgeschrieben. Ausnahmen sind lediglich aus schwerwiegenden Gründen zulässig (s. u.). Grund für die zwingende persönliche Anhörung ist neben der Gewährung rechtlichen Gehörs, dass ein persönlicher Eindruck von den Beteiligten für die Sachverhaltsaufklärung und aufgrund der Schwere des Eingriffs zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit unverzichtbar ist.Footnote 6

Unterschiedliche Auffassungen bestehen dazu, ob nach § 160 Abs. 1 S. 2 FamFG auch Eltern anzuhören sind, denen die elterliche Sorge nicht zusteht.Footnote 7

Die Anhörung der Eltern ist von der zusätzlich erforderlichen Erörterung mit den Eltern nach § 157 Abs. 1 FamFG zu unterscheiden, die einen gesonderten Verfahrensabschnitt darstellt, mit der Anhörung jedoch verbunden werden kann.Footnote 8

Absehen von der persönlichen Anhörung

Von der persönlichen Anhörung der Eltern nach § 160 Abs. 1 S. 2 FamFG darf in Kinderschutzverfahren nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden, § 160 Abs. 3 FamFG. Es handelt sich um einen von der Rechtsprechung auszufüllenden unbestimmten Rechtsbegriff.Footnote 9 Die Norm ist lex specialis zu § 34 Abs. 2 FamFG, das Verhältnis der beiden Anwendungsbereiche jedoch unklar.Footnote 10 Die in § 34 Abs. 2 FamFG genannten Gründe – erhebliche Nachteile für die Gesundheit der/des Anzuhörenden durch die Anhörung oder fehlende Fähigkeit der/des Anzuhörenden, ihren/seinen Willen kundzutun – dürften in der Regel aber auch schwerwiegende Gründe im Sinne des § 160 Abs. 3 FamFG sein.Footnote 11 Ein schwerwiegender Grund dürfte zum Beispiel auch vorliegen, wenn ein Elternteil auf Dauer oder für längere Zeit unerreichbar ist.Footnote 12 Dies kann insbesondere in Verfahren der einstweiligen Anordnung relevant werden. Unterbleibt die Anhörung dann wegen Gefahr im Verzug, so ist sie nach § 160 Abs. 4 FamFG unverzüglich nachzuholen. Kein schwerwiegender Grund liegt vor, wenn ein Elternteil zum Termin nicht erscheint.Footnote 13 Hierzu näher unter 4.2.4.

Ob ein schwerwiegender Grund für das Absehen von der persönlichen Anhörung vorliegt, ist in jedem Einzelfall und nicht schematisch zu prüfen. Wird er festgestellt, ist weiter zu prüfen, ob dieser nur gegen eine persönliche Anhörung spricht und die Anhörung gegebenenfalls auf andere Weise, z. B. schriftlich oder telefonisch, vorgenommen werden kann.Footnote 14

2.2.3 Anhörung des Jugendamtes

Allgemeines

Das Jugendamt ist in Kinderschutzverfahren gemäß § 162 Abs. 1 S. 1 FamFG zwingend anzuhören. Das Jugendamt ist nach § 50 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB VIII, der auf § 162 FamFG Bezug nimmt, zur Mitwirkung verpflichtet. Die Anhörung des Jugendamtes, das in vielen Fällen bereits über Informationen über das Kind, die Familie und die Umstände des Falles verfügt, kann wertvolle Informationen für die Aufklärung des Sachverhalts erbringen. Zudem ist die sozialpädagogische Fachkompetenz des Jugendamtes in Kinderschutzverfahren unverzichtbar. Gemäß § 50 Abs. 2 SGB VIII unterrichtet das Jugendamt über angebotene und erbrachte Leistungen, bringt erzieherische und soziale Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes ein und weist auf Hilfemöglichkeiten hin. Es informiert zudem im Termin nach § 155 Abs. 2 FamFG über den Stand des Beratungsprozesses.

Das Jugendamt ist in Kinderschutzverfahren, welche unter das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG fallen, im Termin nach § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG anzuhören (§ 155 Abs. 2 S. 3 FamFG). Durch die persönliche Anhörung kann der aktuelle Stand der Sachlage aufgeklärt werden und das Jugendamt auch zu neuen, sich beispielsweise erst im Termin aus der Anhörung der Eltern ergebenden Aspekten fachlich Stellung nehmen.Footnote 15

Anzuhören ist das örtlich zuständige Jugendamt (§§ 87b, 86 Abs. 1 bis 4 SGB VIII). Im Einzelfall kann zusätzlich aufgrund § 26 FamFG die Anhörung eines anderen Jugendamtes geboten sein, z. B. wenn die Familie vor einem Umzug von diesem Jugendamt betreut worden ist.

Ausbleiben des Jugendamtes im Termin

Wenn das Jugendamt zum Termin nicht erscheint, ist dies in den meist eiligen Kinderschutzverfahren sehr misslich. Zunächst gibt das Gesetz in § 155 Abs. 2 S. 3 FamFG vor, dass das Jugendamt im frühen Termin persönlich anzuhören ist. Zudem fehlt bei Nichterscheinen einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters des Jugendamtes auch eine wesentliche Informationsquelle. Das Erscheinen einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters des Jugendamtes im Termin kann aber nicht erzwungen werden.Footnote 16 Zur Teilnahme am Termin ist die Behörde verpflichtet, nicht aber die/der einzelne Mitarbeiter*in. Daher ist das Jugendamt zwar zu laden, aber nicht das persönliche Erscheinen anzuordnen.Footnote 17 Maßnahmen wie Dienstaufsichtsbeschwerde oder Einschaltung der kommunalen Rechtsaufsicht können im Einzelfall in Betracht kommen.Footnote 18 Dies hilft jedoch der/dem Richter*in im konkreten Termin bei der Sachverhaltsaufklärung nicht. Die Reaktion im Termin wird abhängig vom jeweiligen konkreten Einzelfall und der Eilbedürftigkeit auszufallen haben und kann hier nicht vorgegeben werden. Es kann beispielsweise versucht werden, noch im Termin telefonisch die Gründe für das Ausbleiben des Jugendamtes zu klären. Gegebenenfalls kann eine/ein Mitarbeiter*in noch zeitnah erscheinen. Wird wegen Gefahr im Verzug ausnahmsweise ohne Anhörung des Jugendamtes eine Entscheidung getroffen, so ist die Anhörung unverzüglich nachzuholen, § 162 Abs. 1 S. 2 FamFG (s. a. Das Jugendamt als Fachbehörde – Rolle und Aufgaben im Verfahren nach § 1666 BGB [➔ Kap. 36]).

2.2.4 Anhörung der Pflegeperson

Die in § 161 Abs. 1 FamFG genannten Personen – Pflegepersonen oder entsprechend Ehegatt*innen, Lebenspartner*innen oder Umgangsberechtigte, bei denen das Kind aufgrund einer Anordnung nach § 1682 BGB lebt – sind nach § 161 Abs. 2 FamFG anzuhören, wenn das Kind seit längerer Zeit bei diesen lebt. Diese Personen können einen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung leisten, da sie täglich mit dem Kind zu tun haben.

§ 161 FamFG schreibt keine persönliche Anhörung vor. Die Anhörung kann also auch schriftlich oder telefonisch erfolgen.Footnote 19 Dies entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen im jeweiligen Einzelfall. In vielen Fällen kann eine persönliche Anhörung sinnvoll und für die Sachverhaltsaufklärung förderlich sein.

Für ein Absehen von einer Anhörung trifft das Gesetz keine Regelung. Ist eine Entscheidung wegen Gefahr im Verzug ohne Anhörung erforderlich, so ist § 160 Abs. 4 FamFG entsprechend anzuwenden und die Anhörung unverzüglich nachzuholen.Footnote 20

2.2.5 Anhörung weiterer Beteiligter

Die Anhörung weiterer Beteiligter (z. B. einer/eines schon bestellten Ergänzungspflegerin/-pflegers) hat zu erfolgen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts (§§ 26, 33 FamFG) bzw. zur Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 34 FamFG) erforderlich ist. Die zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderliche Anhörung muss nach § 34 Abs. 1 FamFG persönlich erfolgen und darf aus den Gründen des § 34 Abs. 2 FamFG unterbleiben. Dies ist der Fall, wenn durch die Anhörung erhebliche Nachteile für die Gesundheit der/des Anzuhörenden zu befürchten sind oder die/der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, ihren/seinen Willen kundzutun. Diese Voraussetzungen hat das Gericht von Amts wegen zu ermitteln.Footnote 21 Erscheint die/der Beteiligte unentschuldigt nicht, kann das Verfahren nach § 34 Abs. 3 S. 1 FamFG ohne ihre/seine Anhörung beendet werden, wenn sie/er zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 34 Abs. 3 S. 2 FamFG). Dies kann jedoch nur gelten, wenn ihre/seine Anhörung lediglich der Gewährung rechtlichen Gehörs dient. Ist sie auch zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich, wird das Gericht in der Regel aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht zur Nachholung verpflichtet sein.Footnote 22

2.2.6 Anhörung von Auskunftspersonen

Die Notwendigkeit der Anhörung von Auskunftspersonen, die nicht Beteiligte sind, sich aber sachdienlich zum Gegenstand des Verfahrens äußern können, kann sich aus der Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamFG) ergeben. Sie dient der Aufklärung des Sachverhalts und kann grundsätzlich nach § 29 Abs. 1 S. 1 FamFG nach dem Grundsatz des Freibeweises in geeigneter Form, z. B. schriftlich, telefonisch oder persönlich, erfolgen.Footnote 23 Wer als Auskunftsperson in Betracht kommt, ist abhängig vom jeweiligen Einzelfall. Zu denken ist beispielsweise an Angehörige, Erzieher*innen, Lehrer*innen usw. Auskunftspersonen sind nicht verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen oder Angaben zu machen.Footnote 24

2.3 Getrennte Anhörung von Beteiligten

Gerade in Kinderschutzverfahren kann es erforderlich sein, Beteiligte, z. B. die Eltern, getrennt anzuhören. Eine Möglichkeit hierzu eröffnet § 33 Abs. 1 S. 2 FamFG, wenn dies zum Schutz der/des anzuhörenden Beteiligten oder aus anderen – gewichtigen – Gründen erforderlich ist. Die anderen Beteiligten sind über den Inhalt der Anhörung zu unterrichten.Footnote 25

2.4 Anordnung des persönlichen Erscheinens und Folgen des Ausbleibens

In Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Eltern zur Erörterung der Kindeswohlgefährdung zwingend (§ 157 Abs. 2 S. 1 FamFG).

Nach § 155 Abs. 3 FamFG, der sich auch auf Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls bezieht, soll das Gericht das persönliche Erscheinen sämtlicher verfahrensfähiger Beteiligter (§ 9 FamFG) zum Termin anordnen. Bei den verfahrensfähigen Beteiligten wird es sich insbesondere um die Eltern, die/den Verfahrensbeiständin/-beistand und eventuell die Pflegeperson handeln.

Bezüglich des Jugendamtes kann das persönliche Erscheinen nicht angeordnet werden, da nicht die/der einzelne Mitarbeiter*in geladen wird, sondern das Jugendamt als Behörde (s. o.).Footnote 26

Soweit die Anhörung und Anordnung des persönlichen Erscheinens einer/eines Beteiligten zur Anhörung nicht durch spezielle Vorschriften vorgegeben sind, kann sie nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamFG erfolgen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts sachdienlich erscheint. Es handelt sich um einen Auffangtatbestand.Footnote 27 Dabei ist die/der verfahrensfähige Beteiligte selbst zu laden, nicht ihr/sein Bevollmächtigter (§ 33 Abs. 2 S. 1 FamFG). Die Zustellung der Ladung soll angeordnet werden, wenn das Erscheinen einer/eines Beteiligten ungewiss ist (§ 33 Abs. 2 S. 2 FamFG). In der Ladung ist auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen (§ 33 Abs. 4 FamFG).

Die Folgen des Ausbleibens sind in Absatz 3 der Norm geregelt. Danach kann gegen die/den ordnungsgemäß geladene/n Beteiligte*n, die/der unentschuldigt nicht zum Termin erscheint, ein Ordnungsgeld (auch wiederholt) verhängt werden (Satz 1 und 2). Bei mehrmaligem unentschuldigtem Ausbleiben der/des Beteiligten ist auch die Anordnung von deren/dessen Vorführung möglich (Satz 3).

Das Ausbleiben ist unentschuldigt, wenn es der/dem Beteiligten vorwerfbar ist oder sie/er ausreichende Gründe schuldhaft nicht rechtzeitig vorträgt.Footnote 28 Wenn die/der Beteiligte sich nachträglich genügend entschuldigt und glaubhaft macht, dass sie/ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft, sind nach § 33 Abs. 3 S. 1–3 FamFG bereits getroffene Maßnahmen aufzuheben (§ 33 Abs. 3 S. 4 FamFG).

3 Mitwirkungspflicht?

§ 27 Abs. 1 FamFG sieht vor, dass die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken sollen. § 27 Abs. 2 FamFG regelt zudem, dass die Beteiligten ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben haben. Die Beteiligten sind also gehalten, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen.

Problematisch wird es in Kinderschutzverfahren, wenn die Beteiligten den in § 27 FamFG normierten Handlungsanweisungen nicht nachkommen. Verfahren nach §§ 1666 f. BGB unterliegen der Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG. Den Beteiligten obliegt hier keine Darlegungs- und Beweislast.Footnote 29 Auch wenn diese nicht mitwirken, muss das Gericht den Sachverhalt umfassend ermitteln.

In Kinderschutzverfahren werden an die Amtsermittlungspflicht vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 2 und 3 GG ganz besondere Anforderungen gestellt.Footnote 30 Die Mitwirkungspflichten des § 27 FamFG kann das Gericht aber gleichzeitig in der Regel nicht erzwingen. Lediglich die Anordnung des persönlichen Erscheinens kann gemäß § 33 Abs. 3 FamFG durch Festsetzung eines Ordnungsgeldes oder Anordnung der Vorführung der/des Beteiligten erzwungen werden. Darüber hinaus ist eine Berücksichtigung der schuldhaften Verletzung von Mitwirkungspflichten im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 81 Abs. 2 Nr. 3 und 4 FamFG möglich.

Der Konflikt zwischen Amtsermittlungspflicht und fehlender Erzwingbarkeit der Mitwirkungspflicht kann das Gericht in Kinderschutzverfahren vor erhebliche praktische Probleme stellen. Hier sind sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, alle Umstände des Falles einzubeziehen und Anknüpfungsmöglichkeiten zu verfolgen.

Zwei problematische Fälle, die sich in der Praxis ergeben können, sollen im Folgenden gesondert betrachtet werden. Zudem stellt sich die Frage, wann ein Gericht aufgrund fehlender Anknüpfungspunkte die Ermittlungen einstellen kann und wie mit Verstößen gegen die Pflicht, wahrheitsgemäß und vollständig vorzutragen (§ 27 Abs. 2 FamFG), umzugehen ist.

3.1 Fehlende Mitwirkung an einer körperlichen oder psychiatrischen/psychologischen Begutachtung

Bei der Anordnung einer körperlichen oder psychiatrischen/psychologischen Begutachtung kann sich das Problem stellen, dass Beteiligte, beispielsweise die Eltern, die Mitwirkung verweigern.

Die Mitwirkung kann durch das Gericht nicht erzwungen werden, da sie den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) berührt und eine Ermächtigungsgrundlage für einen solchen Eingriff nicht vorhanden ist.Footnote 31

Das Verhalten kann in Verfahren nach §§ 1666 f. BGB ebenfalls nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung gewürdigt werden, was grundsätzlich auch in Amtsermittlungsverfahren möglich ist. Erforderlich ist nach dem BGH aber ein vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten. Dieses liegt jedoch nicht in der Verweigerung der Mitwirkung an der Begutachtung, vielmehr stellt die Verweigerung eine Ausübung der Grundrechte dar.Footnote 32 Auch eine Auferlegung von Kosten nach § 81 Abs. 2 Nr. 4 FamFG dürfte in diesem Fall nicht in Betracht kommen.

Zulässig ist es jedoch, die/den Beteiligte*n in Anwesenheit der/des Sachverständigen anzuhören (ohne Befragung der/des Beteiligten durch die/den Sachverständige*n) und mithilfe der Expertise der/des Sachverständigen Schlüsse aus ihren/seinen Aussagen, z. B. auf die Erziehungsfähigkeit, zu ziehen.Footnote 33 Die/der Beteiligte kann jedoch nicht dazu gezwungen werden, überhaupt auszusagen.Footnote 34

Darüber hinaus kommt in Betracht, die/den Sachverständige*n um eine Begutachtung auf der Grundlage des sonstigen gesamten Verfahrensstoffes zu bitten.Footnote 35 Aus diesem können sich Anknüpfungstatsachen ergeben, die vollständig auszuschöpfen sind.

3.2 Fehlende Zustimmung der/des Sorgeberechtigten zur Begutachtung des Kindes

Soll eine Begutachtung des Kindes erfolgen und wird die Zustimmung der/des Sorgeberechtigten hierzu verweigert, hat das Gericht ebenfalls die Möglichkeit, die Kindesanhörung in Anwesenheit der/des Sachverständigen vorzunehmen.Footnote 36 Zudem ist zu prüfen, ob die Zustimmung gegebenenfalls nach § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB zu ersetzen ist.Footnote 37 Vor einer Ersetzung der Zustimmung ist jedoch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer zu prüfen, ob die zuerst genannte Möglichkeit, das Kind in Anwesenheit der/des Sachverständigen anzuhören, bereits zu einer ausreichenden Datengrundlage führt.Footnote 38

3.3 Grenzen der Ermittlungspflicht

Wirken die Beteiligten nicht mit, stößt auch die Ermittlungspflicht des Gerichts schon rein faktisch schnell an ihre Grenzen. Gerade in Kinderschutzverfahren haben oft hauptsächlich die Beteiligten Kenntnis von den wesentlichen Tatsachen. Schweigen diese und verweigern auch sonst jegliche Mitwirkung, können Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen schnell ausgehen. Gibt es keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen mehr, endet auch die Ermittlungspflicht des Gerichts.Footnote 39 Das Gericht darf die Ermittlungen jedoch erst einstellen, wenn von weiteren Nachforschungen kein sachdienliches Ergebnis mehr zu erwarten ist.Footnote 40

In Kinderschutzverfahren sollte dies wegen der sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG ergebenden besonderen Fürsorgepflicht des Staates ganz besonders sorgfältig geprüft und das Fehlen von Anknüpfungspunkten nicht vorschnell bejaht werden.Footnote 41

Sind keine weiteren Ermittlungen mehr möglich, muss die Entscheidung auf unvollständiger Tatsachengrundlage getroffen werden.Footnote 42 Dabei ist zu beachten, dass die Eltern in Kinderschutzverfahren keine Beweislast und keine materielle Feststellungslast trifft, Maßnahmen also nicht angeordnet werden dürfen, wenn die Voraussetzungen nicht festgestellt werden können.Footnote 43

3.4 Verstöße gegen die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht

Nach § 27 Abs. 2 FamFG haben die Beteiligten ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Verstöße gegen diese Pflicht können im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 37 FamFG berücksichtigt werden. Eine unwahre Aussage kann – unabhängig von etwaigen strafrechtlichen und zivilrechtlichen Folgen – ganz allgemein Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der/des Beteiligten haben, wobei dies jedoch jeweils im Einzelfall kritisch zu prüfen ist.Footnote 44

Der Verstoß gegen die Pflicht aus § 27 Abs. 2 FamFG kann zudem nach § 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG bei der Kostenentscheidung berücksichtigt werden.

4 Fazit

Der Beitrag zeigt, dass in Kinderschutzverfahren kaum pauschale Aussagen zu Fragen der Beteiligung, der Anhörung und des Umgangs mit fehlender Mitwirkung getroffen werden können. Neben den konkreten gesetzlichen Vorgaben hat das Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht jeweils im konkreten Einzelfall zu entscheiden, welche Ermittlungsmaßnahmen erforderlich sind. Die Anhörung der Beteiligten und weiterer Auskunftspersonen trägt maßgeblich zur Aufklärung des Sachverhalts bei. Wirken die Beteiligten jedoch nicht mit, so hat das Gericht nur wenige Möglichkeiten, diese Mitwirkung zu erzwingen, bleibt aber dennoch verpflichtet, alle Möglichkeiten zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts auszuschöpfen.