FormalPara Zusammenfassung

Die Gestaltung besserer Arbeitsbedingungen zur Förderung der Arbeits- und Berufsattraktivität in der Pflege ist eine der zentralen Fragen für die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens. In Zeiten des Fachkräftemangels und zunehmend heterogener Teams gilt es dabei mehr denn je, im Personalmanagement die Bedürfnisse einzelner Mitarbeitender in den Blick zu nehmen, sodass diese ihre Kompetenzen und Fähigkeiten einbringen können und wollen. Dabei rückt auch das Führungsverständnis der Führungskräfte in den Fokus. Der vorliegende Beitrag zeigt am Beispiel der Pflege zunächst verschiedene Gestaltungsfelder eines mitarbeiterorientierten Personalmanagements auf. Im zweiten Teil wird dann eine Studie zu Potenzialen und Herausforderungen eines transformationalen Führungsstils präsentiert. Anhand der Ergebnisse der qualitativen Studie mit neun Führungskräften aus Institutionen der Pflege wird deutlich, dass das transformationale Führungsverhalten einzelner Führungskräfte als zentraler Baustein eines innovativen Personalmanagements zwar bedeutsam ist, aber sowohl im Hinblick auf Umsetzung wie auch Wirkung einer entsprechenden Einbettung in der Gesamtinstitution bedarf. Förderliche Rahmenbedingungen können die beschriebenen Gestaltungsfelder sowie der Ansatz des Magnetkrankenhauses bieten, der zentrale Aspekte dieser vereint.

The design of better working conditions to promote job attractiveness in nursing is of essential importance for the future of the German health care system. In times of an increasing shortage of skilled workers and diversity in teams, it is necessary to consider employees’ needs to empower them to use their competences and skills at work. In this context, the understanding of leadership is gaining attention. Using the example of nursing, this article describes approaches for an employee-oriented human resource management and investigates the potential of a transformational leadership style and the challenges in implementing it. Based on the results of a qualitative study with nine managers in nursing institutions, it becomes clear that the transformational leadership of individual managers is indeed important as a substantial component of an innovative human resource management, but that in terms of implementation and impact, it requires a corresponding embedding in the institution as a whole. A supportive framework can be constituted by the described approaches and the concept of magnet hospitals, which combines central aspects of an innovative human resource management.

1 Einleitung

Die angespannte Situation in der Pflege wird seit vielen Jahren thematisiert (Isfort et al. 2010; Simon 2019) und hat sich in den letzten Jahren weiter zugespitzt. Hohe Fluktuationsraten, deutlich höhere Krankenstände im Vergleich zu anderen Branchen und eine frühzeitige Abwanderung aus dem Pflegeberuf prägen das Arbeitsfeld. Schlagwörter wie Pflegemangel und Versorgungsengpässe sind innerhalb der letzten Jahre im Zuge der verschärften Lage durch die Covid-19-Pandemie mittlerweile auch im allgemeingesellschaftlichen politischen Diskurs angekommen und haben massive Auswirkungen auf den Alltag von Pflegenden.

Daneben haben Einflussfaktoren auf makro-struktureller Ebene wie bspw. der fortschreitende demographische Wandel, der Erkenntnisfortschritt in der Medizin, die Digitalisierung und die Ökonomisierung des Gesundheitswesens große Auswirkungen auf die Pflege (Rixgens 2018; Schrems und Pfabigan 2019). Eine immer älter werdende Gesellschaft bringt nicht nur ältere Patientinnen und Patienten mit erhöhter Krankheitsanfälligkeit und zunehmender Multimorbidität mit sich (Statistisches Bundesamt 2021), sondern wirkt sich auch auf die ohnehin schon angespannte Personalsituation in der Pflege aus (Rixgens 2018).

Pflegende bilden eine wichtige Ressource für den Erfolg einer Institution, da medizinische und pflegerische Behandlungen in erster Linie Dienstleistungen sind, die maßgeblich durch den „Faktor Mensch“ bestimmt werden. Neben der Gewinnung von neuen Mitarbeitenden kommt demnach der Bindung von motivierten und qualifizierten Mitarbeitenden eine besondere Bedeutung zu (Töpfer und Maertins 2017). Die Anforderungen dabei steigen: Zugewanderte Mitarbeitende bringen teilweise eine andere Qualifikation und Sozialisation mit, somit stellen sich erweiterte Anforderungen an eine umfassende Integration (Rand et al. 2019). Ebenso stellt sich – vor allem mit der fortschreitenden Akademisierung – auch die Frage nach veränderten Rollen in der Versorgung der Patientinnen und Patienten und im Zusammenspiel des so erweiterten Skill-Grade-Mixes (Stiftungsallianz 2020; Weidner und Schubert 2022). Und auch die Generation Z, die seit einigen Jahren die Gruppe der Berufseinsteigenden wesentlich konstituiert, bringt veränderte arbeitsbezogene Werte und Vorstellungen mit, die es anzunehmen und mit den Bedürfnissen der weiteren drei Generationen – Babyboomer, X und Y – in ein Zusammenspiel zu bringen gilt (Abraham und Baden 2018; Scholz 2014; Wittland 2022a).

Führungskräfte in der Pflege sind somit mit vielfältigen und zum Teil massiven Herausforderungen auf allen Ebenen konfrontiert und rücken zunehmend in den Fokus als „zentrale Stellschraube, um optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen und eine Fachkräftesicherung zu garantieren“ (Löffert und Strohbach 2018, S. 5) und als „Erfolgsfaktor […], um sowohl organisationsseitige als auch personenbezogene Entwicklungen zu erreichen“ (Fitzgerald et al. 2021, S. 4). Abb. 8.1 fasst die Herausforderungen für Führungskräfte in der Pflege zusammen.

Abb. 8.1
figure 1

Herausforderungen für Führungskräfte in der Pflege. (Eigene Darstellung basierend auf Bechtel et al. 2012; Engelmann 2017; Hieber 2016; Rixgens 2018; Schrems und Pfabigan 2019; Töpfer und Maertins 2017)

Dass im Umkehrschluss mangelnde Führung in direktem Zusammenhang mit der Absicht von Pflegekräften steht, den Pflegeberuf zu verlassen oder das Unternehmen zu wechseln, konnte bereits 2005 mit der NEXT-Studie nachgewiesen werden (Hasselhorn et al. 2005).

Das Konzept der transformationalen Führung findet dabei in den letzten Jahren vermehrt Interesse und könnte eine Möglichkeit darstellen, mit den vielfältigen Herausforderungen im Pflegebereich umzugehen, da es in besonderem Maße geeignet erscheint,

  • Veränderungsprozesse zu unterstützen (Conger und Kanungo 1998; de Hoogh et al. 2004; Herrmann et al. 2012),

  • die Zufriedenheit (Dumdum et al. 2013; Judge und Piccolo 2004) und Bindung der Mitarbeitenden zu steigern (Töpfer und Maertins 2017) und

  • gesetzte Unternehmensziele zu erreichen (Dörr 2008; Judge und Piccolo 2004; Pelz 2016; Töpfer und Maertins 2017).

Dass transformationale Führung einen positiven Einfluss auf die genannten Faktoren und weitere haben kann, wurde vielfach erforscht. Für die Pflege im Krankenhaus in Deutschland sind die existierenden Erkenntnisse jedoch begrenzt. Des Weiteren stellt sich die Frage, welche Rahmenbedingungen transformationale Führung braucht. Erste Untersuchungen zeigen deren Relevanz: Die Diskrepanz zwischen dem in der Realität gezeigten Führungsverhalten und dem nachweislich wirksamen und gewinnbringenden transformationalen Führungsstil könnte dementsprechend, so die These, „weniger eine von individuellem Wollen, als vielmehr eine von personalem und organisationalem Können und Dürfen“ (Suermann 2020, S. 360) sein.

Dieser Beitrag zeigt in einem ersten Teil ausgewählte Gestaltungsfelder für ein innovatives Personalmanagement auf. In einem zweiten Teil steht mit der transformationalen Führung ein zentraler Baustein im Fokus. Potenziale transformationaler Führung in der Pflege in Deutschland werden untersucht und Rahmenbedingungen herausgearbeitet, die einer Umsetzung dieses Führungsansatzes entgegenstehen können. Im Ergebnis braucht es den integrierten Ansatz eines innovativen Personalmanagements, der verschiedene Gestaltungsfelder vereint, sodass die Potenziale transformationaler Führung in einem solchen Rahmen genutzt und damit attraktive Arbeitsbedingungen für Pflegende und eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung ermöglicht werden können. Das im vorangehenden Kap. 7 beschriebene Konzept des Magnetkrankenhauses kann einen solchen darstellen.

2 Ausgewählte Gestaltungsfelder des Personalmanagements

Normatives Management

Festlegungen im Rahmen des normativen Managements bilden die Basis für ein mitarbeiterorientiertes Personalmanagement und die Betonung attraktiver Arbeitsbedingungen und damit auch für ein grundlegendes Führungsverständnis in einer Institution. Hier gilt es – im Leitbild des Krankenhauses – mitarbeiterbezogene Werte und Zielsetzungen festzuschreiben, um sich in der Folge konsequent an diesen zu orientieren. Des Weiteren adressiert das normative Management Fragen der Partizipation Mitarbeitender bei Entscheidungen beziehungsweise in Gremien – festgelegt im Rahmen der Unternehmungsverfassung – sowie die Unternehmungskultur, die bspw. das Verständnis interprofessioneller Zusammenarbeit oder den Umgang mit Fehlern grundlegend prägen kann (Wittland 2022b). Hierbei fällt insbesondere den Führungskräften auf oberen Hierarchieebenen eine zentrale Rolle zu, da sich Institutionen als „Spiegelbilder“ dieser verstehen lassen (Hambrick und Mason 1984; Wittland 2022a).

Onboarding

Das Onboarding dient dazu, neue Mitarbeitende umfassend in das Krankenhaus zu integrieren. Der Ansatz geht dabei über die klassische Einarbeitung hinaus und beschreibt einen Integrationsprozess, der bereits mit der Entscheidung der Einstellung einer Person mit dem sogenannten Preboarding beginnt und in der Regel den Abschluss mit Ende der Probezeit nach sechs Monaten findet. Das Onboarding umfasst dabei die fachliche, soziale und werteorientierte Integration. Während erstgenannte die Einarbeitung in berufliche Aufgaben am Arbeitsplatz fokussiert, hat die soziale Integration das „Ankommen“ im Team zum Ziel. Die werteorientierte Integration strebt eine Identifikation der/des neuen Mitarbeitenden mit zentralen Werten und Zielsetzungen des Krankenhauses an (Brenner 2020).

Personalentwicklung

Im Hinblick auf die fortlaufende Befähigung einzelner Mitarbeitender, aber vor allem auch für die Entwicklung von Führungskräften fällt der Personalentwicklung eine zentrale Rolle zu. Sie hat die Aufgabe, Mitarbeitende und Führungskräfte in der Weise zu fördern, dass sie ihre gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben bewältigen und sich zugleich persönlich entwickeln können. Die Personalentwicklung trägt somit dazu bei, vielfältige Ziele zu erreichen – bspw. eine verbesserte Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Krankenhauses durch Bindung und Qualifizierung der Mitarbeitenden und Führungskräfte, aber auch eine Steigerung der Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeitenden wie auch der Führungskräfte (Cording-de Vries 2019; Holtbrügge 2022). Die Handlungsfelder und Instrumente dabei sind vielfältig; Tab. 8.1 bietet einen Überblick über diese.

Tab. 8.1 Handlungsfelder und ausgewählte Instrumente der Personalentwicklung. (Eigene Darstellung basierend auf Ryschka et al. 2011)

Hervorzuheben ist hier zunächst das Jahresmitarbeitergespräch als zentrales, wiederkehrendes Gespräch zwischen Mitarbeiterin/Mitarbeiter und Führungskraft mit dem Ziel, gegenseitig Selbst- und Fremdwahrnehmung im Hinblick insbesondere auf Arbeitsleistung und Verhalten am Arbeitsplatz auszutauschen und darüber hinaus Ziele sowie korrespondiere Qualifikationsbedarfe und -möglichkeiten für das folgende Jahr festzulegen. Eine zunehmende Bedeutung fällt aber auch – in Zeiten hinsichtlich Qualifikationen und Herkunft zunehmend heterogener Teams – der kompetenzförderlichen Arbeitsgestaltung und Organisation zu. So steht die Pflege im Krankenhaus bspw. vor den Herausforderungen (und zugleich Chancen), Einsatzfelder und Arbeitsplätze für akademisch qualifizierte Pflegende zu schaffen, aber auch zugewanderte Pflegefachkräfte mit etwaigen spezifischen, im Ausland erworbenen Qualifikation zu integrieren. Des Weiteren sind verhaltensbezogene Maßnahmen für Führungskräfte als Schlüsselpersonen hervorzuheben, die – wie das in der nachfolgenden Studie dargestellte Angebot – Raum für Reflexion und Entwicklung der eigenen Führungsrolle bieten. Ebenso gewinnen Angebote zur Entwicklung interkultureller Kompetenzen an Relevanz. Auch die interprofessionelle Zusammenarbeit kann im Rahmen der Personalentwicklung wesentlich gefördert werden. Hier können z. B. ein gemeinsames Coaching ärztlicher und pflegerischer Klinikleitungen, teamorientierte Ansätze, aber auch Verhaltenstrainings zur Förderung der Kommunikation dienlich sein.

Personalbedarfsermittlung und Personalallokation

Des Weiteren spielen Fragen der Personalbedarfsermittlung sowie Personalallokation im Personalmanagement eine zentrale Rolle, auch aufgrund rechtlicher Vorgaben wie Personaluntergrenzen für die Pflege im Krankenhaus. Unabhängig davon existiert jedoch eine Vielzahl von Studien, die die Notwendigkeit eines angemessenen Verhältnisses zwischen (Personal-)Ressourcen und zu erledigenden Aufgaben zur Sicherung der Versorgungsqualität betonen (u. a. Kuntz et al. 2015). Die Aufgabe der direkten Pflege – die Interaktion zwischen Patientinnen und Patienten und Pflegenden auf Basis von Regelwissen und individuellem Fallverstehen – bildet dabei den Kern der pflegerischen Arbeit und ist Basis und Legitimation für weitere Aufgaben Pflegender, braucht aber Zeit und Wertschätzung (Friesacher 2015). Trotz aller Herausforderungen in Zeiten des Fachkräftemangels erscheint es somit – losgelöst von etwaigen rechtlichen Vorgaben – im Sinne der Versorgungsqualität sowie attraktiver Arbeitsbedingungen zwingend geboten, Methoden zur Ermittlung eines angemessenen Personalbestandes einzusetzen und diesen möglichst sicherzustellen. Einen Beitrag hierzu kann auch eine anforderungsorientierte Allokation des Personals leisten. Diese erfordert auch Ansätze eines Managements kurzfristiger Personalausfälle wie z B. einen Entlastungspool und/oder sogenannte „Stand-by“-Dienste.

Lebensphasenorientiertes Personalmanagement

Ein lebensphasenorientiertes Personalmanagement, das die lebensphasenkompatible Gestaltung von Arbeitszeiten (z. B. für Eltern Dienstzeiten im Einklang mit Angeboten zur Kinderbetreuung und Bedürfnissen der Kinder) und Arbeitsplätzen (z. B. ohne schwere körperliche Lasten bei entsprechend belasteten Mitarbeitenden) zum Ziel hat, aber auch Angebote wie Auslandsaufenthalte in Partnerkrankenhäusern oder Sabbaticals umfasst, kann zudem einen Arbeitgeberwechsel oder einen Berufsausstieg verhindern. Aufgabe der Führungskräfte ist es, eine „[…] Balance zwischen Leistungsorientierung und Beachtung individueller Lebensphasen“ zu finden (Bankl 2021, S. 379).

Employer Branding

Vorangehend beschriebene Gestaltungsfelder determinieren zugleich wesentliche Merkmale einer Arbeitgebermarke und bieten damit die Basis für ein Employer Branding. Es hat zum Ziel, eine Arbeitgebermarke zu entwickeln und diese sowohl nach innen wie nach außen zu kommunizieren. Hierbei sind die Kommunikationswege der einzelnen Generationen zu beachten. Jüngere Mitarbeitende – der Generation Z zugehörig – lassen sich insbesondere durch Ansprache in den sozialen Medien, vor allem auf Basis authentischer Erfahrungsberichte, erreichen (Hesse und Mattmüller 2019).

Personalcontrolling

Ein Personalcontrolling unterstützt das Krankenhaus dabei, Werte und Zielerreichung im Personalmanagement im Blick zu behalten und zugleich Handlungsbedarfe zu erkennen (Oswald 2023). Zentrale Kennzahlen sollten Aspekte des normativen, strategischen und operativen Managements adressieren und können dazu vor allem aus Daten der Personalverwaltung – bspw. zu (Früh-)Fluktuation, Qualifikationen oder zur Altersstruktur – oder auch aus wiederkehrenden Befragungen – bspw. zu Aspekten der Zufriedenheit und Kultur – gewonnen werden.

3 Transformationale Führung als zentraler Baustein

3.1 Begriffsklärung

Das Konzept der transformationalen Führung entstammt der Forschungstradition, die sich mit visionären und charismatischen Führungsmethoden auseinandersetzt und gehört heute zu den zentralen Ansätzen in der Führungsforschung (Pelz 2016). Dem Konzept der transformationalen Führung als Führungsstil inhärent ist immer Veränderung, Verwandlung und Umgestaltung (Pundt und Nerdinger 2012). Transformationale Führungskräfte verändern Motive, Werte und Verhalten der Mitarbeitenden (Felfe 2015; Pelz 2016) mit dem Ziel, deren Motivation und Leistung zu steigern (Felfe 2006). Gleichzeitig erfahren individuelle Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden durch transformational Führende besondere Beachtung und Wertschätzung. Die Kernprinzipien transformationaler Führung bilden die 1994 durch Bass und Aviolo wie folgt definierten vier Dimensionen, die in der Literatur als die „vier I“ benannt werden (Bass und Aviolo 1994):

Idealisierte Einflussnahme (Idealized Influence)

Führungskräfte nehmen eine fachliche und moralische Vorbildfunktion ein und üben durch aktives und authentisches Vorleben von Idealen und werteorientierten Prinzipien Einfluss auf die Werte und die Haltung der Mitarbeitenden aus (Dörr 2008; Felfe 2006). Sie verhalten sich verlässlich, stellen das Gesamtinteresse der Institution über ihre eigenen Ziele (Pelz 2016) und werden von ihren Mitarbeitenden respektiert und bewundert (Felfe 2006).

Inspirierende Motivation (Inspirational Motivation)

Auf Basis ihrer hohen Werte und Ideale formuliert und kommuniziert die Führungskraft eine motivierende und überzeugende Vision der Zukunft (Suermann 2020). Sie vermittelt darüber hinaus den Mitarbeitenden, dass die – in der Regel sehr hoch gesteckten – Ziele nur als Team gemeinsam erreicht werden können und malt ein sehr positives, hoffnungsvolles Bild der Zukunft, was sich deutlich von der oft unbefriedigenden Gegenwart abhebt (Furtner 2016).

Intellektuelle Stimulierung (Intellectual Stimulation)

Transformationale Führungskräfte ermutigen ihre Mitarbeitenden zu innovativem und lösungsorientiertem Denken. Dabei sollen alte Herangehensweisen, Routinen und Annahmen in Frage gestellt und neue, kreative Lösungen und Ideen entwickelt werden (Pelz 2016). Probleme werden als Herausforderungen wahrgenommen und die Führungskraft fördert eine positive Fehlerkultur. Dabei werden die Mitarbeitenden als Spezialistinnen und Spezialisten für ihr Aufgabengebiet aktiv in Problemlöse- und Veränderungsprozesse einbezogen (Dörr 2008).

Individualisierte Berücksichtigung (Individualized Consideration)

Transformationale Führungskräfte agieren mit dem Ziel, die Mitarbeitenden weiterzuentwickeln und zu fördern (Felfe 2006). Dabei werden die individuellen Persönlichkeiten, Bedürfnisse und Fähigkeiten einzelner Mitarbeitender wahrgenommen und wertgeschätzt, die berufliche Entwicklung gefördert und die Entfaltung persönlicher Potenziale unterstützt (Dörr 2008; Pelz 2016). Die Ressourcen der einzelnen Mitarbeitenden können dabei bestmöglich für die Erreichung der institutionalen Ziele eingesetzt werden (Furtner 2016).

3.2 Ausgewählte Studienergebnisse aus Deutschland und Österreich

Mehrere Metaanalysen und Reviews zeigen vielfältige positive Effekte transformationaler Führung in unterschiedlichen Settings (Dumdum et al. 2013; Felfe 2006, 2015; Judge und Piccolo 2004; Wang et al. 2011). Ergebnisse für die Pflege in Deutschland sind jedoch nur begrenzt vorhanden.

Kilian (2013) betrachtet, ob und in welchem Ausmaß transformationales Führungsverhalten in der Pflege in Deutschland und Österreich zu finden ist und inwiefern sich Potenziale transformationaler Führung auch im Bereich der Pflege in Deutschland und Österreich nachweisen lassen. Dabei wurden in einer quantitativen Querschnittstudie Stationsleitungen sowie die von ihnen geführten Mitarbeitenden zum Führungsverhalten befragt. Als Ergebnis konnte u. a. ein wirksamer und transformationaler Führungsstil bei vielen Stationsleitungen nachgewiesen werden, die Selbsteinschätzung der Führungskräfte lag dabei allerdings deutlich über den Werten der Fremdeinschätzung durch die Mitarbeitenden.

Löffert und Strohbach (2018) und Löffert (2021) zeigen in zwei Evaluationsstudien ebenfalls Potenziale transformationaler Führung in der Pflege. Im Rahmen der „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Gesundheitsfachberufe“ wurde in dem Landesprojekt „Führung im Krankenhaus in Rheinland-Pfalz“ transformationale Führung im Bereich der Pflege in sieben Modellkrankenhäusern eingeführt. Dabei wurden Führungskräfte in drei Interventionsgruppen verschieden qualifiziert und mit einer Kontrollgruppe, in der Führungskräfte keine entsprechende Qualifikation erfahren haben, verglichen. Es konnte gezeigt werden, dass ein Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und einer höheren Zufriedenheit der Pflegenden mit den Arbeitsbedingungen besteht und Führungskräfte, die transformational führen, eine verringerte individuell wahrgenommenen Belastung in ihrem Stresserleben aufweisen (Löffert und Strohbach 2018).

Suermann (2020) betrachtet ethikorientierte Führung in der Pflege und untersucht, inwieweit personale und organisationale Antezedenzien ethikorientiertes Führungsverhalten begünstigen oder begrenzen. Wenngleich ethikorientierte Führung transformationaler nicht uneingeschränkt gleichzusetzen ist, so gibt es dennoch eine große Schnittmenge. Insbesondere im anglo-amerikanischen Diskurs um Ethical Leadership nimmt die transformationale Führung eine herausragende Stellung ein (Suermann 2020) und „has become almost synonymous with ethical leadership“ (Ciulla 2012, S. 525). In insgesamt 18 leitfadenorientierten Experteninterviews fällt dabei organisationalen Einflussfaktoren wie einem Commitment zur Leitidee, der Führungs- und Rollensituation der Stationsleitung sowie Ethikmaßnahmen und -konzeptionen eine besondere Bedeutung zu.

4 Eigene empirische Untersuchung: Chancen und Herausforderungen transformationaler Führung in der Pflege

4.1 Methode

Unsere eigene empirische Erhebung ist der qualitativen empirischen Sozialforschung zuzuordnen und zielt demnach darauf ab, „soziale Situationen und Prozesse [zu] rekonstruieren […], um eine sozialwissenschaftliche Erklärung zu finden“ (Gläser und Laudel 2010, S. 13). Zur Datenerhebung werden leitfadengestützte Experteninterviews gewählt. Das Forschungsziel des vorliegenden Beitrags spiegelt sich darüber hinaus methodologisch im Erkenntnisziel qualitativer Forschung wider: „als Verstehen subjektiver Bedeutungen und Sinnzusammenhänge, die durch Auslegung und Interpretation aus dem gewonnenen Material herausgearbeitet werden“ (Gläser-Zikuda 2011, S. 110). Das Ziel der Erhebung ist zunächst explorativ und deskriptiv, d. h. die Interviewpersonen sollen u. a. ihre eigenen Erfahrungen als Führungskraft beschreiben, ihre persönliche Meinung zu transformationaler Führung in der Pflege äußern und Rahmenbedingungen für gelingendes transformationales Führungsverhalten benennen.

Die hier betrachteten interviewten Personen sind alle Führungskräfte aus der Pflege und somit als Expertinnen und Experten zu klassifizieren. Stations-, Bereichs- und Pflegedienstleitungen verfügen über explizites und implizites Wissen hinsichtlich der Führungssituation in der Pflege (Suermann 2020). Alle hier interviewten Führungskräfte haben zudem an einer Weiterbildung zum Thema „Mitarbeiterorientierte Führung in der Pflege als Chance für die Zukunft“ teilgenommen, welche die Teilnehmenden für einen mitarbeiterorientierten und transformationalen Führungsstil qualifiziert und die theoretische Grundlage bildet, in Bezug auf das vorliegende Studiendesign Fragestellungen zur transformationalen Führung in der Pflege beantworten zu können. Im Rahmen des Verbundprojektes „KeGL – Kompetenzentwicklung von Gesundheitsfachpersonal im Kontext des Lebenslangen Lernens“ wurde an der Hochschule Hannover ein Weiterbildungsprogramm mit dem Fokus auf mitarbeiter- bzw. personenbezogene Leitungskompetenzen von Führungskräften in der Pflege entwickelt und erfolgreich erprobt. Das Projekt ist vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderlinie „Aufstieg durch Bildung – Offene Hochschulen“ (Förderkennzeichen 16OH22024) gefördert und in der Zeit von Februar 2018 bis Dezember 2020 an der Hochschule Hannover durchgeführt worden. Der Umfang eines Moduls beträgt 180 Unterrichtseinheiten (je 45 min) und damit sechs Leistungspunkte (ECTS). Die Module werden im Blended-Learning-Format – d. h. in einer Kombination aus Präsenzveranstaltungen und E-Learning-Anteilen – angeboten. Zwischen den vier zweitägigen Blöcken in Präsenz, die im Abstand von jeweils mehreren Wochen stattfinden, liegen begleitete Distanz-/Selbstlernphasen. Teilnehmende an beiden Modulen beschäftigen sich somit etwa acht Monate intensiv mit ihrem Führungsverständnis und Ansätzen der transformationalen Führung zur Weiterentwicklung eines mitarbeiterorientierten Führungsstils zur Förderung der Arbeitsplatz- und Berufsattraktivität in der Pflege. Ziel war es, das aus zwei Modulen bestehende Weiterbildungsprogramm in die reguläre, hochschulische Weiterbildung zu überführen. Bei der Erprobung der beiden Module hatten die Teilnehmenden des ersten Durchgangs die Möglichkeit, kostenfrei an der Weiterbildung teilzunehmen. Daraus ergab sich die Möglichkeit, im Anschluss an die Weiterbildung mit einem zeitlichen Abstand von sechs bis zwölf Monaten die Teilnehmenden erneut zu befragen und im Zuge der qualitativen Evaluation des Weiterbildungsprogramms die vorliegende Studie durchzuführen. Insgesamt konnten neun Experteninterviews (von 14 potenziell möglichen Teilnehmenden) in die Auswertung eingeschlossen werden. Die Interviews wurden im Zeitraum Juni bis August 2021 im Rahmen von Videokonferenzen durchgeführt und anschließend transkribiert. Die systematische und regelgeleitete Auswertung des gewonnenen Datenmaterials erfolgte mittels inhaltlich-strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring und weiterentwickelt nach Kuckartz (Kuckartz 2018; Kuckartz und Rädiker 2020). Kategorien und Unterkategorien wurden dabei sowohl deduktiv aus dem Interviewleitfaden wie auch induktiv aus dem analysierten Material abgeleitet. Insgesamt konnten vier Kategorien und 19 Unterkategorien entlang des empirischen Materials ausgewertet und inhaltsanalytisch strukturiert werden. Nachfolgend werden zentrale Ergebnisse zu den vier Kategorien Führungsstil, Führungssituation, Rollensituation und Weiterbildung dargestellt und mit Hilfe von Ankerzitaten illustriert.

4.2 Ergebnisse

Führungsstil

Ein transformationaler Führungsstil wird von allen Interviewpersonen als positiv und auch speziell im Hinblick auf die Pflege als wertvoll betrachtet. Alle vier in Abschn. 8.3.1 – Begriffsklärung – betrachteten Dimensionen werden dabei als relevant angesehen, wobei Authentizität und die Ausübung der Vorbildfunktion eine besondere Bedeutung erfahren, aber auch die individuelle Beachtung und Förderung der Mitarbeitenden: „Ich […] versuche auch immer, sagen wir mal, allein durch meine Präsenz, aber auch durch meine Arbeit, ja, eine Vorbildfunktion zu haben und die Mitarbeiter auch auf diese Art und Weise davon zu überzeugen, dass das, was ich von ihnen verlange, beziehungsweise mein Arbeitgeber, auch tatsächlich umsetzbar ist“ (IP6). „Man kann die nicht alle über einen Kamm scheren, man muss schon das Individuum sehen und man muss halt sehr gezielt mittlerweile auf den einzelnen Mitarbeiter zugehen, den einzelnen Mitarbeiter fördern, den einzelnen Mitarbeiter entwickeln. Ansonsten gehen die. Die gehen ganz schnell woanders hin“ (IP5). Auch ist es bedeutsam, im Sinne gemeinsam motivierender Ziele einzelnen Vorgaben im Dialog einen Sinn zu geben. Vorgesetzten fällt hier auch eine moderierende Rolle mit Blick auf übergeordnete Leitungsebenen oder gesetzliche Vorgaben zu. Insbesondere im Vergleich zu anderen, stärker direktiven Führungsansätzen scheint eine transformationale Führung in der Pflege dabei Vorteile zu bieten: „[…] die fühlen sich einfach auch mitgenommen und sie dürfen mitreden und dann macht denen auch das Arbeiten mehr Spaß“ (IP1). „[…] die haben sich in fünf, sechs Kliniken vorgestellt und ich habe gesagt ‚bei mir darfst du deinen Arbeitsplatz mitgestalten‘ und dadurch habe ich wirklich angefangen, viele neue Mitarbeiter zu bekommen in einer Zeit, wo überall die Pflege weggelaufen ist“ (IP4).

Führungssituation

Im Hinblick auf die Führungssituation werden von den befragen Führungskräften insbesondere der Zeitmangel aufgrund der Fülle an zu erledigenden Aufgaben, der ständige Veränderungsdruck und die eingeschränkten eigenen Gestaltungsmöglichkeiten als herausfordernd beschrieben. Dies wirkt sich auch auf die Möglichkeit der Anwendung eines transformationalen Führungsstils aus: „Es ist eine sehr, sehr, sehr zeit- und arbeitsintensive Geschichte, aber es lohnt sich, man – jede Minute, die man in so einen Mitarbeiter investiert, kriegt man ja locker zehnfach zurück, das ist schon gut so“ (IP5). Des Weiteren beeinflusst die interprofessionelle Zusammenarbeit die Arbeitssituation maßgeblich; hier erachten die befragten Führungskräfte in der Pflege insbesondere die Zusammenarbeit mit den ärztlichen Mitarbeitenden als klar weiter ausbaufähig. Ein anderes Führungsverständnis in ärztlichen Teams kann dabei auch der Entwicklung und Anwendung eines transformationalen Ansatzes in der Pflege entgegenstehen. Aber auch die strukturellen Rahmenbedingungen behindern vielfach transformationale Führung: „[Ich] bin eher so frustriert, dass ich das, was ich alles jetzt schon weiß, nur in Fragmenten anwenden kann, weil die strukturellen Rahmenbedingungen mir einfach mehr nicht erlauben“ (IP6). Auch begegnen Führungspersonen auf der unteren und mittleren Leitungsebene selbst keinen Ansätzen eines transformationalen Führungsverhaltens: „aber wenn ich als Führungskraft noch nicht mal ein ehrliches Feedback von meiner Vorgesetzten bekomme und ich weiß nicht, ob das Ihnen ein Begriff ist, diese Jour-fixe-Termine, die ständig verschoben werden, weil sie für unwichtig erachtet werden, das zeigt doch eigentlich, was für eine Kultur in unserem Krankenhaus herrscht, wenn es darum geht, gemeinsam ein Ziel zu erreichen“ (IP6). Die Folge hiervon kann wiederum die Fluktuation entsprechend qualifizierter und motivierter Führungskräfte sein. Trotz der herausfordernden Situation erscheint ein transformationales Führungsverständnis den Befragten dennoch insbesondere in der derzeitigen Situation notwendig.

Rollensituation

Die Rollensituation der Führungskräfte wird in dieser Kategorie intensiver gewürdigt. Insbesondere die erlebte Unterstützung sowie das Führungsverhalten der eigenen Vorgesetzten erfährt hier eine besondere, essentielle Betonung: „Also ganz wichtig dafür ist, dass […] – also dass meine eigene – meine eigenen Vorgesetzten natürlich da mitmachen. Also ich kann schlecht etwas umsetzen gegen den Widerstand der Organisation, in der ich hier bin“ (IP5). „[…] also wenn das nicht gelebt wird von oben und – dann zerreibt – also ich habe mich daran zerrieben, muss ich ehrlich gestehen. Ja“ (IP7). Wünschenswertes Verhalten der Institution respektive der oberen Hierarchieebenen wird hier in Form von Stärkung, der Gabe von Vertrauen und Handlungsspielraum gesehen, vor allem auch gegenüber bzw. im Zusammenspiel mit anderen Berufsgruppen. Aber auch Weiterbildungsmöglichkeiten und Reflexionsräume für Führungskräfte finden Erwähnung. Blickt die Führungsperson auf das eigene Team, so erscheint den Befragten der transformationale Führungsstil geeignet, Mitarbeiterzufriedenheit und die Akzeptanz der Führungskraft im Team zu fördern. Auch spielt das Führungsverhalten der unmittelbaren Vorgesetzten nach Einschätzung der Befragten eine wesentliche Rolle für Zusammenarbeit und Atmosphäre im Team: „Eine gute Führungskraft ist schon irgendwie das A und O“ (IP5). „Ja, also ich denke letzten Endes, um überhaupt aus einer Gruppe Menschen ein Team zu bekommen, braucht es eine gute Führungskraft, um ein Wir-Gefühl zu schaffen, um, ja, wie gesagt, ein gemeinsames Ziel irgendwie zu identifizieren und immer wieder daran zu erinnern“ (IP10). Die Qualifikation von Führungskräften ist somit von besonderer Bedeutung: „und ich glaube, das hört sich jetzt ein bisschen geschwollen an, aber in der Pflege werden wir nicht über [die] Masse an Köpfen was bewegen, sondern an Einstellung. Wie sind die Mitarbeiter auch gerade in den Führungspositionen eingestellt, ihrem Beruf gegenüber. Und wenn wir es schaffen, durch solche Module zum Beispiel auch die Führungskräfte vollzupacken mit Ideen, mit Sinnhaftigkeit, mit – dann können wir wirklich was bewegen in der Pflege“ (IP4).

Weiterbildung

Abschließend wird die Bedeutung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen und damit die Möglichkeit, mit ihnen Führungsverhalten weiterzuentwickeln, gewürdigt. Eine gute Qualifikation als Führungskraft erscheint den Befragten zentral und kann einen wesentlichen Beitrag zur Ausgestaltung der Führungsrolle leisten: „Ich muss ganz ehrlich sagen, ohne diese ganzen Weiterbildungen und Coachings hätte ich das nicht geschafft. Ich glaube, ich habe jetzt einfach die Möglichkeit, ein Team zu führen, weil ich diese Ausbildungspunkte abgearbeitet habe, sonst kann man das nicht, man verläuft sich, man macht zu viele Fehler, die man auch nicht erkennt“ (IP4). Besondere Betonung erfährt dabei auch der kollegiale Austausch im Rahmen solcher Angebote. Unterstützung für Fort- und Weiterbildung sollte dazu auch wesentlich in der Institution verankert sein, dies ist nicht bei allen Befragten der Fall.

4.3 Diskussion

Transformationale Führung zeigt auf Basis existierender Studien und der dargestellten Studienergebnisse aus einer qualitativen Erhebung mit Führungskräften in der Pflege in Deutschland vielfältige Chancen für die Pflege. Sie scheint geeignet, positive Arbeitsbedingungen zu begründen und damit zur Arbeitgeber- und Berufsattraktivität in der Pflege wesentlich beizutragen. Transformationale Führung lässt sich zudem durch Fort- und Weiterbildung fördern. Dennoch – auch das zeigen die vorangehend dargestellten Aspekte – sind die Herausforderungen groß. Die Ergebnisse zeigen, dass alle interviewten Führungskräfte institutionale Rahmenbedingungen als relevant für die Ausübung von transformationalem Führungsverhalten bewerten. Auch wenn die genannten und als wichtig bewerteten Rahmenbedingungen zum Teil differieren, was auch mit den sehr unterschiedlichen Stellenprofilen und Institutionen zusammenhängen kann, kann die von Suermann (2020) hinsichtlich ethikorientierter Führung aufgestellte und eingangs auf das Konzept der transformationalen Führung übertragene These bestätigt werden: Die Anwendung von transformationaler Führung ist oft ebenso von den institutionalen Bedingungen abhängig wie von dem persönlichen Wollen der einzelnen Führungskräfte. Folgenden Rahmenbedingungen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu:

Unterstützung durch Vorgesetzte

Relevant für gelingendes transformationales Führungsverhalten ist die in der Praxis erlebte Unterstützung der Vorgesetzten. Damit Führungskräfte transformational führen können, ist es erforderlich, dass sie wie schon von Herrmann et al. (2012), Menges et al. (2011) und Tafvelin et al. (2018) formuliert – in erster Linie von ihren direkten Vorgesetzten – Unterstützung, Vertrauen und Wertschätzung erfahren. Im Vergleich der interviewten Führungskräfte fällt folgendes Muster auf: Je weniger sich eine einzelne Führungskraft unterstützt fühlt, desto unzufriedener ist sie mit ihrer Anstellung, Position und Institution. In der Folge kann sie selbst ein transformationales Führungsverhalten nicht oder nur sehr eingeschränkt anwenden. Andere Führungskräfte, die wiederum ein hohes Maß an Unterstützung und Wertschätzung erfahren, sind deutlich zufriedener, auch wenn andere Faktoren oder Rahmenbedingungen, wie bspw. eine hohe Arbeitsbelastung, als negativ erlebt werden.

Arbeitsbelastung

Der am zweithäufigsten genannte Aspekt ist die tatsächlich erlebte Arbeitsbelastung. Es konnte gezeigt werden, dass ähnlich wie von Tafvelin et al. (2018) bereits postuliert das praktizierte Führungsverhalten beeinflusst wird, wenn Führungskräfte sich überlastet fühlen oder unter ständigem Zeitdruck stehen. Da transformationale Führung im Vergleich zu anderen Führungsstilen als zeitintensiver wahrgenommen wird, kann ein wahrgenommener permanenter Mangel an Zeit dazu führen, dass eher auf andere Führungsstile zurückgegriffen wird. Die Ergebnisse greifen darüber hinaus die These von Suermann (2020) auf und zeigen einen Zusammenhang zwischen der Arbeitsbelastung und der personellen Besetzung. Eine ständige personelle Unterbesetzung des zu führenden Teams kann auf Seiten der Führungskraft dazu führen, dass die Ausübung ihrer originären Führungsaufgaben nur eingeschränkt möglich ist, da sie bspw. die unterstellten Mitarbeitenden in der Pflege unterstützen muss. Gleichzeitig können wichtige Aspekte der Führungstätigkeit wie bspw. geplante oder akute Gespräche mit Mitarbeitenden nicht durchgeführt werden, da der Personalmangel und die daraus resultierende Pflegesituation dies nicht ermöglichen.

Weiterbildung

Es konnte aufgezeigt werden, dass sowohl das Vorhandensein von Weiterbildungsmöglichkeiten und die Förderung dieser durch die Institution wie auch das theoretische Wissen über (transformationale) Führung sich auf die tatsächliche Anwendung von transformationalem Führungsverhalten in der Praxis auswirken und die Behauptung von Kilian (2013) damit gestützt wird, dass Qualifizierungsmaßnahmen für Führungskräfte notwendig und wichtig sind. Die interviewten Führungskräfte stimmen darin überein, dass transformationale Führung erlernt werden muss. Neben dem in Fort- und Weiterbildungen vermittelten praktischen und theoretischen Wissen muss auch hier die Unterstützung und Bereitschaft seitens der Vorgesetzten und der Institution vorhanden sein, Führungskräfte kontinuierlich zu qualifizieren, in die Teilnahme an Weiterbildungen zu investieren und die Umsetzung und Anwendung des erlernten Wissens in der Institution zu fördern.

Interprofessionelle Zusammenarbeit

Die interprofessionelle Zusammenarbeit stellt im Alltag von Führungskräften in der Pflege einen wichtigen Bestandteil dar. Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Berufsgruppe der Ärztinnen und Ärzte wird dabei von mehreren Führungskräften als herausfordernd und konfliktbehaftet erlebt. Die von Führungskräften in der Pflege erlebten eingeschränkten Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten bei berufsgruppenübergreifenden Prozessen und Strukturen führen dabei häufig zu Unzufriedenheit und Hilflosigkeit und können, wie auch schon von Suermann (2020) beschrieben, dazu führen, dass transformationale Führung gehemmt bzw. nicht so effektiv angewandt wird.

Weitere Rahmenbedingungen

Reflexionsräume, z. B. in Form von regelmäßigen Feedback- und Reflexionsgesprächen mit Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen, wirken sich positiv auf die Anwendbarkeit transformationalen Führungsverhaltens aus. Nicht ausreichend vorhandene Räumlichkeiten z. B. für Gespräche mit Mitarbeitenden und hoher finanzieller Druck wiederum wirken negativ.

Abb. 8.2 stellt fördernde und hemmende Rahmenbedingungen noch zusammengefasst dar.

Abb. 8.2
figure 2

Fördernde und hemmende Rahmenbedingungen für transformationale Führung in der Pflege

Die Ergebnisse ermitteln mit den Rahmenbedingungen für transformationale Führung in der Pflege Ansatzpunkte, die dazu beitragen können, transformationale Führung in der Pflege zu stärken. Auch wenn die herausgearbeiteten Rahmenbedingungen, wie zuvor beschrieben, noch weiter verifiziert werden müssen und keinesfalls eine abgeschlossene Aufzählung darstellen, liefern sie für den Bereich der Pflege doch erste Ergebnisse, die für die Praxis genutzt und je nach Institution weiterentwickelt werden können.

Ohne Frage ist die hier dargestellte Studie nicht ohne Limitationen. Die Stichprobe, die ausschließlich Teilnehmende an der Erprobung einer Weiterbildung, die für ein transformationales Führungsverhalten qualifizieren soll, einschließt, stellt eine zentrale Limitation dar. So kann davon ausgegangen werden, dass Teilnehmende an der Erprobung eine Präferenz für transformationales Führungsverhalten mitbringen und diesem somit positiver als die Gesamtheit der Führungskräfte in der Pflege gegenüberstehen. Dennoch schafft die Teilnahme an der Erprobung gleichzeitig ein gemeinsames Verständnis von transformationaler Führung, was wiederum Voraussetzung für die Durchführung einer solchen Studie ist. Positiv ist dabei auch die Tatsache hervorzuheben, dass es sich um eine Weiterbildung mit einem nennenswerten Umfang von etwa acht Monaten handelt, sodass eine intensive Reflexion und Entwicklung des eigenen Führungsverhaltens überhaupt erst möglich wird und sich somit ein klares Führungsverständnis entwickeln kann. Die Interviews sind von einer unabhängigen, den Teilnehmenden aus der Erprobung nicht bekannten Person durchgeführt worden, sodass hiermit etwaigen erwünschten Antworten an Mitinitiatorinnen und -initiatoren der Weiterbildung sowie Durchführenden dieser begegnet werden konnte. Darüber hinaus ist limitierend anzumerken, dass die Betrachtung losgelöst von der konkreten Situation erfolgt, in der Führungsverhalten praktiziert wird. Bestimmte Situationen erfordern möglicherweise ein Führungsverhalten, das sich eher anderen Führungsstilen zuordnen lässt. Eine Betrachtung, die spezifische Situationen oder ausgewählte Charakteristika der Situation, in der Führung ausgeübt wird, in den Blick nimmt, könnte somit Gegenstand weiterer Forschung sein. Zudem besteht weiterer Forschungsbedarf zur Überprüfung der hier identifizierten fördernden oder hemmenden Rahmenbedingungen hinsichtlich ihrer Bedeutung z. B. mit größeren Stichproben.

5 Fazit

Transformationale Führung bietet Chancen für die Gestaltung attraktiver Arbeitsbedingungen für Pflegende. Gleichzeitig zeigt die hier vorgestellte Untersuchung jedoch, dass transformationale Führung auch Rahmenbedingungen braucht, die im Einklang mit einem solchen Führungsverständnis stehen. Hierzu kann auf die eingangs beschriebenen ausgewählten weiteren Gestaltungsfelder eines innovativen Personalmanagements verwiesen werden, deren konsequente Umsetzung viele der erforderlichen Rahmenbedingungen schafft. Einen vielversprechenden Ansatz dazu bietet auch das im vorangehenden Kap. 7 dargestellte Konzept das Magnetkrankenhauses. Das Schlüsselelement der transformationalen Führung wird hierbei durch die weiteren Schlüsselelemente

  • strukturelles Empowerment,

  • exemplarische professionelle Pflegepraxis,

  • neues Wissen und Innovationen und

  • empirische Ergebnisse

ergänzt (American Nurses Credentialing Center 2022). Diese weiteren Schlüsselelemente adressieren somit viele der zuvor als förderlich herausgearbeiteten Rahmenbedingungen der transformationalen Führung und zeigen Schnittmengen mit den hier dargestellten ausgewählten Gestaltungsfeldern eines innovativen Personalmanagements, wie eine entsprechende Wertschätzung professioneller Pflege und ihrer Ziele in der gesamten Institution, die in Strukturen und Entscheidungsbefugnissen abgebildet ist, adäquate und gut zugeordnete Personalressourcen sowie eine Kultur, in der Fort- und Weiterbildung als notwendig und selbstverständlich verankert sind. Der Ansatz des Magnetkrankenhauses scheint somit geeignet, zu Rahmenbedingungen beizutragen, die Potenziale transformationaler Führung in der Pflege im Krankenhaus spürbar werden lassen. Das Magnetkrankenhaus kann somit als integrierter Ansatz eines innovativen Personalmanagements für die Pflege im Krankenhaus verstanden werden. Gleichzeitig macht dieser jedoch auch deutlich, dass Führungskräfte in der Pflege allein in ihren Möglichkeiten begrenzt sind. Im Sinne einer normativen Orientierung braucht es ein klares institutionelles Bekenntnis, das Bedeutung und Voraussetzungen für professionelle Pflege klar benennt (Zapp und Wittland 2022). Gleichzeitig braucht es jedoch auch politische Rahmenbedingungen, die Institutionen ermöglichen, ein solches auch in der Praxis auszugestalten. Der Ansatz des Magnetkrankenhauses zeigt somit normative, strategische und operative Handlungsfelder für eine Institution auf (Wittland 2023), die zuvor beschriebene Ansätze eines innovativen Personalmanagements vereint und durch deren Beachtung gelingende Rahmenbedingungen für transformationale Führung und damit für die Realisierung von deren Potenzialen schaffen kann.

Wenngleich der Fokus hier auf der Berufsgruppe der Pflegenden liegt, so lassen sich diese Erkenntnisse in Teilen auch auf andere Berufsgruppen übertragen. Hierzu bräuchte es jedoch weitere Beiträge, ebenso wie für eine umfassendere, detaillierte Darstellung der ausgewählten und weiterer Gestaltungsfelder eines innovativen Personalmanagements, die bspw. Fragen der Vergütung oder kooperativer Führungsmodelle adressieren könnten.