FormalPara Zusammenfassung

Der Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege, deren gesellschaftlicher Status und die Arbeitsbedingungen sind – nicht zuletzt während der Covid-19-Pandemie – vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig geworden. Die Wahrnehmung des Pflegeberufs ist von unterschiedlichen, teils gegenläufigen Entwicklungen geprägt: In der Allgemeinbevölkerung besteht generell zwar ein gutes Ansehen des Pflegeberufs, der oftmals mit Respekt und sozialem Einsatz gleichgesetzt wird, jedoch ändert sich das Bild, wenn es konkret um die eigene berufliche Zukunft geht. So ist der Pflegeberuf nicht unbedingt die erste Wahl bei jungen Menschen, v. a. bei Schülerinnen und Schülern mit höherem Schulabschluss. Die mediale Berichterstattung schwankt zwischen Missstandsbeschreibung und Heldentum, insbesondere während der Covid-19-Pandemie. Es gibt wenige Beispiele in den Medien, die die Pflege als Profession realitätsgetreu abbilden. Innerhalb der Pflege wird der Beruf zwar als wichtig und sinnstiftend wahrgenommen, jedoch überschattet durch hohe Arbeitsbelastung und Stress, Fachkräftemangel und fehlende Wertschätzung. Es braucht multifaktorielle Ansätze, um einerseits das öffentliche Bild der Berufsgruppe hin zur Profession Pflege zu verbessern und andererseits deren Arbeitsumfeld und Tätigkeiten vermehrt wertzuschätzen. Dies erfordert Maßnahmen auf Politik- und Managementebene. Zusätzlich wäre es wichtig, dass die Berufsgruppe organisiert, professionalisiert und selbstbewusst auftritt, um so das Bild nach außen selbst vermehrt zu beeinflussen.

The nursing profession, its public status and working conditions have – not least during the Covid 19 pandemic – increasingly become the focus of public attention. The nursing shortage has become ubiquitous. The public image of the nursing profession is characterised by different, sometimes contradictory developments: Although the public generally holds the nursing profession in high esteem, often associating the profession with respect and social commitment, this image changes when it comes to one’s own career choice. For example, nursing is not necessarily the first career choice among young people, especially among students with higher school qualifications. Media coverage ranges from deplorable to heroic representations, especially during the Covid-19 pandemic. There are few examples in the media that portray the nursing profession in a realistic way. Within the profession itself, nurses perceive their profession as important and meaningful, but overshadowed by a high workload and stress, shortages, and a lack of appreciation. Multifactorial approaches are needed to improve the public image of nursing as a profession on the one hand and to increase the appreciation of its working environment and duties on the other. This requires action at the policy and management levels. In addition, it would be important for the occupational group to be better organised, professionalised and self-confident in order to influence its image to the outside world.

1 Pflegepersonal in Deutschland: Situationsanalyse

Die Anzahl des Pflegepersonals in Deutschland ist in den letzten Jahren zwar gestiegen und umfasste im Jahr 2021 knapp 1,7 Mio. Pflegefachpersonen, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, davon ca. 1,2 Mio. in der stationären und ambulanten Altenpflege und ca. 470.000 in Krankenhäusern (Bundesagentur für Arbeit 2022a). Im Krankenhaussektor besteht jedoch trotz der im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hohen Zahl an Pflegefachkräften pro Einwohner aufgrund der sehr hohen Betten- und Patientenzahl bei der Betrachtung pro belegtes Bett bzw. Patient ein relativer Engpass bzw. Fachkräftemangel (Zander et al. 2017).

Zudem zeigt die jährliche Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit einen erheblichen bundesweiten Engpass an Pflegefachpersonen auf (Bundesagentur für Arbeit 2022b). Eine kurz- oder mittelfristige Entspannung ist laut Bundesagentur für Arbeit nicht absehbar, v. a. vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in Deutschland (ebd.). Hier wird jedoch nicht nach Sektoren (Krankenhaus, ambulante/stationäre Pflege) unterschieden.

Wie viele Pflegefachpersonen fehlen, wurde von mehreren Studien untersucht, die jedoch oftmals auf Schätzungen mit unterschiedlichen methodischen Vorgehensweisen basieren. Laut einer vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Berechnung des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) fehlen bundesweit mindestens 35.000 Fachkräfte in der Pflege (Seyda et al. 2021). Bei dieser Zahl handelt es sich um eine Unterschätzung, da nur Stellen, die der Bundesagentur für Arbeit gemeldet wurden, berücksichtigt wurden. Der Bericht gibt an, dass die Meldequote bei Fachkräften bei nur ca. 50 % liegt (Seyda et al. 2021). Um den Vorgaben der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) zu entsprechen, fehlten im Jahr 2020 allein in der Intensivpflege in Krankenhäusern 22.800 Vollzeitkräfte. Um die Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) einhalten zu können, wurden 50.000 Vollzeitkräfte in der Intensivpflege als fehlend berechnet (Simon 2022).

Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) prognostizierte bis 2035 einen erheblichen und sich zuspitzenden Fachkräftemangel von 1,8 Mio. Stellen im Gesundheitswesen allgemein, die nicht besetzt werden können, weil qualifiziertes Personal fehlt (PwC 2022). Für 2022 wurden 290.000 offene Stellen (6,8 %) berechnet. Der größte Engpass besteht dabei in der Pflege. Von den befragten Pflegefachpersonen sowie Ärztinnen und Ärzten beklagten 72 % die körperliche Belastung des Berufs und nur 30 % konnten sich vorstellen, den Beruf bis zur Rente auszuüben. Insgesamt gaben 50 % der Gesundheitsfachkräfte an, dass sie die gesellschaftliche Anerkennung der Pflege vermissen (ebd.).

Etwas besser sehen die Zahlen zu den Berufsanfängern aus. So haben sich 2021 insgesamt 53.600 Auszubildende für die generalistische Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann entschieden, was einem Zuwachs von 5 % gegenüber dem Vorjahr entspricht (Statistisches Bundesamt 2022). Schaut man sich die Situation der Pflege in Deutschland und speziell die Ausbildung an, ist ein Blick auf die Akademisierung unerlässlich. Mit dem Pflegeberufereformgesetz (PflBRefG) wurde die hochschulische duale Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann zwar regelhaft eingeführt – es gab zum Wintersemester 2021/2022 laut Pflegepanel des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) 27 primärqualifizierende Studiengänge –, jedoch ist die Auslastung gering. Diese wurde mit 60 % in Studiengängen mit Ausbildungsvergütung sowie mit 42 % in Studiengängen ohne Ausbildungsvergütung angegeben (Meng et al. 2022). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Online-Befragung unter 18 Pflegestudiengängen, die eine Auslastung von 50 % berichtet (Gräske et al. 2021). Gründe sind u. a. die fehlende Finanzierung der Praxiseinsätze und die fehlende Re-Finanzierung, die in Pflegeschulen gegeben sind. Unter dieser Voraussetzung ist es unrealistisch, das Ziel des Wissenschaftsrats von 10 bis 20 % akademisch qualifizierten Absolventinnen und Absolventen je Kohorte zu erreichen (Wissenschaftsrat 2012). Wie wichtig die Einbindung von Pflegefachpersonen mit z. B. einem Bachelorabschluss in der Pflege ist, belegen internationale Studien. Die Studie von Aiken et al. (2012) zeigte, dass in Pflegeteams mit einem höheren Anteil an Pflegefachpersonen mit Bachelorabschluss die Mortalitätsrate der Patientinnen und Patienten geringer ist. Auch das Pflege-Patienten-Verhältnis ist in Deutschland hoch, was auf eine hohe Arbeitsverdichtung hinweist: So sind Pflegefachpersonen in Deutschland für deutlich mehr Patienten zuständig als Pflegefachpersonen in den skandinavischen Ländern oder den Niederlanden (Aiken et al. 2012) und liegen deutlich über den Untergrenzen, die durch die PpUGV vorgegeben sind.

Eine unzureichende Personalbesetzung ist ein Grund, warum Krankenhäuser, stationäre Pflegeeinrichtungen oder ambulante Pflegedienste zunehmend Schwierigkeiten haben, die Anzahl der Stellen zu besetzen. Zusätzlich ist die Fluktuation bei Pflegefachpersonen hoch und hat sich durch die Covid-19-Pandemie verschärft. Die Gründe sind multifaktoriell und beinhalten oftmals geringe Karrieremöglichkeiten, strikte Hierarchien, wenig Mitbestimmungsmöglichkeiten und eine hohe Arbeitsbelastung und Burnout. So verzeichnete im Jahr 2021 die Berufsgruppe der Gesundheits- und Krankenpflege 22,3 Fehltage und lag damit 8,4 Tage über dem Durchschnitt aller Fehltage von Erwerbstätigen (Techniker Krankenkasse 2022). Häufige Ursachen waren psychische Erkrankungen und Muskel-Skelett-Beschwerden, die jeweils zu 4,8 bzw. 4,7 Fehltagen führten (ebd.).

Um eine Entspannung der personellen Ressourcen in der Pflege zu erreichen, gibt es mehrere potenzielle Lösungsansätze: Einer davon hat zum Ziel, mehr Personen für den Pflegeberuf zu gewinnen bzw. sog. Aussteigerinnen und Aussteiger zurückzuholen oder Personen, die in Teilzeit arbeiten, für einen höheren Teilzeitanteil oder Vollzeit zu gewinnen. Ersteres zu erreichen ist angesichts der demographischen Entwicklung und des Fachkräftemangels in anderen Branchen jedoch eher unwahrscheinlich. Das Potenzial für letzteres liegt laut einer Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen bei ca. 300.000 Personen, die in den Beruf zurückkehren oder die Zahl ihrer Stunden erhöhen könnten, unter der Voraussetzung besserer Arbeitsbedingungen (Auffenberg et al. 2022). Fraglich bleibt dabei, ob Personen, die in einem anderen Beruf arbeiten, wirklich den Schritt zurück in den Pflegeberuf gehen würden. In diesem Kontext sind die öffentliche Wahrnehmung und der Status des Pflegeberufs relevant.

2 Die Wahrnehmung des Pflegeberufs aus Sicht der Öffentlichkeit

Zunächst werden die Sicht der Öffentlichkeit sowie die mediale Berichterstattung dargestellt, gefolgt von der Sicht der Pflegefachpersonen selbst.

Pflegefachpersonen sind nicht erst seit der Covid-19-Pandemie eine der angesehensten Berufsgruppen in Deutschland. In einer Befragung des Beamtenbund und Tarifunion (dbb) von 2021 gaben 89 % der Teilnehmenden an, Krankenpflegerinnen und -pfleger hoch anzusehen. Das entspricht einem Plus von vier Prozentpunkten im Vergleich zum Jahr 2007. Lediglich Feuerwehrleute und Ärztinnen/Ärzte genießen ein höheres Ansehen (Forsa 2021). Allerdings ist zu beachten, dass die hohe Meinung über eine Berufsgruppe nicht gleichbedeutend mit Attraktivität ist. Vielmehr ist es denkbar, dass ein Teil des Respekts daher kommt, dass die Pflegenden trotz der angenommenen schlechten Bedingungen in ihrem Beruf arbeiten. Darüber hinaus handelt es sich um das Ansehen eines Berufs allgemein; bei der Frage, ob ein Beruf für junge Menschen attraktiv ist, ergeben sich andere Ergebnisse (s. Sect. 4.2.2).

2.1 Die Rolle der medialen Berichterstattung

Die Art und Weise der medialen Berichterstattung wird von Pflegefachpersonen oft als ausschlaggebender Faktor für die berufliche Wertschätzung angesehen (Isfort 2013). Vor allem über die Arbeitsplätze und das Arbeitsumfeld der Pflegenden wird überwiegend negativ berichtet. Dies ist insofern wenig überraschend, als einerseits der Journalismus zur Erfüllung seiner Kontrollfunktion hauptsächlich über Missstände berichtet, andererseits gibt es seit Jahren Missstände in der Pflege. Seit der Pandemie ist die mediale Präsenz der Pflege gestiegen. Angesichts zeitweise überfüllter Intensivstationen ging es in den letzten Jahren noch stärker um Probleme als zuvor – sei es um zu wenig Material und Personal oder Forderungen nach mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen. Die Aufmerksamkeit für diese Themen ist ohne Frage wichtig, beeinflusst das Image der Branche aber negativ. Insgesamt wird jedoch wenig über positive Beispiele berichtet. Die gesteigerte mediale Präsenz der Pflege spiegelt sich insbesondere in den zahlreichen Talkshows zum Thema wider. Einzelne Pflegende sind inzwischen sogar einem interessierten Publikum bekannt. Die kurzfristige gesellschaftliche Anerkennung in Form von Medienpräsenz geht jedoch häufig mit einer Darstellung der Pflegenden als aufopfernd, die eigenen Interessen zurückstellend oder sogar mütterlich-fürsorglich einher (Labonte 2022). Dies sind zwar allgemein als positiv gewertete Charaktereigenschaften, dennoch ist fraglich, ob sie in Verbindung mit einem attraktiven und professionellen Beruf wahrgenommen werden.

Neben Dokumentationen und Nachrichtenformaten tragen zudem fiktive Formate, insbesondere sog. Arztserien, einen nicht zu vernachlässigenden Teil zum Image des Pflegeberufs bei. In vielen dieser Sendungen wird die Pflege unrealistisch dargestellt. So zeichnen die Produzenten bspw. das Klischee der gutmütigen, kaffeetrinkenden Krankenschwester, die jede Menge Zeit zu haben scheint und eher Helferin der Ärzteschaft und moralische Stütze der Patientinnen und Patienten ist. Dieses Bild generiert falsche Vorstellungen und Erwartungen. Die Komplexität und Herausforderungen des Pflegeberufs werden nicht oder nicht angemessen dargestellt (Deutscher Pflegetag 2022).

Die unvorteilhafte bis unrealistische Darstellung der Pflege in den Medien ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass die Pflege weniger organisiert gegenüber den Medien auftritt als beispielsweise die Ärzteschaft oder andere Berufsgruppen. Es sind hauptsächlich einzelne Pflegende, die durch persönliches Engagement über die sozialen Netzwerke an die Öffentlichkeit treten. Die Medien kommen dann auf diese Personen als Stimme aus der Pflege zu (Deutscher Pflegetag 2022). So werden persönliche Sichtweisen und Schicksale dargestellt, die nicht zwangsläufig repräsentativ für die Gruppe der Pflegefachpersonen sind.

Eine Ausnahme bildete eine Dokumentation, die aus der siebenstündigen Begleitung einer Pflegefachperson mittels einer kleinen Kamera auf einer Station des Knochenmark- und Transplantationszentrums der Uniklinik Münster bestand. Dieses Format erhielt viel Zuspruch und wurde als „ein Stück deutsche[r] TV-Geschichte“ benannt und führte dazu, dass das Thema Pflege unter dem Hashtag #NichtSelbstverständlich bei Twitter auf Platz 1 landete (Tholl 2021).

2.2 Die Sicht junger Menschen

Besonders relevant ist das öffentliche Bild der Pflegefachperson bei jungen Menschen bzw. Schülerinnen und Schülern. Bei der Berufswahl ist es Unschlüssigen besonders wichtig, dass der zukünftige Beruf die gesellschaftliche Position stärkt und soziale Anerkennung generiert. Mangels umfassender Informationen wird deshalb häufig das Image des Berufs mit dem angestrebten gesellschaftlichen Status abgeglichen (Ebbinghaus 2022). Bei einer Umfrage unter Schülerinnen und Schülern in Nordrhein-Westfalen gaben ein Drittel der Befragten an, in ihrer Berufswahl unabhängig zu sein und dass die Meinung ihrer Eltern beim Aussuchen des Berufs unwichtig sei. Die Rolle der gleichaltrigen Bezugspersonen ist gemäß der Umfrage der Hälfte der Befragten unwichtig; d. h., die Mehrheit der Jugendlichen legt bei der Berufswahl Wert auf die Meinung ihres Umfelds. Während 19 % der Jugendlichen sich eine Ausbildung im Pflegeberuf gut und 29 % eventuell vorstellen könnten, denken 56 %, dass ihre Eltern diese Entscheidung gut finden und nur 39 %, dass ihre Peergroup sie darin unterstützen würde. Es sind signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern und nach Schultyp zu erkennen: Während 58 % der Schülerinnen sich eine Pflegeausbildung gut oder eventuell vorstellen können, sind es bei ihren männlichen Mitschülern nur 38 %. Ein noch größerer Unterschied ist zwischen Haupt- und Oberschule vorhanden: 65 % der Hauptschülerinnen und -schüler können sich gut oder vielleicht vorstellen, Pflegefachperson zu werden, an der Oberschule sind es nur 37 %. Und obwohl die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden anderes vermuten lässt, konnte im Rahmen der Befragung eine Korrelation (r = 0,42) zwischen der Neigung, einen Pflegeberuf aufzunehmen, und der angenommenen Meinung des sozialen Umfelds zu dieser Entscheidung beobachtet werden. Dies lässt auf eine Relevanz des Berufsimages oder zumindest des erwarteten Zuspruchs bei der Berufswahl schließen (Ebbinghaus 2022).

Die Befragten sehen Pflegefachpersonen als nur durchschnittlich ehrgeizig und kreativ, dafür aber sehr vertrauenswürdig, fleißig, kontaktfreudig und uneigennützig, fit und geschickt an. Materielle und immaterielle Ressourcen werden ihnen deutlich weniger zugeschrieben: Pflegefachpersonen werden als bedingt intelligent und gebildet sowie eher arm gesehen und ihr Ansehen als mäßig eingeschätzt. Schülerinnen beschreiben Ressourcen (Intellekt und Bildung) positiver als ihre männlichen Altersgenossen und die Sekundarstufe I, insbesondere Hauptschülerinnen und -schüler, sehen Pflegefachpersonen als reicher, intelligenter, gebildeter und angesehener an als Schüler der Oberschulen. Zudem ist abermals eine positive Korrelation mit der antizipierten Meinung von Eltern und Peergroup erkennbar. Das Berufsimage scheint weniger unmittelbar bedeutsam zu sein, sondern eher mittelbar über abgeschätztes soziales Ansehen, d. h., das Berufsimage wird herangezogen, um abzuschätzen, inwiefern der Beruf die soziale Stellung beeinflusst bzw. wie man von anderen geschätzt werden wird. Besonders wichtig hierfür ist dabei die Zuschreibung von Intelligenz, Bildung, Einkommen, Ansehen und Fleiß. Gerade diese Eigenschaften werden aber weniger mit dem Pflegeberuf verbunden (Ebbinghaus 2022).

Die Studie macht deutlich: Es kommt nicht nur auf ein positives Image an sich an – die assoziierten Eigenschaften müssen auch zu den eigenen Vorstellungen passen. Zudem assoziieren unterschiedliche Gruppen Eigenschaften unterschiedlich stark mit dem Pflegeberuf. Weibliche Schülerinnen sowie Schüler und Schülerinnen, die einen niedrigeren Schulabschluss anstreben, nehmen den Pflegeberuf als attraktiver wahr. Generell sind die meisten Schülerinnen und Schüler nicht gut über den Pflegeberuf informiert. Folglich beruhen ihre Kenntnisse hauptsächlich auf Klischees. Unterstrichen wird dies dadurch, dass ein Großteil derjenigen, die eine Ausbildung in der Pflege gewählt haben, bereits Erfahrungen mit der Pflege gemacht hatten und nur sehr wenige Auszubildende ihre Informationen aus öffentlichen Quellen beziehen (Görres et al. 2015).

2.3 Die Sicht der Pflegefachpersonen

Die internationale Pflegestudie RN4CAST hat 2010 in zwölf Ländern Europas die Perspektive von Pflegefachpersonen in Krankenhäusern u. a. zur Zufriedenheit und zu den Arbeitsbedingungen erhoben. Dabei bewerteten 52 % der 1.508 deutschen Teilnehmenden aus 49 Krankenhäusern die Arbeitsumgebung als schlecht oder mittelmäßig. Unzufrieden mit der Arbeitssituation waren zum Zeitpunkt der Befragung 37 %; 36 % zogen in Erwägung, das Krankenhaus innerhalb eines Jahres aufgrund von Unzufriedenheit am Arbeitsplatz zu verlassen. Davon beabsichtigte fast die Hälfte (47 %), sogar ganz aus der Pflege auszuscheiden (Aiken et al. 2013). Im Jahr 2015 fand in Deutschland eine Folgebefragung mit demselben Erhebungsinstrument in 71 Krankenhäusern mit 4.317 Teilnehmenden statt. Innerhalb von fünf Jahren haben sich die Werte von 2010 wie folgt verändert: Die Arbeitsumgebung wurde von 57 % als schlecht oder mittelmäßig bewertet (+5 %-Punkte), 46 % waren mit der Arbeitssituation unzufrieden (+9 %-Punkte), 40 % zogen in Erwägung den Arbeitsplatz zu verlassen (+4 %-Punkte) und 52 % davon tendierten dazu, sich einen Arbeitsplatz außerhalb des Pflegeberufs zu suchen.

In einer Studie im Jahr 2010 wurden 3.145 Pflegende und 740 Auszubildende zur Zufriedenheit mit ihrem Arbeitsplatz befragt (Buxel 2011). Die Teilnehmenden zeichneten ein sehr gemischtes Bild ihres Berufs. So gab nur die Hälfte der befragten Pflegefachpersonen an, zufrieden mit ihrem Beruf zu sein. Ein Anteil von 62 % zeigte sich unzufrieden mit dem Umfang der Wertschätzung im Krankenhaus, 56 % litten nach eigenen Angaben unter zu viel Stress und 63 % wünschten sich mehr Kolleginnen und Kollegen pro Schicht. Lediglich ein Drittel zeigte sich zufrieden mit der Einkommenshöhe. Die Arbeitsplatzsicherheit wurde hingegen von 77 % als gut eingeschätzt (Buxel 2011).

Die bereits erwähnte Studie von 2010 bei Auszubildenden und Pflegefachpersonen zeigte, dass die Befragten den Pflegeberuf positiver wahrnehmen als ihren Arbeitsplatz (Buxel 2011). Insgesamt 70 % waren zufrieden damit, im Krankenhausbereich zu arbeiten, 80 % gaben an, sich mit ihrem Beruf zu identifizieren und sogar 85 %, dass sie ihre Arbeit grundsätzlich gerne ausüben. Dennoch sagte nur ein Drittel, sie würden ihren Beruf anderen weiterempfehlen. Die Hälfte fühlte sich körperlich belastet und 70 % äußerten die Sorge, den Beruf im fortgeschrittenen Alter physisch nicht mehr zu schaffen. Zwei Drittel bemängelten zudem, dass nicht genügend Zeit pro Patientin/Patient zur Verfügung stehe (Buxel 2011). Die Stimmung scheint sich mit der Covid-19-Pandemie weiter getrübt zu haben: Aktuellen Zahlen zufolge überlegen inzwischen 76 % der Pflegefachpersonen, aus dem Beruf auszusteigen, ein Plus von vier Prozentpunkten im Vergleich zu Vorpandemiezeiten. Knapp ein Drittel der Befragten fühlt sich stark belastet, darüber hinaus gaben 85 % an, sich stärker belastet zu fühlen als vor Pandemiebeginn (Sleziona 2022).

Eine Befragung von Auszubildenden nach dem Altenpflegegesetz (AltPflG), Krankenpflegegesetz (KrPflG) oder Pflegeberufegesetz (PflBG) und Studierenden der Pflege im Jahr 2021 im Auftrag von Ver.di zeigt ebenfalls eine durchwachsene Stimmung: Nur 43 % waren zufrieden mit ihrer Ausbildung, während 62 % über hohen Zeitdruck klagten. Insgesamt 70 % der befragten Auszubildenden in der Gesundheits- und Krankenpflege berichteten von kurzfristigen Versetzungen – einem Zeichen von Personalknappheit (Ver.di 2022). Der zweite Bericht der „Ausbildungsoffensive Pflege“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) kommt hingegen zu dem Schluss, dass eine Ausbildung in der Pflege beliebter wird und die Auszubildenden mehrheitlich zufrieden mit ihrer Ausbildung sind (BMFSFJ 2022). Hier wurden allerdings nur Auszubildende der generalistischen Pflegeausbildung nach dem PflBG befragt. So ist die Anzahl der Auszubildenden laut Daten des Statistischen Bundesamts 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 7 % auf 61.329 Personen gestiegen; in keinem Beruf werden in Deutschland mehr Menschen ausgebildet. Dem Bericht zufolge bewerteten 60 % der Teilnehmenden ihre Ausbildung als gut oder sehr gut (BMFSFJ 2022). Somit besteht ein Unterschied von 17 Prozentpunkten bei der Zufriedenheit der Auszubildenden zwischen beiden Befragungen, der auf eine höhere Zufriedenheit der Auszubildenden nach dem PflBG im Vergleich zu denen nach dem KrPflG oder AltPflG hinweisen könnte.

In einer schweizerischen Studie wurde ermittelt, dass die Pflegefachpersonen zwar ein gutes Selbstimage haben, gleichzeitig das öffentliche Image ihres Berufs jedoch als diskrepant schlechter bewerten. Männliche Pflegefachpersonen haben zudem ein negativeres Selbstimage als ihre Kolleginnen (Julier-Abgottspon et al. 2022). Auch wenn es für Deutschland an umfangreichen Studien fehlt, wird der Pflege in Deutschland ein „Stolz-Problem“ attestiert (Zegelin 2021). Pflegeberufe haben in Mitteleuropa Wurzeln im karitativen Bereich, was sich bis heute teilweise im Bild der bescheidenen und stillen Pflegefachperson widerspiegelt (ebd.). Pflegefachpersonen in Skandinavien oder in anglo-amerikanischen Ländern treten deutlich selbstbewusster auf. Pflegenden in Deutschland wird als Folge eine passive Haltung vorgeworfen. Dies spiegelt sich auch am verhaltenen Aufbau der Pflegekammern wider. Es fehlt unter den Pflegenden oft an Wissen über die Entscheidungsstrukturen im Gesundheitswesen. Anstelle von effektiver Lobbyarbeit im politischen Berlin und landesweiten Zusammenschlüssen zur Interessenvertretung gebe es lediglich lokale Initiativen oder Proteste, die kaum Wirkung entfalteten (Zegelin 2021).

3 Fazit

Der Pflegeberuf hat in Deutschland zwar allgemein ein gutes Ansehen, ist aber nicht besonders beliebt und für junge Menschen nicht unbedingt die erste Wahl bei der Entscheidung für einen Beruf. Spätestens seit der Covid-19-Pandemie ist die gesellschaftliche Bedeutung der Pflege in vieler Munde. Jedoch rangiert das Bild in den Medien zwischen romantisch verklärenden Arztserien und Talkshowformaten zur Corona-Krise, sodass kein realistisches Bild zustande kommen kann. Die für den Beruf und die Profession Pflege notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen bleiben oft im Hintergrund. Auch wenn die meisten Pflegefachpersonen ihren Beruf mögen, würde ihn nur ein Drittel weiterempfehlen und unter Jugendlichen ist die Branche als zukünftiges Arbeitsfeld nur mäßig beliebt. Das kann durchaus als Folge des Images der Pflege gesehen werden. Schülerinnen und Schüler schätzen die Pflegenden zwar als fleißig und uneigennützig ein, halten sie aber für weniger gebildet, ehrgeizig oder intelligent. Es fehlt in Deutschland nicht per se an Anerkennung für die Pflege, es werden jedoch zu wenig Eigenschaften mit der Pflege in Verbindung gebracht, die einen attraktiven Beruf und gesellschaftlichen Status verheißen. Dementsprechend müssen sich das Arbeitsumfeld sowie das Image der Pflege verändern – zu dem Bild der Profession Pflege, d. h. eines Berufs, der hohe Qualifikationen und Kompetenzen beinhaltet und dessen Angehörige als eben jene Expertinnen und Experten behandelt werden, die sie sind. Dafür wäre es wichtig, dass die Berufsgruppe organisiert, professionalisiert und selbstbewusst nach außen auftritt und damit ihr Image auch selbst in die Hand nimmt. Zusätzlich benötigt es effektive Maßnahmen auf Politik- und Managementebene, um das Arbeitsumfeld, die Personalausstattung und die Wertschätzung des Pflegeberufs nachhaltig zu verbessern.