FormalPara Zusammenfassung

Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hat im Dezember 2022 ihren Reformvorschlag vorgelegt, der aus drei Kernelementen besteht: (1) Krankenhäuser werden in drei einheitlich definierte Krankenhaus-Versorgungsstufen (Level) eingeteilt. (2) Das Leistungsspektrum der einzelnen Krankenhäuser wird durch ein System von Leistungsgruppen definiert, die passgenauer als DRGs (wegen sehr hoher Granularität) oder Fachabteilungen (wegen zu niedriger Spezifität) den Leveln zugeordnet und dem Bevölkerungsbedarf angepasst werden können. (3) Die derzeit fast ausschließlich mengenbezogene DRG-basierte Vergütung wird zugunsten eines Zwei-Säulen-Modells durch Hinzufügen einer Vorhaltefinanzierung – bei gleichzeitiger Reduktion der DRG-Komponente – verändert. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Vorschläge, auch zur Anzahl von geeigneten Krankenhausstandorten für ausgewählte Leistungsgruppen.

In December 2022, the Government Commission for Modern and Needs-Based Hospital Care presented its reform proposal which consists of three core elements: (1) Hospitals are divided into three uniformly defined hospital care levels. (2) The range of services of the individual hospitals is defined by a system of service groups which can be assigned to the levels more precisely than DRGs (due to very high granularity) or specialist departments (due to too low specificity) and adapted to the population requirements. (3) The currently almost exclusively volume-related DRG-based remuneration will be changed in favour of a two-pillar model by adding a budget component to financing – while at the same time reducing the DRG component. The chapter provides an overview about the proposal, including the number of suitable hospital locations for selected service groups.

1 Ausgangslage

Die Probleme der deutschen Krankenhauslandschaft sind seit langem hinreichend bekannt und schon häufig Gegenstand von Beiträgen im Krankenhaus-Report gewesen. In Kurzform: Die deutsche Krankenhauslandschaft ist gekennzeichnet durch eine im internationalen Vergleich hohe Zahl von kleinen und wenig spezialisierten Krankenhäusern, vielen Betten (ca. 50 % mehr als im EU-Durchschnitt (Geissler et al. 2010; OECD 2022)), vielen stationären Fällen (ebenfalls ca. 50 % mehr als im EU-Durchschnitt (Busse und Berger 2018; OECD 2022)) und dementsprechend einem hohen Personalbedarf. Obwohl pro Kopf der Bevölkerung mehr Gesundheitspersonal als in den meisten Nachbarländern existiert, ist insbesondere das Patienten-Pflegepersonal-Verhältnis pro stationären Fall oder belegtes Bett deutlich niedriger (Zander et al. 2017).

Dass dies so ist, wird zumeist darauf zurückgeführt, dass die Krankenhausstrukturen historisch gewachsen und regional zum Teil sehr unterschiedlich sind – auch da Krankenhausplanung Länderkompetenz ist und die Länder unterschiedliche Kriterien und Vorgehensweisen anwenden, etwa ob sie explizite Versorgungsstufen vorsehen oder nicht. So nutzen nur acht der 16 Bundesländer Stufen, um ihre Krankenhäuser einzugruppieren, wobei Bayern seine „Versorgungsstufen“ nur mit 1 bis 3 nummeriert, Niedersachsen seine „Anforderungsstufen“ mit 1 bis 4. Lediglich sechs Bundesländer nutzen Begriffe wie „Regelversorgung“ oder „Schwerpunktversorgung“, wobei die drei bis vier Stufen sich auch terminologisch überall unterscheiden. Es gibt also weder eine einheitliche Definition von „Maximalversorgung“, „Schwerpunktversorgung“, „Regelversorgung“ oder „Grundversorgung“ noch gibt es den „typischen“ Maximalversorger oder den typischen Grundversorger.

Es bestehen daher keine bundesweit einheitlichen Definitionen von Versorgungsstufen und kaum Strukturvoraussetzungen, d. h. Voraussetzungen, welches Krankenhaus welche Leistungen erbringen darf (und welche nicht). So behandeln über 1.000 Krankenhäuser Patientinnen und Patienten mit transmuralem Herzinfarkt; davon haben aber nur 578 einen Linksherzkatheter (siehe zum Beispiel AOK-Qualitätsmonitor). Über 1.100 Krankenhäuser behandeln Patienten mit Schlaganfall; davon haben nur 475 eine Stroke Unit. Und fast 50 % aller Krebspatienten werden außerhalb von Krebszentren behandelt; beim Pankreaskarzinom sind es sogar über 70 % (Stand 2019; Deutsche Krebsgesellschaft 2020).

Die fehlende Steuerung von Patienten ist problematisch, weil sie zu nachweislich schlechteren Behandlungsergebnissen führt: So ist die Sterblichkeit in Krankenhäusern mit kleinen Fallzahlen bei vielen Indikationen höher (Nimptsch und Mansky 2017); das WiZen-Projekt konnte zeigen, dass die Sterblichkeit von Krebspatienten, die nicht in Krebszentren behandelt werden, höher ist als wenn sie in Krebszentren behandelt werden (Schoffer et al. 2022); gleiches gilt für Krankenhäuser ohne Stroke Unit im Vergleich zu solchen mit Stroke Unit (Pross et al. 2018); und in Deutschland versterben mit 8,3 % der stationär behandelten Herzinfarktpatienten deutlich mehr als etwa in den Niederlanden mit 2,9 % oder in Schweden mit 3,5 % (OECD 2022).

Der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) hat 2018 erstmals Mindeststrukturvoraussetzungen für die Notfallversorgung in drei Stufen definiert. Dies war ein wichtiger erster Schritt hin zu einer bundesweit einheitlichen Definition von Versorgungsstrukturen und Schaffung von Transparenz. So ist seitdem klar, dass die 1.433 nach DRGs abrechnenden Krankenhäuser (2020) über rund 1.700 Standorte verfügen. Genau gelistet sind 1.731 (von denen einige allerdings nicht mehr aktiv sind); von diesen sind 164 (9 %) der Stufe 3 („Umfassende Notfallversorgung“) zugeordnet, 261 (15 %) der Stufe 2 („Erweiterte Notfallversorgung“), 649 (37 %) der Stufe 1 („Basis-Notfallversorgung“) und 657 (38 %) keiner Stufe. Somit gibt es mit 425 Standorten auf den Stufen 2 und 3 im Bundeschnitt 5,1 pro eine Million Einwohner. Dieser Wert differiert zwischen 2,9 in Bremen und 3,4 in Sachsen bis zu 6,7 in Thüringen und 7,7 in Sachsen-Anhalt (Tab. 17.1).

Tab. 17.1 Krankenhausstandorte nach Bundesländern 2020; insgesamt und nach Notfallstufen – absolut, prozentual und pro Mio. Einwohner

Das eine Viertel der 1.731 Standorte – nämlich die 425 auf den besser ausgestatteten Stufen 2 und 3 – versorgt fast 60 % aller stationären Fälle (9,25 der 16,18 Mio. im Jahr 2021). Die Anzahl der anderen drei Viertel der Standorte, zu einem großen Teil häufig als „Grundversorgung“ charakterisiert, wird häufig mit Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung auch für Notfälle begründet. Dabei befinden sich die meisten dieser Standorte in Nähe von Standorten der Stufe 2 bzw. 3 – und sind zudem für die Versorgung von Notfällen wie Herzinfarkten, Schlaganfällen oder komplexeren Verletzungen gar nicht ausgestattet.

Mit seiner Fallzahl pro Kopf der Bevölkerung liegt Deutschland rund 50 % höher als der Durchschnitt seiner Nachbarländer, was Fragen nach der Angemessenheit vieler stationären Behandlungen aufwirft. In internationalen Vergleichen wird dies deutlich durch die hohen Zahlen sog. „ambulant-sensitiver Krankenhausfälle“ und ambulantisierbarer Operationen (OECD 2022).

Deutschland unterscheidet sich auch im Trend der Fallzahlen von seinen Nachbarn: Während die Fallzahlen in unseren Nachbarländern im Durchschnitt bis zum pandemiebedingten Einbruch im Jahr 2020 stabil waren, stiegen sie bei uns zwischen 1991 und 2016 um 30 % an – und allein zwischen 2005 und 2016 um 18 %. Das wurde, fast allgemein akzeptiert, auf demographische Veränderungen zurückgeführt, obwohl die Bevölkerung in Italien schneller gealtert ist und stationäre Fallzahlen dort gesunken sind. Im Jahr 2019 wurde die Anzahl der Prüfungen des Medizinischen Dienstes auf Fehlbelegungen (d. h. unnötige Fälle) ab 2020 sogar gesetzlich begrenzt.

Neben der großen Kapazität an Betten lagen die Haupttreiber für hohe und steigende Fallzahlen im Vergütungssystem und in der Sektorentrennung; kein anderes Land hat so ausschließlich auf Fallpauschalen gesetzt und begrenzt Krankenhäuser so weitgehend auf stationäre Behandlungen. Andere Länder haben DRGs mit vorab definierten Budgets kombiniert und/oder die ausgelösten Effizienzgewinne ins Gesamtsystem zurückgeführt. Messerle und Schreyögg (2022) beziffern in ihrer Studie diese DRG-induzierten Effizienzgewinne für Deutschland auf 2 % pro Jahr, d. h. über den betrachteten Zeitraum auf 20 %. Während bei uns die Kosten pro Fall seit Einführung der DRGs gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwar stabil geblieben sind, sind jedoch die Gesamtkosten der stationären Versorgung durch die steigenden Fallzahlen gestiegen, von 3,0 % des BIP im Jahr 2010 auf 3,4 % des BIP im Jahr 2020 (OECD.Stat 2022). Auch dies ist eine international außergewöhnliche Entwicklung (in Dänemark sind sie in diesem Zeitraum etwa von 3,2 % auf 2,8 % gesunken) und ein hohes Niveau – genau wie die Gesamt-Gesundheitsausgaben mit 12,8 % des BIP (2020), womit Deutschland EU-weiter Spitzenreiter ist (OECD.Stat 2022).

2 Das Grundprinzip des Reformvorschlags

Der im Dezember 2022 vorgelegte Vorschlag der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung zielt darauf ab, die oben beschriebenen Probleme zu reduzieren oder gar zu beseitigen, also die nicht immer überzeugende Behandlungsqualität, die mangelnden strukturellen Voraussetzungen (Strukturqualität und Steuerung), den erheblichen Mengenanreiz mit der daraus resultierenden Übertherapie, die damit verbundenen Personalprobleme und nicht zuletzt die von der Solidargemeinschaft zu tragenden Kosten. Im Kern ist der Vorschlag eigentlich banal: Krankenhäuser und ihre Leistungen werden einheitlich kategorisiert – und jedes Krankenhaus darf nur noch die Leistungen erbringen und vergütet bekommen, für die es personell und technisch ausgestattet ist. Im Gegenzug wird die Vergütung so umgestellt, dass Krankenhäuser ihre bedarfsgerechten und qualitativ angemessenen Leistungen auch wirtschaftlich erbringen können, ohne nur auf die Fallmenge zu schielen.

Ein Kernelement der Reform ist daher, die derzeit fast ausschließlich mengenbezogene DRG-basierte Vergütung zugunsten eines Zwei-Säulen-Modells durch Hinzufügen einer Vorhaltefinanzierung – bei gleichzeitiger Reduktion der DRG-Komponente – zu verändern.

Zur Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung und der bestmöglichen Patientenallokation werden Krankenhäuser zudem in drei einheitlich definierte Krankenhaus-Versorgungsstufen (Level) eingeteilt, die es ermöglichen, lokale, regionale und überregionale Versorgungsaufträge mit unterschiedlichem Bedarf an personeller und technischer Ausstattung abzugrenzen.

Um die Mindestqualität auch auf Ebene der bisher kaum nach Leistungsspektrum definierten Fachabteilungen sicherstellen zu können, wird die Einführung eines Systems von Leistungsgruppen empfohlen, die passgenauer als DRGs (wegen sehr hoher Granularität) oder Fachabteilungen (wegen zu niedriger Spezifität) den Leveln zugeordnet und dem Bevölkerungsbedarf angepasst werden können. Jede Leistungsgruppe wird einer Versorgungsstufe zugeordnet, die Mindestvoraussetzung für die Leistungsgruppen-unabhängige Strukturqualität ist; zugleich werden jeweils Leistungsgruppen-spezifische personelle und technische Strukturvorgaben gemacht.

Alle drei Dimensionen sind unabdingbar miteinander verknüpft (Abb. 17.1)

Abb. 17.1
figure 1

Die drei Dimensionen des Reformvorschlags

2.1 Einführung einheitlicher Krankenhauslevel

Im Gegensatz zur derzeitigen Situation erfolgt in dem Modell der Regierungskommission erstmals eine feste Definition der Strukturvoraussetzungen im Sinne einer mindestens erforderlichen krankenhausweiten Strukturqualität – unter aber deutlich erweiterter Nutzung – der G-BA-Notfallstufen-Voraussetzungen. Abb. 17.2 zeigt die Level in einer Pyramide der Versorgung.

Abb. 17.2
figure 2

Versorgungspyramide der vorgeschlagenen Krankenhauslevel

Die Regierungskommission hat für die drei (mit Sub-Unterteilungen: fünf) Versorgungsstufen (Level) Vorgaben für das Leistungsspektrum, die verpflichtende Ausstattung und die ärztliche Anwesenheit außerhalb der Kernarbeitszeiten erarbeitet (vgl. Tab. 17.2):

  1. a)

    Level I – Grundversorgung; unterteilt in i (integrierte ambulant/stationäre Versorgung) und n (mit Notfallversorgung analog zur derzeitigen Stufe 1),

  2. b)

    Level II – Regel- und Schwerpunktversorgung (mit Notfallversorgung analog zur derzeitigen Stufe 2) und

  3. c)

    Level III – Maximalversorgung (mit Level III U = Universitätsmedizin) (mit Notfallversorgung analog zur derzeitigen Stufe 3).

Tab. 17.2 Synopsis wesentlicher Charakteristika der jeweiligen Stufen

Ein wesentliches Merkmal des Reformvorschlags ist die Zweiteilung der Grundversorgung in Level I i und I n. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass viele medizinische Leistungen auf diesem Level ambulant erbracht werden können, es in ländlichen Räumen aber auch einer umfassenden Vorhaltung medizinischer Leistungen bedarf. Der grundsätzliche Unterschied zwischen den beiden Sub-Leveln ist das Betreiben einer Notaufnahme auf Stufe 1 nach G-BA („Basisnotfallversorgung“) bei Level I n. Level I-i-Häuser haben hingegen keine Notaufnahme und sind als integrierte ambulant/stationäre Krankenhäuser mit ärztlicher Rufbereitschaft außerhalb der Kernarbeitszeiten ausgestaltet. Level I-i-Kliniken erhalten die Möglichkeit der echten integrierten Zusammenarbeit unabhängig von momentanen Sektorengrenzen, da sowohl niedergelassene Ärztinnen und Ärzte als auch an der Level I-i-Klinik angestellte Klinikärztinnen und -ärzte die dortigen Akutpflegebetten belegen können. Die Bettenstationen dieser Kliniken sollen durch gut ausgebildete Pflegefachpersonen geleitet werden können und außerhalb des übrigen Vergütungssystems (s. u.) durch sachgerecht kalkulierte, degressive Tagespauschalen vergütet werden (d. h. keine DRG-Komponente mehr). Die ärztliche Leistung kann durch einen entsprechenden Aufschlag auf die Tagespauschalen für am Krankenhaus angestellte Ärzte oder über das EBM-System vergütet werden.

Level-II-Krankenhäuser sollen nicht nur die Anforderungen der „erweiterten Notfallversorgung“ erfüllen, d. h. sie verfügen u. a. über einen Linksherzkatheter und zehn Beatmungs-Intensivbetten, sondern auch eine Stroke Unit betreiben. Das ärztliche Personal in der Inneren Medizin, Chirurgie, Intensivmedizin und der Notaufnahme arbeitet im Schichtdienst. Level-III-Krankenhäuser erfüllen die Anforderungen der „umfassenden Notfallversorgung“; in den genannten Abteilungen ist auch die fachärztliche Anwesenheit 24/7 sicherzustellen. Die Universitätsmedizin erhält auf dem Level III eine Sonderrolle, die in ihrer regional koordinierenden Funktion, in der Vorhaltung einer Pandemic-Preparedness-Infrastruktur und in weiteren übergreifenden Systemaufgaben liegt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sicherzustellen, dass die erbrachten Leistungen auch tatsächlich von gleicher, angemessener Qualität sind. Dazu schlägt die Regierungskommission ein auf versorgungsnahen Daten basierendes regionales Versorgungsmonitoring vor, das Prozess- und Strukturqualität abbilden soll und so eine Transparenz über die Gesundheitsversorgung schafft. Die Regierungskommission regt darüber hinaus an, dass die Vernetzung von Level-I- und III-Krankenhäusern bis hin zu Partnerkliniken so eng wird, dass Teile der ärztlichen Weiterbildung im Rahmen der Kooperation an unterschiedlichen Standorten erbracht werden können. Eine telemedizinische Vernetzung ist aufzubauen.

2.2 Leistungsgruppen mit definierten Anforderungen

Eine einheitliche Definition von Versorgungsstufen und die Festlegung von Mindestanforderungen pro Stufe allein würde einen entscheidenden Schwachpunkt der derzeitigen deutschen Krankenhausversorgung noch nicht beseitigen: Krankenhäuser behandeln zu häufig auch ohne passende personelle und technische Ausstattung etwa Herzinfarkte ohne Linksherzkatheter, Schlaganfälle ohne Stroke Unit oder onkologische Erkrankungen ohne zertifiziertes Krebszentrum. Grund dafür ist, dass sich in der Regel die Fachabteilungen lediglich an den ärztlichen Fachgebieten orientieren. Dagegen wird zu Vergütungszwecken ein erheblich detaillierteres System von DRGs genutzt, das sich an Diagnosen und durchgeführten Prozeduren orientiert.

Aus der Vielzahl der knapp 1.300 aDRGs (bzw. rund 650 Basis-DRGs) ergäbe sich allerdings eine kaum zu bewältigende und auch nicht zu durchschauende Anzahl von Qualitätsanforderungen. Daher ist es sinnvoll, das Behandlungsspektrum zwar gröber als die DRGs, aber feiner als in zuständige Fachabteilungen zu gliedern und erstmals genau und bundeseinheitlich zu definieren. Dabei sind die Leistungsgruppen so gegliedert, dass die Behandlung innerhalb einer Gruppe ähnliche Qualifikationen, Kompetenzen und Erfahrungen sowie eine gleichartige technische Ausstattung benötigt.

Ein Diskussionspunkt ist die Zahl der Leistungsgruppen, d. h. der Grad an Differenzierung. Im Schweizer ModellFootnote 1 gibt es über 100 Leistungsgruppen und damit einen hohen Grad an Differenzierung. Die neue Krankenhausplanung Nordrhein-Westfalens sieht 60 Leistungsgruppen für die somatische Medizin vor, was einem mittleren Grad an Differenzierung entspricht. Die Regierungskommission hat in ihrer Stellungnahme ein System von 128 Leistungsgruppen vorgeschlagen, die jeweils über ICD- und OPS-Codes definiert werden. Für die Erarbeitung von Strukturvoraussetzungen regen wir die aktive Beteiligung von medizinischen Fachgesellschaften und weiteren Verbänden an, die aufgerufen sind, in den kommenden Monaten Vorschläge zu erarbeiten.

Alle Leistungsgruppen werden einem Mindestlevel zugeordnet. Level I-n-Kliniken dürfen entsprechend nur Leistungen aus Leistungsgruppen des Level I abrechnen, Level-II-Kliniken die der Level I und II, während Level-III-Kliniken alle abrechnen dürfen (sofern jeweils die leistungsgruppenspezifischen Anforderungen erfüllt sind und ein entsprechender Versorgungsauftrag vorliegt). Grundsätzlich werden die meisten medizinischen Leistungen auf Ebene von Level I n und II erbracht, während spezialisierte Behandlungen wie z. B. eine ECMO-Therapie oder sehr komplexe chirurgische Eingriffe dem Level III zugeordnet werden. Fachkliniken erhalten eine Sonderrolle und dürfen bestimmte Leistungen ihres Fachgebiets in den Leveln II und III erbringen (wiederum sofern sie die spezifischen Anforderungen erfüllen). Querschnittsbereiche wie Radiologie, Anästhesie, Labormedizin, Hygiene oder Virologie sind Teil der Mindeststrukturvoraussetzungen.

Abb. 17.3 stellt das Grundprinzip der Vergütung der Leistungserbringung dar; Tab. 17.3 illustriert dies für ausgewählte Leistungsgruppen.

Abb. 17.3
figure 3

Das Grundprinzip der Leistungsvergütung. LG = Leistungsgruppe

Tab. 17.3 Ausgewählte Leistungsgruppen innerhalb der Leistungsbereiche Innere Medizin und Chirurgie zur Illustration

2.3 Vergütung über zwei Säulen: Vorhaltung und DRGs

Die Vergütung von Krankenhausleistungen soll neben der reduzierten, fallmengenabhängigen Vergütung nach DRG-Fallpauschalen eine zweite Säule bekommen – nämlich eine Vergütung von Vorhalteleistungen, also für jederzeit verfügbare Leistungen (im Sinne der staatlichen Daseinsvorsorge). Dieser essenzielle Bestandteil der Vergütungsreform mindert den finanziellen Druck auf die Krankenhäuser, da sie ihre Vergütung nicht mehr ausschließlich durch behandelte Fälle erhalten, wodurch derzeit ein Anreiz besteht, ggf. auch unnötig stationär zu behandeln. Demgegenüber sorgt der weiter bestehende fallmengenbezogene DRG-Anteil dafür, dass Krankenhäuser ihre Leistungsbereitschaft nicht verlieren, wie dies bei rein Budget-basierten Vergütungssystemen der Fall wäre.

Eine erste wichtige Festlegung im Zwei-Säulen-Modell ist die Höhe der DRG-Absenkung. Die Kommission schlägt vor, dass diese initial normativ festgelegt werden sollte, um komplexe Kalkulationen und den damit verbundenen (Zeit-)Aufwand sowie mögliche neue Fehlanreize zu vermeiden. Dafür sind i. d. R. 40 % der Gesamtvergütung vorgesehen. Eine Ausnahme bilden die Leistungsgruppen der Intensiv- und Notfallmedizin, der Geburtshilfe und der Neonatologie. Hier sollte der Vorhalteanteil auf 60 % gesetzt werden, um den finanziellen Druck in diesen Bereichen stark zu reduzieren, weil sie besonders hohe Fixkosten haben und ihr Charakter denen der Daseinsvorsorge wie bei der Feuerwehr besonders nahekommt. Der Prozentsatz bezieht sich dabei auf den Anteil an der derzeitigen Gesamtvergütung, also der Summe aus aDRGs und Pflegebudgets. Letztere machen etwa 20 % der Gesamtvergütung aus, sodass sich die nicht-mengenabhängige Komponente verdoppeln würde. Diese Umstellung soll in einer Konvergenzphase über fünf Jahre stufenweise erfolgen.

Die Vorhaltevergütung wird pro Leistungsgruppe ausgehend vom derzeitigen bundesweiten Leistungsvolumen berechnet und auf die Krankenhäuser verteilt, die die Strukturvoraussetzungen erfüllen und von den Bundesländern Versorgungsaufträge für die jeweilige Leistungsgruppe erhalten. Die Vorhaltebudgets werden zu Beginn der Konvergenzphase noch überwiegend durch die bisherigen Leistungsmengen des Krankenhauses in der jeweiligen Leistungsgruppe bestimmt. Für den Zielzustand nach Ende der Konvergenzphase hingegen empfiehlt die Regierungskommission, die Zuteilung des Vorhaltebudgets von drei Komponenten abhängig zu machen: neben der Fallmenge die zu versorgende Bevölkerung und die erreichte Prozess- und Ergebnisqualität. Krankenhäuser, die in dünn besiedelten Gebieten nur eine geringe Bevölkerungszahl versorgen, aber für die Sicherstellung der Versorgung notwendig sind, weil es in einer akzeptablen Distanz kein alternatives Krankenhaus gibt, benötigen ein erhöhtes Vorhaltebudget.

Dieses Zwei-Säulen-Konzept bezieht sich auf die Vergütung der Kliniken der Level I n, II und III, also derjenigen, die Versorgungsaufträge für Leistungsgruppen erhalten. Im Gegensatz dazu erfolgt bei den Level I-i-Kliniken die Vergütung ausschließlich durch sachgerecht kalkulierte, degressive Tagespauschalen für die Akutpflege einschließlich anderer allgemeiner Personal- und Sachkosten. Die Vergütung der ärztlichen Leistungen erfolgt (a) nach EBM für Ärztinnen und Ärzte mit eigener KV-Zulassung und (b) durch die um den ärztlichen Kostenanteil erhöhte Tagespauschale für fest am Krankenhaus angestelltes ärztliches Personal. Wie bereits erwähnt können die Bettenstationen der Level I-i-Kliniken durch gesondert ausgebildete Pflegefachpersonen (wie etwa Advanced Nurse Practitioners) geleitet werden. Hierzu ist sind entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen notwendig.

3 Umsetzbarkeit

Am 5. Januar 2023 haben die Diskussionen zwischen BMG, Bundestags-Regierungsfraktionen und Landesgesundheitsministerien zur vorgeschlagenen Reform begonnen. Ein wesentlicher Faktor dürfte dabei die Frage sein, wie die Vorschläge der Regierungskommission sich in den 16 Ländern angesichts der heterogenen Krankenhauslandschaft umsetzen lassen sowie wie groß der Umbaubedarf und damit zusammenhängend der Investitionsbedarf sein wird. Um den Investitionsbedarf zu decken, empfiehlt die Regierungskommission die Neuauflage eines Krankenhausstrukturfonds. Dieser sollte für die Zentralisierung von Kapazitäten, die Verlagerung von Leistungsgruppen zur Schwerpunktbildung, die Umwandlung von Krankenhäusern der Grundversorgung in sektorübergreifend agierende Level I-i-Kliniken, die telemedizinische Vernetzung aller in einer Region tätigen Kliniken unterschiedlicher Level sowie für ökologische und nachhaltige Neubauten eingesetzt werden. Letztere sollten einerseits den ökologischen Fußabdruck reduzieren, andererseits auch die teils enorme Hitze in Patientenzimmern in den Sommermonaten senken helfen.

Um zu prüfen, inwiefern ausgewählte Strukturvorgaben durch die derzeitige Krankenhauslandschaft erfüllt werden können, stellt Tab. 17.4 einige Parameter zu bestimmten Leistungsgruppen jeweils für das Bundesgebiet und die 16 Bundesländer dar (wobei diese z. T. nicht standortbezogen, sondern nur IK-bezogen vorliegen), und zwar für:

  • Leistungen, die von allen Standorten der Level II und III vorzuhalten sind, d. h. Linksherzkatheter (LHK) und Stroke Unit: Hierbei wird davon ausgegangen, dass die derzeit 425 Standorte der Notfallstufen 2 und 3 den Kern der Krankenhäuser auf den neuen Leveln II und III bilden. Für den LHK, der ja Voraussetzung für die Einstufung ab Notfallstufe 2 ist, zeigt sich, dass es rund 140 zusätzliche Standorte mit LHK gibt (d. h., dass auch Häuser der Notfallstufe 1 solche haben, insb. in Bayern, NRW und Hessen). Hinsichtlich Stoke Units ergibt sich, dass es nur wenige von ihnen über die Anzahl der Level II- bzw. III-Standorte hinaus gibt, wobei anders als beim LHK nicht sicher ist, wie viele der Stroke Units in Stufe 2- bzw. Stufe-3-Häusern (und nicht etwa in neurologischen Fachkliniken) etabliert sind.

  • Leistungen, die ab Level II vorgehalten werden können (bzw. für die Level II Voraussetzung ist) – Brustkrebs, Pädiatrie und Neurochirurgie: Diese sind als Prozent in Beziehung zu allen (derzeitigen) Standorten der Notfallstufen 2 und 3 gesetzt, wodurch sich bundesweite Werte von 76, 70 und 53 % ergeben, jeweils mit breiter Variation zwischen den Ländern (50–200 % bei Brustkrebs-Zentren, 37–207 % bei Pädiatrie und 36–150 % bei Neurochirurgie; bei den Stadtstaaten sollte die Mitversorgungsfunktion für das Umland berücksichtigt werden).

  • Leistungen, die ab Level III vorgehalten werden können (d. h. für die Level III Voraussetzung ist) – Frühgeborene < 1.250 g, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Polytrauma (= überregionales Traumazentrum) und Kinderonkologie: Hier zeigt sich, dass die Zahlen – bei bundesweit 165 Notfallstufe-3-Standorten – gut hinkommen, um ein Angebot in praktisch allen Bundesländern zu gewährleisten, d. h. nur wenige Lücken geschlossen werden müssten.

Tab. 17.4 Krankenhäuser nach Leistungsgruppen-spezifischer Ausstattung, zumeist 2020

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass nunmehr ein kohärenter Vorschlag auf dem Tisch liegt, um das historisch gewachsene unabgestimmte Nebeneinander von Planung, Steuerung und Vergütung zu beenden und tatsächlich eine „qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung“ (§ 1 KHG) zu erreichen.