FormalPara Zusammenfassung

Bedingt durch den eklatanten Personalmangel und den Druck, kosteneffizient arbeiten zu müssen, stehen Krankenhäuser vor großen Herausforderungen. Deshalb gerät Unterstützung durch mehr Automatisierung, wie sie in anderen Branchen bereits gang und gäbe ist, auch im Gesundheitssektor verstärkt in den Fokus. Während Serviceroboter im Operationssaal bereits etabliert sind, wurden in den letzten Jahren zahlreiche Roboter für weitere Einsatzfelder im Krankenhaus entwickelt. Das Kapitel stellt diese Einsatzfelder vor: patientenferne Routinetätigkeiten wie Transportdienste und Reinigung, Rehabilitation sowie schließlich Unterstützung in der Pflege. In kompakter Form werden ein kurzer Stand der Technik sowie ausgewählte Forschungstätigkeiten benannt. Es zeigt sich, dass die meisten am Markt verfügbaren Produkte auf eine ausgewählte Tätigkeit beschränkt sind und weitgehend fern der eigentlichen Pflegetätigkeit genutzt werden. Um weitere Produkte in die Praxis zu bringen, bedarf es neben den Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten auch umfassender Tests der Roboter, damit sie sowohl ihren Nutzen, die Nutzerfreundlichkeit und Akzeptanz als auch das Potenzial für einen wirtschaftlichen Einsatz nachweisen können.

Due to the dramatic shortage of staff and the pressure to work cost-efficiently, hospitals are currently facing major challenges. Hence, support through more automation, which is already commonplace in other industries is increasingly coming into focus in the healthcare sector. While service robots are already established in the operating theatre, various robots have been developed in recent years for other fields of application in hospitals, which are presented in this paper: routine activities remote from the patient, such as transport services and cleaning, rehabilitation and support in nursing. The authors describe the state of the art in robotics as well as selected research activities. As can be seen, most available products are limited to a selected activity and largely used far from the actual nursing activity. In order to introduce further products into practice, in addition to research and development activities, extensive testing of the robots is required to demonstrate their usefulness, their user-friendliness and acceptance and the potential for economic use.

1 Einleitung und Motivation für den Robotereinsatz

Dieser Beitrag befasst sich mit dem Stand und den Möglichkeiten der Robotik im Krankenhaus. Wie kann das Personal im Krankenhaus unterstützt werden, um die knappen Ressourcen zu erhalten? Welche Erfahrungen gibt es damit? Betrachtet werden Einsatzfelder sowohl im pflegerischen als auch im Funktionsbereich.

In Operationssälen von Krankenhäusern haben Roboter bereits eine lange Tradition. Ursprünglich für Positionierungsaufgaben von Mikroskopen oder Endoskopen eingesetzt, sind inzwischen auch diverse Telemanipulationssysteme zur Unterstützung minimalinvasiver Operationen im Einsatz. Solche bereits recht etablierten Anwendungsfelder werden in diesem Artikel allerdings nicht betrachtet. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf neuen Einsatzfeldern der Robotik außerhalb des OP, für die in den letzten Jahren viele neue Produkte auf den Markt kamen. Aufgrund von zahlreichen Forschungsaktivitäten in diesem Bereich ist in den kommenden Jahren die Erschließung weiterer Anwendungsfelder zu erwarten.

Hintergrund ist die zunehmende Alterung der Bevölkerung, gekoppelt mit einem wachsenden Bedarf an Fachkräften in Pflege und Gesundheit. Dem gegenüber steht eine abnehmende Zahl an Erwerbstätigen. Es zeichnet sich ab, dass die steigende Nachfrage nach Pflege- und Gesundheitsleistungen zukünftig nicht mehr durch verfügbare Ressourcen gedeckt werden kann (Statista 2022). Zwar ist die Anzahl der Auszubildenden in der Pflege angestiegen (BMFSJ 2020), allerdings scheiden viele von ihnen aufgrund der hohen körperlichen und psychischen Anforderungen frühzeitig aus dem Beruf aus. Durchschnittlich 25 Krankheitstage im Jahr und häufige Arbeitsunterbrechungen spiegeln diese hohe Belastung wider (Medi-Karriere 2021).

Robotische Assistenzsysteme bieten das Potenzial, nicht nur die Ärztinnen und Ärzte, sondern auch das Personal außerhalb des OP sowohl zeitlich als auch körperlich zu entlasten und somit dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ziel ist es, durch den Robotereinsatz die Arbeitsbedingungen zu verbessern und eine gute Versorgungsqualität zu erhalten. Als Roboter werden in diesem Zusammenhang Geräte verstanden, die über mehrere Motoren (bspw. in Form von selbstfahrenden Rädern und/oder Roboterarmen) und über Sensoren zur Erfassung ihrer Umgebung verfügen. Hinzu kommt eine gewisse Autonomie, die in einem eng abgegrenzten Anwendungskontext anhand der Sensordaten geeignete Roboteraktionen, insbesondere Bewegungen wie bspw. das Fahren zu einem bestimmten Ort oder das Greifen eines Gegenstands, initiiert und steuert.

Doch wo steht die technische Entwicklung tatsächlich und mit welcher Art von Robotern ist im Krankenhaus aktuell und in naher Zukunft zu rechnen? In diesem Zusammenhang gibt der Beitrag einerseits einen Überblick über konkrete Einsatzfelder der Robotik. Andererseits wird anhand von Beispielen dargestellt, für welche Anwendungen es bereits produktreife Lösungen gibt, was diese können und womit sich aktuelle Forschungsprojekte in diesem Gebiet beschäftigen. Dabei werden erstens mobile Roboter untersucht, die fern von kranken oder pflegebedürftigen Personen Aufgaben im Warentransport und in der Reinigung übernehmen, sodass qualifiziertes Pflegepersonal von diesen Routinetätigkeiten entlastet wird. Zweitens werden Roboter betrachtet, die das medizinische Personal bei der Rehabilitation einsetzen kann. Drittens werden Roboter vorgestellt, die bei der täglichen Versorgung der Patienten auf der Station unterstützen. Eine weitere Untergliederung dieser drei Themenfelder, an der sich auch die nachfolgende Struktur des Beitrags orientiert, ist in Abb. 12.1 dargestellt.

Abb. 12.1
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Betrachtete Einsatzfelder für Robotersysteme im Krankenhaus

Bezüglich dieser Klassifizierung ist zu beachten, dass die Grenzen zwischen den Einsatzfeldern bzw. Anwendungen teilweise fließend und lediglich als Vorschlag und Strukturierungshilfe zu verstehen sind. Sollten die Robotersysteme mehreren Einsatzfeldern zuordenbar sein, so werden sie im Folgenden demjenigen zugeordnet, in dem sie aktuell am stärksten genutzt werden bzw. auf dem am stärksten damit geforscht wird.

2 Roboter für patientenferne Routinetätigkeiten

2.1 Transport- und Logistikroboter

Der Einsatz von fahrerlosen Transportsystemen (FTS) in Krankenhäusern begann in den 1990er Jahren mit dem Helpmate-System von TRC in den USA, das Essen und Medikamente transportierte. Heutzutage sind in Deutschland in diversen Krankenhäusern FTS für den automatisierten Warentransport im Einsatz. Diese werden zur Ver- und Entsorgung von Gütern des täglichen Bedarfs eingesetzt, die sie in Containern von Wäscherei, Zentrallager oder Küche auf die Stationen transportieren.Footnote 1 Aufgrund ihrer Größe und geltender Sicherheitsvorschriften können klassische FTS nur in separaten Bereichen und nicht unter Patienten, Personal und Besuchern navigieren. Die Bedienung erfolgt durch geschultes Personal. Aufgrund der hohen Investitions- und Wartungskosten ist der Einsatz überwiegend in Großkrankenhäusern mit mehr als 600 Betten verbreitet (Ullrich 2020).

Die ohnehin weitgehend barrierefreien Umgebungen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern begünstigen den Einsatz neuer Transport- und Logistikroboter auch außerhalb der Versorgungsbereiche. Damit können die Waren näher an ihr eigentliches Ziel, die Patientenzimmer, gebracht werden, wo sie das Personal letztendlich einsetzen wird. So können Transportroboter auch die sog. „letzte Meile“ des Warenflusses unterstützen. Hierfür ist es erforderlich, dass die Roboter auch dort sicher einsetzbar sind, wo sich nicht-eingewiesene Personen aufhalten. Einige Hersteller beschäftigen sich aktuell mit entsprechenden Weiterentwicklungen ihrer Systeme. Dabei werden zum einen Ansätze verfolgt, in denen das Fahrzeug weiterhin Container aufnimmt. Dieses wird mit einer Deichsel ausgestattet, die mithilfe von integrierten Sensoren in der Lage ist, Hindernisse vor der Last zu erkennen (z. B. Unitr von MT RobotFootnote 2).

Andere Hersteller verfolgen hingegen den Ansatz einer komplett integrierten Plattform mit Navigationssensorik und fest verbauten Fächern für den Warentransport. Der von Panasonic hergestellte Roboter HospiFootnote 3 ist bereits im Praxiseinsatz und wird für das Verteilen von Essenstabletts und den Transport von Bluttransfusionen und Dokumenten im Krankenhaus eingesetzt. Ähnliche Ansätze verfolgen auch der von Swisslog vertriebene Relay TransportroboterFootnote 4 oder der Jeeves von RobotiseFootnote 5, die beide in Kliniken den Transport von Laborproben, Medikamenten oder Arbeitsmaterialien in Schubladen ermöglichen. Der TUG von AethonFootnote 6 wird ebenfalls bereits in diversen Kliniken eingesetzt und kann in verschiedenen Versionen (Aufnahme von Lasten oder fest verbauter Schrank mit Schubladen oder einer großen Tür) bestellt werden.

Auch in der Forschung werden neue Lösungen für die Warenbereitstellung auf Stationen und in Wohnbereichen entwickelt. Im Projekt „SeRoDi“ entwickelte das Fraunhofer IPA 2018 zusammen mit der Firma MLR einen intelligenten Pflegewagen, der autonom navigieren und Pflegeutensilien automatisch am Patientenzimmer bereitstellen kann. Die Pflegekraft kann ihn über das Smartphone rufen und über einen Tablet-PC verbrauchtes Material direkt dokumentieren. Die Vision dahinter ist, dass der intelligente Pflegewagen die mobile Komponente eines vollautomatisierten Lagers wird, in dem der Wagen automatisch bestückt wird. Inzwischen bietet Medimobil mit seinem Pflegewagen, der auf einer autonom navigierenden mobilen Roboterplattform montiert ist, eine ähnliche, wenn auch einfacher gestaltete Lösung bereits als Serienprodukt an.Footnote 7 Eine aktuelle Weiterentwicklung des Fraunhofer IPA ist ein flexibler Transportroboter, der handelsübliche Pflegewagen aufnehmen und transportieren kann (Abb. 12.2 links).Footnote 8 Indem er seine Größe an die zu transportierende Last anpasst und ein Fahrwerk hat, mit dem er auch seitwärts fahren kann, kommt er auch in engen Krankenhausfluren zurecht.

Abb. 12.2
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Beispiele für Roboter für patientenferne Routinetätigkeiten: Flexibler Transportroboter des Fraunhofer IPA, Bodenreinigungsroboter CR700 von Adlatus, Reinigungs- und Desinfektionsroboter für Oberflächen DeKonBot 2 des Fraunhofer IPA. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez (links und rechts), Helios Kliniken/Thomas Oberländer (Mitte))

Neuere Entwicklungen betreffen Roboter, die eine mobile Plattform mit einem Roboterarm kombinieren und teilweise bereits zu Testzwecken in Kliniken und Pflegeheimen eingesetzt werden. Die Roboter Moxi von Diligent RoboticsFootnote 9 und Lio von F&P RoboticsFootnote 10 sollen unter anderem das Personal durch automatisierte Hol- und Bringdienste einzelner Objekte unterstützen, Roboter Kevin des Fraunhofer IPAFootnote 11 den Probentransport im Labor.

2.2 Reinigungs- und Desinfektionsroboter

Der Reinigung und Desinfektion kommt in Pflegeheimen und Krankenhäusern naturgemäß eine essenzielle Rolle zu, um die Hygieneanforderungen zu erfüllen. Dies ist eine zeitintensive und monotone Aufgabe bei gleichzeitig hohem Qualitätsanspruch. Entsprechend sinnvoll kann der Einsatz von automatisierten Reinigungslösungen sein. Für diese Aufgaben gibt es bereits verschiedene Roboter, die allerdings noch nicht speziell an die Anforderungen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen angepasst sind (Godek 2020).

2.2.1 Bodenreinigung

Aktuell vorhandene Produkte für die Bodenreinigung sind vor allem für das Reinigen größerer, ebener Flächen gemacht. Dabei ähneln sie in ihrer Größe und Form oft den bislang eingesetzten Standardreinigungsmaschinen. Bei manchen Produkten fehlen die Griffe oder Sitze für die Bedienung per Hand, andere sind für den manuellen wie autonomen Betrieb ausgelegt.

Ausgestattet mit Steuerungen zur Navigation sowie Sensoren, um ihre Umgebung und Hindernisse zu erkennen, bewegen sich die Roboter selbstständig im vorgegebenen Reinigungsbereich. Der Ausgangspunkt von Bodenreinigungsrobotern ist eine fest installierte Beladestation, zu der sie zurückkehren, wenn ihr Akku leer ist oder Reinigungsmittel ausgeht. Die Inbetriebnahme des Roboters sieht üblicherweise so aus, dass die Anwenderin oder der Anwender diesen zunächst einmal durch seine Einsatzumgebung fährt. Dabei erstellt der Roboter selbstständig eine Karte dieser Umgebung, in der manuell die Bereiche definiert werden, die der Roboter reinigen soll. Das Importieren von Gebäudeplänen ist teilweise möglich, aber in den meisten Fällen nicht notwendig.

Beispiele für Bodenreinigungsroboter, die bereits im klinischen Umfeld getestet wurden, sind der Adlatus CR700 (Abb. 12.2 Mitte)Footnote 12 oder der Nilfisk Liberty SC60Footnote 13, aber auch Consumer-Produkte wie der Roborock S7Footnote 14. In den letzten Jahren wurden vermehrt kleine, kompakte Bodenreinigungsroboter entwickelt (bspw. LeoBot von LionsbotFootnote 15, Whiz von Softbank RoboticsFootnote 16, CleanfixFootnote 17), die auch in engen Einsatzumgebungen wie Krankenhausgängen oder Patientenzimmern zum Einsatz kommen könnten. Andere Hersteller (bspw. Gaussian Robotics aus SingapurFootnote 18) bieten bereits Produkte in verschiedenen Größen und mit verschiedenen Reinigungsfunktionen an.

2.2.2 Desinfektionsroboter

Während Roboter zur Desinfektion bis Ende 2019 noch eine untergeordnete Rolle spielten, hat der Beginn der Corona-Pandemie ein massives Interesse an autonomen Robotern für diesen Zweck geweckt. Die Firma UVD Robotics aus Dänemark konnte ihren autonomen Roboter mit UV-Desinfektionsfunktion in diversen Kliniken zum Einsatz bringen.Footnote 19 Zudem wurden verschiedene Entwicklungen neuer Desinfektionsroboter initiiert (Jovanovic et al. 2021).

Durch die Roboter kann eine sehr häufige Desinfektion ausgewählter Bereiche erfolgen, mitunter auch rund um die Uhr. So müssen Reinigungsfachkräfte keine kontaminierten Bereiche betreten oder mit schädlichen Desinfektionsmitteln arbeiten. Die Roboter desinfizieren ihre Umgebung beispielsweise durch hochfrequentes ultraviolettes Licht (UV-C), Desinfektionschemikalien wie Wasserstoffperoxid oder Luftfilterung. In der Klinik ergänzen die Roboter die obligatorische Wischdesinfektion relevanter Oberflächen und stellen dabei sicher, dass beispielsweise ein Raum, den eine infizierte Person verlassen hat, wieder ohne Schutzausrüstung betreten werden kann.

Aktuelle Entwicklungen beschäftigen sich damit, Desinfektionsroboter zielgerichteter einzusetzen. Beispielsweise sollen sie potenziell kontaminierte Oberflächen wie Türgriffe, Lichtschalter oder Aufzugknöpfe, die von vielen Menschen angefasst werden, autonom erkennen und desinfizieren können. Erste Produkte nutzen neben einer Sprühdesinfektion auch UV-Licht, bspw. auch der oben bereits vorgestellte Lio, der die UV-Lampe mit seinem Roboterarm halten kann. Ist diese entsprechend abgeschirmt, kann der Roboter auch dann arbeiten, wenn Menschen anwesend sind.

Im Projekt „DeKonBot“ hat das Fraunhofer IPA bereits 2020 einen Desinfektionsroboter aufgebaut, der die zu reinigenden Oberflächen automatisch erkennt und diese dann mit seinen am Roboterarm angebrachten Reinigungspads, die mit Desinfektionsmittel benetzt werden, säubert. Im Nachfolgeprojekt „MobDi“ (Mobile Desinfektion) entstand 2021 der Roboter „DeKonBot 2“, der kompakter, flexibler und produktnäher als das Vorgängermodell ist (Abb. 12.2 rechts).Footnote 20 Mit seinen Reinigungsbürsten entfernt der Roboter Schmutz von den zu reinigenden Oberflächen und trägt gleichzeitig flächendeckend Desinfektionsmittel auf. Eine spezielle Weiterentwicklung des Roboters für Einrichtungen des Gesundheitswesens findet aktuell im Projekt „RoReBO“ statt. Unter anderem werden neue adaptive Reinigungswerkzeuge und Funktionen zur Desinfektion weiterer Oberflächen im Krankenhaus entwickelt. Auch das selbstständige Öffnen von Türen wird im Projekt betrachtet.

Neben Desinfektionsrobotern, die speziell für diesen Zweck gebaut wurden, werden auch bestehende Reinigungsroboter mit Funktionen zur Desinfektion nachgerüstet. Hierzu gehören Bodenreinigungsroboter, die neben der Scheuerfunktion um eine UV-Bestrahlung ergänzt wurden.

3 Roboter für die Rehabilitation

3.1 Körpergetragene Systeme (Exoskelette)

Exoskelette für den medizinischen Gebrauch unterstützen die freie Bewegung von Personen mit Bewegungseinschränkungen, beispielsweise bei Querschnittslähmung. Damit bieten sie einen erhöhten Mobilitätsgrad und Hilfe bei Aktivitäten des täglichen Lebens. Als Ergänzung zur traditionellen Therapie zur Funktionssicherung und/oder Mobilisierung können Exoskelette das Training eingeschränkter Personen bspw. nach einem Schlaganfall unterstützen (Abb. 12.3 oben).

Abb. 12.3
figure 3

Beispiele für Roboter für die Rehabilitation: Exoskelett, Vemotion System von Reactive Robotics, mobiler Roboter für das Gangtraining von Tediro. (Quelle: Ekso Bionics, Reactive Robotics GmbH, Tediro GmbH)

Exoskelette lassen sich entweder anhand ihres Einsatzbereichs unterscheiden, also für welche betroffene Extremität sie genutzt werden, oder auch hinsichtlich ihres Antriebs sowie ihrer Steuerung. Die primären Antriebssysteme von Exoskeletten in der Rehabilitation sind elektrische sowie seriell-elastische Aktoren und pneumatische Muskeln. Für die Steuerung der Exoskelette kommen aktuell verschiedene Mechanismen zum Einsatz. Neben der einfachen Steuerung über haptische Schnittstellen, beispielsweise über einen Joystick, werden zunehmend sensorbasierte Steuerungen verwendet. So erfolgt die Steuerung der Systeme über Signale, die entweder (1) am Körper der Erkrankten, (2) in der Kraftübertragung zwischen erkrankter Person und Exoskelett oder ausschließlich (3) am Exoskelett gemessen werden (Huo et al. 2016). Teilweise werden zusätzlich Gehstützen eingesetzt, um die Person weiter zu stabilisieren.

(1) Durch die Nutzung der Elektromyographie (EMG), die eine elektrische Muskelaktivität der paretischen Gliedmaße misst, oder der Elektroenzephalographie (EEG), die die elektrische Aktivität des Gehirns misst, wird die Bewegungsintention in eine Kraftunterstützung umgesetzt. In der Steuerung durch EEG kommen nichtinvasive Geräte zum Einsatz, die Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche abgreifen. Vorteil der Messung von Körpersignalen gegenüber den weiteren Steuerungsmechanismen ist die umfassende sowie verlust- und verzögerungsfreie Bestimmung von Bewegungsintentionen.

Ein Beispiel eines Exoskeletts für untere Gliedmaßen, das auf einer Steuerung durch EMG basiert, ist das japanische Modell HAL von Cyberdyne.Footnote 21 Hierbei nehmen Sensoren bioelektrische Signale durch Sensoren an den Beuge- und Streckmuskeln von Hüften und Knien ab. Die registrierten Impulse bewirken die Bewegung des Exoskeletts. Gleichzeitig werden durch das Training die Muskelimpulse ausgebaut und so die neuronale Rehabilitation unterstützt. Die Cyberdyne Care Robotics GmbH hat im April 2022 die Zulassung nach SGB V, § 137e zur Erprobung der neuromuskulären Feedback-Therapie mit HAL zur Behandlung von Querschnittsgelähmten erhalten.Footnote 22 Nach demselben Prinzip und ebenfalls von Cyberdyne Care Robotics ist HAL Lumbar Type (nicht-medizinisch) ein Hilfsmittel, das die Intention des Trägers erkennt und bei der Bewegung unterstützt. Das ist unter anderen für ältere Menschen nützlich, um sie im Alltag beim Heben und Bewegen von schweren Gegenständen zu unterstützen.Footnote 23

Auf dem gleichen Prinzip baut beispielsweise auch das US-amerikanische Exoskelett MyoPro von MyomoFootnote 24 auf, das die freie Bewegung des Armes unterstützt. Auch hier werden Bewegungsintentionen anhand von elektrischen Muskelaktivitäten gemessen und durch das Exoskelett unterstützt.

(2) Für die Steuerung basierend auf den ausgeübten Kräften zwischen Exoskelett und Patientin bzw. Patient werden entsprechende Signale an den Befestigungspunkten des Exoskeletts am Körper oder anhand der Deformation von elastischen Übertragungselementen gemessen. Diese Steuerung wird auch für den „Assist-as-needed“-Ansatz genutzt, bei dem der Gang nur unterstützt oder korrigiert wird, wenn er von einem definierten Gangmuster abweicht.

(3) Steuerungsstrategien, die die Kraftübertragung am Exoskelett messen, nutzen Kraft- und Drehmomentsensoren in den Gelenken des Exoskeletts. So werden die auftretenden Kräfte der Aktoren und des Patienten gemessen. Basierend auf Modellen des menschlichen Körpers wird so die Bewegungsintention bestimmt. Als Beispiele nutzen das israelische Modell ReWalk von ReWalk RoboticsFootnote 25 und Ekso GT von der Firma Ekso BionicsFootnote 26 die Verlagerung des Körperschwerpunktes, um das Exoskelett zu steuern. Das Bionic Leg Exoskelett von AlterGFootnote 27 kann Personen mit leichten bis schweren Beeinträchtigungen eines Beines beim Bewegen des Knies unterstützen. Hierfür werden über einen Sensor unter der Sohle Gewichtsverlagerungen gemessen und die Bewegung des Bionic Legs eingeleitet. Das einzige Exoskelett, das bislang in das GKV-Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen wurde, ist das Modell ReWalk Personal 6.0, das dann auch zu Hause nutzbar ist.

Aktuelle Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten beschäftigen sich damit, die Portabilität und Tragbarkeit der Exoskelette auszubauen. So wird vermehrt der Einsatz intelligenter weicher Materialien mit Sensoren und Aktoren erforscht (vgl. z. B. das EU-Forschungsprojekt „XoSoft“Footnote 28). Dies soll neue Einsatzfelder robotischer Exoskelette erschließen.

3.2 Stationäre Trainingsgeräte

Die Therapie bewegungseingeschränkter Gliedmaßen aufgrund von Schlaganfall, Querschnittslähmung, Bewegungsstörungen etc. erfordert eine kontrollierte und hochgradig repetitive Bewegung. Der Einsatz von stationären robotischen Trainingsgeräten kann zu diesem neuro-muskulären Training beitragen. Die Geräte können zur Kraftübertragung auf Exoskeletten oder Endeffektoren basieren. Dabei ist vor allem die individuelle Anwendung für die Wahl der Konstruktion ausschlaggebend (Krebs et al. 2008): Endeffektor-Systeme eignen sich insbesondere bei einer Bewegung der paretischen Gliedmaßen von bis zu 45 Grad. Für das Training von größeren Bewegungen sind Exoskelette passend. Meist unterstützen Laufbänder die Gangtrainings.

3.2.1 Training der oberen Extremitäten

Neben der Kraftübertragung mithilfe von Exoskeletten (vgl. z. B. ArmeoPower von HocomaFootnote 29) oder als Endeffektor-Systeme (vgl. z. B. InMotion ARM von BionikFootnote 30) unterscheiden sich stationäre Trainingsgeräte für die oberen Extremitäten vor allem bezüglich der Unterstützungsart. Es kann zwischen aktiver und passiver Unterstützung unterschieden werden: Beim aktiven Modus bewegt der Roboter den Patienten oder die Patientin. Dabei variiert der Grad der Unterstützung. Beim passiven Modus geht die Bewegung vom Patienten aus. Dabei kann der Roboter den Bewegungsraum so eingrenzen, dass der Patient die angestrebte Bewegung korrekt ausführt. Viele Systeme bieten sowohl aktive, passive als auch assistive Trainingsmodi an (vgl. Amadeo von TyromotionFootnote 31).

Einige Systeme konzentrieren sich auf die alleinige Therapie von Bewegungseinschränkungen des Armes (vgl. Bionik InMotion Arm oder ARMin V von der ETH ZürichFootnote 32) oder der Hand (vgl. Bionik InMotion Hand, Amadeo von Tyromotion). Dabei ermöglichen jedoch viele Systeme ein kombiniertes Training von Arm und Hand (vgl. die Integration von InMotion Hand und InMotion Arm, ArmeoPower von Hocoma).

Bisher nutzen stationäre Trainingsgeräte für obere Extremitäten nur vereinzelt EMG-Signale. Die „Hand of Hope“ von Rehab-Robotics ist ein Beispiel für die robotische Unterstützung von Bewegungsintentionen.

Einige Systeme ermöglichen bereits ein Training zu Hause (vgl. Motus Hand oder Motus Foot von Motus NovaFootnote 33). Aktuelle Forschungsarbeiten untersuchen unter anderem auch Lösungen zur häuslichen Telerehabilitation anhand von interaktiven therapeutischen Übungen. Darüber hinaus werden zunehmend therapeutische interaktive Spiele in Virtual Reality entwickelt. Diese Systeme nutzen Sensoren am Roboter und 3D-Sensoren zur Interaktion. Beispielhaft ist ArmeoSpring von HocomaFootnote 34 zu nennen.

3.2.2 Training der unteren Extremitäten

Um einen Bewegungsablauf fokussiert zu lernen, verfügen Trainingsgeräte für die unteren Extremitäten über Systeme zur Körpergewichtsentlastung. Sie entlasten den Körper von seinem Eigengewicht meist in Form einer Weste und eines Gurtsystems.

Auch diese Gangtrainier untergliedern sich in Systeme entweder basierend auf Exoskeletten oder auf Endeffektoren. Systeme wie der Locomat der Schweizer Firma HocomaFootnote 35 und der koreanische Walkbot von P&S Mechanics Co. Ltd.Footnote 36 nutzen eine Kraftübertragung durch Exoskelette. Diese Systeme verwenden zum Training eines natürlichen Gangmusters Laufbänder, deren Geschwindigkeit an die Bewegung der Exoskelette angepasst ist. Endeffektoren verwenden beispielsweise das Schweizer G-eo System von Reha Technology AG oder der deutsche Gangtrainer GT II von Reha-Stim.Footnote 37 Hier wird die Bewegung des Patienten meist über Fußplatten gesteuert.

Darüber hinaus gibt es vereinzelte Lösungen, bei denen die Mobilisierung der Person im Sitzen erfolgt, wie beispielsweise beim MotionMaker der Firma Swortec.Footnote 38 Das Vemotion System von Reactive RoboticsFootnote 39 dient der individuellen Mobilisierung direkt im Intensivbett. Dabei können die bettlägerigen Personen in nahezu aufrechter Position ihnen bekannte Bewegungsmuster durchführen. Das Personal wird durch die rückenschonende Stellung entlastet, zudem wird nur noch eine Person zur Betreuung benötigt (Abb. 12.3 unten links).

Auch für das Training der unteren Extremitäten werden zur Motivation der Patienten zunehmend spielerische interaktive Übungen angeboten. Diese werden über integrierte Bildschirme angezeigt. Gleichzeitig werden die Bewegungen des Patienten festgehalten. Dies ermöglicht eine Auswertung und Dokumentation des Trainingsfortschritts, die das therapeutische Personal in die weitere Planung mit einbeziehen kann.

Aktuelle Entwicklungsarbeiten beschäftigen sich damit, die Gebrauchstauglichkeit der Trainingsgeräte zu verbessern und insbesondere ein schnelleres An- und Ablegen von Gangtrainern zu ermöglichen. Als Beispiel erster Entwicklungen kann das Welwalk WW-2000 von ToyotaFootnote 40 genannt werden, dessen Vorgängerversion 2017 als Mietsystem auf den japanischen Markt kam, nun aber aufgrund der Nachfrage als Produkt mit einer monatlichen Wartungsgebühr verkauft wird.

3.3 Mobile Trainingsgeräte

Mobile Trainingsgeräte ermöglichen ein Gangtraining im freien Raum bei gleichzeitiger Gewichtsentlastung bzw. Sturzprävention. Beispiele für entsprechende Produkte sind der WalkTrainer der Schweizer Firma SwortecFootnote 41 oder der Andago von HocomaFootnote 42.

Gleichzeitig werden für Anwendungen in der orthopädischen Rehabilitation auch persönliche mobile Trainingsroboter entwickelt, die beim selbstständigen Training begleiten. Im Projekt „ROREAS“Footnote 43 wurde 2016 ein robotischer Reha-Assistent zur Anwendung beim Lauf- und Orientierungstraining in der klinischen Schlaganfallnachsorge entwickelt und dessen technische Leistungsfähigkeit und Nutzen in umfangreichen Praxistests verifiziert. Im Nachfolgeprojekt „ROGER“Footnote 44 wurden 2019 die Entwicklungen weiter an die Bedarfe der Praxis angepasst und schließlich durch die Firma Tediro als kommerzielles Produkt weiterentwickelt (Abb. 12.3 unten rechts).Footnote 45

4 Roboter zur Unterstützung der Pflege

4.1 Telepräsenzroboter

Telepräsenz ermöglicht, an einem Ort präsent zu sein, sich dort auch in gewisser Weise präsent zu fühlen und so wahrgenommen zu werden, jedoch gleichzeitig körperlich an einem anderen Ort zu sein (vgl. Schloerb 1995). Bei mobilen Telepräsenzrobotern können sich die Nutzerinnen und Nutzer zusätzlich von einem anderen Ort steuernd durch ein Gebäude bewegen.

Telepräsenzroboter könnten eine mögliche Antwort z. B. auf den (Fach-)Ärztemangel in ländlichen Regionen bieten und es auch mobilitätseingeschränkten Personen erleichtern, dank Videokonferenzen mit ärztlichem Personal regelmäßig medizinische Betreuung ohne aufwendige Transportfahrten zu erhalten.

Die ersten Projekte zum Einsatz von Telepräsenzrobotern nutzten die im Rahmen von EU-Projekten speziell für Anwendungen im Gesundheitsbereich entwickelte Plattform GIRAFF (Kristofferson et al. 2013). Das EU-Projekt „ExCITE“Footnote 46 analysierte die Anforderungen an soziale Interaktionen im Rahmen einer Längsschnittstudie mit alleinstehenden Älteren und Menschen mit Kognitionseinschränkungen in privaten und Rehabilitationssettings in verschiedenen europäischen Ländern (Costa et al. 2010). Mittlerweile gibt es mehrere Produkte, die für einen breiten Einsatz angelegt sind. Bekannt sind DoubleFootnote 47, aber auch BeamFootnote 48 oder GoBeRobotFootnote 49 sowie Temi, vertrieben von Medisana als Robot RO 100 (Abb. 12.4 Mitte)Footnote 50, der neben der Telepräsenzfunktion eigenständig durch den Raum navigieren und Personen folgen kann. Die Plattform ermöglicht die Programmierung zusätzlicher Anwendungen, wie es z. B. im „Distr@l“-Projekt „TeilhabeAssistenz“ umgesetzt wird (Küsters et al. 2022). Im Projekt „TePUS“ wird der Einsatz dieses Telepräsenzroboters im Hinblick auf seine Möglichkeiten in der Teletherapie und dem Telenursing bei Schlaganfallpatienten untersucht (Frommeld et al. 2022).

Abb. 12.4
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Beispiele für Roboter zur Unterstützung der Pflege: Telepräsenzroboter RP-Vita mit integriertem Stethoskop, Medisana Robot RO 100 für Telepräsenz- und Interaktionsfunktionen, robotischer ServiceAssistent für das Verteilen von Getränken in Warte- und Aufenthaltsräumen. (Quelle: Teladoc Health Germany GmbH, Medisana GmbH, Fraunhofer IPA)

Referenzanwendungen des Telepräsenzroboters VGoFootnote 51 sind bspw. das Patienten-Monitoring durch medizinisches und/oder pflegerisches Fachpersonal. Ein Service-Angebot von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen ermöglicht den virtuellen Besuch von Verwandten und Freunden oder auch den Tele-Austausch mit medizinischem und pflegerischem Personal.

Einige der existierenden Telepräsenzroboter sind mit Zusatzfunktionen ausgestattet, die über die reine Telepräsenzfunktion hinausgehen. Dazu gehören z. B. der Kollisionsschutz oder das Folgen von Personen bis hin zur komplett autonomen Navigation. Zudem verfügen sie teilweise über Ablageflächen für medizinische Geräte oder Sensoren zur Messung von Vitaldaten. Systeme, die speziell für das Gesundheitswesen entwickelt wurden, sind bspw. die InTouch Health Systems mit den Produkten Remote Presence Virtual Independent Telemedicine Assistant (RP-Vita) (Abb. 12.4 links), RP-Lite und RP-Mini für telemedizinische Anwendungen.Footnote 52 Zwischenzeitlich wurde InTouch Health von Teladoc Health übernommen und bietet Lösungen für Telehealth-Plattformen mit unterschiedlichen Hardware-Lösungen vom Tablet bis hin zu verschiedenen Telepräsenzrobotern mit RP-Vita als umfangreichster Lösung an.

4.2 Service und Interaktion

Neben der Begleitung und Unterstützung der Pflegekräfte bei ihren Tätigkeiten können auch Roboter eine Entlastung bringen, die in Abwesenheit der Pflegekräfte mit erkrankten oder pflegebedürften Personen interagieren und diese unterstützen. Der 1,20 m große Roboter PepperFootnote 53 von Aldebaran hatte einen fulminanten Verkaufsstart im September 2015, als in Japan innerhalb einer Minute 1.000 Exemplare verkauft wurden.Footnote 54 Peppers Funktionen umfassen die Spracherkennung und -ausgabe, Gesichtserkennung, Geräuscherkennung und -ortung sowie die Emotionswahrnehmung, die in Verbindung mit der erkannten Mimik, Stimmlage und Körperhaltung interpretiert wird. Das Tablet auf Peppers Brust ermöglicht eine visuelle Unterstützung und ist eine zusätzliche Möglichkeit Anwendungen zu nutzen (z. B. Spiele darauf zu spielen). Pepper wird neben diversen öffentlichen Einrichtungen bereits in verschiedenen Krankenhäusern zur Information, Unterhaltung und Aktivierung von Patientinnen und Patienten und Besuchern eingesetzt. In Forschungsprojekten werden auch Einsatzfelder in Pflegeeinrichtungen, bspw. zur Aktivierung und Unterhaltung, untersucht.Footnote 55

Auch der humanoide Roboter Nao, ebenfalls von Aldebaran, kommt bereits in Gesundheitsanwendungen zum Einsatz. Die Anwendung Zora ZBOS vom belgischen Unternehmen ZorabotsFootnote 56 wird auf verschiedenen Interaktionsrobotern – neben Pepper und Nao auch auf der Eigenentwicklung JAIme oder James – eingesetzt, zum Beispiel um Patienten zu unterhalten und zu informieren, nach ihrem Wohlergehen zu schauen oder Turnübungen vorzumachen.

Der am Fraunhofer IPA entwickelte Robotische ServiceAssistent ist ein weiteres Ergebnis des oben genannten Forschungsprojekts SeRoDi. Neben der Erkennung und Interaktion mit Personen ist er in der Lage, Pflegebedürftigen im Aufenthaltsraum einer Pflegeeinrichtung verschiedene Snacks oder Getränke zu liefern (Abb. 12.4 rechts). Damit werden diese zum einen in ihrer Selbstständigkeit gefördert, gleichzeitig wird das Personal von zeitintensiven Hol- und Bringdiensten entlastet.

4.3 Emotionale Roboter

Emotionale Roboter sind bereits seit fast 20 Jahren kommerziell verfügbar, werden jedoch unterschiedlich stark in der Praxis genutzt. Den meisten ist gemein, dass sie aufgrund des bei ihnen umgesetzten Kindchenschemas als niedlich empfunden werden. Zudem sind die Roboter in der Lage, auf das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer zu reagieren und proaktiv zu sein, sodass eine emotionale Beziehung zum Roboter ermöglicht wird. Emotionale Roboter können alte oder pflegebedürftige Menschen in robotergestützten Therapien oder mittels robotergestützter Aktivitäten erreichen, die auf andere Arten der Ansprache wenig oder gar nicht reagieren. Angelehnt sind diese Angebote an Therapieformen mit echten Tieren, denn diese sind nicht immer geeignet.

Die Plüschroboterrobbe ParoFootnote 57 ist seit 2005 der erste kommerziell erhältliche therapeutische Roboter, der weltweit in unzähligen Pilot- und Erprobungsprojekten und zunehmend regulär in Institutionen eingesetzt wird. Unter dem antibakteriellen Fell befinden sich Berührungssensoren, die erkennen, wie Paro berührt wird und daran angepasst ein angenehmes Fiepen oder einen gequälten Aufschrei auslösen. Haupteinsatzgebiet sind alte Menschen mit einer dementiellen Erkrankung. Mittlerweile gibt es die erste randomisierte Studie zum Einsatz von Paro. Sie zeigt auf, dass mit eingeschaltetem Paro mehr verbale und visuelle Interaktion beobachtet werden konnte als mit ausgeschaltetem Paro. Der eingeschaltete Paro führte auch zu mehr Freude und weniger Agitation als bei üblichen Aktivitäten (Moyle et al. 2017).

Mit dem Roboter Telenoid™Footnote 58 wurde an der Osaka University und dem Advanced Telecommunications Research Institute International ein androider Telepräsenzroboter entwickelt, mit dem wie bei einem Telefon Sprache und zusätzlich die Mimik einer Person auf das Gesicht des Roboters übertragen werden. Der Roboter wird beim Patienten oder Klienten eingesetzt und die Fachkraft kommuniziert über einen Laptop mit entsprechender Software inklusive Gesichtserkennung. Telenoid™ wird in verschiedenen Ländern in unterschiedlichen Anwendungsszenarien erprobt. In Japan z. B. mit Kindern und Menschen mit dementiellen Erkrankungen (Yamazaki et al. 2012), in Dänemark mit Menschen mit Behinderungen, aber auch in der Altenpflege (Yamazaki et al. 2014; Leeson 2015).

4.4 Intelligente Pflegehilfsmittel

Intelligente Pflegehilfsmittel sollen das Pflegepersonal in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen bei körperlich und/oder zeitlich belastenden Tätigkeiten unterstützen. Dabei geht es nicht um komplexe oder ggf. sogar menschenähnlich gestaltete Assistenzroboter, die den Eindruck erwecken könnten, dass sie menschliches Personal ersetzen. Vielmehr werden in diesem Kontext Technologien entwickelt, die herkömmliche Pflegehilfsmittel mit (teil-)autonomen Assistenzfunktionen erweitern und deren Bedienung vereinfachen.

4.4.1 Transfer von Personen

Der Transfer von erkrankten oder pflegebedürftigen Personen ist im Pflegealltag häufig zu leisten und eine körperlich sehr beanspruchende Aufgabe, weshalb er im Fokus vieler Hersteller von Pflegehilfsmitteln steht. Gleichermaßen müssen die angebotenen Hilfen auch praktikabel im Alltag einsetzbar sein. Um existierende Personenlifter noch besser an die Anforderungen des Berufsalltags anzupassen und deren Bedienung zu vereinfachen, arbeiten mehrere Firmen und Forschungseinrichtungen daran, Lifter mit autonomen Assistenzfunktionen auszustatten.

Zu nennen ist hier insbesondere der am japanischen RIKEN-Institut entwickelte Prototyp RobearFootnote 59, der bereits auf eine mehrjährige Entwicklungshistorie zurückblickt. Robear ist mit einer Motorisierung ausgestattet, die das Pflegepersonal beim belastenden Schieben des Lifters unterstützt. Das Konzept des am Fraunhofer IPA entwickelten multifunktionalen Personenlifters Elevon bietet mithilfe eines zwischen den Armen gespannten Tuchs eine stabile Unterlage für den Patienten oder die Patientin. Das Konzept sieht zudem weitere Assistenzfunktionen vor. So soll der Lifter auf Anweisung des Pflegepersonals auch in der Lage sein, autonom zum Einsatzort zu fahren und das Personal aktiv bei der Personenaufnahme unterstützen.Footnote 60 Von Panasonic wurde ein sog. robotisches Bett entwickelt (RoboticBed®Footnote 61), das sich in einen Rollstuhl verwandeln kann. Von Toyota wurde mit dem Patient Transfer AssistFootnote 62 der Prototyp eines Roboters vorgestellt, der ebenfalls den Transfer pflegebedürftiger Personen unterstützen soll. Alle hier vorgestellten Roboterlösungen befinden sich noch im Entwicklungsstadium und stehen nicht zum Verkauf. Ein neueres Produkt in diesem Anwendungsfeld ist der motorisierte Personenlifter von PRT Robots, der sowohl für den Patiententransfer als auch für Gehübungen in der Rehabilitation genutzt werden kann.Footnote 63

Im Rahmen der Förderlinie „Robotische Systeme für die Pflege“Footnote 64 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden weitere Assistenzsysteme für den Personentransfer entwickelt. Das Projekt „AdaMeKoR“Footnote 65 beschäftigt sich mit einem adaptiven und multifunktionalen Mehrkomponenten-Robotersystem zum Einsatz am Pflegebett. In „PfleKoRo“Footnote 66 soll ein kooperierender Roboter die Pflegefachpersonen bei der Pflege bettlägeriger Schwer- und Schwerstpflegebedürftiger entlasten, bspw. durch Unterstützung beim Umlagern.

Der Einsatz von aktiven oder passiven körpergetragenen Systemen könnte ebenfalls einen Mehrwert für die körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten des Pflegepersonals bieten. Im Rahmen des Projekts „Care-Jack“Footnote 67 wurde eine passive Orthese prototypisch entwickelt, die insbesondere beim Heben und Drehen von Pflegebedürftigen unterstützen soll. Ein aktiv angetriebenes anthropomorphes Exoskelett für ähnliche Anwendungen wurde im Projekt „ExoPflege“Footnote 68 entwickelt. Im Projekt „EXPERTISE 4.0“Footnote 69 der Bruderhaus Diakonie werden verschiedene kommerziell verfügbare Exoskelette hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit in der Pflege untersucht.

4.4.2 Körperhygiene

Ein weiterer Einsatzbereich, für den robotische Systeme entwickelt, jedoch noch nicht flächendeckend eingesetzt werden, ist die Unterstützung der Körperhygiene. Für kranke oder pflegebedürftige Personen in stationären Einrichtungen ist die Körperhygiene ein intimer Vorgang, für den zwischen Pflegepersonal und zu pflegender Person ein besonderes Vertrauensverhältnis herrschen sollte. Übernimmt ein automatisiertes System bestimmte Hygienemaßnahmen, kann dies weniger hemmend und intim sein. Die Anzahl an vorhandenen Entwicklungen in diesem Bereich ist gering und oft sind die Systeme nicht im Praxiseinsatz angekommen. So stellte bereits 1970 die Firma Sanyo erste Entwürfe einer Human Washing Machine vor, eine Waschkabine, in die man sich hineinsetzen und sich automatisiert waschen lassen konnte. Eine Neuauflage ist für die Expo 2025 angekündigt.Footnote 70 Ähnliche Funktionen bietet das robotische Bad Santelubain 999 der Firma Avant.Footnote 71 Neben der Reinigung an sich bietet es auch Massagefunktionen sowie das Eincremen mit Bodylotion.

Das EU-Forschungsprojekt „I-SUPPORT“ beschäftigte sich mit der Entwicklung eines robotischen Duschsystems (Zlatintsi et al. 2020), das stärker auf die Anforderungen des europäischen Markts fokussiert. Hauptkomponenten sind ein robotischer Duschstuhl, ein ebensolcher Dusch- und ein robotischer Wascharm sowie unterschiedliche Interaktionsmodalitäten.

5 Fazit

Die Robotik kann auch außerhalb des OP auf vielerlei Art und Weise zur Unterstützung des Personals im Krankenhaus dienen. Aktuell verfügbare Produkte für diese Einsatzfelder sind jedoch noch auf eine klar umrissene Aufgabe beschränkt. Eines der Einsatzfelder liegt in der Automatisierung pflegeferner Tätigkeiten wie z. B. dem Transport oder der Reinigung bzw. Desinfektion ohne direkten Kontakt zu kranken oder pflegebedürftigen Personen. Üblicherweise kommen hier autonom navigierende Roboter ohne Arme zum Einsatz. Roboter, die eine physische Interaktion vorsehen, insbesondere Rehabilitationsroboter, werden in vielen Fällen teils noch ferngesteuert (vom Nutzer selbst, bspw. bei Exoskeletten, oder vom begleitenden Fachpersonal) und beinhalten nur eine geringe Autonomie. Verfügbare Produkte, die eine Interaktion mit Patienten und Bewohnern vorsehen und dabei ebenfalls zu Teilen autonom agieren, beschränken diese auf primär nicht-physische Assistenzfunktionen. Roboter mit umfangreichen, auch physischen Interaktionsfähigkeiten und komplexem autonomem Verhalten sind heutzutage noch der Forschung zuzuordnen.

In den nächsten Jahren ist zu erwarten, dass zunächst weitere Roboter ohne Arme in den Praxiseinsatz kommen. Diese für den Transport und die Bereitstellung von Materialien auch innerhalb der Stationen oder für die Bodenreinigung verfügbaren Produkte ermöglichen bereits heute eine signifikante Zeitersparnis des Personals. Ein flexibler Transportroboter, der in einer Pflegeeinrichtung mit knapp 80 Betten den kompletten Wäschetransport übernimmt, also sowohl den Transport von Schmutzwäsche von allen Wohnbereichen zu einem Lagerbereich im Keller als auch das Verteilen von Frischwäsche auf die Wohnbereiche, könnte beispielsweise bereits bei einer Abschreibungsdauer von drei Jahren wirtschaftlich eingesetzt werden. Als Vergleichswert wurden die Kosten einer Hauswirtschaftskraft herangezogen, die lediglich die genannten Transporte durchführt. Die Wirtschaftlichkeit lässt sich noch deutlich steigern, wenn der Roboter weitere Transportdienste übernimmt. In diesem Szenario arbeitet der Roboter inklusive Ladevorgängen rund um die Uhr.

Neben der Wirtschaftlichkeit gibt es weitere Aspekte, die die Einführung von Robotern in der stationären Pflege beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise Fragen der Finanzierung, der Sicherheit oder der Regularien wie u. a. des Datenschutzes. Auch die Nutzerfreundlichkeit und Akzeptanz sowohl aufseiten der Fachkräfte als auch aufseiten der kranken oder pflegebedürftigen Personen spielen eine wesentliche Rolle. Hier sind für viele Anwendungen weitergehende Praxistests, Entwicklungen und Optimierungen nötig, um eine optimale Einbindung der Roboter in die Pflegeprozesse sicherzustellen, den Nutzen der Roboter in der Praxis nachzuweisen und relevante Erfolgsfaktoren für eine gelungene Einführung zu identifizieren. So kann die Technik für alle Beteiligten gewinnbringend zum Einsatz kommen.