FormalPara Zusammenfassung

Seit Anfang des Jahres 2020 wird die Ausbildung in den Pflegeberufen neu geregelt. Mit der kompetenzorientierten generalistisch ausgerichteten Ausbildungskonzeption reagiert der Gesetzgeber auf die zunehmend komplexen Pflege- und Versorgungsbedarfe ebenso wie auf die Entwicklungen in der Pflegewissenschaft und in anderen Wissenschaftsbereichen. Die Reform geht mit zahlreichen Innovationen einher. So sind Teile der Berufsausübung nunmehr rechtlich geschützt und die Ausbildung kann an Pflegeschulen oder an Hochschulen absolviert werden. Dieser Beitrag geht auf diese und weitere Innovationen der Pflegeberufereform ein. Er verdeutlicht Herausforderungen und Konsequenzen und formuliert offene Fragen und ausgewählte Handlungsbedarfe.

Since the beginning of 2020, training in the nursing professions has been newly regulated. With the competence-oriented generalist training concept, the legislator reacts to the increasingly complex nursing and care needs as well as to developments in nursing science and other scientific areas. The reform is accompanied by numerous innovations. For example, parts of the professional practice are now legally protected, and the training can be completed at nursing schools or universities. This article discusses these and other innovations of the nursing profession reform. It clarifies challenges and consequences and formulates open questions and the need for action in selected fields.

1 Einleitung

Die grundlegende Reform der Pflegeausbildung, wie sie sich seit Anfang 2020 mit dem Pflegeberufegesetz vollzieht, wäre nicht hinreichend ausgeleuchtet, wenn man sie auf die Zusammenführung der bisher separat geregelten Ausbildungen in der Altenpflege, in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie in der Gesundheits- und Krankenpflege beschränken würde. Vielmehr lassen sich die zentralen Innovationen, die mit dieser Reform verbunden sind, weder in den Pflegeschulen noch in den Praxiseinrichtungen durch einfache Anpassungen zufriedenstellend umsetzen. Ihre gelingende und nachhaltige Implementierung fordert vielmehr in den verschiedenen Verantwortungsbereichen und Handlungsfeldern eine Veränderung von Strukturen und Kernprozessen, die weit über den Ausbildungsbereich im engeren Sinne hinausgehen. Zu Recht ist das Pflegeberufegesetz, das die neue Ausbildung im Kern regelt, Teil einer umfassenderen Pflegeberufereform. So betrifft etwa die erstmalige Festlegung vorbehaltener Tätigkeiten die Organisation pflegerischer Arbeit in den verschiedenen Einrichtungen.

Nach einer langjährigen Vorbereitungszeit mit zahlreichen Modellversuchen und zum Teil kontroversen politischen Diskussionen wurde die Pflegeausbildung in Deutschland zum Januar 2020 grundlegend reformiert (BMFSFJ 2008; Görres et al. 2009). Im Jahr 2023 werden die ersten Absolventinnen und Absolventen nach dem Pflegeberufegesetz ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann abschließen. Die neue, im Kern generalistisch ausgerichtete Ausbildungskonzeption löst die drei bisherigen, auf einzelne Lebensphasen und Lebensalter fokussierten Erstausbildungen mit separaten Ausbildungsabschlüssen in der Gesundheits- und Krankenpflege, in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie in der Altenpflege ab. Die Pflegeausbildung nach neuem Recht erstreckt sich stattdessen auf die gesamte Lebensspanne der zu pflegenden Menschen und vermittelt die allgemeinen Kompetenzen, die für ein professionelles, pflegeprozessbezogenes Handeln in akuten und dauerhaften Pflegesituationen in verschiedenen Versorgungskontexten erforderlich sind. Die breit angelegte Erstausbildung schlägt sich nicht nur in einem erweiterten Pflege- und Berufsverständnis nieder, das dem theoretischen und praktischen Unterricht in den Pflegeschulen zugrunde gelegt wird, sondern zeigt sich auch in der Bandbreite der Einsatzbereiche, welche die Auszubildenden in der praktischen Ausbildung kennenlernen. Diese umfasst die drei allgemeinen Versorgungsbereiche der stationären Akutpflege, der stationären Langzeitpflege sowie der ambulanten Akut-/Langzeitpflege, darüber hinaus kürzere Einsatzzeiten in der pädiatrischen und in der psychiatrischen Versorgung (Hundenborn 2020).

Mit der reformierten Pflegeausbildung verfolgt der Gesetzgeber verschiedene Intentionen: Die Ausbildung soll vor allem den veränderten und zunehmend komplexen Pflege- und Versorgungsbedarfen der Bevölkerung entsprechen. Sie soll zudem die Entwicklungen im Pflegeberuf und in der Pflegewissenschaft aufgreifen. Schließlich soll sie den Anschluss an das europäische Pflegebildungssystem gewährleisten. Pflegefachpersonen sollten – u. a. den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation von 1988 und 1993 folgend – eine generalistische Ausbildung absolvieren und im Berufsverlauf spezialisierte Kompetenzen in anschlussfähigen Weiterbildungsprozessen erwerben.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Veränderungen der Pflegeausbildung geht dieser Beitrag auf ausgewählte zentrale Innovationen der Pflegeberufereform ein und skizziert Herausforderungen und Konsequenzen, die sich hieraus für unterschiedliche Handlungsbereiche und Akteure ergeben. Er beleuchtet offene, mit der Pflegeberufereform verbundene Fragen und Handlungsbedarfe und skizziert erkennbare Reformansätze, die Konkretisierungen und Änderungen der bestehenden Regelungen nahelegen.

2 Die zentralen Innovationen der Pflegeausbildung

2.1 Generalistische Erstausbildung und besondere Trägerverantwortung

Trotz der gut zwei Jahrzehnte währenden Vorbereitungszeit, in der zahlreiche Modellversuche einschlägige Ergebnisse erbrachten, konnte sich im Gesetzgebungsverfahren in Deutschland die so genannte generalistische Ausbildung nach europäischem Vorbild und Standard nicht vollständig durchsetzen. Anstelle des Regelabschlusses als Pflegefachfrau/Pflegefachmann ermöglicht das Pflegeberufegesetz vielmehr in Teil 5 den Erwerb der beiden gesonderten Berufsabschlüsse in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege oder in der Altenpflege. Allerdings entsprechen die beiden gesonderten Berufsabschlüsse nicht den bisherigen separaten Abschlüssen. Alle Auszubildenden durchlaufen vielmehr in den ersten beiden Ausbildungsdritteln eine generalistische Ausbildung. Die Ausrichtung auf die Pflege von Menschen aller Altersstufen zeigt sich auch in den praktischen Einsätzen. Diese werden in der stationären Akutpflege, der stationären Langzeitpflege sowie der ambulanten Akut-/Langzeitpflege absolviert. Der Einsatz in der pädiatrischen Versorgung ist aufgrund von Kapazitätsgrenzen vergleichsweise kurz. Nach den ersten beiden generalistisch ausgerichteten Ausbildungsdritteln können die Auszubildenden unter bestimmten Voraussetzungen ihr Wahlrecht ausüben. Dieses ermöglicht den Auszubildenden, im letzten Ausbildungsdrittel entweder die generalistische Ausbildung fortzusetzen oder sich für eine spezifische Ausbildung in der Pflege von Kindern und Jugendlichen oder von alten Menschen zu entscheiden. Dieser im fortgeschrittenen Gesetzgebungsverfahren politisch erstrittene Kompromiss gilt zunächst für einen Übergangszeitraum. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Gesundheit werden bis zum 31. Dezember 2025 ermitteln, wie viele Auszubildende ihr Wahlrecht ausgeübt haben (§ 62 PflBG). Auf der Grundlage dieser Ergebnisse soll die endgültige Ausbildungskonzeption geregelt werden.

Im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung absolvieren die Auszubildenden in den ersten beiden Ausbildungsdritteln nach einem Orientierungseinsatz (400 h), der i. d. R. beim Träger der praktischen Ausbildung absolviert wird, Pflichteinsätze in den drei allgemeinen Versorgungsbereichen der stationären Akutpflege, der stationären Langzeitpflege sowie der ambulanten Akut-/Langzeitpflege (je 400 h) sowie einen kürzeren Einsatz in der pädiatrischen Versorgung (60–120 h). Im letzten Ausbildungsdrittel schließen sich ein kürzerer Einsatz in der psychiatrischen Versorgung (120 h), ein umfangreicher Vertiefungseinsatz (500 h) und weitere Einsätze zur freien Verfügung (2 × 80 h) an. Die Träger der praktischen Ausbildung sind im Rahmen der ihnen vom Gesetzgeber nach § 8 PflBG zugewiesenen Verantwortung verpflichtet, die für die praktische Ausbildung vorgeschriebenen Einsätze sicherzustellen. Hierfür benötigen sie einerseits verlässliche Kooperationspartner, welche die erforderlichen Einsatzbereiche zur Verfügung stellen können, die der Träger der praktischen Ausbildung selbst nicht vorhält. Andererseits werden sie von den Trägern anderer Versorgungseinrichtungen als Kooperationspartner angefragt, ihrerseits Einsatzbereiche zur Verfügung zu stellen. Im Vergleich zu den bisherigen Regelungen des Krankenpflegegesetzes und des Altenpflegegesetzes erfordert das Pflegeberufegesetz eine breit angelegte praktische Ausbildung und einen entsprechenden Wechsel der Auszubildenden zwischen den Einrichtungen verschiedener Kooperationspartner. Die planmäßige, zeitlich und sachlich zu gliedernde, praktische Ausbildung bedarf eines systematischen Rotationsverfahrens mit einer eigenen Logistik und Koordination.

Abhängig von der regionalen Infrastruktur der jeweiligen Einrichtung gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung berichten Träger, Einrichtungs- und Schulverantwortliche von Engpässen und Problemen, eine hinreichende Anzahl von Kooperationspartnern zu gewinnen und alle sogenannten Außeneinsätze für ihre Auszubildenden sicherzustellen. Nahezu flächendeckend treffe dies – so die Ausbildungsträger – auf den Einsatz in der pädiatrischen Versorgung zu. Jedoch stellten auch Einsätze in der ambulanten Versorgung häufig ein Nadelöhr dar, da kleinere Pflegedienste selbst wenige Auszubildende aufwiesen und nur vereinzelt Auszubildende von anderen Trägern der praktischen Ausbildung aufnehmen könnten. Zur Vermeidung ungünstiger Wettbewerbssituationen zwischen den Ausbildungsanbietern einer Region wird der Aufbau von Ausbildungsverbünden unterstützt und finanziell gefördert. Die Ausgestaltung der Lernortkooperation kann über Verbundverträge und/oder über Kooperationsverträge sichergestellt werden. Vielfach kooperieren die Lernorte jedoch zurzeit noch ohne eine vertragliche Absicherung. Den Ergebnissen einer in Rheinland-Pfalz durchgeführten Studie zur Lernortkooperation folgend, bringt die Mitgliedschaft in einem Ausbildungsverbund Vorteile mit sich. Wenngleich die Einsatzplanung auch hier mit Herausforderungen verbunden ist, scheint dem Bedarf an Absprachen, Austausch und Information in Ausbildungsverbünden besser entsprochen zu werden. Treffen und Besprechungen finden hier häufiger und regelmäßiger statt als in Einrichtungen, die keinem Ausbildungsverbund angehören. Auch die mit der Einsatzplanung und der Erstellung eines Ausbildungsplans verbundenen Herausforderungen können perspektivisch in verbindlichen Kommunikations- und Kooperationsstrukturen erleichtert werden. Einen systematischen Überblick über Ausbildungsverbünde bieten für das Bundesland Rheinland-Pfalz die Ergebnisse der KOMPASS-Studie, die auf der Grundlage einer empirischen Bestandsaufnahme durchgeführt wurde (Lauxen 2022).

2.2 Zwei Qualifizierungswege – zwei Kompetenzniveaus

Das Pflegeberufegesetz eröffnet zwei Wege in die Ausbildung. Anstelle einer pflegeberuflichen Ausbildung an Pflegeschulen können Ausbildungsinteressierte mit einem Hochschulzugang die Ausbildung als primärqualifizierendes Studium an einer Hochschule absolvieren. War dieser Weg lange Zeit nur im Rahmen von Modellversuchen möglich, stellt er nun einen regulären Zugang zum Pflegeberuf dar. Auch das Studium befähigt zur direkten Pflege, d. h. zur Pflegeprozessgestaltung mit zu pflegenden Menschen aller Altersstufen und ihren Bezugspersonen. Das Studium soll die hierfür erforderlichen Kompetenzen jedoch auf einem höheren Anspruchsniveau vermitteln. Hochschulisch qualifizierte Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner sollen aufgrund ihres vertieften pflegewissenschaftlichen Wissens, ihrer forschungsbezogenen Kompetenzen und ihres besonders differenzierten Verständnisses für den Einfluss institutioneller, gesellschaftlicher und normativer Kontextbedingungen zur Steuerung und Gestaltung auch hochkomplexer Pflegeprozesse befähigt werden (Hundenborn 2022). Der erfolgreiche Studienabschluss endet mit der Berufszulassung und der Berufsbezeichnung Pflegefachfrau/Pflegefachmann in Verbindung mit einem Bachelorgrad. Ein Wahlrecht für einen der gesonderten Berufsabschlüsse haben die Studierenden im primärqualifizierenden Pflegestudium nicht.

Der Gesetzgeber sieht in der Einführung eines bundesrechtlich geregelten primärqualifizierenden Pflegestudiums eine Aufwertung des Berufs und zugleich eine Möglichkeit, den zunehmend komplexen Pflege- und Versorgungssituationen zu entsprechen. Bereits seit 2012 empfiehlt der Wissenschaftsrat, angesichts der komplexer werdenden Anforderungen in der Gesundheitsversorgung einen Teil der Berufsangehörigen in den Pflege- und Therapieberufen sowie im Hebammenwesen an Hochschulen auszubilden (WR 2012, 2018). Auch die Hochschulrektorenkonferenz geht in ihren Empfehlungen davon aus, dass die hierfür erforderlichen Kompetenzen an wissenschaftliche Erkenntnisse gebunden sind, zu deren Anbahnung und Entwicklung es primärqualifizierender Studiengänge bedarf (HRK 2017). Auch die Partner der Ausbildungsoffensive Pflege setzen sich in ihrem zweiten Bericht für eine Erhöhung des Anteils akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen für die unmittelbare Versorgung von zu pflegenden Menschen mit besonders komplexen Pflegebedarfen ein (BMFSFJ 2022).

Eine erste Sondererhebung, die im Rahmen des Pflegepanels vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zwischen Januar und April 2022 durchgeführt wurde, zeigt einen Anteil von lediglich 0,78 % Studierenden primärqualifizierender Studiengänge. Rechnet man die Studierenden vergleichbarer, nicht primärqualifizierender Studiengänge hinzu, liegt der Anteil bei nur 1,70 % (Meng et al. 2022). Die Quoten liegen damit weit unter der vom Wissenschaftsrat bereits 2012 empfohlenen Quote von 10 bis 20 % eines Ausbildungsjahrgangs, die angesichts der steigenden quantitativen und qualitativen Anforderungen in der Gesundheitsversorgung akademisch qualifiziert sein sollten, unbenommen akademischer Weiterbildungsangebote für bereits ausgebildete berufserfahrene Fachkräfte (WR 2012).

2.3 Vorbehaltene Tätigkeiten im Pflegeprozess – besondere Verantwortung und Verpflichtungen

Erstmals stellt der Gesetzgeber mit § 4 PflBG ausgewählte pflegerische Aufgaben unter einen besonderen rechtlichen Schutz und verdeutlicht hierdurch die besondere Verantwortung von Pflegefachpersonen. Die vorbehaltenen Tätigkeiten beziehen sich auf den Pflegeprozess und umfassen „1. Die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs […], 2. die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses […]“ sowie „3. die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege […]“. Die in § 4 PflBG geregelten vorbehaltenen Tätigkeiten gelten als absolute Vorbehalte. Sie legen einen autonomen Verantwortungsbereich von Pflegefachpersonen fest und schließen diese damit für andere Berufsgruppen aus. Die vorbehaltenen Tätigkeiten dienen dem Schutz der zu pflegenden Menschen, der Patientensicherheit und der Sicherung der Pflegequalität. Sie sind deshalb nicht nur Regelungsgegenstand der Ausbildung, sondern betreffen die gesamte Organisation der Pflegearbeit in den Einrichtungen. Arbeitgeber dürfen vorbehaltene Tätigkeiten weder auf Personen übertragen, die nicht über eine Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung nach § 1 PflBG verfügen oder deren Erlaubnis ruht, noch die Durchführung von vorbehaltenen Aufgaben durch Personen dulden, die nicht hierfür legitimiert sind. Eine Zuwiderhandlung kann mit einem Bußgeld bis zu 10.000 € geahndet werden (§ 57 PflBG). Vom Vorbehalt ausgenommen sind die Durchführung und Dokumentation der geplanten Pflege als Teile des Pflegeprozesses. Damit ist auch die Möglichkeit verbunden, Pflegende, die nicht Pflegefachpersonen sind, sowie Angehörige anderer Berufsgruppen in den Pflegeprozess einzubeziehen. Der Pflegeprozess als zentrales Handlungsmodell des Pflegeberufs erfährt hierdurch eine fachliche und rechtliche Aufwertung, die zugleich Ausdruck eines grundlegend veränderten Pflege- und Berufsverständnisses und eines fortschreitenden Professionalisierungsprozesses ist. Der Pflegeprozess zentriert die Beziehungsgestaltung zwischen der Pflegefachperson und dem zu pflegenden Menschen in der individuellen und lebensweltorientierten Auseinandersetzung mit gesundheits- und entwicklungsbedingten Herausforderungen unter Wahrung ihrer Autonomie und ihres Selbstbestimmungsrechts (Hundenborn und Knigge-Demal 2018; Weidner 2019).

Ausbildung und Organisation der Pflegearbeit in den Einrichtungen sind zentral dem Pflegeprozess einschließlich der vorbehaltenen Tätigkeiten verpflichtet. Die Fachkommission nach § 53 Pflegeberufegesetz geht in ihren Rahmenplänen davon aus, dass die systematische Auseinandersetzung mit dem Pflegeprozess in der Pflegeausbildung eine Voraussetzung für den Erwerb der mit den vorbehaltenen Tätigkeiten verbundenen Kompetenzen ist (Fachkommission 2020). Damit gilt, dass unter der Perspektive der besonderen fachlichen und rechtlichen Verantwortung vielfach eine Aktualisierung pflegeprozessbezogener Kompetenzen bereits ausgebildeter Pflegefachpersonen und der ausbildungsverantwortlichen Praxisanleitenden erforderlich ist. Die Organisation der Pflegearbeit, Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten im Kontext pflegeprozessbezogenen Handelns in komplexen und hochkomplexen Pflegesituationen sind in der Organisation der Pflegearbeit neu zu regeln. Das Pflegeberufegesetz steckt mit den Regelungen des § 4 einen Rechtsrahmen ab, der in verschiedenen Punkten einer weiteren Ausgestaltung und Festlegung bedarf. So ist etwa zu klären, inwieweit Pflegefachpersonen, die nach dem Pflegeberufegesetz einen der gesonderten Berufsabschlüsse in der Altenpflege oder in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erwerben, die vorbehaltenen Tätigkeiten für die Pflegeprozessgestaltung mit Menschen aller Altersgruppen übernehmen dürfen. Auch eine Beschränkung auf alte Menschen oder Kinder und Jugendliche wäre mit dem Problem einer kaum möglichen eindeutigen und rechtlichen verbindlichen Altersabgrenzung verbunden. Auch aus leistungsrechtlicher Sicht sind verschiedene Punkte noch strittig und werden kontrovers diskutiert, so etwa die Frage, ob die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs sich auch auf das Pflegebegutachtungsverfahren erstreckt (Weidner 2019).

2.4 Kompetenzentwicklung für das Handeln in komplexen Pflege- und Berufssituationen

Deutlich konsequenter als in den bisherigen Berufsgesetzen ist die Ausbildungskonzeption nach dem Pflegeberufegesetz auf den Aufbau und die Weiterentwicklung von situationsbezogenen Kompetenzen ausgerichtet, die für ein qualitätsangemessenes Handeln in komplexen Pflege- und Berufssituationen benötigt werden. Die im Ausbildungsverlauf aufzubauenden und weiterzuentwickelnden Kompetenzen werden in ihrem jeweiligen Anforderungsniveau in mehreren Anlagen für die berufliche Ausbildung an Pflegeschulen und für das primärqualifizierende Pflegestudium vorgeschrieben. Sie sind fünf Kompetenzbereichen zugeordnet, die eine systemische Sichtweise widerspiegeln. Kompetenzbereich I stellt die Verantwortung für den Pflegeprozess mit Menschen aller Altersstufen in den Mittelpunkt und integriert die vorbehaltenen Tätigkeiten, wobei die besondere Bedeutung der Pflegediagnostik, die als Kernelement des Pflegeprozesses anzusehen ist (Eberl 2019), eigens hervorgehoben wird. Die Beziehungsgestaltung und unmittelbare Interaktion zwischen der Pflegefachperson und dem zu pflegenden Menschen und seinen Bezugspersonen als einen integralen Bestandteil des Pflegeprozesses fokussiert Kompetenzbereich II. Die für diese beiden Kompetenzbereiche vorgeschriebenen Stundenzahlen machen in der pflegeberuflichen Ausbildung gut die Hälfte von insgesamt 2.500 h aus, die für den theoretischen und praktischen Unterricht vorgesehen sind, womit der pflegeprozessbezogene Schwerpunkt der Ausbildung und der selbstständige Verantwortungs- und Aufgabenbereich von Pflegefachpersonen nochmals verdeutlicht werden. Kompetenzen, die für Abstimmungs- und Koordinationsprozesse in der intra- und interdisziplinären Zusammenarbeit erforderlich sind, nimmt Kompetenzbereich III in den Blick. Kompetenzbereich IV ist auf die gesellschaftliche Ebene ausgerichtet. Die hier geregelten Kompetenzen fokussieren auf unterschiedlichen Systemebenen Kontextfaktoren des Pflegehandelns sowie normative, ethische und kulturelle Orientierungen, die in ihrem Einfluss auf das Pflegehandeln einer kritischen Auseinandersetzung und Reflexion bedürfen. Schließlich fokussiert Kompetenzbereich V in besonderer Weise die berufliche Identitätsentwicklung. Er beinhaltet Kompetenzen, die für ein historisches und politisches Bewusstsein des Berufs erforderlich sind und schließt die Auseinandersetzung mit der eigenen Berufsgeschichte, mit den derzeitigen Problemlagen und künftigen Herausforderungen des Pflegeberufs ein (Hundenborn 2020, 2021). Kompetenzen, die für die digitale Transformation der Gesellschaft, die Veränderungen der Berufs- und Arbeitswelt sowie im Prozess des lebenslangen Lernens erforderlich sind, werden als Querschnittskompetenzen in den Kompetenzbereichen berücksichtigt.

In den verschiedenen Anlagen zur PflAPrV spiegeln sich Kompetenzaufbau und Kompetenzentwicklung im Ausbildungsverlauf wider. So legt eine Anlage das Anforderungsniveau fest, das zum Zeitpunkt der Zwischenprüfung gegen Ende der ersten beiden Ausbildungsdrittel erreicht und nachgewiesen werden muss. Weitere Anlagen regeln die Kompetenzen auf dem Anforderungsniveau, das zum Zeitpunkt des Staatsexamens erzielt werden muss. Nach § 16 Abs. 2 PflAPrV ist die pflegeprozessbezogene praktische Prüfung, die in realen Pflegesituationen stattfindet, in besonderer Weise auf die vorbehaltenen Tätigkeiten nach § 4 PflBG auszurichten.

2.5 Orientierung und Vergleichbarkeit durch bundeseinheitliche Rahmenpläne

Erstmals wurden im Kontext des Pflegeberufegesetzes bundeseinheitliche Lehrplanempfehlungen erarbeitet, die eine vergleichbare Konkretisierung und Ausgestaltung in den Bundesländern sowie in den Pflegeschulen und Einrichtungen ermöglichen und unterstützen sollen. Entwickelt wurden die „Rahmenlehrpläne für den theoretischen und praktischen Unterricht“ und die „Rahmenausbildungspläne für die praktische Ausbildung“ durch eine eigens eingerichtete Fachkommission, in die elf pflegefachlich, pflegepädagogisch und pflegewissenschaftlich ausgewiesene Expertinnen und Experten vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit den Ländern für eine Amtszeit von fünf Jahren berufen worden sind (§ 53 PflBG). Die erstmals 2019 vorgelegten Rahmenpläne werden von der Fachkommission kontinuierlich auf ihre Aktualität hin überprüft und bei Bedarf – spätestens aber nach fünf Jahren – angepasst. Mit den bundeseinheitlichen Empfehlungen greift der Gesetzgeber nicht in die Richtlinienkompetenz der Bundesländer ein. Gleichwohl orientieren sich inzwischen die meisten Bundesländer in ihren länderspezifischen Regelungen an den Rahmenplänen der Fachkommission (Hundenborn und Darmann-Finck 2020; Darmann-Finck und Hundenborn 2019).

Die Fachkommission hat die Rahmenlehrpläne und Rahmenausbildungspläne nach den zentralen Konstruktionskriterien entwickelt, die sich bereits im Pflegeberufegesetz und in der Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung abzeichnen: Kompetenzen, die sich auf Pflege- und Berufssituationen beziehen, deren Komplexität im Ausbildungsverlauf systematisch gesteigert wird, Pflegeprozessverantwortung und vorbehaltene Tätigkeiten als Kern des selbstständigen Verantwortungs- und Aufgabenbereichs der Pflegefachpersonen und Persönlichkeitsprinzip als Ausdruck eines subjektorientierten Bildungsverständnisses (Fachkommission 2020).

Die Rahmenlehrpläne für den theoretischen und praktischen Unterricht sind in elf curriculare Einheiten (CE) strukturiert, die diesen Konstruktionsprinzipien folgen und die sich auf ausgewählte pflegerische Handlungsfelder, typische Pflegesituationen und/oder Ausbildungsphasen/Ausbildungseinsätze beziehen. Die Rahmenausbildungspläne für die praktische Ausbildung sind nach Ausbildungsabschnitten und Einsatzbereichen gegliedert. Sie beinhalten exemplarische Arbeits- und Lernaufgaben, anhand derer die jeweiligen Kompetenzen angebahnt, gefördert und weiterentwickelt werden können.

Die Rahmenpläne der Fachkommission sind – ggf. auf der weiteren Grundlage landesrechtlicher Richtlinien – von den Pflegeschulen in schulinternen Curricula zu konkretisieren. Von den Trägern der praktischen Ausbildung sind dementsprechend trägerspezifische Ausbildungspläne zu entwickeln, die das konkrete Lernangebot der jeweiligen Einsatzbereiche beinhalten. In verschiedenen Bundesländern werden Pflegeschulen und Einrichtungen in Projekten und/oder in Form von Handreichungen bei der Umsetzung der mit der Pflegeberufereform verbundenen Herausforderungen unterstützt.

2.6 Erweiterte Verantwortung für heilkundliche Aufgaben

Bereits seit 2012 war mit der vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen „Richtlinie über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V“ für ausgewiesenen diagnose- und prozedurenbezogene Tätigkeiten die rechtliche Möglichkeit der Erprobung einer Aufgabenneuverteilung zwischen Ärztinnen/Ärzten und Pflegefachpersonen eröffnet worden. Jedoch konnte bislang nur in einem Fall ein hierfür erforderlicher Modellversuch vereinbart werden. Das Pflegeberufegesetz ermöglicht nun im Rahmen der Ausbildung den Erwerb „erweiterter Kompetenzen zur selbständigen Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten“, sofern das Ausbildungsziel hierdurch nicht gefährdet wird (§ 14 PflBG). Der Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten durch Pflegefachpersonen soll dazu beitragen „die gesundheitliche Versorgung v. a. von Menschen mit chronischen Erkrankungen durch kontinuierliche, alltagsnahe, evidenzbasierte und abgestimmte Behandlungs-, Pflege-, Unterstützungs- und Informationsangebote zu sichern und hierfür die Kompetenzen der Pflegefachpersonen besser als bisher einzusetzen“ (Darmann-Finck und Hundenborn 2021; Hundenborn und Darmann-Finck 2021). Deshalb hat die auf der Grundlage des § 14 Abs. 4 PflBG mit der Entwicklung von standardisierten Modulen beauftragte Fachkommission insgesamt neun Module auf dem Hintergrund des im Pflegeberufegesetz verankerten Pflege- und Berufsverständnisses konzipiert und die G-BA Richtlinie dementsprechend interpretiert (Tab. 10.1).

Tab. 10.1 Übersicht über die standardisierten Module zum Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Aufgaben. (Die Module mit fett hervorgehobener Schrift sind in den Rahmenverträgen geregelt. Die Aufnahme der weiteren Module soll folgen). (Fachkommission 2022)

Damit rückt die Verantwortung für eine selbstständige Pflegeprozessgestaltung in komplexen individualisierten Pflegesituationen zusammen mit den in § 4 PflBG geregelten vorbehaltenen Tätigkeiten auch in das Zentrum der erweiterten Ausbildung. Die Module sind gemeinsam vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt worden (Fachkommission 2022). Der neu in das Sozialgesetzbuch V aufgenommene § 64d regelt, dass ab 01. Januar 2023 in jedem Bundesland wenigstens ein Modellversuch „zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt, auf Pflegefachkräfte mit einer Zusatzqualifikation nach § 14 des Pflegeberufegesetzes“ durchgeführt werden muss. Die auf Bundesebene geschlossenen Rahmenverträge beziehen sich zunächst auf die entwickelten standardisierten Module W 1, W 2 und W 3 in Verbindung mit dem Grundlagenmodul und sind Voraussetzung für die auf Landesebene zu schließenden Verträge zu den einzelnen Modellvorhaben.

Mit einer zusätzlichen Ausbildung zum Erwerb erweiterter Kompetenzen verlängert sich die Ausbildung um den Zeitraum, der für das Absolvieren der ausgewählten und in einen Modellversuch aufgenommenen Module erforderlich ist. Die standardisierten Module werden in einer erweiterten staatlichen Prüfung zusammen mit der Abschlussprüfung der Pflegeausbildung oder des primärqualifizierenden Pflegestudium geprüft. Die Finanzierung der erweiterten Ausbildung fällt unter den Anwendungsbereich der Fondsfinanzierung unter Berücksichtigung der auf Landesebene getroffenen Entscheidung für oder gegen ein Pauschalbudget. Dies gilt zunächst nicht für die Finanzierung erweiterter Kompetenzen, die im Rahmen der hochschulischen Pflegeausbildung erworben werden. BMFSFJ und BMG machen jedoch darauf aufmerksam, dass die Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung einschließlich einer Ausbildungsvergütung und eine diesbezügliche Änderung des Pflegeberufegesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung derzeit von den beiden Bundesministerien geprüft werde (BMFSFJ und BMG 2022).

2.7 Grundsätze und Verfahren der Finanzierung: Ein Überblick

Mit dem Pflegeberufegesetz und der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PflAFinV) wurden auch die bisherigen Finanzierungsregelungen der Pflegeausbildung grundlegend geändert. Wurde die Ausbildung in den Krankenpflegeberufen auf der Grundlage des § 17 KHG geregelt, wies die Finanzierung der Altenpflegeausbildung auf Länderebene im Vergleich der Bundesländer teils erhebliche Unterschiede auf. Deshalb sollen nun bundeseinheitliche Grundsätze für die Finanzierung der neuen Pflegeausbildung gemäß § 26 PflBG bundesweit eine wohnortnahe qualitätsgesicherte Ausbildung sicherstellen, eine ausreichende Anzahl von Qualifizierungen gewährleisten, Wettbewerbsnachteile verhindern, die zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Einrichtungen entstehen können, die Ausbildung auch in kleineren und mittleren Einrichtungen fördern und wirtschaftliche Ausbildungsstrukturen gewährleisten. Die Finanzierung erfolgt auf bundesrechtlicher Grundlage über Ausgleichsfonds, die auf Landesebene eingerichtet worden sind.

In den Ausbildungsfonds zahlen nach festgelegten Anteilen Krankenhäuser, stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen, gesetzliche und private Pflegeversicherungen und das jeweilige Bundesland ein. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen leisten die Einzahlungen in den Ausgleichsfonds nach einem landesweiten Umlageverfahren. Aus dem Ausbildungsfonds erhalten die ausbildenden Pflegeschulen Ausbildungspauschalen für die schulische Ausbildung, welche die prospektiv ermittelten Schulbetriebskosten (ohne die Investitionskosten) umfassen. Die Träger der praktischen Ausbildung erhalten Pauschalen für die betrieblich-praktische Ausbildung, wobei die Mehrkosten für die Ausbildungsvergütung nicht pauschal, sondern anhand der tatsächlichen Kosten der Auszubildenden einrichtungsindividuell berechnet werden. Hierbei wird für stationäre Einrichtungen ein Anrechnungsschlüssel von 9,5:1 und für ambulante Einrichtungen ein Anrechnungsschlüssel von 14:1 zugrunde gelegt. Im ersten Ausbildungsdrittel entfällt dieser Anrechnungsschlüssel, d. h. der so genannte Wertschöpfungsanteil der Auszubildenden wird nicht angerechnet. Verschiedene Verbände fordern die Abschaffung des Wertschöpfungsanteils auch für das zweite und letzte Ausbildungsdrittel zugunsten einer Konzentration auf die Ausbildungsqualität (DEVAP 2021).

Anstelle der auf Landesebene festgelegten Pauschalbudgets für die Kosten der praktischen Ausbildung und für die Ausbildungskosten der Pflegeschulen können Individualbudgets vereinbart werden, wenn dies das jeweilige Land oder die Parteien übereinstimmend „bis zum 15. Januar des Vorjahres des Finanzierungszeitraums schriftlich erklären“ (§ 29 Abs. 5 PflBG). Die zuständigen Stellen in den Bundesländern setzen das jeweilige Ausbildungsbudget für die Träger der praktischen Ausbildung und für die Pflegeschulen fest, anteilig je auszubildender Person und Monat. Die Gesamthöhe des Finanzierungsbedarfs wird bis zum 15. September eines Jahres bestimmt. Aufgrund vielfältiger Variablen, auf die dieser Beitrag nicht differenziert eingehen kann, weichen die Ausbildungsbudgets im Ländervergleich nicht unbeträchtlich voneinander ab.

Wie bereits in Abschn. 10.2.2 ausgeführt, bleibt der bisherige Anteil hochschulisch qualifizierter Pflegefachpersonen weit hinter den Empfehlungen des Wissenschaftsrats und der Hochschulrektorenkonferenz zurück. Einer der Gründe wird in den besonderen Finanzierungsregelungen des Studiums gesehen. Das in Teil 3 des Pflegeberufegesetzes geregelte Pflegestudium fällt nicht unter die Finanzierungsregelungen von Teil 2 und der korrespondierenden Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PflAFinV). Die Aufwendungen und Kosten für das Studium werden also nicht über die auf Länderebene eingerichteten Ausbildungsfonds finanziert. Die Studierenden erhalten keine Ausbildungsvergütung, sondern müssen das Studium über die üblichen Wege von BAföG oder Stipendien finanzieren. Eine studienbegleitende Erwerbsmöglichkeit als reguläre Möglichkeit der Finanzierung des Unterhalts scheidet angesichts der Studienlast und der einzuhaltenden Stundenzahlen aus, die den europarechtlichen Vorgaben von mindestens 4.600 h entsprechen müssen. Die erste Sondererhebung des BIBB zeigt auf, dass Hochschulen, die eine kontinuierliche Finanzierung der Studierenden primärqualifizierender Studiengänge sicherstellen konnten, eine höhere Auslastung der Studienplatzkapazitäten haben als die Hochschulen ohne eine vergleichbar geregelte Finanzierung. Als Gründe für die bereits frühzeitig festzustellende geringe Auslastung von Studienplatzkapazitäten geben u. a. die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) und der Deutsche Pflegerat (DPR) in einem gemeinsamen Statement die fehlende Vergütung der Praxiseinsätze von Studierenden, die verhaltene Kooperationsbereitschaft von Einrichtungen aufgrund der fehlenden Refinanzierung der Praxisanleitung sowie die mangelnde Ausstattung der Hochschulen an (DGP und DPR 2021). In einem Antrag vom November 2022 stellt die Fraktion CDU/CSU fest, dass die hochschulische Pflegeausbildung in Deutschland damit hinter dem Potenzial zurückbleibe und die angestrebte qualitative Weiterentwicklung ausbleibe. Sie fordert vor diesem Hintergrund die Bundesregierung auf, die mit dem primärqualifizierenden Pflegestudium verbundenen Finanzierungsprobleme zu lösen und länderübergreifende Arbeitsfelddefinitionen hochschulisch ausgebildeter Pflegefachpersonen zu vereinbaren (BT-Drs. 20/4316). Eine auf Bundesebene eingerichtete Arbeitsgruppe ist zurzeit mit der Entwicklung von Tätigkeitsprofilen für hochschulisch ausgebildete Pflegefachpersonen befasst (Hundenborn 2022).

3 Diskussion und Ausblick

Die durch das Pflegeberufegesetz reformierte Pflegeausbildung soll einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen leisten, die mit den soziodemographischen und epidemiologischen Veränderungen für die gesundheitliche und pflegerische Versorgung der Bevölkerung einhergehen. Der prognostizierte quantitative und qualitative Bedarf an Pflegefachpersonen erfordert entsprechend hohe Ausbildungsplatzkapazitäten. Durch zahlreiche Initiativen und Vereinbarungen konnte die Anzahl an Ausbildungsplätzen im Zehn-Jahres-Zeitraum zwischen 2009 und 2019 um ca. 40 % beträchtlich gesteigert werden (BMG 2021; Statistisches Bundesamt 2023). Über die Entwicklung der Ausbildungszahlen nach dem Pflegeberufegesetz sowie über die Anzahl erfolgreich abgeschlossener Ausbildungen liegen zurzeit noch keine belastbaren Daten vor. Denn erst Anfang des Jahres 2023 werden die ersten Kursteilnehmenden die Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz abschließen. Auch können bislang keine belastbaren Aussagen über Abbruchquoten und Abbruchgründe getroffen werden. Jedoch sollen Ausbildungsabbrüche durch strukturelle Maßnahmen sowie durch die Begleitung von Auszubildenden reduziert werden. Der Aufbau einer amtlichen Statistik soll künftig die Ausbildung in den Pflegeberufen begleiten und zuverlässige Aussagen ermöglichen (BMG 2021).

Auch zur Berufseinmündung und zum Berufsverbleib von ausgebildeten Pflegefachpersonen liegen bislang kaum systematische Daten oder Studienergebnisse vor. Eine aktuell in Nordrhein-Westfalen durchführte Studie „Berufseinmündung und Berufsverbleib in der Pflege in NRW“ zeigt u. a., dass die nach der Ausbildung präferierten Arbeitsbereiche in einem hohen Maß mit den Trägern der praktischen Ausbildung korrespondieren. Dementsprechend favorisierten Pflegefachpersonen aus der Gesundheits- und Krankenpflege/Gesundheits- und Kinderkrankenpflege eine Beschäftigung im Akutkrankenhaus, diejenigen aus der Altenpflege eine Beschäftigung in der stationären Langzeitpflege (Isfort et al. 2022). Ob und wie sich das Berufseinmündungsverhalten bei Pflegefachpersonen verändern wird, die nach dem Pflegeberufegesetz ausgebildet sind, wird sich erst zu einem späteren Zeitpunkt untersuchen lassen.

Die Pflegeprozessverantwortung mit erstmals fachlich und rechtlich besonders geschützten vorbehaltenen Tätigkeiten erfordert eine rechtssichere Verantwortungs- und Aufgabenübertragung in qualifikationsheterogenen Pflegeteams. Diese muss einhergehen mit Personal- und Teamentwicklungsprozessen, die in besonderer Weise in den Zuständigkeitsbereich des Pflegemanagements fallen. Dabei sind etliche Fragen im Rechtsrahmen dieses autonomen und selbstständigen Verantwortungs- und Aufgabenbereichs von Pflegefachpersonen zurzeit noch nicht sicher und einheitlich beantwortet.

Das breite Einsatzspektrum in der generalistischen Pflegeausbildung erfordert den Auf- und Ausbau von Kooperationen, die über das bisherige Maß hinausgehen. Dem Träger der praktischen Ausbildung weist der Gesetzgeber eine dementsprechend hohe Verantwortung für eine planmäßig gestaltete und organisierte praktische Ausbildung zu. Neben dem Abschluss des Ausbildungsvertrages und der Sicherstellung der Einsatzbereiche gehören hierzu auch die Entwicklung eines auf das Curriculum der Pflegeschulen abgestimmten Ausbildungsplans sowie die Sicherstellung der Praxisanleitung im Umfang von jeweils mindestens 10 % der jeweiligen Ausbildungszeit. Die hohe Trägeraffinität in den Entscheidungen zum Berufsverbleib weist jedoch auf die zusätzlichen Chancen für die Personalgewinnung und Personalbindung hin, die mit der Übernahme von Ausbildungsverantwortung und der Investition in Ausbildung verbunden sein können.

Die Förderung und Steigerung des Anteils hochschulisch ausgebildeter Pflegender, der erforderlich ist, um den gestiegenen Ansprüchen und der zunehmenden Komplexität der Pflege- und Versorgungsbedarfe zu entsprechen, ist auf der einen Seite auf eine gesicherte Finanzierung angewiesen, die zurzeit nicht gegeben ist. Diese muss mit einer Änderung des Pflegeberufegesetzes einhergehen, wobei sich diesbezügliche Vorbereitungen derzeit abzeichnen. Auf der anderen Seite müssen in den verschiedenen Einrichtungen Handlungsfelder ausgestaltet und Stellenprofile entwickelt werden, die dem Kompetenzprofil hochschulisch ausgebildeter Pflegefachpersonen für eine wissenschaftsorientierte und evidenzbasierte Pflegepraxis entsprechen. Das Pflegestudium soll in besonderer Weise für die unmittelbare patienten- und klientenbezogene Versorgung von Menschen in hochkomplexen Pflege- und Lebenssituationen qualifizieren. Dieses komplexere Verantwortungs- und Aufgabenprofil muss auch Grundlage für Fragen der tariflichen Eingruppierung werden.

Mit einer zusätzlichen Ausbildung zum Erwerb erweiterter Kompetenzen verlängert sich zwar die Ausbildung um den Zeitraum, der für das Absolvieren der ausgewählten und in einen Modellversuch aufgenommenen Module erforderlich ist. Für die Absolventinnen und Absolventen heilkundlicher Module sowie für die an Modellversuchen beteiligten Einrichtungen ergeben sich jedoch auch neue Möglichkeiten der Verantwortungs- und Aufgabenübertragung sowie der interdisziplinären Zusammenarbeit. Die standardisierten Module werden in einer erweiterten staatlichen Prüfung zusammen mit der Abschlussprüfung der Pflegeausbildung oder des primärqualifizierenden Pflegestudiums geprüft. Die Finanzierung der erweiterten Ausbildung fällt unter den Anwendungsbereich der Fondsfinanzierung unter Berücksichtigung der auf Landesebene getroffenen Entscheidung für oder gegen ein Pauschalbudget. Die gilt zunächst nicht für die Finanzierung erweiterter Kompetenzen, die im Rahmen der hochschulischen Pflegeausbildung erworben werden. BMFSFJ und BMG machen jedoch darauf aufmerksam, dass die Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung einschließlich einer Ausbildungsvergütung und eine diesbezügliche Änderung des Pflegeberufegesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung derzeit von den beiden Bundesministerien geprüft werde (BMFSFJ und BMG 2022).

Für eine gelingende Umsetzung der mit dem Pflegeberufegesetz verbundenen Herausforderungen wird es auch entscheidend darauf ankommen,

  • die Ausbildungsbereitschaft der Einrichtungen zu erhalten und zu fördern,

  • Kapazitätsengpässen in der praktischen Ausbildung entgegenzuwirken,

  • den Aufbau von Koordinierungsstellen und Ausbildungsverbünden zu stärken,

  • Ausbildungsverantwortliche durch Begleitprogramme zu unterstützen.

Die nachhaltige Implementierung der mit dem Pflegeberufegesetz verbundenen Innovationen bedarf einer systematischen Qualitätssicherung, damit die Ziele einer individualisierten Ausbildungs- und Pflegepraxis erreicht werden.