Bis hierher habe ich sowohl den nicht-reduktiven Physikalismus als auch den Vorwurf des Epiphänomenalismus weitgehend unabhängig von der Frage behandelt, was Verursachung ist. Wie in Teil 3 dieser Arbeit jedoch an einigen Stellen deutlich wurde, ist diese Frage von großer Relevanz für die Plausibilität des Vorwurfs des Epiphänomenalismus: Die These der kausalen Geschlossenheit, das übliche Exklusionsprinzip sowie die drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität sind in ihrer Plausibilität ein Stück weit davon abhängig, welcher Kausalbegriff ihnen zugrunde gelegt wird. Zudem sind auch die Aussichten einer epiphänomenalistischen Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus von der Frage abhängig, was Kausalität ist.

Es ist daher naheliegend, sich etwas detaillierter mit der Philosophie der Kausalität auseinanderzusetzen, um sich der Frage nach der Schlagkräftigkeit des Vorwurfs des Epiphänomenalismus anzunähern. In diesem dritten Teil der Arbeit geht es daher um den Zusammenhang zwischen verschiedenen Fragestellungen aus der Philosophie der Kausalität auf der einen Seite und dem Vorwurf des Epiphänomenalismus auf der anderen Seite.

Mein Vorgehen wird folgendes sein: In Abschnitt 4.1. führe ich ein Verständnis von Kausalität als kausaler Abhängigkeit ein und grenze es von einem Verständnis von Kausalität als kausaler Produktion und dem in Teil 3 bereits mehrfach zur Sprache gekommenen Begriff der hinreichenden Verursachung ab. Abschnitt 4.2. geht knapp auf die Rolle hinreichender Verursachung im Vorwurf des Epiphänomenalismus ein.

In den Abschnitten 4.3. und 4.4. – die zusammen gewissermaßen den Kern des Teils 4 dieser Arbeit ausmachen – setze ich mich detailliert mit zwei verbreiteten Theorien kausaler Abhängigkeit und ihrer Anwendung auf mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus auseinander: Mit der kontrafaktischen Theorie der Kausalität und der interventionistischen Theorie der Kausalität. Ich argumentiere dafür, dass beide Theorien es erlauben, den ersten Schritt des Vorwurfs des Epiphänomenalismus zurückzuweisen. Das Ergebnis dieser beiden Abschnitte ist also, dass der nicht-reduktive Physikalismus nicht zur Konsequenz hat, dass es keine mentale kausale Abhängigkeit gibt.

Nehmen wir die in 4.1. eingeführte Unterscheidung zwischen kausaler Abhängigkeit und kausaler Produktion jedoch ernst, ist der Vorwurf des Epiphänomenalismus mit dieser Einsicht noch nicht vollständig zurückgewiesen. Denn insofern es kausale Produktion als weitere Kausalrelation gibt, stellt sich die Frage, ob aus dem nicht-reduktiven Physikalismus folgt, dass es keine kausale Produktion gibt. Auf diese Problematik gehe ich im letzten Abschnitt 4.5. ein. Hier führe ich einige Überlegungen an, die dafür sprechen, dass nicht-reduktive Physikalist*innen einen Epiphänomenalismus in Bezug auf mentale kausale Produktion akzeptieren können, insofern sie einen Epiphänomenalismus in Bezug auf mentale kausale Abhängigkeit vermeiden können.

4.1 Kausalität als kausale Abhängigkeit

Dieser Abschnitt dient einer vorläufigen Charakterisierung und Abgrenzung der Relation kausaler Abhängigkeit. Ich gehe wie folgt vor:

In Abschnitt 4.1.1. wird die Unterscheidung zwischen kausaler Abhängigkeit und kausaler Produktion erläutert. Abschnitt 4.1.2. betrifft das Verhältnis zwischen kausaler Abhängigkeit und hinreichender Verursachung. In Abschnitt 4.1.3. gehe ich auf die Idee der proportionalen Verursachung und ihrer Beziehung zu kausaler Abhängigkeit ein.

4.1.1 Kausale Abhängigkeit und kausale Produktion

In seinem auch in der Debatte um den Vorwurf des Epiphänomenalismus stark rezipiertenFootnote 1 Aufsatz ‘Two Concepts of Causation’ trifft Ned Hall die folgende Unterscheidung zwischen zwei Begriffen der Kausalität:

Causation, understood as a relation between events, comes in at least two basic and fundamentally different varieties. One of these, which I call “dependence”, is simply that: counterfactual dependence between wholly distinct events. […] The second variety is rather more difficult to characterize, but we evoke it when we say of an event c that it helps to generate or bring about or produce another event e, and for that reason I call it “production.”Footnote 2

Demzufolge gibt es also einerseits einen Kausalitätsbegriff – kausale AbhängigkeitFootnote 3 – der in einem engen Zusammenhang mit der Idee steht, dass Ursachen einen Unterschied für ihre Wirkungen machen und der laut Hall angemessen über kontrafaktische Abhängigkeit spezifiziert werden kann. Andererseits gibt es einen anderen Kausalitätsbegriff – kausale Produktion – der in einem engen Zusammenhang zu der Idee steht, dass Ursachen ihre Wirkungen hervorbringen und – um Jaegwon Kims schon in Abschnitt 3.4.3. erwähnte Metapher zu bemühen – ‘kausale Arbeit’ leisten. Es handelt sich hierbei laut Hall um distinkte Begriffe, die in einigen Fällen auseinandergehen können.

Was macht kausale Produktion genauer aus? Ein wichtiger Aspekt der Produktionsrelation wird durch eine Lokalitätsbedingung eingefangen. Eine solche findet sich zum Beispiel bei David Hume:Footnote 4

I find, in the first place, that whatever objects are consider’d as causes or effects, are contiguous. Tho‘ distant objects may sometimes seem productive of each other, they are commonly found upon examination to be link’d by a chain of causes, which are contiguous among themselves, and to the distant objects; and when in any particular instance we cannot discover this connexion, we still presume it to exist. We may therefore consider the relation of CONTIGUITY as essential to that of causation.Footnote 5

Die Idee ist hier, dass Ursachen mit ihren Wirkungen über raumzeitlich kontinuierliche Kausalketten verbunden sind. Wenn ich beim Billard die weiße Kugel anstoße und einige Sekunden später die volle 11er Kugel in die rechte Mitteltasche fällt, ist mein Stoß eine Ursache dafür, dass die Kugel in die Tasche fällt. Diese Ursache ist über raumzeitlich benachbarte kausale Zwischenglieder mit der Wirkung verbunden: Mein Stoß zu t0 verursacht zunächst, dass die weiße Kugel zu t1 etwas weiter entfernt von ihrer Ausgangsposition ist und sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit in Richtung der 11er Kugel bewegt. Dies verursacht, dass die Kugel zu t2 mit der vollen 11er Kugel zusammenstößt, was wiederum verursacht, dass die 11er Kugel sich zu t3 von ihrer Ausgangsposition entfernt hat und zu t4 schließlich in die Tasche fällt. Wir haben hier also eine (in dem Beispiel nur schemenhaft ausgeführte) Kette von raumzeitlich benachbarten Ursachen.Footnote 6

Eng mit dieser Lokalitätsbedingung zusammen hängt die Idee, dass Ursachen mit ihren Wirkungen über physische Prozesse verknüpft sind. Eine theoretische Entwicklung dieser Idee findet sich etwa in Phil Dowes Erhaltungsgrößentheorie der Kausalität.Footnote 7 Laut Dowe sind Ursachen mit ihren Wirkungen über kausale Prozesse und kausale Interaktionen verknüpft – wobei kausale Prozesse als Weltlinien von Objekten verstanden werden, die eine Erhaltungsgröße haben und kausale Interaktionen als Überschneidungen der Weltlinien von Objekten verstanden werden, die mit einem Austausch einer Erhaltungsgröße verbunden sind.Footnote 8 Auch diese Idee ist in ihrer Anwendung auf das Billard-Beispiel sehr plausibel: Ich verleihe der weißen Billardkugel durch meinen Stoß einen bestimmten Impuls – eine Erhaltungsgröße. Die Weltlinie der weißen Kugel ist ein kausaler Prozess. Die Weltlinie der weißen Kugel überschneidet sich mit der Weltlinie der 11er Kugel. Hier wird der Impuls (oder ein Teil des Impulses) der weißen Kugel auf die 11er Kugel unter Impulserhaltung übertragen. Die mit Impuls versehene 11er Kugel bewegt sich, bis sie in die Tasche fällt. Auch die Weltlinie der 11er Kugel ist ein kausaler Prozess. Die Ursache ist hier also über kausale Prozesse und eine kausale Interaktion mit der Wirkung verbunden.

Kausale Produktion kann in einer ersten Annäherung über die erwähnten Redewendungen (Hervorbringen, kausale Arbeit usw.), die Lokalitätsbedingung und die Idee einer physischen Verknüpfung erläutert werden.Footnote 9 All dies sind sicherlich Aspekte, die für unser Alltagsdenken über Kausalität eine wichtige Rolle spielen. Jedoch gibt es Beispiele, in denen wir dazu geneigt sind, einen Faktor als Ursache für einen anderen Faktor zu klassifizieren, ohne dass sich eine lokale physische Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung findet. Wichtig sind hier insbesondere Fälle von negativer Kausalität und Fälle von Doppelverhinderung.

Hier ist ein typisches Beispiel für negative Kausalität:Footnote 10

Negative Kausalität: Mein Nachbar Peter hat versprochen, sich um meine Pflanzen zu kümmern, während ich im Urlaub bin. Das hat er aber nicht getan. Deshalb sind meine Pflanzen eingegangen.

Peters Unterlassung, meine Pflanzen zu gießen, ist plausiblerweise eine Ursache dafür, dass meine Pflanzen gestorben sind. Jedoch ist es wenig plausibel, dass Peters Unterlassung das Eingehen der Pflanzen produziert hat. Denn es gibt keine lokale physische Verknüpfung, die die Unterlassung mit dem Eingehen der Pflanzen verbindet: Eine raumzeitlich kontinuierliche Kette von kausalen Zwischengliedern ist hier nicht ohne weiteres zu finden.Footnote 11 Peter hat sich in der Zeit, in der er meine Pflanzen hätte gießen können, an allen möglichen Orten aufgehalten. In der Nähe meiner Pflanzen war er jedoch nicht. Und wenn wir in der raumzeitlichen Umgebung meiner Pflanzen nach Ursachen suchen, werden wir vielleicht feststellen, dass der Wasserdruck im Pflanzengewebe abgenommen hat und sie nach und nach vertrocknet sind. Peters Unterlassung werden wir dort aber nicht entdecken. Die Lokalitätsbedingung scheint auf diesen Fall keine plausible Anwendung zu haben. Auch gibt es keinen physischen Prozess, der Peters Unterlassung mit dem Tod der Pflanzen verbindet.

Peters Unterlassung scheint hier also nicht deshalb als Ursache für den Tod der Pflanzen zu zählen, weil sie den Tod der Pflanzen über einen lokalen physischen Prozess hervorgebracht hat. Denn dies ist gar nicht der Fall. Vielmehr zählt die Unterlassung einfach deshalb als Ursache, weil sie einen Unterschied für den Tod der Pflanzen gemacht hat: Hätte Peter die Pflanzen gegossen, wären sie nicht eingegangen.Footnote 12

Eine verwandte Klasse von Beispielen für intuitive Kausalbeziehungen, in denen wir keine Verknüpfung über einen lokalen physischen Prozess finden, besteht in Fällen von Doppelverhinderung:

Doppelverhinderung: Susi klaut ein Stoppschild an einer vielbefahrenen Kreuzung. Später am Tag gibt es deshalb einen Unfall an der Kreuzung. Zwei Autos stoßen zusammen. Wenn Susi das Stoppschild nicht geklaut hätte, hätte das Stoppschild dafür gesorgt, dass eines der Autos stehenbleibt. Es wäre dann nicht zum Unfall gekommen.Footnote 13

In diesem Beispiel verhindert Susis Diebstahl, dass die Anwesenheit des Stoppschilds den Unfall verhindert. In diesem Sinne haben wir es hier mit einem Fall von Doppelverhinderung zu tun.

In diesem Fall ist es äußerst plausibel, Susis Diebstahl als eine Ursache für den Unfall zu klassifizieren. Schließlich wäre es ohne den Diebstahl nicht zum Unfall gekommen. Susis Diebstahl hat also einen Unterschied dafür gemacht, ob der Unfall stattfindet. Zugleich ergeben sich hier jedoch ähnliche Probleme mit Blick auf die lokale physische Verknüpfung zwischen Diebstahl und Unfall, wie im obigen Fall von negativer Kausalität: Eine Kette von raumzeitlich benachbarten Ursachen, die den Diebstahl mit dem Unfall verbindet, ist nicht ohne weiteres zu finden.Footnote 14 Und schauen wir uns die lokalen physischen Prozesse an, die zum Unfall geführt haben, ist es naheliegend, zum Beispiel die Weltlinien der beiden zusammengestoßenen Fahrzeuge zu betrachten. Dabei ist aber von Susis Diebstahl keine Spur. Wieder scheint Susis Diebstahl also nicht deshalb als Ursache für den Unfall zu zählen, weil er über einen lokalen kausalen Prozess mit dem Unfall verbunden ist. Vielmehr ist allein die Beobachtung, dass Susis Diebstahl einen Unterschied macht, für das entsprechende Kausalurteil verantwortlich.

Wenn kausale Produktion also über die Lokalitätsbedingung und über die Idee der physischen Verknüpfung verstanden werden kann, liegt im Fall von negativer Kausalität keine Produktionsbeziehung zwischen der Unterlassung meines Nachbarn und dem Tod der Pflanzen vor. Im Fall von Doppelverhinderung liegt ebenfalls keine Produktionsbeziehung zwischen dem Diebstahl des Stoppschilds und dem Unfall vor. Insofern wir in diesen Fällen aber dennoch von Kausalbeziehungen sprechen möchten, ist der hierbei angewendete Begriff von Kausalität nicht begrifflich an Produktion gebunden. Wir haben es vielmehr mit einer Art von Kausalität zu tun, die ohne eine lokale physische Verknüpfung auskommt.

In Anbetracht dieser Situation stehen nun mehrere Optionen offen:

Erstens könnte man schließen, dass kausale Produktion entgegen dem ersten Anschein eben nicht wesentlich für Kausalität ist. Denn Kausalität kommt auch ohne kausale Arbeit und lokale physische Verknüpfung vor.Footnote 15

Zweitens könnte man an der Idee, dass eine Lokalitätsbedingung, eine physische Verknüpfung und das Leisten kausaler Arbeit wesentlich für Kausalität sind, festhalten. In diesem Falle müsste man schließen, dass es keine Fälle von negativer Kausalität gibt: Die Unterlassung meines Nachbarn hat nicht verursacht, dass die Pflanzen eingegangen sind. Auch Fälle von Doppelverhinderung werden dann nicht als Fälle von genuiner Kausalität klassifiziert: Susis Diebstahl hat den Unfall nicht verursacht.Footnote 16

Beide Optionen werden von unterschiedlichen Autor*innen in der Philosophie der Kausalität verfolgt. Tatsächlich weisen die geschilderten Fälle von negativer Kausalität und Doppelverhinderung auf eine Spaltung zwischen verschiedenen Ansätzen in der Philosophie der Kausalität hin: Auf der einen Seite gibt es Theorien der Kausalität, die der Lokalitätsbedingung und der Idee einer physischen Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung eine wichtige Rolle zugestehen und deren Verteidiger*innen gegen die Möglichkeit von negativer Kausalität oder Kausalität durch Doppelverhinderung argumentieren. Solche Ansätze können Produktionstheorien der Kausalität genannt werden. Auf der anderen Seite gibt es Theorien der Kausalität, die ihren Ausgang von der Idee nehmen, dass Ursachen einen Unterschied für ihre Wirkungen machen. Hierbei ist es dann gleichgültig, ob dieses ‘Unterschiedmachen’ über lokale kausale Prozesse vermittelt ist oder nicht. Entsprechend werden dann auch Fälle von negativer Kausalität und Kausalität durch Doppelverhinderung als genuine Fälle von Kausalität klassifiziert. Solche Ansätze können als Abhängigkeitstheorien der Kausalität bezeichnet werden.

Drittens könnte man aber versuchen, diese beiden Ansätze zu versöhnen. Dies ist jedoch zumindest auf den ersten Blick nicht leicht zu leisten: Jede (vollständige und einheitliche) Theorie der Kausalität wird die Fälle von negativer Verursachung und Doppelverhinderung entweder als Fälle von genuiner Kausalität klassifizieren und die Lokalitätsbedingung sowie die Idee einer physischen Verknüpfung und des Leistens kausaler Arbeit – zumindest in ihren allgemeinsten Formen – aufgeben oder das Gegenteil tun und die Fälle von negativer Kausalität und Doppelverhinderung nicht als Fälle von genuiner Kausalität klassifizieren. Es ist jedoch nicht möglich, an Produktion als der einzigen Art von genuiner Kausalität festzuhalten und dennoch Fälle von negativer Kausalität und Kausalität durch Doppelverhinderung zuzulassen. Ebenso ist es nicht möglich, Fälle von negativer Kausalität und Kausalität durch Doppelverhinderung als Fälle genuiner Kausalität zu akzeptieren und dennoch eine allgemeine Lokalitätsbedingung sowie eine allgemeine Verknüpfung zwischen Kausalität und kausaler Arbeit zu vertreten.Footnote 17

Eine vierte Option, auf die dargestellte Lage zu reagieren, besteht schließlich in einem Pluralismus: Während die Lokalitätsbedingung, die Idee der physischen Verknüpfung und die Idee der kausalen Arbeit in Bezug auf einen Begriff der Kausalität – kausale Produktion – durchaus ihre Berechtigung haben, reicht es für die Anwendbarkeit eines anderen Begriffs von Kausalität – kausale Abhängigkeit – bereits aus, wenn ein Faktor einen Unterschied für einen anderen Faktor macht – unabhängig von der Frage, ob es eine lokale Verknüpfung zwischen den Faktoren gibt.

Wie immer man sich mit Blick auf diese vier Optionen entscheidet, ein Punkt sollte relativ unkontrovers sein: Kausale Produktion und kausale Abhängigkeit sind distinkte Relationen, die in Fällen von negativer Kausalität und Doppelverhinderung auseinanderfallen. Man kann die beiden Relationen begrifflich trennen. Allein dieser Punkt reicht als Ausgangspunkt für die weitere Diskussion schon aus. Ich konzentriere mich dabei im Folgenden auf die Relation der kausalen Abhängigkeit und spreche dabei mitunter schlicht von ‘Kausalität’. Die Unterscheidung zwischen kausaler Abhängigkeit und kausaler Produktion wird aber in Abschnitt 4.5. wieder relevant.

4.1.2 Kausale Abhängigkeit und hinreichende Verursachung

In typischen Formulierungen von Exklusionsargumenten wird an einigen Stellen vom Begriff der hinreichenden Verursachung Gebrauch gemacht. Insbesondere beziehen sich die üblichen Formulierungen der These der kausalen Geschlossenheit (siehe 3.2.4.) und des Exklusionsprinzips auf diesen Begriff. Was hat es mit hinreichender Verursachung genauer auf sich?

In einer ersten Annäherung können hinreichende Ursachen als Ereignisse aufgefasst werden, die für sich genommen nomologisch hinreichend für ihre Wirkungen sind. Eine Möglichkeit, dies ein Stück weit zu präzisieren, ist die folgende:

Hinreichende Verursachung: Ein Ereignis u ist genau dann eine hinreichende Ursache für ein Ereignis w, wenn gilt: Das Auftreten von u impliziert in Konjunktion mit den Naturgesetzen, dass w eintritt.Footnote 18

Gegeben diese Bestimmung von hinreichender Verursachung lässt sich leicht erkennen, dass die uns aus dem Alltag bekannten Ursachen in aller Regel keine hinreichenden Ursachen sind. Mein Stoß gegen die weiße Kugel beim Billard ist beispielsweise keine hinreichende Ursache dafür, dass die 11er Kugel in die Tasche fällt. Denn das Auftreten meines Stoßes allein impliziert nicht in Konjunktion mit den Naturgesetzen, dass die 11er Kugel in die Tasche fällt. Vielmehr müssen die Umstände günstig sein. Beispielsweise führt mein Stoß nur dann dazu, dass die 11er Kugel in die Tasche fällt, wenn mein Mitspieler nicht auf den Tisch greift, um die Kugel aufzuhalten. Auch würde mein Stoß nicht dazu führen, dass die Kugel in die Tasche fällt, wenn unmittelbar nach meinem Stoß der Tisch zusammenbrechen oder ein Komet einschlagen würde. Für sich genommen ist der Stoß also nicht hinreichend. Nur unter der Annahme, dass keine ungünstigen Umstände in der Form von bereitstehenden Verhinderern gegeben sind, impliziert das Auftreten des Stoßes in Konjunktion mit den Naturgesetzen, dass die Kugel in die Tasche fällt.

Hinreichend kann eine Ursache also erst sein, wenn solche möglichen Verhinderungen durch das Auftreten der Ursache naturgesetzlich ausgeschlossen sind. Und das ist plausiblerweise erst dann der Fall, wenn eine ausreichend große Raumzeitregion betrachtet wird. Betrachten wir beispielsweise die weitere Umgebung des Billardtischs und stellen dabei fest, dass kein Mitspieler bereitsteht, um die Kugel aufzuhalten, ist dieser potentielle Verhinderer schonmal ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen aber wären weniger alltägliche Verhinderer wie ein Komet, der sich mit großer Geschwindigkeit aus großer Entfernung dem Billardtisch nähert. Um auch solche potentiellen Verhinderer auszuschließen, muss die betrachtete Raumzeitregion ausgeweitet werden. Eine sicher ausreichend große Raumzeitregion haben wir erst, wenn wir einen Gesamtausschnitt des Vergangenheitslichtkegels der Wirkung zum Zeitpunkt der Ursache betrachten. Denn erst durch die Spezifikation einer solchen – gigantischen – Raumzeitregion ist ausgeschlossen, dass potentielle Verhinderer mit (bis zu) Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind, um die 11er Kugel aufzuhalten.Footnote 19

Ein Ereignis, das einen Gesamtausschnitt des Vergangenheitslichtkegels der Wirkung umfasst, ist sicherlich nicht die Art von Ereignis, die wir im Alltag als Ursache ansprechen. Der Begriff der hinreichenden Verursachung weicht in diesem Sinne in seiner Extension von einem alltäglichen Verständnis von Verursachung ab: Nur sehr komplexe und weiträumige Ereignisse sind plausible Kandidaten für hinreichende Ursachen. Klarerweise sind gewöhnliche Ursachen im Sinne von kausaler Abhängigkeit nicht hinreichend für ihre Wirkungen.Footnote 20

Auch wenn gewöhnliche Ursachen aber keine im strengen Sinne hinreichenden Ursachen sind, könnten sie noch immer in den gegebenen Umständen hinreichend sein. Eine Annäherung an die Idee der hinreichenden Verursachung in den Umständen kann wie folgt gegeben werden:

Hinreichende Verursachung in den Umständen: Ein Ereignis u ist genau dann eine in den Umständen hinreichende Ursache für ein Ereignis w, wenn gilt: Das Auftreten von u impliziert in Konjunktion mit den Naturgesetzen und den aktualen Umständen, dass w eintritt.

Gewöhnliche lokale Ereignisse wie mein Billard-Stoß können in den Umständen hinreichend für ihre Wirkungen sein. Das Problem, dass im strengen Sinne hinreichende Ursachen sehr komplex sein müssen, wandelt sich jetzt zu der Einsicht, dass eine vollständige Spezifikation der Umstände sehr komplex sein muss. Damit mein Billardstoß gemeinsam mit den Umständen und den Naturgesetzen impliziert, dass die weiße Kugel in die Tasche fällt, müssen die ‚Umstände‘ eine Spezifikation eines Ausschnitts des Vergangenheitslichtkegels der Wirkung zum Zeitpunkt des Stoßes (minus den Stoß) umfassen. Denn nur so können sämtliche mögliche Verhinderer ausgeschlossen werden. Es stellt sich nun die Frage, ob Abhängigkeitsverursachung mit so verstandener in den Umständen hinreichender Verursachung gleichgesetzt werden kann.

Hiergegen argumentieren Vertreter*innen von Abhängigkeitstheorien der Kausalität vehement. So schreibt etwa Peter Menzies:

The most obvious meaning that philosophers have in mind when they talk about sufficient causes is that sufficient causes are events instantiating properties that are nomologically sufficient for the properties instantiated by the effect events. More precisely, an F-event is a sufficient cause of a G-event just in case the property F, in conjunction with laws of nature and other properties instantiated in the background conditions, logically implies property G. Such a conception fits with a deductive-nomological conception of causation, which often lies in the background of many discussions of mental causation. But this conception’s influence is completely unwarranted and philosophers of causation have long lamented its distorting effects.Footnote 21

Menzies Verständnis von (in den Umständen) hinreichender Verursachung entspricht dem oben eingeführten. Er kritisiert diesen Ansatz unter anderem dafür, dass er zahlreiche irrelevante Faktoren als in den Umständen hinreichende Ursachen klassifiziert. Wesley Salmon führt unter anderem die folgende Geschichte zur Verdeutlichung dieses Irrelevanz-Problems an:

The moon reappeared after a lunar eclipse, for the people made a great deal of noise, banging on pots and pans and setting off fireworks, and the moon always reappears after an eclipse when much noise occurs.Footnote 22

Der Lärm ist hier offenbar irrelevant für das Wiedererscheinen des Mondes. Dennoch folgt daraus, dass der Lärm auftaucht und den aktualen Umständen in Konjunktion mit den Naturgesetzen, dass der Mond wiedererscheint. Also ist der Lärm nach Maßgabe der obigen Definition eine in den Umständen hinreichende Ursache. Gleichzeitig ist der Lärm keine Ursache im Sinne von kausaler Abhängigkeit: Der Mond wäre auch dann wiedererschienen, wenn die Leute keinen Lärm gemacht hätten. Menzies folgert aus diesem Problem, dass in den Umständen hinreichende Verursachung kein genuiner kausaler Begriff ist.Footnote 23

Eine andere Reaktion könnte darin bestehen, die oben eingeführten groben Charakterisierungen hinreichender Verursachung zu modifizieren oder zu ersetzen. Dies würde den Weg zu modernen Regularitätstheorien der Kausalität weisen.Footnote 24 Ich halte es für eine offene Frage, ob sich ausgehend von der Idee, dass Ursachen in den Umständen hinreichende Faktoren sind, eine Theorie der Kausalität entwickeln lässt, die die Grundidee, dass Ursachen einen Unterschied für ihre Wirkungen machen, angemessen einfängt. Da Regularitätstheorien jedoch nicht im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, gehe ich hierauf nicht näher ein.

Wichtig ist jedoch, dass es einen Unterschied zwischen im strengen Sinne hinreichenden Ursachen und Ursachen im Sinne von kausaler Abhängigkeit gibt. Auf die Rolle von im strengen Sinne hinreichender Verursachung in den Exklusionsargumenten gehe ich in Abschnitt 4.2. noch einmal ein.

4.1.3 Kausale Abhängigkeit und Proportionalität

Einige Autor*innen gehen davon aus, dass (Abhängigkeits-)Ursachen proportional zu ihren Wirkungen sein müssen: Um als genuine Ursachen zu zählen, dürfen sie weder zu viel unnötiges Detail enthalten bzw. zu spezifisch sein, noch dürfen sie nötiges Detail auslassen bzw. zu unspezifisch sein.Footnote 25 Diese Grundidee lässt sich zunächst an einem vielzitierten Beispiel von Stephen Yablo verdeutlichen:

Yablos Taube: Die Taube Sophie hat gelernt, auf alle roten und nur auf rote Objekte zu picken. Gerade legt jemand ein scharlachrotes Objekt vor Sophie und Sophie beginnt, zu picken.Footnote 26

Dass jemand ein rotes Objekt vor Sophie gelegt hat, ist die proportionale Ursache dafür, dass Sophie pickt. Zwei eng mit diesem Ereignis zusammenhängende Ereignisse sind jedoch nicht proportional zu Sophies Verhalten: Das Ereignis, das darin besteht, dass jemand ein farbiges Objekt vor Sophie abgelegt hat, ist beispielsweise zu unspezifisch. Nicht jedes farbige Objekt hätte dazu geführt, dass Sophie pickt. Dass das Objekt rot ist, ist also eine wesentliche Information für die Erklärung von Sophies Verhalten und darf deshalb nicht unspezifiziert bleiben. Das Ereignis, das darin besteht, dass jemand ein scharlachrotes Objekt vor Susi abgelegt hat, ist hingegen zu spezifisch, um als proportionale Ursache zu zählen: Auch ein bordeauxrotes Objekt (oder ein Objekt in irgendeinem anderen Rotton) hätte dazu geführt, dass Sophie pickt. Dass das Objekt diesen spezifischen Rotton hatte, ist also irrelevant für Sophies Verhalten.

Dieses Beispiel beruht – wie auch Yablos eigene Explikation von ProportionalitätFootnote 27 – auf einem Vergleich zwischen Ereignissen, deren konstitutive Eigenschaften in einer Determinationsrelation (im Sinne von Abschnitt 2.5.4.) stehen. Die Grundidee proportionaler Verursachung ist jedoch nicht auf Anwendungen beschränkt, bei denen Determination eine Rolle spielt.Footnote 28 Daher ist es vielleicht sinnvoll, die Idee noch an einem anderen Beispiel (von Hilary Putnam) zu verdeutlichen:

Suppose we have a very simple physical system – a board in which there are two holes, a circle one inch in diameter and a square one inch high, and a cubicle peg one-sixteenth of an inch less than one inch high. We have the following very simple fact to explain: the peg passes through the square hole, and it does not pass through the round hole.Footnote 29

Putnam diskutiert zwei mögliche Erklärungen dafür, dass das kubische Objekt zwar durch die quadratische Öffnung passt, nicht aber durch die runde Öffnung. Die erste – übermäßig detaillierte und daher nicht besonders gute – Erklärung betrachtet das kubische Objekt sowie das Brett mit den Öffnungen als Atomgitter und berechnet davon ausgehend alle möglichen Trajektorien der beiden Systeme. Die Erklärung besteht dann darin, dass es mögliche Trajektorien des kubischen Objekts gibt, bei denen es durch die quadratische Öffnung durchgeht, aber keine möglichen Trajektorien, bei denen es durch die runde Öffnung durchgeht. Die zweite mögliche Erklärung, die deutlich naheliegender ist, beruft sich schlicht auf die geometrischen Eigenschaften der involvierten Objekte: Das kubische Objekt passt durch die quadratische Öffnung, weil sie groß genug ist. Es passt nicht durch die runde Öffnung, weil sie zu klein ist.

Man kann dieses Beispiel so umdeuten, dass hier Kausalbeziehungen eine Rolle spielen: Die proportionale Ursache dafür, dass das kubische Objekt durch die quadratische Öffnung passt, besteht in seiner geometrischen Form, nicht in seiner genauen mikrophysikalischen Struktur. Wenn es eine andere mikrophysikalische Struktur gehabt hätte aber Größe und Form beibehalten hätte, hätte es noch immer durch die Öffnung gepasst. Die mikrophysikalische Struktur des Objekts wäre als Ursache zu spezifisch. Auch hier hat die Grundidee der proportionalen Verursachung also eine einleuchtende Anwendung. Zugleich ist man hierdurch nicht darauf festgelegt, dass die Mikrostruktur des Objekts eine Determinate der geometrischen Eigenschaften des Objekts ist.

Im Allgemeinen kommt die Idee der proportionalen Verursachung aber in Kontexten zur Anwendung, in denen mehrere Kandidaten für Ursachen in einer Relation der ontologischen Abhängigkeit stehen. Die Röte des Objekts bei Yablos Taube ist ontologisch abhängig von der Scharlachröte des Objekts. Die geometrische Form des Objekts in Putnams Beispiel ist ontologisch abhängig von der Mikrostruktur des Objekts. In beiden Fällen wird dabei ein Ereignis als proportionale Ursache ausgeschlossen, das fundamentaler ist als die proportionale Ursache. Die Scharlachröte des Objekts in Yablos Taube ist fundamentaler als die Röte, weil die Röte von der Scharlachröte abhängig ist. Die geometrische Form des Objekts in Putnams Beispiel ist fundamentaler als die Mikrostruktur des Objekts, weil die geometrische Form von der Mikrostruktur abhängig ist. Dies verweist bereits auf eine mögliche Anwendung im Zusammenhang mit mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus. Es ist durchaus möglich, dass höherstufige Ereignisse wie mentale Ereignisse proportional zu bestimmten Wirkungen sind, während die physischen Ereignisse, von denen die mentalen Ereignisse abhängen, nicht proportional zu denselben Wirkungen sind, weil sie etwa zu spezifisch sind. Hier wird also bereits deutlich, dass Überlegungen zur Proportionalität von Ursachen zu einer Zurückweisung der Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität führen könnten. Die Idee der Proportionalität kann entsprechend gerade für inkompatibilistsische Erwiderungen auf Exklusionsargumente wichtige argumentative Arbeit leisten.

Ein weiteres wichtiges Merkmal von proportionaler Verursachung betrifft ihr Verhältnis zur im vorigen Abschnitt eingeführten Relation der hinreichenden Verursachung: Hinreichende Ursachen sind nicht unbedingt proportional zu ihren Wirkungen.Footnote 30 Sie können insbesondere leicht zu viel unnötiges Detail enthalten. Dass ein scharlachrotes Objekt vor Sophie gelegt wird, ist (in den Umständen) hinreichend dafür, dass Sophie pickt. Wie wir gesehen haben ist dieses Ereignis aber eben nicht proportional zu Sophies Picken.

Es gibt verschiedene Ansätze, die Grundidee proportionaler Verursachung genauer zu fassen. In den Abschnitten 4.3.12. und 4.4.10. gehe ich hierauf noch einmal ein. An dieser Stelle sollte die vorläufige Erläuterung durch die beiden Beispiele aber reichen.

Wie verhält sich die Idee der proportionalen Verursachung zu Kausalität als kausaler Abhängigkeit? Hierzu gehen die Meinungen auseinander: Während einige Autor*innen eine Proportionalitätsbedingung in ihre Definition kausaler Abhängigkeit einbauen und entsprechend ausschließlich proportionale Ursachen als Abhängigkeits-Ursachen klassifizierenFootnote 31, meinen andere, dass die Relation kausaler Abhängigkeit unabhängig von einer Proportionalitätsforderung verstanden werden sollte.Footnote 32

Zunächst scheint es naheliegend, zumindest eine enge Verwandtschaft zwischen der Idee der proportionalen Verursachung und der Idee der kausalen Abhängigkeit zu erkennen: Proportionale Ursachen sind in besonderem Maße dazu geeignet, als Abhängigkeitsursachen aufgefasst zu werden. In Yablos Taube macht die Röte des Objekts den ausschlaggebenden Unterschied, nicht die Scharlachröte oder die Farbigkeit. Und der Grund hierfür hat mit für kausale Abhängigkeit typischen kontrafaktischen Überlegungen zu tun: Wäre das Objekt nicht rot gewesen, hätte Sophie nicht gepickt. Aber wäre das Objekt nicht scharlachrot (sondern bordeauxrot) gewesen, hätte Sophie noch immer gepickt.Footnote 33

Auf der anderen Seite zeigt sich, dass die Proportionalitätsforderung als allgemeine Anforderung an kausale Abhängigkeit vielleicht zu stark ist. Denn zahlreiche Ereignisse, die wir intuitiv klarerweise als Ursachen auffassen würden, sind nicht proportional zu ihren Wirkungen. Beispielsweise ist es klarerweise eine Ursache für Sokrates Tod, dass er ein Getränk mit Schierling getrunken hat. Auch scheint zu gelten, dass Sokrates Trinken aus dem Schierlingsbecher einen Unterschied für seinen Tod gemacht hat: Hätte er nicht getrunken, wäre er nicht gestorben. Jedoch ist dieser Ereignis nicht proportional zu Sokrates Tod. Denn auch wenn Sokrates ein anderes Gift getrunken hätte, wäre er gestorben. In diesem Sinne ist das Ereignis des Trinkens eines Schierlingsgetränks zu spezifisch. Die proportionale Ursache für Sokrates Tod ist das Trinken von Gift. Bei genauerem Hinsehen mag aber auch dieses Ereignis noch zu spezifisch sein. Denn für den Tod hätte es auch gereicht, wenn Sokrates etwas anderes tödliches getan hätte. Vielleicht käme also erst ‘etwas tödliches tun’ als proportionale Ursache in Frage.Footnote 34 Wenn Proportionalität also als notwendige Bedingung für kausale Abhängigkeit verstanden wird, ist kausale Abhängigkeit ein weitaus rareres Phänomen, als gedacht.

Es ist also problematisch, Proportionalität als notwendige Bedingung für kausale Abhängigkeit aufzufassen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Idee proportionaler Verursachung keine wichtige Arbeit in einer Theorie der Kausalität und einer kausalistischen Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus leisten kann. Denn es gibt zwei verschiedene Weisen, wie eine Proportionalitätsforderung in eine Theorie der Kausalität eingebaut werden kann: Erstens kann Proportionalität eine notwendige Bedingung für Verursachung sein. In diesem Falle kann man von einer starken Proportionalitätsforderung sprechen. Proportionalität diskriminiert dann zwischen Ursachen und Ereignissen, die keine Ursachen sind. Starke Proportionalität hat die soeben geschilderten Probleme. Zweitens kann Proportionalität aber auch als ein Merkmal verstanden werden, das bestimmte Ursachen vor anderen Ursachen auszeichnet. Es gibt dann proportionale Ursachen und nicht-proportionale Ursachen. Es bleibt – auch vor dem Hintergrund der geschilderten Probleme von starker Proportionalität – plausibel, dass proportionale Ursachen gewissermaßen bessere Ursachen sind als nicht-proportionale Ursachen. Eine solche schwache Proportionalitätsforderung scheint also durchaus attraktiv.

4.2 Kausalität, hinreichende Verursachung und Exklusionsargumente

In diesem Abschnitt gehe ich auf die Rolle der Relation hinreichender Verursachung im Vorwurf des Epiphänomenalismus ein. In Abschnitt 4.2.1. geht es um die Frage, ob die Annahme der Existenz mentaler Verursachung im Sinne hinreichender Verursachung verstanden werden sollte. Abschnitte 4.2.2. und 4.2.3. gehen genauer auf die Rolle hinreichender Verursachung im einfachen Exklusionsargument und damit in der These der kausalen Geschlossenheit und dem üblichen Exklusionsprinzip ein. Abschnitt 4.2.4. schließlich diskutiert die Rolle hinreichender Verursachung in den Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments und somit in den drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität.

4.2.1 Hinreichende Verursachung und mentale Verursachung

Der Vorwurf des Epiphänomenalismus etabliert in einem ersten Schritt, dass aus dem nicht-reduktiven Physikalismus folgt, dass es keine mentale Verursachung gibt. In einem zweiten Schritt wird dann behauptet, dass es mentale Verursachung gibt. Dann aber muss der nicht-reduktive Physikalismus falsch sein. Gibt es eine starke Version des Vorwurfs des Epiphänomenalismus, die sich in beiden Schritten auf hinreichende Verursachung bezieht?

Nach dem in 3.1.2. Gesagten sind im strengen Sinne hinreichende Ursachen sehr komplexe und weiträumige Ereignisse. Klarerweise kommen mentale Ereignisse nicht in diesem Sinn als hinreichende Ursachen in Frage. Mein Wunsch, die 11er Kugel in die Tasche zu stoßen, ist eben so wenig im strengen Sinne hinreichend für meinen Stoß gegen die weiße Kugel, wie mein Stoß im strengen Sinne hinreichend dafür ist, dass die 11er Kugel in die Tasche fällt. Denn mein Wunsch führt nur unter günstigen Umständen zu meinem Stoß. Wenn mein Mitspieler mich zum Beispiel kurz vor meinem Stoß wehschubst, stoße ich nicht, obwohl ich möchte. Eine hinreichende Ursache müsste diesen möglichen Verhinderer ausschließen. Und mein Wunsch allein vermag dies nicht.

Die Annahme, dass mentale Ereignisse im strengen Sinne hinreichende Ursachen für ihre Wirkungen sind, hat also – unabhängig vom nicht-reduktiven Physikalismus – schon gar keine hohe Ausgangsplausibilität. Nicht-reduktive Physikalist*innen sollten sich daher nicht davon beeindrucken lassen, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, dass sich diese Annahme aus ihrer Position ergibt. Entsprechend sollte sich der zweite Schritt des Vorwurfs des Epiphänomenalismus nicht auf im strengen Sinne hinreichende Verursachung beziehen. Vielmehr sollte er sich auf Verursachung simpliciter beziehen.

4.2.2 Hinreichende Verursachung, kausale Geschlossenheit und das übliche Exklusionsprinzip

Schon in Abschnitt 3.2.1. habe ich dafür argumentiert, dass die These der kausalen Geschlossenheit sich auf den Begriff der hinreichenden Verursachung beziehen muss. Grund hierfür war, dass Strukturen gemeinsamer Verursachung mit nicht-physischen Teilursachen nach allgemeinem Verständnis gegen die These der kausalen Geschlossenheit sprechen.Footnote 35 Wenn es physische Wirkungen gibt, die nur in Zusammenarbeit von einer physischen Teilursache und einer mentalen (oder magischen) Teilursache zustande kommen, ist die These der kausalen Geschlossenheit nach allgemeinem Verständnis falsch. Um solche Situationen aber auszuschließen, muss sich die These der kausalen Geschlossenheit auf im strengen Sinne hinreichende Verursachung beziehen. Würde die These der kausalen Geschlossenheit nämlich bloß verlangen, dass jedes physische Ereignis eine physische Ursache simpliciter (oder eine in den Umständen hinreichende physische Ursache) hat, würde sie solche Kausalstrukturen nicht ausschließen.

Auch das übliche Exklusionsprinzip beruht auf dem Begriff der hinreichenden Verursachung. Dies hat zwei Gründe:

Erstens muss das übliche Exklusionsprinzip zur These der kausalen Geschlossenheit ‚passen‘, um eine Funktion im einfachen Exklusionsargument zu übernehmen. Die These der kausalen Geschlossenheit liefert wie gerade gesehen den Input, dass jedes physische Ereignis (das überhaupt eine hinreichende Ursache hat), eine hinreichende physische Ursache hat. Exklusionsprinzipien müssen daran anknüpfen und sich daher im Antezedens auf hinreichende Verursachung beziehen: Wenn ein Ereignis eine hinreichende Ursache hat, dann hat es darüber hinaus keine weitere Ursache – es sei denn, es handelt sich um einen Fall genuiner Überdetermination.

Zweitens werden Exklusionsprinzipien nur dann plausibel, wenn sie sich im Antezedens auf hinreichende Verursachung beziehen. Denn es ist unstrittig, dass ein Ereignis mehrere Ursachen zu einem Zeitpunkt t haben kann, ohne überdeterminiert zu sein. Ein Brand kann sowohl von einem Kurzschluss als auch von der (gleichzeitigen) Anwesenheit von brennbarem Material verursacht werden. Tatsächlich sind in diesem Beispiel beide Ursachen notwendig, um den Brand zu verursachen. Jegliche Fälle von gemeinsamer Verursachung sind Gegenbeispiele gegen die Annahme, dass ein Ereignis nur eine Ursache haben kann, wenn es nicht genuin überdeterminiert ist.Footnote 36 Das übliche Exklusionsprinzip sollte aber nicht so interpretiert werden, dass es die offensichtlich falsche Aussage trifft, dass jedes nicht genuin überdeterminierte Ereignis nur eine Ursache hat. Das Antezedens des Exklusionsprinzips muss also den Begriff der hinreichenden Verursachung verwenden.Footnote 37

Das Konsequenz des Exklusionsprinzips hingegen kann, aber muss sich nicht auf den Begriff der hinreichenden Verursachung beziehen. Es gibt zwei prima facie plausible Versionen des üblichen Exklusionsprinzips:

Das übliche Exklusionsprinzip mit Verursachung im Konsequenz: Wenn ein Ereignis eine hinreichende Ursache hat, dann hat es darüber hinaus keine weitere Ursache – es sei denn, es handelt sich um einen Fall von genuiner Überdetermination.

Das übliche Exklusionsprinzip mit hinreichender Verursachung im Konsequenz: Wenn ein Ereignis eine hinreichende Ursache hat, hat es darüber hinaus keine weitere hinreichende Ursache – es sei denn, es handelt sich um einen Fall von genuiner Überdetermination.

Um das übliche Exklusionsprinzip mit Verursachung im Konsequenz jedoch zu plausibilisieren, muss der Begriff der genuinen Überdetermination auch Fälle umfassen, in denen ein Ereignis eine hinreichende Ursache und darüber hinaus eine weitere Ursache hat. Im Fall der zwei Attentäter ist es plausibel, dass beide Schüsse hinreichende Ursachen sind. Was aber, wenn einer der Schüsse nicht für sich genommen zum Tod des Opfers geführt hätte?

Wechseln wir zur Veranschaulichung zu einem anderen Beispiel: In einem Fluss stirbt ein Fisch, weil zwei verschiedene Firmen giftiges Abwasser in den Fluss geleitet haben. Für den Tod des Fisches ist es notwendig und hinreichend, dass 100 l Abwasser in den Fluss geleitet werden. Firma A hat exakt 100 l Abwasser in den Fluss geleitet. Firma B hat unabhängig davon und gleichzeitig zusätzlich 50 l Abwasser in den Fluss geleitet. Es scheint, dass der Tod des Fisches in einem gewissen Sinne überdeterminiert ist: Er hat eine hinreichende Ursache und darüber hinaus eine weitere Ursache. Denn es scheint plausibel, auch die Handlung von Firma B als Ursache für den Tod des Fisches zu zählen.Footnote 38 Jedoch handelt es sich eben nicht um eine hinreichende Ursache.Footnote 39

Der Begriff der genuinen Überdetermination muss auch solche Fälle unter sich fassen, damit das übliche Exklusionsprinzip mit Verursachung im Konsequenz plausibel wird. Denn anderenfalls würde die Möglichkeit solcher Fälle gegen das übliche Exklusionsprinzip mit Verursachung im Konsequenz sprechen.

Setzt man voraus, dass genuine Überdetermination dadurch ausgezeichnet ist, dass die überdeterminierenden Ursachen ontologisch unabhängig voneinander sind, sind solche Fälle von Überdetermination mit einer hinreichenden Ursache und einer zusätzlichen unabhängigen Ursache aber ohnehin schon inbegriffen. Denn die Handlung von Firma A und die Handlung von Firma B stehen in keiner Beziehung der ontologischen Abhängigkeit. Der Unterschied zu der abhängigen Überdetermination, die viele nicht-reduktive Physikalist*innen bei mentaler Verursachung am Werk sehen, ist also bewahrt. Das übliche Exklusionsprinzip mit Verursachung im Konsequenz würde also nicht durch den geschilderten Fall in Verlegenheit gebracht.

Das übliche Exklusionsprinzip mit Verursachung im Konsequenz und das übliche Exklusionsprinzip mit hinreichender Verursachung im Konsequenz stehen, soweit ich sehe, mit Blick auf ihre Plausibilität auf einer Stufe. Die in Abschnitt 3.3.10. diskutierten Begründungen lassen sich auf beide Versionen anwenden. Wenn bereits eine hinreichende Ursache vorliegt, dann kann eine zusätzliche Ursache aus Einfachheitsgründen ebenso weggekürzt werden wie eine zusätzliche hinreichende Ursache. Und wenn kausale Arbeit nicht ‚doppelt‘ verrichtet werden kann (wie im Fall zweier hinreichender Ursachen), dann kann sie plausiblerweise auch nicht ‚anderthalbfach‘ verrichtet werden (wie im Fall einer hinreichenden Ursache und einer zusätzlichen Teilursache).

Jedoch stehen die beiden Prinzipien in ihrer argumentativen Funktionalität keinesfalls auf einer Stufe. Denn auf Grundlage des üblichen Exklusionsprinzips mit hinreichender Verursachung im Konsequenz lässt sich im Rahmen von Exklusionsargumenten nur dafür argumentieren, dass mentale Ereignisse nicht hinreichend für ihre Wirkungen sind. Es lässt sich nicht etablieren, dass sie überhaupt keine Wirkungen haben. Man betrachte etwa die folgende Variante des einfachen Exklusionsarguments:

Das einfache Exklusionsargument gegen hinreichende mental-physische Verursachung

Es sei m ein mentales Ereignis. p und p* seien zwei physische Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das einfache Exklusionsargument wie folgt rekonstruieren:

(1) p ist hinreichende Ursache für p* (motiviert durch die These der kausalen Geschlossenheit).

(2) m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

(3) Wenn p hinreichende Ursache von p* ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist und p* nicht genuin überdeterminiert ist, dann ist m nicht hinreichende Ursache von p* (motiviert durch das übliche Exklusionsprinzip mit hinreichender Verursachung im Konsequenz).

(4) p* ist nicht genuin überdeterminiert.

(5) Also: m ist nicht hinreichende Ursache von p* (aus 1, 2, 3, 4).

Das übliche Exklusionsprinzip mit hinreichender Verursachung im Konsequenz motiviert nur die Annahme in Zeile (3): Wenn p hinreichende Ursache von p* ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist und p* nicht genuin überdeterminiert ist, dann ist m nicht hinreichende Ursache von p*. Deshalb erlaubt sie auch nur die Konklusion (5), dass m nicht hinreichende Ursache für p* ist.

Wie in 4.2.1. argumentiert, ist dies aber eine Konsequenz, von der sich nicht-reduktive Physikalist*innen nicht beeindrucken lassen sollten. Exklusionsargumente sollten, um den nicht-reduktiven Physikalismus in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen, etablieren, dass es keine mentale Verursachung gibt und nicht bloß, dass es keine hinreichende mentale Verursachung gibt.

4.2.3 Kritik am Begriff hinreichender Verursachung und Varianten des Exklusionsprinzips

Einige Autor*innen sehen den Begriff der hinreichenden Verursachung – wie in 3.2.4 und 4.1.2. schon angesprochen – kritisch. Sie meinen, dass es sich nicht um einen genuinen kausalen Begriff handelt. Vor diesem Hintergrund schreibt etwa Panu Raatikainen über die These der kausalen Geschlossenheit und das übliche Exklusionsprinzip:

Both these assumptions involve confusing causes with sufficient conditions. There are causes, which are difference-makers; and there are sufficient conditions, which are wholly different issues and not causes of any sort; there are no such things as sufficient causes. Hence, I do not think that these two assumptions are so much as false (or true) as mongrels based on a conceptual confusion which fail to make clear sense. After all, the whole point of the exclusion argument and the debate surrounding it is to ask whether the mental is capable of being a cause of something physical. But then, surely the argument and its premises should talk about causes and not be formulated in terms of sufficient conditions.Footnote 40

Für Raatikainen ist der Ausdruck ‘hinreichende Verursachung’ also eine Fehlbezeichnung. Hinreichende Bedingungen sind keine Ursachen und Ursachen keine hinreichenden Bedingungen. Eine solche Einstellung kann unter anderem durch eine starke Proportionalitätsforderung an Kausalität motiviert werden. Hier kommen hinreichende Bedingungen (typischerweise) nicht als Ursachen in Frage, weil sie die Proportionalitätsforderung nicht erfüllen. Sollte Raatikainen damit recht haben, dass die These der kausalen Geschlossenheit und das übliche Exklusionsprinzip aufgrund ihrer Verwendung des Begriffs hinreichender Verursachung sinnlos sind, wäre das natürlich ein großes Problem für Vertreter*innen von Exklusionsargumenten.

Man kann auf zumindest zweierlei Weise hierauf reagieren:

Erstens kann man die Sinnhaftigkeit des Begriffs der hinreichenden Verursachung verteidigen. Tatsächlich scheint es – wenn eine starke Proportionalitätsforderung abgelehnt wird – nicht unbedingt problematisch, bestimmte hinreichende Bedingungen als Ursachen anzusprechen. Auch wenn man Raatikainen aber zugesteht, dass der Begriff hinreichender Verursachung sinnlos ist, kann man an der Schlagkräftigkeit von Exklusionsargumenten festhalten:

Zweitens kann man die These der kausalen Geschlossenheit und das übliche Exklusionsprinzip nämlich auf eine Weise modifizieren, die den Verweis auf hinreichende Verursachung vermeidet. Dabei muss man Raatikainens Kommentare berücksichtigen, dass “the whole point of the exclusion argument is to ask whether the mental is capable of being a cause” und dass “surely the argument and its premise should talk about causes”. Hier gibt es zumindest zwei Möglichkeiten:

Erstens muss das Argument – wie in 4.2.1. betont – in erster Linie in seiner Konklusion über Verursachung simpliciter sprechen. Die Prämissen müssen hingegen nicht durchgehend nur auf Verursachung simpliciter bezogen sein, sondern lediglich so beschaffen sein, dass sie eine Konklusion über Verursachung simpliciter erlauben. Will man den Begriff der hinreichenden Verursachung vermeiden, kann man stattdessen einfach den Begriff der nomologisch hinreichenden Bedingung verwenden. Die These der kausalen Geschlossenheit wird im einfachen Exklusionsargument dann durch die These der nomologischen Geschlossenheit ersetzt (siehe 3.2.5.). Das übliche Exklusionsprinzip kann durch das folgende nomologische Exklusionsprinzip ersetzt werden:

Nomologisches Exklusionsprinzip: Wenn es für ein Ereignis eine nomologisch hinreichende Bedingung zu t gibt, dann hat es darüber hinaus keine weitere Ursache zu t – es sei denn, es handelt sich um einen Fall von genuiner Überdetermination.

Auf Basis dieses nomologischen Exklusionsprinzips lässt sich ebenfalls eine Variante des einfachen Exklusionsarguments formulieren, das etabliert, dass mentale Ereignisse keine physischen Wirkungen haben.

Allerdings übertragen sich zumindest nicht alle Begründungen des üblichen Exklusionsprinzips auch auf das nomologische Exklusionsprinzip. Mit Blick auf das nomologische Exklusionsprinzip ist es nicht einmal prima facie plausibel, eine Begründung auf der Idee kausaler Arbeit aufzubauen. Ein Begründungsversuch über Einfachheitsüberlegungen ist hier schon besser übertragbar: Wenn bereits ein physisches Ereignis nomologisch hinreichend für eine physische Wirkung ist, können wir uns die Annahme einer zusätzlichen mentalen Ursache sparen. Letztlich konnte diese Begründung aber schon in Bezug auf das übliche Exklusionsprinzip nicht überzeugen (siehe 3.4.3.). In der finalen Einschätzung ist das nomologische Exklusionsprinzip daher genauso gut (d. h. schlecht) begründet wie das übliche Exklusionsprinzip.

Wichtig mit Blick auf das nomologische Exklusionsprinzip ist folgendes: Selbst nicht-reduktive Physikalist*innen, die den Begriff hinreichender Verursachung für sinnlos halten, sind auf eine Ablehnung des nomologischen Exklusionsprinzips festgelegt. Eine inkompatibilistische Erwiderung auf Exklusionsargumente (3.4.5.) kann daher nicht auf eine Akzeptanz des nomologischen Exklusionsprinzips hinauslaufen. Insofern Inkompatibilist*innen also ein Exklusionsprinzip akzeptieren, ist dies nicht das nomologische Exklusionsprinzip.

Die zweite Möglichkeit, wie man die These der kausalen Geschlossenheit und das übliche Exklusionsprinzip in Reaktion auf die Kritik am Begriff hinreichender Verursachung modifizieren kann, besteht darin, die beiden Prinzipien durchgehend auf Verursachung simpliciter zu beziehen. Auf den ersten Blick mag dies wenig aussichtsreich wirken. Denn wie geschildert gibt es gute Gründe, die Prinzipien unter Bezug auf hinreichende Verursachung zu formulieren.

Mit Blick auf die These der kausalen Geschlossenheit schließt dieser gute Grund – dass eine These der kausalen Geschlossenheit, die sich auf Verursachung simpliciter bezieht, zu schwach wäre, um Strukturen gemeinsamer Verursachung mit nicht-physischen Teilursachen auszuschließen – allerdings nicht die Wahrheit der entsprechenden These der kausalen Geschlossenheit in Bezug auf Verursachung simpliciter aus. Insofern schon die Prämisse, dass jedes physische Ereignis, das überhaupt eine Ursache hat, auch eine physische Ursache hat, eine Rolle in einem Exklusionsargument übernehmen kann, spricht zunächst einmal nichts dagegen, sich auf diese Prämisse zu beziehen.

In Bezug auf das übliche Exklusionsprinzip habe ich in 4.2.2. argumentiert, dass eine Version, die sich auf Verursachung simpliciter bezieht, nicht plausibel ist: Denn es gibt unstrittigerweise Fälle von gemeinsamer Verursachung, die keine Fälle genuiner Überdetermination sind. Ereignisse haben regelmäßig mehr als eine Ursache zu einem Zeitpunkt. Man kann jedoch ein anderes Exklusionsprinzip vertreten, das sich ebenfalls nur auf Verursachung simpliciter beruft und einen Verweis auf hinreichende Verursachung vermeidet. Und zwar ist das eine Variante des in 3.3.9. schon kurz angerissenen Exklusionsprinzips der ontologischen Abhängigkeit

Das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit: Wenn ein Ereignis u eine Ursache für ein Ereignis w ist und ein Ereignis h von u ontologisch abhängt, dann ist Ereignis h keine Ursache für Ereignis w.Footnote 41

Das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit findet nur auf Situationen Anwendung, in denen mehrere vermeintliche Ursachen in einer Relation der ontologischen Abhängigkeit stehen. Es kann eventuell vor dem Hintergrund bestimmter Theorien der Kausalität motiviert werden.Footnote 42 In Kombination mit der Version der These der kausalen Geschlossenheit, die sich auf Verursachung simpliciter bezieht, ermöglicht dieses Prinzip ein Exklusionsargument, das sich durchgehend auf Verursachung simpliciter bezieht:

Das einfache Exklusionsargument der ontologischen Abhängigkeit

Es sei m ein mentales Ereignis. p und p* seien zwei physische Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das einfache Exklusionsargument wie folgt rekonstruieren:

(1) p ist eine Ursache für p* (motiviert durch die entsprechend modifizierte These der kausalen Geschlossenheit).

(2) m ist ontologisch abhängig von p (motiviert durch die These der ontologischen Abhängigkeit).

(3) Wenn p eine Ursache für p* ist und m von p ontologisch abhängig ist, dann ist m keine Ursache für p* (motiviert durch das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit).

(4) Also: m ist keine Ursache von p* (aus 1, 2, 3).

Auch diese Variante eines Exklusionsarguments vermeidet einen Bezug auf hinreichende Verursachung. Auf den Status des ausschlaggebenden Exklusionsprinzips der ontologischen Abhängigkeit in der kontrafaktischen Theorie und der interventionistischen Theorie der Kausalität komme ich in den Abschnitten 4.3.11. und 4.4.6. – 4.4.10. noch zurück.

4.2.4 Hinreichende Verursachung und die drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität

Bis hierher beschränkt sich meine Diskussion hinreichender Verursachung auf das einfache Exklusionsargument. Dieses Argument ist jedoch – wie in 3.3.2. argumentiert – in seiner Reichweite eingeschränkt: Es kann bestenfalls etablieren, dass mentale Ereignisse im nicht-reduktiven Physikalismus keine physischeneng Wirkungen haben. Um es zu einem allgemeinen Argument gegen mentale Verursachung auszubauen, sollte man sich auf eines der in Abschnitt 3.3.5. eingeführten Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität berufen. Wie verhält sich der Begriff der hinreichenden Verursachung zu diesen drei Prinzipien? Ich gehe die drei Prinzipien der Reihe nach knapp durch:

Zum Prinzip der Abwärtsverursachung:

Prinzip der Abwärtsverursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis w ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist u auch eine (hinreichende) Ursache für Ereignis b.

Die Funktion dieses Prinzips innerhalb des Arguments aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung besteht darin, das folgende Konditional zu etablieren: Wenn ein mentales Ereignis m ein höherstufiges Ereignis h verursacht, dann verursacht m auch eine physischeeng Basis p* von h. Das einfache Exklusionsargument etabliert dann, dass m nicht p* verursacht. Per modus tollens wird geschlossen, dass m nicht h verursacht.

Um diese Funktion zu erfüllen, muss das Prinzip sich (zumindest im Antezedens)Footnote 43 auf die Relation der Verursachung beziehen. Denn die Anwendung des modus tollens führt zu der Falschheit des Antezedens des Konditionals. Wenn das Antezedens also in einer Aussage über hinreichende Verursachung besteht, dann kommt auch nur die Verneinung einer Aussage über hinreichende Verursachung als Konklusion des Arguments in Frage. Wir haben aber schon gesehen, dass die gewünschte Konklusion die Verneinung einer Aussage über Verursachung sein sollte. Also muss sich das Prinzip der Abwärtsverursachung auf Verursachung und nicht auf hinreichende Verursachung beziehen. Die Version des Prinzips, die die gewünschte Rolle im Argument einnimmt, ist also diese:

Prinzip der Abwärtsverursachung – V: Wenn ein Ereignis u eine Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis w ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist u auch eine Ursache für Ereignis b.

Die in Abschnitt 3.3.5. genannte Motivation für dieses Prinzip überträgt sich auf den ersten Blick auf diese Version des Prinzips: Wenn Susis Wunsch einen Unterschied dafür macht, ob sie ihre Hand hebt und ihr Handheben von einer physischen Basis ontologisch abhängt, dann macht ihr Wunsch scheinbar auch einen Unterschied dafür, ob die zugrundeliegende physische Basis eintritt. Denn in jeder Welt, in der Susi ihre Hand nicht hebt, liegt auch die physische Basis des Handhebens nicht vor. Tatsächlich wird sich zeigen, dass sich das Prinzip auch im Rahmen einer kontrafaktischen Theorie der Kausalität (Abschnitt 4.3.11.) und einer interventionistischen Theorie der Kausalität (Abschnitt 4.4.9.) begründen lässt.

Zum Prinzip der Aufwärtsverursachung:

Prinzip der Aufwärtsverursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und ein Ereignis h ontologisch abhängig von Ereignis w ist, dann ist u auch eine (hinreichende) Ursache für Ereignis h.

Die Funktion dieses Prinzips innerhalb des Arguments aus dem Prinzip der Aufwärtskausalität besteht darin, zu etablieren, dass nicht nur physischeeng Ereignisse hinreichende physischeeng Ursachen haben, sondern auch alle höherstufigen Ereignisse hinreichende physischeeng Ursachen haben. Da die physischeneng Basen aufgrund der These der kausalen Geschlossenheit hinreichende physischeeng Ursachen haben und die Relation der hinreichenden Verursachung die Stufenleiter hinaufklettert, haben auch höherstufige Ereignisse hinreichende physischeeng Ursachen. Das Exklusionsprinzip wird dann direkt auf höherstufige (vermeintliche) Wirkungen mentaler Ereignisse angewandt: Diese haben bereits hinreichende physischeeng Ursachen, so dass mentale Ursachen ausgeschlossen werden.

Um diese Funktion zu erfüllen, muss sich das Prinzip auf hinreichende Verursachung beziehen. Es wird – ähnlich wie das Exklusionsprinzip im einfachen Exklusionsargument – von der These der kausalen Geschlossenheit ‚gefüttert‘: Die These der kausalen Geschlossenheit liefert den Input, dass die physischeeng Basis p* vom höherstufigen Ereignis h eine hinreichende physischeeng Ursache hat. Das Prinzip der Aufwärtskausalität muss daran anknüpfen und etablieren, dass auch h diese hinreichende physischeeng Ursache p hat. Das Antezedens muss sich daher auf hinreichende Verursachung beziehen, weil die These der kausalen Geschlossenheit sich auf hinreichende Verursachung bezieht.

Zugleich ‚füttert‘ das Prinzip der Aufwärtskausalität in diesem Argument das Exklusionsprinzip. Der Output ist, dass auch das höherstufige Ereignis h eine hinreichende Ursache p hat. Das Exklusionsprinzip knüpft daran an und etabliert, dass h dann keine weiteren Ursachen hat. Auch das Konsequenz muss sich daher auf hinreichende Verursachung beziehen, da das Antezedens des Exklusionsprinzips sich auf hinreichende Verursachung beruft.

Unabhängig von diesen funktionalen Überlegungen wurde das Prinzip der Aufwärtsverursachung in Abschnitt 3.3.5. auch auf eine Weise motiviert, die nahelegt, dass es sich auf hinreichende Verursachung bezieht: Wenn p garantiert, dass p* eintritt und p* garantiert, dass h eintritt, dann garantiert p auch, dass h eintritt. Diese Motivation wird nur dann plausibel, wenn es in dem Prinzip um Behauptungen über hinreichende Verursachung geht.

Für das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung ist also die folgende Version ausschlaggebend:

Prinzip der Aufwärtsverursachung – HV: Wenn ein Ereignis u eine hinreichende Ursache für ein Ereignis w ist und ein Ereignis h ontologisch abhängig von Ereignis w ist, dann ist u auch eine hinreichende Ursache für Ereignis h.

Diese Bemerkungen beschränken sich jedoch auf die Verwendung des Prinzips innerhalb des in 3.3.7. eingeführten Arguments aus dem Prinzip der Aufwärtskausalität. Tatsächlich wird es in späteren Teilen der Arbeit – insbesondere in der Diskussion kontrafaktischer Theorien der Kausalität – auch noch einmal um die Version gehen, die sich auf Verursachung und nicht auf hinreichende Verursachung bezieht. Denn in Kombination mit dem Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit kann dieses Prinzip ebenfalls in einem Exklusionsargument verwendet werden.

Zum Prinzip der basalen Verursachung:

Prinzip der basalen Verursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis u ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist auch Ereignis b eine (hinreichende) Ursache für Ereignis w.

Die Funktion dieses Prinzips innerhalb des Arguments aus dem Prinzip der basalen Verursachung besteht darin, das folgende Konditional zu etablieren: Wenn ein mentales Ereignis m irgendein Ereignis w verursacht, dann gibt es eine weitere, physischeeng und hinreichende Ursache für w – nämlich p, die Basis von m. Das Exklusionsargument wird dann auf die von der Annahme, dass m w verursacht, implizierte Situation angewandt, in der m w verursacht und die Basis p eine hinreichende Ursache für w ist. Diese wird als unmöglich verworfen. Denn wenn p eine hinreichende Ursache für w ist, dann ist m eben keine Ursache für w.

Um diese Funktion zu erfüllen, muss das Prinzip ein Antezedens haben, dass sich auf Verursachung bezieht. Das ist nötig, um zu garantieren, dass sich die Konklusion des Arguments auf Verursachung bezieht. Es muss aber ein Konsequenz haben, das sich auf hinreichende Verursachung bezieht. Denn es ‚füttert‘ das Exklusionsprinzip. Was also verlangt wäre, wäre die folgende Version:

Das gewünschte Prinzip der basalen Verursachung: Wenn ein Ereignis u eine Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis u ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist Ereignis b eine hinreichende Ursache für Ereignis w.

Aus der Behauptung, dass ein höherstufiges Ereignis ein anderes Ereignis verursacht, können wir nach diesem Prinzip ableiten, dass die Basis des höherstufigen Ereignisses eine hinreichende Ursache ist.

Unglücklicherweise passt die Motivation, die ich in Abschnitt 3.3.5. für das Prinzip der basalen Verursachung gegeben habe, nicht sehr gut zu dieser Version. Denn diese berief sich auf die folgende Überlegung: Wenn b eine Basis von u ist, dann garantiert b, dass u eintritt. Wenn u aber eine hinreichende Ursache für w ist, dann garantiert u, dass w eintritt. Also garantiert auch b (über u), dass w eintritt.

Diese Motivation setzt voraus, dass u eine hinreichende Ursache für w ist. So kann also allenfalls die folgende Version begründet werden:

Das begründete Prinzip der basalen Verursachung: Wenn ein Ereignis u eine hinreichende Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis u ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist Ereignis b eine hinreichende Ursache für Ereignis w.

Diese Version wiederum kann nicht in einem Argument verwendet werden, das etabliert, dass die Annahme, dass m w verursacht, selbstwiderlegend ist. Dieses Prinzip kann stattdessen ‚lediglich‘ in einem Argument verwendet werden, das etabliert, dass die Annahme, dass m eine hinreichende Ursache für w ist, selbstwiderlegend ist.

Was ist also von dieser Einsicht zu halten? Ist das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung nun wertlos? Drei Punkte:

Erstens könnte das gewünschte Prinzip der basalen Verursachung doch noch durch andere Überlegungen gestützt werden. Wenn – wie Karen Bennett argumentiertFootnote 44 – die Umstände, die eine Kernbasis zu einer totalen Basis machen, zugleich die Umstände sind, die eine Ursache zu einer hinreichenden Ursache machen, könnte es durchaus plausibel sein, dass das mentale Ereignis eine Ursache ist, während die totale Basis eine hinreichende Ursache ist. Zwar ist bezogen auf die Kernbasis von Susis Wunsch zu erwarten, dass sie – ebenso wie Susis Wunsch selbst – nur eine Ursache simpliciter für Susis Armbewegung ist. Um aus der Kernbasis aber eine totale Basis zu machen, müssen wir zahlreiche Umstände hinzufügen. Wir erhalten dann ein komplexes physisches Ereignis, das Susis Wunsch necessitiert. Karen Bennett meint nun, dass eben jene Umstände, die benötigt werden, um aus der Kernbasis des Wunsches eine totale Basis zu machen, auch benötigt werden, um zu einer hinreichenden Ursache für Susis Armheben zu gelangen. Das würde bedeuten, dass zumindest die totale Basis von Susis Wunsch eine hinreichende Ursache für ihr Armheben ist. Entsprechend könnte auf diese Weise ein Prinzip der basalen Verursachung verteidigt werden, das die gewünschte argumentative Rolle im Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung zu spielen vermag.

Zweitens könnte bereits die Konklusion, die sich auf Grundlage des plausiblen Prinzips der basalen Verursachung – HV etablieren lässt, interessant genug sein. Die Annahme, dass ein mentales Ereignis eine hinreichende Ursache für ein anderes Ereignis ist, wäre dann selbstwiderlegend. Dies bleibt zumindest eine überraschende Einsicht.

Drittens kann man ein Prinzip der basalen Verursachung, das sich sowohl im Antezedens als auch im Konsequenz auf Verursachung simpliciter bezieht („Wenn ein Ereignis u eine Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis u ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist auch Ereignis b eine Ursache für Ereignis w.“) mit dem Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit („Wenn ein Ereignis u eine Ursache für Ereignis w ist und Ereignis b von u ontologisch abhängt, dann ist u keine Ursache für w“) kombinieren, um ein Exklusionsargument für die gewünschte Konklusion zu erhalten, dass die Annahme mentaler Verursachung selbstwiderlegend ist. Die Version des Prinzips der basalen Verursachung, die sich sowohl im Antezedens als auch im Konsequenz auf Verursachung simpliciter bezieht, wird daher ebenfalls noch einmal Thema im Kontext der kontrafaktischen und interventionistischen Theorie der Kausalität.

Insgesamt lässt sich also folgendes Resümee zur Rolle hinreichender Verursachung in den Erweiterungen des einfachen Exlusionsarguments ziehen: Das Prinzip der Aufwärtsverursachung und das Prinzip der Abwärtsverursachung können scheinbar auf der Grundlage der schon in Abschnitt 3.3.5. gegebenen vorläufigen Motivation in der Version verteidigt werden, die für das Funktionieren ihrer in 3.3.6. bis 3.3.8. eingeführten zugehörigen Exklusionsargumente nötig ist. Beim Prinzip der basalen Verursachung gestaltet sich die Sache etwas schwieriger, aber auch hier könnte eine Begründung in der gewünschten Version vielversprechend sein. Alle drei Prinzipien können zudem auf eine Weise formuliert werden, die durchgehend von einem Verweis auf hinreichende Verursachung frei ist und sich ausschließlich auf Verursachung simpliciter bezieht. Diese Versionen der drei Prinzipien können in Kombination mit dem in 4.2.3. erwähnten Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit in weiteren Exklusionsargumenten vorkommen. Im Kontext der kontrafaktischen Theorie und der interventionistischen Theorie der Kausalität werden diese Versionen der drei Prinzipien daher weiter diskutiert.

4.3 Die kontrafaktische Theorie der Kausalität und mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus

Kontrafaktische Theorien der Kausalität knüpfen recht unmittelbar an die in Abschnitt 4.1. erläuterte Grundidee an, dass Ursachen Faktoren sind, die einen Unterschied für ihre Wirkungen machen. Sie gehen dabei davon aus, dass dieses Unterschiedmachen auf der Grundlage kontrafaktischer Konditionale expliziert werden kann.

In diesem Unterkapitel diskutiere ich die Anwendung dieser paradigmatischen Abhängigkeitstheorie der Kausalität auf mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus. Dabei verfahre ich wie folgt: In den Abschnitten 4.3.1. bis 4.3.4. führe ich die kontrafaktische Theorie der Kausalität zunächst unabhängig von der Frage nach mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus ein. Abschnitt 4.3.1. stellt die einfachst mögliche Version einer kontrafaktischen Theorie der Kausalität dar. Abschnitt 4.3.2. diskutiert die Semantik kontrafaktischer Konditionale. Abschnitt 4.3.3. führt zwei Komplikationen bei der semantischen Bewertung kontrafaktischer Konditionale ein, die im Zusammenhang mit der Anwendung der kontrafaktischen Theorie der Kausalität auf mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus eine Rolle spielen. In Abschnitt 4.3.4. diskutiere ich knapp zwei typische Einwände gegen die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität.

Die verbleibenden Abschnitte diskutieren darauf aufbauend die Anwendung der kontrafaktischen Theorie der Kausalität auf mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus. In Abschnitt 4.3.5. führe ich zunächst ein Schema eines einfachen Arguments für mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus ein. In den Abschnitten 4.3.6. bis 4.3.9. diskutiere ich vier Argumente für die zentrale Prämisse dieses Arguments, die besagt, dass physische Ereignisse von mentalen Ereignissen kontrafaktisch abhängen. In Abschnitt 4.3.10 ziehe ich ein knappes Zwischenfazit. In Abschnitt 4.3.11. diskutiere ich den Status der drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität. In den Abschnitten 4.3.12. bis 4.3.14. diskutiere ich schließlich die Einbindung einer Proportionalitätsforderung im Rahmen der kontrafaktischen Theorie und ihre Anwendung auf mentale Verursachung.

4.3.1 Die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität

Die Grundidee der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität kann wie folgt auf den Punkt gebracht werden: Kontrafaktische Abhängigkeit zwischen gänzlich distinkten, tatsächlich stattfindenden Ereignissen ist notwendig und hinreichend für Kausalität. Den Kern der kontrafaktischen Theorie der Kausalität macht also die folgende Definition aus:

Definition kontrafaktischer Kausalität (DKK): Ein Ereignis u verursacht ein Ereignis w genau dann, wenn gilt: (dkk-i) u und w finden tatsächlich statt, (dkk-ii) u und w sind gänzlich distinkt und (dkk-iii) w ist kontrafaktisch abhängig von u.

Bedingung (dkk-i) in (DKK) macht deutlich, dass das Ziel der Definition aktuale Verursachung ist. Kausal verknüpft können nur Ereignisse sein, die tatsächlich stattfinden. Bedingung (dkk-ii) stellt sicher, dass nur Ereignisse kausal verknüpft sind, die ‚gänzlich distinkt‘ voneinander sind. Distinktheit schließt hierbei mindestens eine metaphysische Necessitationsbeziehung zwischen den beiden Ereignissen aus. Im nicht-reduktiven Physikalismus sind mentale und andere höherstufige Ereignisse daher nicht im relevanten Sinne gänzlich distinkt von ihren physischen Basen. Entsprechend sind sie auch nicht kausal verknüpft.

Bedingung (dkk-iii) macht den Kern der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität aus. Hier wird verlangt, dass Wirkungen von ihren Ursachen kontrafaktisch abhängig sind. Was ist dabei mit kontrafaktischer Abhängigkeit gemeint?

Die Beziehung der kontrafaktischen Abhängigkeit zwischen zwei Ereignissen wird üblicherweise wie folgt bestimmt:

Definition kontrafaktischer Abhängigkeit (DKA): Ein Ereignis w ist kontrafaktisch abhängig von einem Ereignis u genau dann, wenn gilt: (dka-i) Wenn u eingetreten wäre, dann wäre w eingetreten und (dka-ii) wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten.

Kontrafaktische Abhängigkeit ist also durch zwei kontrafaktische Konditionale bestimmt: Das in (dka-i) genannte Konditional verbindet das Eintreten von u mit dem Eintreten von w und das in (dka-ii) genannte Konditional verbindet das Nicht-Eintreten von u mit dem Nicht-Eintreten von w.

Unter der verbreiteten Annahme, dass kontrafaktische Konditionale mit einem wahren Antezedens und einem wahren Konsequens – ich spreche im Folgenden hierbei von faktischen kontrafaktischen KonditionalenFootnote 45 – trivial wahr sind, erübrigt sich im Kontext der Definition kontrafaktischer Kausalität ein Bezug auf das erste kontrafaktische Konditional, das das Eintreten der beiden Ereignisse betrifft. In Bedingung (dkk-i) wird bereits festgelegt, dass u und w eintreten. Unter der genannten Annahme über faktische kontrafaktische Konditionale folgt aus (dkk-i), dass w eintreten würde, wenn u eintreten würde. Dies legt also die folgende Definition von Kausalität nahe:

Einfache kontrafaktische Kausalität (EKK): Ein Ereignis u verursacht ein Ereignis w genau dann, wenn gilt: (ekk-i) u und w finden tatsächlich statt, (ekk-ii) u und w sind gänzlich distinkt und (ekk-iii) wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre auch w nicht eingetreten.

Wie wir später sehen werden, lehnen einige Autor*innen die oben genannte Annahme, dass faktische kontrafaktische Konditionale trivial wahr sind, ab. Die Rolle des faktischen kontrafaktischen Konditionals (dka-i) wird also noch einmal wichtig. An dieser Stelle können wir jedoch erst einmal bei der Definition (EKK) bleiben.

In paradigmatischen Fällen von Verursachung liegt auch laut der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität zufolge eine Verursachungsrelation vor: Nehmen wir etwa den Fall, dass Susi einen Stein auf eine Fensterscheibe wirft und die Scheibe deshalb zerbricht. Susis Wurf ist eine Ursache für das Zerbrechen der Scheibe. Die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität stimmt zu: Susi wirft und die Scheibe zerbricht, so dass (ekk-i) erfüllt ist. Susis Wurf und das Zerbrechen der Scheibe sind gänzlich distinkt, so dass (ekk-ii) erfüllt ist. Schließlich ist das Zerbrechen der Scheibe von Susis Wurf kontrafaktisch abhängig: Wenn Susi nicht geworfen hätte, dann wäre die Scheibe nicht zerbrochen (ekk-iii). Also ist Susis Wurf eine Ursache für das Zerbrechen der Scheibe.

Auch der in Abschnitt 4.1. eingeführte Fall von Doppelverhinderung zählt nach der kontrafaktischen Theorie als ein Fall von Kausalität: Wenn Susi das Stoppschild nicht geklaut hätte, wäre es nicht zum Unfall gekommen. Der Diebstahl ist also eine Ursache für den Unfall. Zudem kommen auch negative Ereignisse als Ursachen in Frage: Das Unterlassen meines Nachbarn, meine Blumen zu gießen, verursacht das Austrocknen der Blumen, denn wenn mein Nachbar die Blumen gegossen hätte, wären sie nicht ausgetrocknet. Hiermit zeigt sich die kontrafaktische Theorie als typische Abhängigkeitstheorie der Kausalität.

Während die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität mit dem paradigmatischen Fall von Verursachung (sowie dem Fall von Doppelverursachung) problemlos umgehen kann, werden wir sehen, dass sie in anderen Fällen größere Probleme hat. Bevor ich auf diese Problemfälle (Abschnitt 4.3.4.) eingehe, sollen die Grundlagen der kontrafaktischen Theorie jedoch noch etwas genauer erläutert werden. Hierfür gehe ich im folgenden Abschnitt auf die Semantik kontrafaktischer Konditionale ein.

4.3.2 Kontrafaktische Konditionale: Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten

Zentral für ein genaueres Verständnis der kontrafaktischen Theorie der Kausalität ist die semantische Bewertung kontrafaktischer Konditionale. In diesem Abschnitt führe ich knapp die mögliche Welten Semantik kontrafaktischer Konditionale ein, die der kontrafaktischen Theorie der Kausalität zugrunde liegt. Zudem weise ich auf einige offene Fragen in Zusammenhang mit der semantischen Bewertung kontrafaktischer Konditionale hin, die im Verlauf der weiteren Diskussion eine Rolle spielen.

Die Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale können nach der in weiten Teilen der Debatte vorausgesetzten Lewis/Stalnaker-SemantikFootnote 46 wie folgt bestimmt werden:

Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale (WKK): Das kontrafaktische Konditional ‚A > B‘ (gelesen: ‚Wenn A der Fall wäre, dann wäre B der Fall‘) ist wahr genau dann, wenn gilt: (wkk-i) Es gibt keine möglichen Welten, in denen p der Fall ist oder (wkk-ii) es gibt eine Welt, in der p und q der Fall sind, und die der aktualen Welt ähnlicher ist als jede Welt, in der p der Fall ist, aber q nicht der Fall ist.

Bedingung (wkk-i) betrifft kontrafaktische Konditionale, deren Antezedens unmöglich ist. Sie legt fest, dass solche ‚kontramöglichen‘ Konditionale allgemein wahr sind.Footnote 47 Dieser Sonderfall muss uns jedoch (zunächst) nicht interessieren. Bedingung (wkk-ii) gibt die Wahrheitsbedingungen für kontrafaktische Konditionale mit möglichem Antezedens an. Sie ist die ausschlaggebende Bedingung für die weitere Diskussion.

Die Intuition hinter (wkk-ii) ist die folgende: Wenn die geringsten Abweichungen von der aktualen Situation, die mit der Wahrheit des Antezedens einhergehen, zu einer Wahrheit des Konsequenz führen, ist ein kontrafaktisches Konditional wahr. Man betrachtet zur Bewertung des kontrafaktischen Konditionals also nicht jede mögliche Situation, in der das Antezedens des Konditionals wahr ist. Stattdessen betrachtet man nur solche Situationen, die der aktualen Situation möglichst ähnlich sind. Will man – um David Lewis‘ BeispielFootnote 48 zu verwenden – die Wahrheit des Konditionals ‚Wenn Kängurus keine Schwänze hätten, würden sie umfallen‘ bewerten, ist dafür nicht jede mögliche Welt relevant, in der Kängurus keine Schwänze haben. Stattdessen sind sondern nur jene möglichen Welten relevant, in denen Kängurus keine Schwänze haben und die der aktualen Welt in allen anderen Hinsichten sehr ähneln. Welten, in denen Kängurus keine Schwänze, aber dafür riesige Füße haben sind also ebenso irrelevant wie Welten, in denen Kängurus keine Schwänze haben und fliegen können. Stattdessen betrachten wir nur Welten, die in ihren Naturgesetzen und Einzelheiten der aktualen Welt soweit gleichen, wie es eben geht, wenn Kängurus keine Schwänze haben.

Die Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale setzen voraus, dass sich mögliche Welten nach ihrer Ähnlichkeit zur aktualen Welt ordnen lassen. Einer solchen Ordnung zugrunde liegt ein Vergleich zwischen zwei Welten mit Blick auf ihre Ähnlichkeit zur aktualen Welt. Die ausschlaggebenden, vergleichenden Ähnlichkeitsurteile haben also die folgende Form: Welt w1 ist der aktualen Welt a ähnlicher als Welt w2. Oder: Welt w1 ist der aktualen Welt a weniger ähnlich als Welt w2. Oder: Welt w1 ist der aktualen Welt a genauso ähnlich wie Welt w2.Footnote 49

Es wird dabei vorausgesetzt, dass sich zwei beliebige Welten immer mit Blick auf ihre Ähnlichkeit zur aktualen WeltFootnote 50 vergleichen lassen. Dabei kann es sein, dass sich die beiden Welten mit Blick auf ihre Ähnlichkeit zur aktualen Welt gleichen. Die Ähnlichkeitsrelationen sind transitiv: Wenn w1 ähnlicher zu a ist als w2 und w2 ähnlicher zu a ist als w3, dann ist w1 ähnlicher zu a als w3. Die aktuale Welt a hat einen Sonderstatus in Bezug auf ihre Ähnlichkeit zu sich selbst: Es gibt keine anderen Welten, die der aktualen Welt ähnlicher sind, als die aktuale Welt selbst.Footnote 51 Es ergibt sich so eine Ordnung möglicher Welten nach ihrer Ähnlichkeit zur aktualen Welt.

Eine andere Art, dieser Ordnung Ausdruck zu verleihen, besteht in der Rede eines Systems von verschachtelten Sphären möglicher Welten. Die größte Sphäre umfasst dabei alle Welten unabhängig von ihrer Ähnlichkeit zur aktualen Welt. Von hier ausgehend kann man kleinere Sphären definieren, die zunehmend Welten ausschließen, die weniger ähnlich sind als die Welten in der jeweiligen Sphäre. Die kleinste Sphäre umfasst dann nur die aktuale Welt (und gegebenenfalls Welten, die der aktualen Welt so ähnlich sind wie sie selbst) und schließt alle weniger ähnlichen Welten aus.

Wenn wir die vereinfachende und in den vorliegenden Kontexten harmlose Annahme treffen, dass es für jede Proposition A eine Menge von der aktualen Welt ähnlichsten Welten gibt, in denen A wahr istFootnote 52, und eine Welt, in der eine Proposition A wahr ist, abkürzend eine ‚A-Welt‘ nennen, können wir folgende Vereinfachung für die Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale mit möglichem Antezedens einführen:

Vereinfachte Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale: Das kontrafaktische Konditional ‚A > B‘ (gelesen: ‚Wenn A der Fall wäre, dann wäre B der Fall‘ ist wahr genau dann, wenn gilt: die der aktualen Welt ähnlichsten A-Welten sind B-Welten.

Ich setze in der folgenden Diskussion diese einfache Bestimmung der Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale voraus.

Für die semantische Bewertung kontrafaktischer Konditionale ausschlaggebend sind demzufolge vergleichende Urteile über die Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten. Die Ähnlichkeitsrelation ist dabei bis hierher nur durch einige allgemeine formale Einschränkungen bestimmt. Konkrete Urteile über die Wahrheit kontrafaktischer Konditionale sind jedoch auf weitaus konkretere Ähnlichkeitsurteile angewiesen. Lewis schreibt hierzu Folgendes:

This analysis (plus some simple observations about the formal character of comparative similarity) is about all that can be said in full generality about counterfactuals. While not devoid of testable content – it settles some questions of logic – it does little to predict the truth values of particular counterfactuals in particular contexts. The rest of the study of counterfactuals is not fully general. Analysis 2 is only a skeleton. It must be fleshed out with an account of the appropriate similarity relation, and this will differ from context to context.Footnote 53

Die Semantik kontrafaktischer Konditionale ist durch die formalen Eigenschaften der Ähnlichkeitsrelation also noch nicht hinreichend spezifiziert. Die formalen Eigenschaften der Ähnlichkeitsrelation schränken zwar die Logik kontrafaktischer Konditionale ein – es lassen sich Urteile über die (Un-)Gültigkeit einiger Schlussregeln für kontrafaktische Konditionale ableiten – jedoch erlauben sie keine direkten Urteile über die Wahrheitswerte konkreter kontrafaktischer Konditionale. ‘Wenn Kängurus keine Schwänze hätten, würden sie umfallen’ ist genau dann wahr, wenn Kängurus in den ähnlichsten Welten, in denen sie keine Schwänze haben, umfallen. Welche Welten das aber sind, ist bis hierher offen.

Was also fehlt, sind inhaltliche Maßstäbe für die Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten. Lewis macht im obigen Zitat deutlich, dass hier keine allgemeingültigen Maßstäbe zu erwarten sind. Stattdessen werden die Maßstäbe für Ähnlichkeit von Kontext zu Kontext variieren. Dies sei im Lichte der Vagheit und Kontextabhängigkeit von kontrafaktischen Konditionalen zu erwarten: Die Ungenauigkeit in der Analyse spiegelt demnach eine Ungenauigkeit in der Sache wider.Footnote 54

Zur Verdeutlichung vergleiche man die folgenden beiden kontrafaktischen Konditionale:Footnote 55

(KK1) Wenn Cäsar das Kommando im Koreakrieg gehabt hätte, dann hätte er mit Katapulten gekämpft.

(KK2) Wenn Cäsar das Kommando im Koreakrieg gehabt hätte, dann hätte er mit Atomwaffen gekämpft.

Welches dieser kontrafaktischen Konditionale ist wahr? Dies hängt nach den eingeführten Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale davon ab, wie wir die Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten bestimmen. Wenn Welten, in denen Cäsar als Kommandant im Koreakrieg mit Atomwaffen kämpft, der aktualen Welt ähnlicher sind als Welten, in denen Cäsar als Kommandant im Koreakrieg mit Katapulten kämpft, ist KK1 wahr und KK2 falsch. Wenn Welten, in denen Cäsar im Koreakrieg mit Katapulten kämpft, der aktualen Welt ähnlicher sind als Welten, in denen Cäsar im Koreakrieg mit Atomwaffen kämpft, ist KK2 wahr und KK1 falsch. Je nachdem, welchen Maßstab wir für die Ähnlichkeit zwischen Welten ansetzen, können jedoch beide Ähnlichkeitsurteile plausibel werden: Legen wir mehr Wert auf Ähnlichkeit mit Blick auf Cäsars aktualen Charakter als mit Blick auf Cäsars aktuale Waffenausstattung, scheinen Welten, in denen Cäsar mit Atomwaffen kämpft, ähnlicher zu sein. Legen wir hingegen mehr Wert auf Ähnlichkeit mit Blick auf Cäsars aktuale Waffenausstattung, scheinen Welten, in denen Cäsar mit Katapulten kämpft, ähnlicher zu sein.

Wie Lewis betont, sind solche Uneindeutigkeiten nicht spezifisch für Urteile über die Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten, sondern betreffen im Allgemeinen generische Ähnlichkeitsurteile:

All this is not special to the comparative similarity of worlds that appears in my analysis of counterfactuals. It is the same sort of vagueness that arises if I say that Seattle resembles San Francisco more closely than it resembles Los Angeles. Does it? That depends on whether we attach more importance to the surrounding landscape, the architecture, the dominant industries, the political temper, the state of the arts, the climate, the public transportation system, the form of the city government, or what. Possible worlds are bigger than cities (sometimes), and are capable of differing in a greater variety of respects. They are also capable of being more alike than any two actual cities. Still, any problem posed by my use of comparative similarity differ only in degree, not in kind, from problems about similarity that we would be stuck with no matter what we did about counterfactuals. Somehow, we do have a familiar notion of comparative overall similarity, even of comparative similarity of big, complicated, variegated things like whole people, whole cities, or even – I think – whole possible worlds.Footnote 56

Für generische Ähnlichkeitsurteile sind also eine Reihe von unterschiedlichen und in verschiedene Richtungen zerrenden Ähnlichkeitshinsichten relevant und es stellt sich die Frage, wie diese Ähnlichkeitshinsichten gewichtet werden.Footnote 57

Man könnte nun einerseits bei dieser Einsicht stehenbleiben und damit zufrieden sein, dass sich die Ungenauigkeit kontrafaktischer Konditionale in der Ungenauigkeit von generischen Ähnlichkeitsurteilen über mögliche Welten widerspiegelt.Footnote 58 Jedoch kann diese Strategie im Rahmen einer kontrafaktischen Analyse von Kausalität nicht ganz zufriedenstellen. Denn die kontrafaktische Analyse von Kausalität ist darauf angewiesen, dass bestimmte kontrafaktische Konditionale falsch sind, deren Wahrheitswert durch eine intuitive Bewertung generischer Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten nicht eindeutig bestimmt wird. Insbesondere wäre es schlecht für die Plausibilität der kontrafaktischen Analyse der Kausalität, wenn rückwärtsgerichtete kontrafaktische Konditionale wahr sind. In diesem Falle müsste die kontrafaktische Analyse Wirkungen als Ursachen ihrer Ursachen klassifizieren und könnte nicht zwischen Epiphänomenen und Wirkungen unterscheiden.

Rückwärtsgerichtete kontrafaktische Konditionale sind Konditionale, die sich im Antezedens auf ein Ereignis beziehen, das nach dem im Konsequenz behandelten Ereignis geschieht. Ein Beispiel:

(KK3) Wenn die Scheibe zu t2 nicht zerbrochen wäre, dann hätte Susi zu t1 ihren Stein nicht geworfen.

Dieses Konditional wirkt auf den ersten Blick nicht unplausibel: Wenn die Scheibe nicht zerbrochen wäre, hätte dies wohl daran liegen müssen, dass Susi ihren Stein nicht geworfen hat. Welten, in denen die Scheibe nicht zerbricht und Susi ihren Stein nicht wirft sind der aktualen Welt ähnlicher als Welten, in denen die Scheibe nicht zerbricht, obwohl Susi ihren Stein wirft. Für die kontrafaktische Analyse ergibt sich hieraus das Problem, dass wir folgerichtig den Bruch der Fensterscheibe als Ursache für Susis Wurf klassifizieren müssen. Dies würde das tatsächliche Ursache-Wirkungs-Verhältnis jedoch umkehren.Footnote 59 Zudem ergibt sich das Problem, dass Epiphänomene als Wirkungen klassifiziert werden müssen: Wenn das Barometer keinen niedrigen Luftdruck angezeigt hätte, dann hätte das wohl daran liegen müsse, dass es keinen Luftdruckabfall gegeben hat. Wenn es jedoch keinen Luftdruckabfall gegeben hätte, wäre es nicht zum Sturm gekommen. Also gilt auch: Wenn das Barometer keinen niedrigen Luftdruck angezeigt hätte, wäre es nicht zum Sturm gekommen.Footnote 60 Also ist der Barometerstand eine Ursache für den Sturm.

Es ist im Kontext der kontrafaktischen Analyse der Kausalität also wichtig, die Wahrheit rückwärtsgerichteter kontrafaktischer Konditionale wie (KK3) auszuschießen. Hierfür muss man sich auf Ähnlichkeitsmaßstäbe berufen, die solche rückwärtsgerichteten Konditionale falsch machen. Lewis schlägt in diesem Kontext das folgende Rezept für die Bewertung der Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten vor:

  1. (1)

    It is of the first importance to avoid big, widespread, diverse violations of law.

  2. (2)

    It is of the second importance to maximize the spatiotemporal region throughout which perfect match of particular fact prevails.

  3. (3)

    It is of the third importance to avoid even small, localized, simple violations of law.

  4. (4)

    It is of little or no importance to secure approximate similarity of particular fact, even in matters that concern us greatly.Footnote 61

Naturgesetze spielen demnach eine wichtige Rolle für die Bewertung der Ähnlichkeit von möglichen Welten. Welten, in denen radikale Verstöße gegen die aktualen Naturgesetze weit verbreitet sind, sind der aktualen Welt weitaus weniger ähnlich als Welten, in denen es nur wenige und weniger radikale Abweichungen von den aktualen Naturgesetzen gibt. Das ergibt sich aus Bedingung (1).

Jedoch kann es für die Bewertung der relevanten kontrafaktischen Konditionale nicht vermieden werden, Welten zu betrachten, in denen es zumindest kleine Abweichungen von den aktualen Naturgesetzen gibt. Zumindest unter der Annahme, dass die aktuale Welt deterministisch ist, wird nämlich jede mögliche Welt mit denselben Naturgesetzen wie die aktuale Welt entweder zu jedem oder zu keinem Zeitpunkt exakt mit der aktualen Welt übereinstimmen.Footnote 62 Nur bei kleinen Abweichungen von den aktualen Naturgesetzen kann es überhaupt Raumzeitregionen geben, die eine perfekte Entsprechung in der aktualen Welt haben. Bedingung (2) führt entsprechend in aller Regel dazu, dass wir Welten betrachten, in denen es kleine Abweichungen von den aktualen Naturgesetzen gibt. Lewis spricht solche kleinen Abweichungen von den aktualen Naturgesetzen auch als ‘kleine Wunder’ an.

Jede Welt, die nur in einem bestimmten Zeitraum mit der aktualen Welt übereinstimmt, wird daher Abweichungen von den aktualen Naturgesetzen enthalten. Und Welten, die erst kurz vor dem Antezedens-Ereignisses von der aktualen Welt abweichen, sind der aktualen Welt ähnlicher als Welten, die schon immer von der aktualen Welt abweichen. Für die Bewertung des Konditionals ‘Wenn Susi den Stein nicht geworfen hätte, wäre die Scheibe nicht zerbrochen’ werden wir also Welten betrachten, die möglichst lange exakt mit der aktualen Welt übereinstimmen, und in denen kurz vor Susis Wurf ein ‘kleines Wunder’ – eine Abweichung von den aktualen Naturgesetzen – dazu führt, dass Susi den Stein nicht wirft.

Wenden wir dieses Rezept auf (KK3) an: ‘Wenn die Fensterscheibe nicht zerbrochen wäre, dann hätte Susi zuvor ihren Stein nicht geworfen’. Es gibt nun für die der aktualen Welt ähnlichsten Welten, in der die Fensterscheibe zerbricht und Susi ihren Stein nicht wirft, eine der aktualen Welt ähnlichere Welt, in der die Fensterscheibe zerbricht, obgleich Susi ihren Stein wirft. Grund hierfür ist Lewis’ Bedingung (2): Welten, die erst nach Susis Wurf von der aktualen Welt abweichen, entsprechen der aktualen Welt in einer größeren Raumzeitregion exakt als Welten, die schon vor Susis Wurf von der aktualen Welt abweichen. Relevant für die Bewertung von (KK3) sind demnach Welten, in denen es erst nach Susis Wurf zu einem kleinen Wunder kommt. Entsprechend ist (KK3) unter Voraussetzung dieses Ähnlichkeitsmaßstabes falsch.Footnote 63

Lewis’ Rezept für die Bewertung der Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten ist nicht frei von Problemen.Footnote 64 Und nicht alle Vertreter*innen einer kontrafaktischen Analyse gehen von diesem Rezept aus.Footnote 65 Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die kontrafaktische Theorie der Kausalität nur unter der Voraussetzung plausibel wird, dass rückwärtsgerichtete kontrafaktische Konditionale falsch sind. Dies ist eine bedeutende Einschränkung für Ähnlichkeitsmaßstäbe, die im Rahmen der kontrafaktischen Analyse angewendet werden können: Nur solche Ähnlichkeitsmaßstäbe sind zulässig, die rückwärtsgerichtete kontrafaktische Konditionale unter gewöhnlichen Umständen falsch machen.

4.3.3 Ähnlichkeit: Zentrierung und Ersetzung

Aber selbst unter Voraussetzung dieser Einschränkung bleiben wichtige Fragen zur Bewertung der Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten offen. Ich gehe im Folgenden noch auf zwei weitere Komplikationen im Zusammenhang mit Ähnlichkeitsmaßstäben für die Bewertung kontrafaktischer Konditionale im Kontext der kontrafaktischen Theorie der Kausalität ein: Die erste Komplikation betrifft die Frage, ob es Ähnlichkeitshinsichten gibt, die bei der Bewertung der generischen Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten irrelevant sind. Dies hat Konsequenzen für die Bewertung faktischer kontrafaktischer Konditionale, die die in Abschnitt 4.3.12 besprochene Proportionalitätsforderung in der kontrafaktischen Theorie der Kausalität betreffen. Die zweite Komplikation betrifft die Frage, ob das Antezedens-Ereignis in den ähnlichsten möglichen Welten, in denen es nicht stattfindet, ersetzt oder entfernt werden sollte. Dies hat Konsequenzen für die Entwicklung von Argumenten für mentale kontrafaktische Konditionale (Abschnitte 4.3.6. bis 4.3.10), den Status der drei Prinzipien der Verursachung (4.3.11.) und die Anwendung der Proportionalitätsforderung (4.3.12. und 4.3.13.).

Zur ersten Komplikation: Maßstäbe generischer Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten ergeben sich aus einer Gewichtung von spezifischeren Ähnlichkeitshinsichten.Footnote 66 Muss jede Ähnlichkeitshinsicht in eine Bewertung generischer Ähnlichkeit einfließen? Lewis schreibt hierzu Folgendes:

But first, a word of warning! Do not assume that just any respect of similarity you can think of must enter into the balance of overall similarity with positive weight. The point is obvious for some respects of similarity, if such there be. It contributes nothing to the similarity of two gemstones that both be grue. (To be grue is to be green and first examined before 2000 A.D. or blue and not first examined before 2000 A.D.) But even some similarities in less gruesome respects may count for nothing. They may have zero weight, at least under some reasonable resolution of vagueness. To what extent are the philosophical writings of Wittgenstein similar, overall to those of Heidegger? I don’t know. But here is one respect of comparison that does not enter at all, not even with negligible weight: the ratio of vowels to consonants.Footnote 67

Es gibt demnach durchaus Ähnlichkeitshinsichten, die für generische Ähnlichkeit keine Rolle spielen. Für die Frage, ob die Schriften Wittgensteins insgesamt den Schriften Heideggers ähneln, ist das Verhältnis von Konsonanten zu Vokalen in ihren Schriften nicht einmal von geringer Relevanz. Zumindest gibt es generische Ähnlichkeitsvergleiche, die diese Ähnlichkeitshinsicht nicht berücksichtigen. Dies legt nahe, dass Entsprechendes auch für generische Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten gilt.

Wenn bestimmte Ähnlichkeitshinsichten für die Bewertung von generischer Ähnlichkeit zwischen Welten im relevanten Sinne irrelevant sind, eröffnet dies die prinzipielle Möglichkeit, dass es Welten gibt, die der aktualen Welt im selben Maße ähneln wie sie sich selbst ähnelt.Footnote 68 Alle Welten, die von der aktualen Welt ausschließlich in irrelevanten Hinsichten abweichen, sind der aktualen Welt maximal ähnlich. In diesem Fall wäre die relevante Ähnlichkeitsrelation zwischen möglichen Welten nicht stark, sondern nur schwach zentriert.

Der Unterschied zwischen starker und schwacher Zentrierung lässt sich wie folgt spezifizieren:

Starke Zentrierung: Eine generische Ähnlichkeitsrelation ist stark zentriert um die aktuale Welt genau dann, wenn gilt: Jede Welt w, die nicht mit der aktualen Welt identisch ist, ist der aktualen Welt weniger ähnlich als die aktuale Welt.

Schwache Zentrierung: Eine generische Ähnlichkeitsrelation ist schwach zentriert um die aktuale Welt genau dann, wenn gilt: Keine Welt w, die nicht mit der aktualen Welt identisch ist, ist der aktualen Welt ähnlicher als die aktuale Welt.

Anders ausgedrückt: Schwache Zentrierung, nicht aber starke Zentrierung, lässt zu, dass es Welten gibt, die der aktualen Welt maximal ähnlich sind. In beiden Fällen ist die aktuale Welt eine der Welten, die der aktualen Welt maximal ähnlich sind. Aber nur im Falle starker Zentrierung ist die aktuale Welt die einzige Welt, die der aktualen Welt maximal ähnlich ist.

Ob wir eine starke oder eine schwache Zentrierung für die relevante Ähnlichkeitsrelation ansetzen, hat wichtige Konsequenzen in erster Linie für die Bewertung faktischer kontrafaktischer Konditionale – also kontrafaktischer Konditionale mit wahrem Antezedens und wahrem Konsequenz. Unter Voraussetzung einer stark zentrierten Ähnlichkeitsrelation sind solche Konditionale immer wahr. Unter Voraussetzung einer schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation können sie hingegen falsch sein.

Betrachten wir zur Verdeutlichung das folgende faktische kontrafaktische Konditional:

(KK4) Wenn Susi den Stein geworfen hätte, dann wäre die Scheibe zerbrochen.

Unter der (hier vorausgesetzten) Annahme, dass Susi tatsächlich den Stein wirft und die Scheibe tatsächlich zerbricht, ist (KK4) ein faktisches kontrafaktisches Konditional. Zur Bewertung von (KK4) müssen wir die der aktualen Welt ähnlichsten Welten betrachten, in denen Susi den Stein wirft. Unter Voraussetzung einer stark zentrierten Ähnlichkeitsrelation ist hierfür allein die aktuale Welt relevant: Es gibt keine anderen Welten, in denen Susi den Stein wirft, und die der aktualen Welt genauso ähnlich sind wie die aktuale Welt. Da Susi also in der aktualen Welt den Stein wirft und die Scheibe in der aktualen Welt zerbricht, ist (KK4) wahr.

Unter Voraussetzung einer schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation können für die Bewertung von (KK4) jedoch weitere Welten relevant werden. Wenn es andere Welten gibt, die von der aktualen Welt nur in irrelevanten Hinsichten abweichen und die der aktualen Welt daher maximal ähnlich sind, und in denen Susi ebenfalls den Stein wirft, dann muss die Scheibe in jeder dieser maximal ähnlichen Welten zerbrechen, damit (KK4) wahr ist. Dass die Scheibe in der aktualen Welt zerbricht, ist nicht mehr hinreichend für die Wahrheit von (KK4). (KK4) drückt dann mehr aus, als dass Susi tatsächlich den Stein wirft und die Scheibe tatsächlich zerbricht. Vielmehr drückt (KK4) dann aus, dass die Scheibe auch in einer Reihe von anderen, maximal ähnlichen Welten zerbricht, in denen Susi den Stein wirft. Welche Welten das sind, hängt davon ab, welche Ähnlichkeitshinsichten als irrelevant eingestuft werden.

Dass in manchen Kontexten überhaupt eine schwach zentrierte Ähnlichkeitsrelation mit irrelevanten Ähnlichkeitshinsichten angesetzt werden sollte, kann vorläufig wie folgt motiviert werden: Erstens scheinen faktische kontrafaktische Konditionale nicht immer wahr zu sein. So könnte man meinen, dass faktische kontrafaktische Konditionale, die komplett unzusammenhängende Ereignisse verbinden, falsch sind: das faktische kontrafaktische Konditional ‘Wenn Barack Obama 2008 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden wäre, dann würde die durchschnittliche Entfernung zwischen Mond und Erde 384.400 km betragen’ klingt zumindest schräg.Footnote 69 Zweitens können faktische kontrafaktische Konditionale scheinbar signifikante Informationen enthalten, wenn wir (noch) nicht wissen, ob ihr Antezedens wahr ist: ‘Wenn Bernard Sanders 2020 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt würde, dann würde er eine allgemeine Krankenversicherung einführen’ ist auch dann informativ, wenn sich später herausstellt, dass Antezedens und Konsequenz wahr sind. Dies spricht dafür, dass das Konditional mehr aussagt, als dass das Antezedens und das Konsequenz wahr sind. Stattdessen wird hier eine Relevanz des Antezedens für das Konsequenz mitausgesagt.Footnote 70 Drittens können faktische kontrafaktische Konditionale in bestimmten theoretischen Kontexten möglicherweise wertvolle Arbeit leisten: Peter Menzies beispielsweise beruft sich auf faktische kontrafaktische Konditionale, um im Rahmen einer kontrafaktischen Theorie der Kausalität intuitiv problematische Kausalaussagen der Art ‘Die Geburt meines Großvaters hat meinen Tod verursacht’ zu vermeiden.Footnote 71 Und wie wir sehen werden, sollen faktische kontrafaktische Konditionale laut einigen Autor*innen auch eine Rolle bei der Argumentation für mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus spielen.

Diese Überlegungen weisen die Annahme einer schwachen Zentrierung also zumindest als prima facie attraktive theoretische Option aus. Wir sollten sie daher im Hinterkopf behalten: Sie wird von einigen Autor*innen in Anspruch genommen, um die Idee der Proportionalität im Rahmen der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität einzufangen.Footnote 72 Ich argumentiere allerdings in Abschnitt 4.3.14. dafür, dass die Annahme schwacher Zentrierung im Rahmen der kontrafaktischen Theorie der Kausalität schlecht motiviert ist und die theoretische Arbeit, die ihr von einigen Autor*innen zugewiesen wird, besser durch komplexe gewöhnliche kontrafaktische Konditionale geleistet werden kann.

Kommen wir zur zweiten Komplikation hinsichtlich der Wahl eines geeigneten Ähnlichkeitsmaßstabes im Kontext der kontrafaktischen Theorie der Kausalität: Hierbei geht es um ‘gewöhnliche’ kontrafaktische Konditionale mit falschem Antezedens. Betrachten wir noch einmal das im Kontext der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität ausschlaggebende kontrafaktische Konditional:

(KK5) Wenn Susi den Stein nicht geworfen hätte, wäre die Scheibe nicht zerbrochen.

Welche Welten sind für die Bewertung von (KK5) relevant? Dies hängt davon ab, wie die der aktualen Welt ähnlichsten Welten beschaffen sind, in denen Susi den Stein nicht wirft. Das Problem ergibt sich nun aus der Frage, was in solchen Welten anstelle von Susis Steinwurf stattfindet.

Gehen wir bloß von unqualifizierter, intuitiver Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten aus, sollten jene Welten der aktualen Welt am ähnlichsten sein, in denen anstelle von Susis aktualem Steinwurf ein Ereignis stattfindet, das dem aktualen Steinwurf möglichst ähnlich ist. Diese Herangehensweise führt im Kontext der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität jedoch zu Problemen. Wieder zitiere ich zur Verdeutlichung David Lewis:

What is the closest way to actuality for C not to occur? It is for C to be replaced by a very similar event, one that is almost but not quite C, one that is just barely over the border between versions of C itself and its nearest alternatives. But if C is taken to be fairly fragile, then, if almost-C occurred instead of C, very likely the effects of almost-C would be almost the same as the effects of C. So our causal counterfactual will not mean what we thought it meant, and it may well not have the truth value that we thought it had. When asked to suppose counterfactually that C does not occur, we do not really look for the very closest possible world where C’s conditions of occurrence are not quite satisfied. Rather, we imagine that C is completely and cleanly excised from history, leaving behind no fragment or approximation of itself.Footnote 73

Das Problem besteht darin, dass (KK5) plausiblerweise falsch ist, wenn wir davon ausgehen, dass in den ähnlichsten Welten, in denen Susis Steinwurf nicht stattfindet, ein sehr ähnliches Ereignis stattfindet. Denn dieses sehr ähnliche Ereignis würde ebenfalls dazu führen, dass die Scheibe zerbricht. Wenn Susi zum Beispiel in einigen ähnlichsten Welten, in denen sie den Stein nicht wirft, einen anderen, sehr ähnlichen Stein wirft oder den Stein auf eine ein klein wenig andere Art und Weise wirft, kommt es in diesen Welten wohl noch immer zum Bruch der Scheibe. Die Falschheit von (KK5) würde laut der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität implizieren, dass Susis Wurf den Bruch der Scheibe nicht verursacht. Bei einer solchen Bewertung von (KK5) führt die einfache kontrafaktische Theorie also sogar in paradigmatischen Fällen von Verursachung zum falschen Ergebnis.Footnote 74

Aus diesem Grund sprechen viele Autor*innen ein Verbot gegen solche Ersetzungs-Evaluationen der relevanten kontrafaktischen Konditionale aus. Anstatt Welten zu betrachten, in denen ein Ereignis stattfindet, das Susis aktualem Wurf sehr ähnelt, sollte man zur Bewertung von (KK5) demzufolge Welten betrachten, in denen Susis Wurf „is completely and cleanly excised from history“.Footnote 75 In den Bewertungswelten für (KK5) findet dann weder Susis Wurf noch ein anderes Ereignis, das Susis Wurf auch nur entfernt ähnelt, statt. Nennen wir eine solche Bewertung eine Entfernungs-Evaluation. Unter Voraussetzung einer Entfernungs-Evaluation ist (KK5) wahr: In den ähnlichsten Welten, in denen Susi nicht wirft, findet nichts dergleichen statt und die Scheibe bleibt ganz.

Was als Ersetzungs-Evaluation von (KK5) zählt, hängt offenbar auch davon ab, wie Susis aktualer Wurf individuiert wird bzw. welches modale Profil Susis aktualer Wurf hat. Insbesondere können wir Susis Wurf einerseits als ein sehr modal zerbrechliches Ereignis betrachten: Schon kleinste Änderungen in der genauen Bewegung Susis und des Steins würden dazu führen, dass dieses Ereignis nicht stattfindet. Andererseits können wir Susis Wurf als ein recht modal stabiles Ereignis betrachten: Es wäre noch dasselbe Ereignis, selbst wenn Susi den Stein anders werfen würde oder einen anderen Stein werfen würde.Footnote 76 Auf den ersten Blick ist eine Ersetzungs-Evaluation von (KK5) besonders dann katastrophal für die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität, wenn wir den aktualen Wurf als modal zerbrechlich betrachten. Gehen wir hingegen von einem modal stabilen Steinwurf aus, ist zumindest weniger klar, ob in den ähnlichsten Welten, in denen Susi den Stein nicht wirft, die Scheibe zu Bruch geht. Diese Beobachtung legt nahe, dass für die Vermeidung des genannten Problems der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität weniger eine allgemeine Vermeidung von Ersetzungs-Evaluation gefordert ist, als vielmehr die Wahl eines angemessenen modalen Profils der Ursachen-Ereignisse.

Es ist nicht ganz klar, worauf genau eine Entfernungs-Evaluation hinausläuft. Denn eine Entfernung von Susis Wurf ohne Ersetzung durch ein ähnliches Ereignis verlangt noch immer eine Ersetzung durch irgendein unähnliches Ereignis. Wodurch Susis Wurf aber in den Bewertungswelten für (KK5) ersetzt werden sollte, bleibt bis hierher offen. Jens Harbecke macht den radikalen Vorschlag, dass die Raumzeitregion, in der Susis Wurf stattfindet, in den Bewertungswelten schlicht leer sein sollte bzw. durch Vakuum ersetzt werden sollte.Footnote 77 Dies scheint jedoch eine Reihe von sehr unplausiblen kontrafaktischen Konditionalen wahr zu machen. Deutlich wird dies vielleicht, wenn wir zu kontrafaktischen Konditionalen über neurologische Ereignisse kommen: Eine Ersetzung der entsprechenden Hirnregionen, in denen bestimmte neurologische Ereignisse auftreten, mit Vakuum ist sicherlich nicht gesund für die betroffenen Personen. Es wäre aber nicht plausibel, allgemein kontrafaktische Konditionale der Art ‘Wenn neurologisches Ereignis n nicht stattgefunden hätte, würde es der entsprechenden Person gesundheitlich nicht gut gehen’ zu akzeptieren. Zumindest für solche Konditionale müssten wir dann wohl einen anderen Ähnlichkeitsmaßstab ansetzen.

Ein besserer Vorschlag stammt von Ned Hall und Laurie Paul: Die Bewertung von (KK5) und anderen relevanten kontrafaktischen Konditionalen setzt eine Annahme darüber voraus, was normalerweise in der Raumzeitregion stattfinden würde, in der Susis Wurf stattfindet. Susis Wurf wird demnach als eine Abweichung von einem Normalverhalten aufgefasst. Ein im gegebenen Kontext naheliegendes Normalverhalten wäre dabei, dass Susi stillsteht, anstatt den Stein zu werfen. Zur Bewertung von (KK5) sollten wir also Welten betrachten, in denen Susi stillsteht.Footnote 78

Die Unterscheidung zwischen Ersetzungs- und Entfernungs-Evaluationen kontrafaktischer Konditionale spielt eine wichtige Rolle für meine spätere Diskussion von mentaler Verursachung im Rahmen der kontrafaktischen Theorie der Kausalität. Beim jetzigen Stand bleibt zunächst festzuhalten, dass es erstens prima facie Gründe gibt, Ersetzungs-Evaluationen im Rahmen der kontrafaktischen Theorie der Kausalität zu vermeiden und dass zweitens Entfernungs-Evaluationen zunächst offenlassen, was in den Bewertungswelten die Stelle des entfernten Ereignisses einnimmt.

4.3.4 Probleme der einfachen kontrafaktischen Theorie

Die Schwierigkeit, einen geeigneten Ähnlichkeitsmaßstab für die Bewertung der für die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität relevanten kontrafaktischen Konditionale zu finden, stellt sicherlich ein großes Problem für diese Theorie dar. Es wird uns in den kommenden Abschnitten weiter beschäftigen. In diesem Abschnitt möchte ich jedoch zunächst knapp auf zwei verwandte und weit diskutierte Einwände gegen die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität eingehen, die weitgehend unabhängig von den diskutierten Problemen mit der Ähnlichkeitsrelation sind: Das erste Problem betrifft Fälle von Präemption und das zweite Problem betrifft Fälle von symmetrischer Überdetermination.

Zunächst zu Fällen von Präemption: Im bisher vorausgesetzten paradigmatischen Fall von Verursachung hängt der Bruch der Scheibe plausiblerweise von Susis Steinwurf kontrafaktisch ab. Die einfache kontrafaktische Theorie kommt daher in diesem Fall zu dem richtigen Ergebnis: Der Steinwurf verursacht den Bruch der Scheibe. In Fällen von Präemption kommt die einfache kontrafaktische Theorie jedoch zu einem falschen Ergebnis. Die folgende Abwandlung des paradigmatischen Falls kann dies veranschaulichen:

Frühe Präemption: Wieder wirft Susi ihren Stein und die Scheibe zerbricht. Neben Susi steht Paul, der ebenfalls einen Stein in der Hand hält. Wenn Susi nicht geworfen hätte, wäre Paul eingesprungen und hätte seinen Stein geworfen. In diesem Fall wäre die Scheibe noch immer zerbrochen.Footnote 79

Bei früher Präemption ist das Urteil, dass Susis Wurf den Bruch der Scheibe verursacht, auf den ersten Blick nicht weniger plausibel als im paradigmatischen Fall von Verursachung. Jedoch hängt bei früher Präemption der Bruch der Scheibe nicht von Susis Wurf ab, weil es eine potentielle Ersatz-Ursache gibt: Pauls (möglicher) Wurf, der die Scheibe ebenfalls zerschmettert hätte.

Lewis weicht aufgrund von Fällen früher Präemption bereits in seiner ersten Formulierung einer kontrafaktischen Theorie der Kausalität von der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität ab.Footnote 80 Kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen sei nicht notwendig und hinreichend für Verursachung, sondern lediglich hinreichend. Frühe Präemption zeigt demzufolge, dass es Fälle von Verursachung gibt, in denen die Wirkung nicht kontrafaktisch von der Ursache abhängt. Kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen ist also nicht notwendig für Verursachung.

Stattdessen ist es nach Lewis früher kontrafaktischer Theorie notwendig für Verursachung, dass es eine Kette aus Ereignissen gibt, die Ursache und Wirkung verbinden und zwischen denen jeweils eine Beziehung der kontrafaktischen Abhängigkeit besteht. Dies ist im Fall früher Präemption gegeben: Der Bruch der Scheibe ist kontrafaktisch abhängig davon, dass Susis Stein sich auf halbem Weg zum Fenster befindet, und dies wiederum ist kontrafaktisch abhängig von Susis Wurf.

Jedoch lässt sich leicht eine Variation des Beispiels erdenken, in denen auch eine solche Kette aus kontrafaktisch abhängigen Ereignissen nicht vorliegt:

Späte Präemption: Susi und Paul werfen gemeinsam Steine auf Scheiben. Susi wirft nur ein klein wenig früher, so dass ihr Stein in der Scheibe einschlägt, kurz bevor Pauls Stein eingeschlagen wäre. Die Scheibe zerbricht.

Anders als im Fall früher Präemption macht Paul seinen Wurf in diesem Fall später Präemption nicht davon abhängig, ob Susi wirft: Er wirft nicht nur, wenn Susi nicht wirft, sondern auch, wenn Susi wirft. Tatsächlich wird der Prozess, der in Abwesenheit von Susis Wurf von Pauls Wurf zum Zerbrechen der Scheibe geführt hätte, erst kurz vor Vollendung unterbrochen: Erst kurz bevor Pauls Stein einschlagen würde, verhindert das Zerbrechen der Scheibe, dass Pauls Stein die Scheibe zerbricht.

Aus diesem Grund funktioniert Lewis Umgang mit früher Präemption in diesem Beispiel auch nicht: Das Zerbrechen der Scheibe ist nicht kontrafaktisch abhängig davon, dass sich Susis Stein auf dem halben Weg zur Scheibe befindet. Denn zeitgleich ist Pauls Stein (beinahe) auf dem halben Weg zur Scheibe. Und wenn Susis Stein nicht auf dem halben Weg zur Scheibe wäre, dann würde Pauls Stein noch immer die Scheibe zerschmettern.

Es gibt unterschiedliche Strategien, mit diesen und ähnlichen Gegenbeispielen gegen die einfache kontrafaktische Theorie umzugehen. Ich gehe nur ganz knapp hierauf ein:

Erstens kann man die Annahme, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist, in einigen Zusammenhängen schlicht ohne Ersatz aufgeben. Gerade für die Diskussion der Frage nach der Existenz mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus ist die These, dass kontrafaktische Abhängigkeit hinreichend für Kausalität ist, ohnehin viel einschlägiger.Footnote 81 Diese These wird durch die Gegenbeispiele aber gar nicht angezweifelt.

Zweitens kann man die einfache kontrafaktische Theorie als gelungene Explikation einer Art von Kausalität verteidigen und zugleich darauf hinweisen, dass dies nicht die einzige Art von Kausalität ist.Footnote 82 Hier wird also die in Abschnitt 4.1. eingeführte Unterscheidung zwischen kausaler Abhängigkeit, hinreichender Verursachung und kausaler Produktion relevant. Diese Strategie geht mit der (zunächst kontraintuitiven) Annahme einher, dass Susis Wurf in den Präemptions-Fällen keine Abhängigkeitsursache für das Zerbrechen der Scheibe ist. Die widersprechenden Intuitionen können mit Verweis auf Produktions-Verursachung erklärt werden: Weil Susis Wurf eine paradigmatische Produktions-Ursache ist, sind wir geneigt, unreflektiert von einer ‚Ursache‘ zu sprechen. Führen wir uns jedoch die Unterscheidung zwischen Produktion und Abhängigkeit vor Augen und konzentrieren uns auf kausale Abhängigkeit, gewinnt das Urteil an Plausibilität: Schließlich macht Susis Wurf (in einem gewissen Sinne) tatsächlich keinen Unterschied dafür, ob die Scheibe zerbricht. Auch könnten wir das Zerbrechen der Scheibe nicht verhindern, indem wir Susi am Werfen hindern.

Drittens schließlich kann man die einfache kontrafaktische Theorie modifizieren. Eine Möglichkeit, dies zu tun, geht von der Beobachtung aus, dass die Abwesenheit von Susis Wurf in den Präemptions-Fällen dazu führt, dass die Scheibe nicht zerbricht, wenn bestimmte Faktoren in der Umgebung festgehalten werden: So ist zwar das einfache kontrafaktische Konditional ‚Wenn Susi nicht geworfen hätte, dann wäre die Scheibe nicht zerbrochen‘ falsch. Das komplexere kontrafaktische Konditional ‚Wenn Susi nicht geworfen hätte und Pauls Wurf (wie in der aktualen Situation) ebenfalls nicht getroffen hätte, dann wäre die Scheibe nicht zerbrochen‘ hingegen ist wahr. Halten wir den aktualen Umstand, dass Pauls Wurf nicht trifft, also fest, ist der Bruch der Scheibe abhängig von Susis Wurf.Footnote 83 Notwendig für Kausalität ist demnach nicht simple kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen, sondern de facto kontrafaktische Abhängigkeit: kontrafaktische Abhängigkeit unter der Voraussetzung, dass bestimmte andere Faktoren festgehalten werden.

Verwandt mit Fällen von Präemption sind Fälle von symmetrischer Überdetermination. Diese waren im Zusammenhang mit dem Exklusionsprinzip bereits in Abschnitt 3.3.9. Thema. Dort ging es darum, dass die Möglichkeit symmetrischer Überdetermination eine Ausnahmeklausel im einfachen Exklusionsprinzip nötig macht. Fälle von symmetrischer Überdetermination stellen jedoch auch ein Problem für die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität dar.

Symmetrische Überdetermination: Susi und Paul werfen gleichzeitig aus gleichem Abstand ihre Steine und die Steine treffen gleichzeitig auf die Scheibe. Die Scheibe zerbricht. Ein Einschlag hätte gereicht dafür, dass die Scheibe zerbricht.

Hier ist es – anders als im Fall später Präemption – plausibel, dass sowohl Susis Wurf als auch Pauls Wurf Ursachen für das Zerbrechen der Scheibe sind. Dennoch hängt das Zerbrechen der Scheibe von keinem der beiden Ursachen kontrafaktisch ab. Es handelt sich also um ein weiteres Gegenbeispiel gegen die These, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist.

Die möglichen Reaktionen auf symmetrische Überdetermination entsprechen den möglichen Reaktionen auf Fälle von Präemption: Man kann erstens die These, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist, ersatzlos streichen; man kann zweitens die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität auf kausale Abhängigkeit beschränken, akzeptieren, dass das Zerbrechen der Scheibe bei symmetrischer Überdetermination weder von Susis Wurf noch von Pauls Wurf abhängt und widersprechende Intuitionen durch Produktionsbeziehungen erklären; und man kann drittens die einfache kontrafaktische Theorie modifizieren.

Symmetrische Überdetermination ist für die Diskussion um mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus deshalb besonders interessant, weil – zumindest im Kompatibilismus – auch mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus in einem bestimmten Sinne mit symmetrischer Überdetermination einhergeht. Es ist jedoch wichtig zu sehen, dass sich die symmetrische Überdetermination, die durch den Fall von den gleichzeitigen Steinwürfen veranschaulicht ist, bedeutend unterscheidet von den Fällen von Überdetermination, die laut Kompatibilist*innen mit mentaler Verursachung einhergehen. Während der Punkt des Falls der gleichzeitigen Steinwürfe gerade ist, dass der Bruch der Scheibe von keinem der Steinwürfe kontrafaktisch abhängig ist, obgleich es sich um zwei Ursachen handelt, meinen Kompatibilist*innen, die sich auf die kontrafaktische Theorie der Kausalität berufen, dass mentale und physische Ereignisse einige Wirkungen überdeterminieren, weil die Wirkungen sowohl von mentalen Ereignissen als auch von physischen Ereignissen kontrafaktisch abhängen. Im einen Fall haben wir also Überdetermination ohne kontrafaktische Abhängigkeit, im anderen Fall Überdetermination aufgrund von kontrafaktischer Abhängigkeit. Dies ist ein bedeutender Unterschied.Footnote 84

4.3.5 Direkte Argumente für die Existenz mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus

Um unter Voraussetzung der einfachen kontrafaktischen Analyse der Kausalität zu zeigen, dass es mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus gibt, gilt es zu zeigen, dass entsprechende kontrafaktische Konditionale unter Voraussetzung des nicht-reduktiven Physikalismus wahr sind. Ich gehe in diesem Abschnitt zunächst von der (trivialen) Wahrheit faktischer kontrafaktischer Konditionale aus. Bezogen auf das Beispiel von Susi sind dann die folgenden gewöhnlichen kontrafaktischen Konditionale ausschlaggebend für die Begründung zugehöriger Kausalaussagen:

(KK6) Wenn Susi nicht die Idee für den Seminarbeitrag gehabt hätte, dann hätte sie nicht den Wunsch gehabt, den Arm zu heben.

(KK7) Wenn Susi nicht den Wunsch gehabt hätte, den Arm zu heben, dann hätte sie den Arm nicht gehoben.

(KK8) Wenn Susi nicht den Wunsch gehabt hätte, den Arm zu heben, dann wären die mikrophysikalischen Ereignisse, die ihrer Armbewegung zugrunde liegen, nicht passiert.

Solche kontrafaktischen Konditionale, die sich an zentraler Stelle auf mentale Ereignisse beziehen, nenne ich im Folgenden mentale kontrafaktische Konditionale. Aus der Wahrheit von (KK6) können wir nach der kontrafaktischen Theorie der Kausalität schließen, dass Susis Idee ihren Wunsch verursacht, aus der Wahrheit von (KK7) können wir schließen, dass Susis Wunsch ihre Armbewegung verursacht und aus der Wahrheit von (KK8) können wir schließen, dass Susis Wunsch die mikrophysikalischen Ereignisse verursacht, die ihrer Armbewegung zugrunde liegen. Ein einfaches Argument für die Existenz mentaler Verursachung auf Grundlage der kontrafaktischen Theorie der Kausalität besteht demnach darin, für die Wahrheit geeigneter mentaler kontrafaktischer Konditionale zu argumentieren.

Das Schema eines solchen einfachen kontrafaktischen Arguments für mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus kann wie folgt rekonstruiert werden:

Das einfache kontrafaktische Argument:

Es seien m ein mentales Ereignis und p* ein physisches Ereignis. m und p* treten tatsächlich ein und sind gänzlich distinkt. p* findet etwas später als m statt.

(EKA-1) Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten.

(EKA-2) Wenn gilt: Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten, dann gilt: m verursacht p*.

(EKA-K) Also: m verursacht p*.

(EKA-2) ist dabei eine Konsequenz aus der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität. Da es sich hier um die Behauptung handelt, dass kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen hinreichend für Kausalität ist, kann diese Prämisse nicht durch die in Abschnitt 4.3.3. angesprochenen Einwände gegen die einfache kontrafaktische Theorie angegriffen werden. Diese betreffen schließlich nur die Behauptung, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist. Dennoch ist es natürlich möglich, dass andere Überlegungen auch gegen die Annahme sprechen, dass kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen hinreichend für Kausalität ist. Zunächst gehe ich aber davon aus, dass Prämisse (EKA-2) wahr ist. Der Erfolg des einfachen kontrafaktischen Arguments ist dann allein von Prämisse (EKA-1) abhängig.

Was also spricht für die Wahrheit von (EKA-1)? Eine Möglichkeit, die Wahrheit der relevanten kontrafaktischen Konditionale zu etablieren, besteht darin, schlichtweg auf ihre hohe Ausgangsplausibilität zu verweisen.Footnote 85 Diese Strategie ist nach meiner Einschätzung stärker, als sie zunächst aussieht: Erstens kann man darauf verweisen, dass man sich bei der Bewertung kontrafaktischer Konditionale ohnehin ein Stück weit auf vortheoretische Plausibilitätserwägungen beziehen muss. Wie Lewis schreibt: “It is fair to discover the appropriate standards of similarity from the counterfactuals they make true, rather than vice versa”Footnote 86. Um eine plausible Ähnlichkeitsrelation für die Bewertung kontrafaktischer Konditionale zu erhalten, müssen wir uns an vorgängigen Urteilen über die Wahrheit kontrafaktischer Konditionale orientieren. Typische Instanzen von (EKA-1) – wie ‘Wenn Susi nicht den Wunsch gehabt hätte, den Arm zu heben, dann hätte sie den Arm nicht gehoben’ – wirken plausibel genug, um ihre Wahrheit im Rahmen der Entwicklung einer Semantik kontrafaktischer Konditionale vorauszusetzen. Dies macht es von vornherein unwahrscheinlich, dass eine Begründung von (EKA-1) auf Grundlage einer Semantik kontrafaktischer Konditionale scheitert.

Zweitens gibt es keine spezifischen Argumente gegen die Wahrheit solcher kontrafaktischer Konditionale im nicht-reduktiven Physikalismus. Argumente, die allein auf Grundlage einer Semantik kontrafaktischer Konditionale und der Kernthesen des nicht-reduktiven Physikalismus zu etablieren suchen, dass mentale kontrafaktische Konditionale allgemein falsch sind, sind in der Literatur nicht zu finden. Es bleibt für Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus allenfalls der Umweg über Exklusionsargumente: Da Exklusionsargumente etablieren, dass m keine Ursache für p* ist, kann – unter der Voraussetzung, dass kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignisse hinreichend für Kausalität ist – p* nicht kontrafaktisch abhängig von m sein. Zur Erwiderung können sich nicht-reduktive Physikalist*innen jedoch auf die in Kapitel 3 diskutierten Probleme von Exklusionsargumenten berufen: Die zentralen Exklusionsprinzipien sind letztlich schwer zu rechtfertigen. Zudem kann man darauf hinweisen, dass sich aus den Überlegungen zur kontrafaktischen Theorie der Kausalität eine weitere problematische Konsequenz von Exklusionsargumenten ergibt: Aus Exklusionsargumenten folgt – unter Voraussetzung einer kontrafaktischen Theorie der Kausalität – dass bestimmte kontrafaktische Konditionale falsch sind, die intuitiv wahr wirken und deren Bewertung als falsch nicht durch eine unabhängig plausible Semantik kontrafaktischer Konditionale gedeckt ist.

Der Verweis auf die Ausgangsplausibilität mentaler kontrafaktischer Konditionale kann also bereits einiges leisten. Dennoch ist es sinnvoll, zusätzliche Argumente für die Wahrheit der relevanten mentalen kontrafaktischen Konditionale zu betrachten. Dies hat die folgenden drei Gründe:

Erstens machen die zu besprechenden Argumente für die Wahrheit mentaler kontrafaktischer Konditionale im nicht-reduktiven Physikalismus deutlich, welche metaphysische Grundlage ihre Wahrheit hat: Sie zeigen genauer, aufgrund welcher fundamentalerer Umstände die mentalen kontrafaktischen Konditionale im nicht-reduktiven Physikalismus wahr sind.

Zweitens machen die Argumente deutlich, was mit einer Ablehnung der entsprechenden kontrafaktischen Konditionale verbunden wäre. Insbesondere wird in den zu besprechenden Argumenten die folgende Verbindung plausibilisiert: Wer die Wahrheit der relevanten mentalen kontrafaktischen Konditionale im nicht-reduktiven Physikalismus ablehnt, muss auch die Wahrheit einiger eng verbundener kontrafaktischer Konditionale über die Basen der im Antezedens erwähnten mentalen Ereignisse ablehnen. Diese Überlegung stärkt die Annahme, dass die relevanten mentalen kontrafaktischen Konditionale wahr sind.

Drittens können die zu behandelnden Argumente Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus daher gewissermaßen abholen: Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus wollen üblicherweise sagen, dass die entsprechenden kontrafaktischen Konditionale über physische Ereignisse wahr sind, insofern der nicht-reduktive Physikalismus falsch ist. Hierfür müssen sie sich aber auf eben jene Überlegungen stützen, die plausibilisieren, dass die entsprechenden kontrafaktischen Konditionale unter Voraussetzung des nicht-reduktiven Physikalismus wahr sind. Dann aber müssen sie akzeptieren, dass die physischen kontrafaktischen Konditionale auch im nicht-reduktiven Physikalismus wahr sind. Wenn hieraus aber folgt, dass auch die relevanten mentalen kontrafaktischen Konditionale wahr sind, müssen sie eben auch die Wahrheit der mentalen kontrafaktischen Konditionale im nicht-reduktiven Physikalismus akzeptieren.

Daher diskutiere ich in den nächsten Abschnitten Argumente für die Wahrheit von Prämisse (EKA-1). Die Grundidee der Argumente besteht darin, die Wahrheit mentaler kontrafaktischer Konditionale unter Bezug auf die Wahrheit von kontrafaktischen Konditionalen zu motivieren, die die physischen Basen der relevanten mentalen Ereignisse betreffen. Die im nicht-reduktiven Physikalismus angenommene enge modale Verknüpfung zwischen den Basen mentaler Ereignisse und den zugehörigen mentalen Ereignissen erlaubt dabei, Verbindungen zwischen mentalen kontrafaktischen Konditionalen und kontrafaktischen Konditionalen über ihre Basen herzustellen. Ich diskutiere im kommenden Abschnitt ein Transitivitätsargument, das zwar nicht gültig ist, aber interessante Einsichten erlaubt. Hierauf aufbauend werden in den darauffolgenden Abschnitten zwei Ergänzungen des Transitivitätsarguments diskutiert.

4.3.6 Das ungültige Transitivitätsargument

Das Transitivitätsargument kann wir folgt formuliert werden:

Transitivitätsargument für mentale kontrafaktische Konditionale:

Es sei m ein mentales Ereignis. p sei die aktuale totale physische Basis von m. p* sei ein weiteres physisches Ereignis. m, p und p* treten tatsächlich ein. p* ist sowohl von m als auch von p gänzlich distinkt.

(TA-1) Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p nicht eingetreten.

(TA-2) Wenn p nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten.

(TA-K) Also: Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten.

Die beiden Prämissen dieses Arguments sind aus Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus sehr plausibel. (TA-1) folgt aus der Annahme, dass p – d. h. die physische Basis von m – m necessitiert: Es gilt notwendigerweise: Wenn p eintritt, dann tritt m ein.Footnote 87 Alle Welten, in denen m nicht eintritt, sind also auch Welten, in denen p nicht eintritt. Dies umfasst die nächsten Welten, in denen m nicht eintritt. Also sind die nächsten Welten, in denen m nicht eintritt, Welten, in denen auch p nicht eintritt. Also ist (TA-1) wahr. (TA-2) ist – zumindest für einige Einsetzungen von p* – ebenfalls überaus plausibel: Es gibt physische Ereignisse, die in ihrem Auftreten vom Auftreten der aktualen Basis von m abhängen.

Das Argument setzt jedoch voraus, dass kontrafaktische Abhängigkeit transitiv ist. Doch kontrafaktische Abhängigkeit ist nicht transitiv: Aus den kontrafaktischen Konditionalen ‘A > B’ und ‘B > C’ folgt nicht das kontrafaktische Konditional ‘A > C’. Der Grund hierfür ist, dass die nächsten A-Welten B-Welten sein können und die nächsten B-Welten C-Welten sein können, ohne dass die nächsten A-Welten C-Welten sind. Dies ist kann aber nur dann so sein, wenn die nächsten A-Welten nicht die nächsten B-Welten sind. Denn in diesem Fall können die nächsten B-Welten auch C-Welten sein, ohne dass die nächsten A-Welten C-Welten sind. Der transitive Schluss von ‘A > B’ und ‘B > C’ auf ‘A > C’ scheitert also typischerweise dann, wenn A eine relativ fernliegende Möglichkeit ist und B eine relativ naheliegende Möglichkeit ist. Zudem muss C in den relativ fernliegenden A-Welten falsch sein, aber in den näherliegenden B-Welten wahr sein.

Vielleicht kann ein Beispiel helfen, dies zu veranschaulichen. Lewis gibt das folgende Beispiel:

(KK9) Wenn Otto zur Party gegangen wäre, dann wäre Anna zur Party gegangen.

(KK10) Wenn Anna zur Party gegangen wäre, dann wäre Waldo zur Party gegangen.

(KK11) Wenn Otto zur Party gegangen wäre, dann wäre Waldo zur Party gegangen.

Wenn kontrafaktische Konditionale transitiv wären, könnten wir (KK11) aus (KK9) und (KK10) folgern. Jedoch lässt sich leicht einsehen, dass (KK11) falsch sein kann, obgleich (KK9) und (KK10) beide wahr sind: Otto und Anna sind enge Freunde, so dass Anna mit Otto zur Party gegangen wäre, wenn Otto nicht verhindert gewesen wäre. (KK9) ist daher wahr. Waldo mag Anna und hasst Otto. Er wäre deshalb zur Party gegangen, wenn Anna ohne Otto zur Party gegangen wäre. Otto konnte nicht zur Party, weil er sich zur Zeit auf der anderen Seite der Welt aufhält. Dass Otto zur Party geht, ist also eine fernliegende Möglichkeit. Anna hingegen wäre beinahe auch ohne Otto gegangen. Daher ist (KK10) wahr: In den nächsten möglichen Welten, in denen Anna zur Party geht, geht sie ohne Otto. In diesem Fall geht auch Waldo. Zugleich ist (KK11) falsch: Wenn Otto zur Party gegangen wäre, wäre Waldo ganz sicher nicht gegangen – selbst wenn Anna dann gegangen wäre.Footnote 88

Das Beispiel funktioniert, weil Ottos Partybesuch eine relativ fernliegende Möglichkeit ist, während Annas Partybesuch eine näherliegende Möglichkeit ist: Die nächsten Welten, in denen Anna zur Party geht sind näher als die nächsten Welten, in denen Otto zur Party geht. Deswegen kann Waldo zwar in den nächsten Welten, in denen Anna zur Party geht, ebenfalls zur Party gehen, aber in den nächsten Welten, in denen Otto zur Party geht, fernbleiben, obwohl Anna in den nächsten Welten, in denen Otto zur Party geht, ebenfalls zur Party geht. Wenn Ottos Partybesuch hingegen eine ebenso naheliegende Möglichkeit ist wie Annas Partybesuch, funktioniert das Beispiel nicht mehr. Denn dann wären die nächsten Welten, in denen Otto zur Party geht, zugleich die nächsten Welten, in denen Anna zur Party geht. Wenn Waldo in diesen Welten zur Party geht, sind (KK9), (KK10) und (KK11) alle wahr.

Das Transitivitätsargument ist also deshalb nicht gültig, weil es sein kann, dass die nächsten Welten, in denen m nicht eintritt und die daher relevant für die Auswertung von (TA1) (‘wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p nicht eingetreten’) sind, weiter entfernt sind als die nächsten Welten, in denen p nicht eintritt und die daher relevant für die Auswertung von (TA2) (‘wenn p nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten’) sind. Wenn in den Welten, die für (TA1) relevant sind, p* ohne p eintritt, während in den Welten, die für (TA2) relevant sind, p* nicht eintritt, sind (TA1) und (TA2) wahr, während (TAK) (‘wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten’) falsch ist.

Übertragen wir dies zur Veranschaulichung auf das Beispiel von Susi und betrachten dafür noch einmal das folgende Konditional:

(KK7) Wenn Susi nicht den Wunsch gehabt hätte, den Arm zu heben, dann hätte sie den Arm nicht gehoben.

Das Transitivitätsargument würde (KK7) aus den folgenden beiden Konditionalen ableiten:

(KK12) Wenn Susi nicht den Wunsch gehabt hätte, den Arm zu heben, dann wäre die aktuale Basis ihres Wunsches nicht eingetreten.

(KK13) Wenn die aktuale Basis ihres Wunsches nicht eingetreten wäre, dann hätte sie den Arm nicht gehoben.

Dieser Schluss von (KK12) und (KK13) auf (KK7) funktioniert nicht, weil es sein könnte, dass die nächsten Welten, in denen Susis Wunsch nicht eintritt, weiter entfernt sind als die nächsten Welten, in denen die aktuale Basis von Susis Wunsch nicht eintritt. Dies mag – unter der Voraussetzung, dass Susis Wunsch multipel realisiert ist – recht plausibel sein: Die nächsten Welten, in denen die aktuale Basis von Susis Wunsch nicht eintritt, sind dann Welten, in denen eine alternative Basis ihres Wunsches eintritt und ihr Wunsch somit noch immer eintritt.Footnote 89

Es wird nun aber zugleich deutlich, welche modale Situation gegeben sein müsste, damit (KK7) falsch ist während (KK12) und (KK13) wahr sind: In den – relativ naheliegenden – nächsten Welten, in denen die aktuale Basis von Susis Wunsch nicht eintritt, hebt Susi nicht ihre Hand. In diesen Welten muss Susis Wunsch zugleich eintreten. Das Nicht-Auftreten von Susis Wunsch muss vielmehr eine fernliegendere Möglichkeit sein. Und in denFootnote 90 – also weiter entfernten – nächsten möglichen Welten, in denen Susis Wunsch nicht eintritt, müsste sie ihren Arm wieder heben. Dann wäre (KK7) falsch, während (KK12) und (KK13) wahr sind.

Diese modale Situation wirkt in Bezug auf die typischen Situationen, mit Bezug auf welche wir mentale kontrafaktische Konditionale äußern, nicht sehr plausibel: Warum sollten wir davon ausgehen, dass Susi zwar in den nächsten Welten, in denen die aktuale Basis ihres Wunsches nicht eintritt, während ihr Wunsch fortbesteht, ihren Arm nicht hebt, aber in den nächsten Welten, in denen sie ihren Wunsch nicht hat, den Arm wieder hebt?

Diese Seltsamkeit des Grundes für das Scheitern des Transitivitätsarguments mit Bezug auf die vorgestellte Situation legt nahe, dass man das Transitivitätsargument modifizieren oder um eine plausible Prämisse ergänzen kann, um zu einem gültigen und überzeugenden Argument zu gelangen. Und tatsächlich gibt es hier zumindest zwei Möglichkeiten, die in den folgenden beiden Abschnitten behandelt werden sollen.

4.3.7 Das Argument aus der wechselseitigen kontrafaktischen Abhängigkeit

Die erste Möglichkeit, das Transitivitätsargument zu modifizieren, besteht darin, es um die Prämisse zu ergänzen, dass die nächsten möglichen Welten, in denen die aktuale Basis von Susis Wunsch nicht eintritt, zugleich Welten sind, in der ihr Wunsch nicht eintritt. Anders ausgedrückt: Wenn die aktuale Basis von Susis Wunsch nicht eingetreten wäre, dann wäre auch Susis Wunsch nicht eingetreten. Es ergibt sich dann das folgende Argument:

Argument aus der wechselseitigen kontrafaktischen Abhängigkeit:

Es sei m ein mentales Ereignis. p sei die aktuale totale physische Basis von m. p* sei ein weiteres physisches Ereignis. m, p und p* treten tatsächlich ein. p* ist sowohl von m als auch von p gänzlich distinkt.

(WA-1) Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p nicht eingetreten.

(WA-2) Wenn p nicht eingetreten wäre, dann wäre m nicht eingetreten.

(WA-3) Wenn p nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten.

(WA-K) Also: Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten.

Dieses Argument ist – im Gegensatz zum Transitivitätsargument – gültig. Die zugrundeliegende Schlussregel besagt, dass aus ‘A > B’, ‘B > A’ und ‘A > C’ folgt: ‘A > C’. Diese Schlussregel knüpft an die Einsicht an, dass A in Transitivitätsverletzungen eine relativ zu B fernliegendere Möglichkeit sein muss. Diese notwendige Bedingung für eine Transitivitätsverletzung wird durch die Annahme ‘B > A’ explizit ausgeschlossen.Footnote 91 Allgemein garantiert die Wahrheit von ‘A > B’ und ‘B > A’, dass die Menge der nächsten A-Welten identisch mit der Menge der nächsten B-Welten ist. Entsprechend sind die Welten, die relevant für die Auswertung von ‘A > X’ sind, identisch mit den Welten, die relevant für die Auswertung von ‘B > X’ sind. Deshalb sind A und B dann in Antezendenzien von kontrafaktischen Konditionalen unter Erhaltung des Wahrheitswertes austauschbar.Footnote 92

Es stellt sich jedoch die Frage, ob wir die Gültigkeit des Arguments durch die Einführung einer inakzeptablen Prämisse erreicht haben. In 4.3.6. hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass es aus Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus zumindest prima facie plausibel ist, die nächsten Welten, in denen m nicht eintritt, als fernliegender zu betrachten als die nächsten Welten, in denen p, d. h. die aktuale physische Basis von m, nicht eintritt. Hintergrund ist die These der multiplen Realisierung: m ist in anderen möglichen Welten durch eine andere Basis als p realisiert. Insofern die nächsten Welten, in denen p nicht eintritt, solche Welten sind, in denen eine andere Basis von m eintritt, tritt m in diesen Welten noch immer ein. Die zentrale Prämisse (WA2) im Argument aus der wechselseitigen kontrafaktischen Abhängigkeit (‘Wenn p nicht eingetreten wäre, dann wäre m nicht eingetreten’) ist dann falsch.

An dieser Stelle wird jedoch erstmals eine der in Abschnitt 4.3.3. eingeführten Komplikationen relevant. Die Plausibilität von Prämisse (WA-2) hängt nämlich davon ab, ob wir eine Ersetzungsevaluation oder eine Entfernungsevaluation voraussetzen.

Unter Voraussetzung einer Ersetzungs-Evaluation ist (WA-2) plausiblerweise falsch: In den nächsten Welten, in denen die aktuale Basis von m nicht eintritt, tritt ein sehr ähnliches physisches Ereignis ein. Es ist plausibel, dass dieses sehr ähnliche Ereignis ebenfalls eine mögliche Basis von m ist. In diesen Welten tritt m also weiterhin ein. Es gilt also nicht: Wenn die aktuale Basis von m nicht eingetreten wäre, dann wäre m nicht eingetreten.

Man beachte jedoch, dass diese Überlegung verdächtig nahe an der in Abschnitt 4.3.3. geschilderten Überlegung ist, die dazu führt, dass die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität beinahe keine Ereignisse als Ursachen klassifiziert: In den nächsten Welten, in denen Susi den Stein nicht wirft, nimmt ein sehr ähnliches Ereignis den Platz von Susis Wurf ein. Dieses Ereignis könnte ein leicht anderer Wurf oder ein Wurf mit einem leicht anderen Stein sein. In diesen Welten würde die Scheibe noch immer zerbrechen. Das kontrafaktische Konditional ‘Wenn Susi den Stein nicht geworfen hätte, wäre die Scheibe nicht zerbrochen’ wäre dann falsch. Insofern diese Überlegung motiviert, Ersetzungsevaluationen allgemein zu vermeiden, wäre die eben geschilderte Argumentation für die Falschheit von (WA-2) also nicht überzeugend.Footnote 93

Was ergibt sich für (WA2), wenn wir es stattdessen durch eine Entfernungsevaluation auswerten? Ich sehe keinen guten Grund, weshalb wir davon ausgehen sollten, dass p – die aktuale Basis von m – in den nächsten Welten, in denen es ‘completely and cleanly excised from history’Footnote 94 ist, durch eine andere Basis von m ersetzt werden sollte. Folgen wir Harbeckes Ansatz, die Raumzeitregion von p in den Auswertungswelten durch Leere zu ersetzen, wird m in den Auswertungswelten sicherlich nicht mehr eintreten. Folgen wir dem Ansatz von Paul und Hall, p in den Auswertungswelten durch ein Normalverhalten zu ersetzen, ist es ebenfalls wenig naheliegend, das Eintreten einer alternativen Basis von m als ausschlaggebendes Normalverhalten zu betrachten. Wenn in den Auswertungswelten für (WA-2) also ‘nothing remotely like’Footnote 95 p eintritt, wird dort m ebenfalls nicht eintreten.Footnote 96 Unter Voraussetzung einer Entfernungsevaluation ist (WA-2) also plausiblerweise wahr.

Da die beiden anderen Prämissen im Argument aus der wechselseitigen kontrafaktischen Abhängigkeit aus dem Transitivitätsargument übernommen wurden und dort bereits als überaus plausibel eingeschätzt wurden, schließe ich, dass das Argument aus der wechselseitigen kontrafaktischen Abhängigkeit überzeugen kann, insofern (WA-2) durch eine Entfernungsevaluation ausgewertet wird. Wir haben hier also bereits ein starkes Argument für das mentale kontrafaktische Konditional ‘Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten’ und somit – unter der Annahme, dass dieses Konditional hinreichend für eine entsprechende Kausalitätsbehauptung ist – für die These, dass m p* verursacht.

4.3.8 Das Argument aus der eingeschränkten Transitivität

Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, ausgehend von der Diagnose des Scheiterns des Transitivitätsarguments ein modifiziertes Argument für das entsprechende mentale kontrafaktische Konditional zu entwickeln. Selbst wenn wir nämlich zugestehen, dass die nächsten Welten, in denen m nicht eintritt, weiter entfernt sind als die nächsten Welten, in denen die aktuale Basis p nicht eintritt, müssen wir noch nicht zugestehen, dass p* in den nächsten Welten, in denen p nicht eintritt, ebenfalls nicht eintritt, aber in den nächsten Welten, in denen m nicht eintritt, wieder eintritt.

Da wir im nicht-reduktiven Physikalismus davon ausgehen können, dass p – als totale Basis von m – m necessitiert, gilt weiterhin, dass in jeder Welt, in der m nicht eintritt, auch p nicht eintritt. Wir gestehen nun zu, dass in den nächsten Welten, in denen p nicht eintritt, m noch immer eintritt. Auch gestehen wir zu, dass in diesen Welten p* nicht eintritt. Es lässt sich dann immer noch bestreiten, dass in den nächsten Welten, in denen m nicht eintritt (und p entsprechend weiterhin nicht eintritt) p* wieder eintritt. Und dies geht insbesondere auch, ohne die Konklusion, dass p* nicht eintreten würde, wenn m nicht eintreten würde, bereits vorauszusetzen. Allerdings müssen wir ein eng verwandtes Konditional voraussetzen – und dies kann die Stärke des angedachten Arguments in Zweifel ziehen.

Das Argument kann wie folgt formuliert werden:

Argument aus der eingeschränkten Transitivität:

Es sei m ein mentales Ereignis. p sei die aktuale totale physische Basis von m. p* sei ein weiteres physisches Ereignis. m, p und p* treten tatsächlich ein. p* ist sowohl von m als auch von p gänzlich distinkt.

(ETA-1) Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p nicht eingetreten.

(ETA-2) Wenn m und p beide nicht eingetreten wären, dann wäre p* nicht eingetreten.

(ETA-K) Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten.

Auch dieses Argument ist gültig. Die zugrundeliegende Schlussregel besagt, dass aus ‘A > B’ und ‘(A ∧ B) > C’ folgt: ‘A > C’.Footnote 97 Jonathan Bennett nennt diese Schlussregel eingeschränkte Transitivität (‘Limited Transitivity’).Footnote 98 Er argumentiert, dass diese Schlussregel auch erklären kann, wieso der transitive Schluss mit Blick auf kontrafaktische Konditionale in vielen Fällen recht plausibel wirkt. Beispielsweise wirkt dieser Schluss auf den ersten Blick einwandfrei:

(KK14) Wenn Susi den Stein geworfen hätte, wäre die Scheibe zerbrochen.

(KK15) Wenn die Scheibe zerbrochen wäre, hätte Susi Ärger bekommen.

(KK16) Also: Wenn Susi den Stein geworfen hätte, hätte sie Ärger bekommen.

Jedoch kann der Schluss von (KK14) und (KK15) auf (KK16) nicht durch eine Transitivitätsregel gedeckt sein. Stattdessen ist er plausiblerweise durch eingeschränkte Transitivität gedeckt. Denn (KK15) ist, so die Idee, im Kontext dieses Arguments eine Abkürzung für das komplexere Konditional ‘Wenn Susi den Stein geworfen hätte und die Scheibe (deshalb) zerbrochen wäre, hätte Susi Ärger bekommen’. (KK14) führt uns dann zu einer Möglichkeit, an die (KK15) anknüpft. Gerade dies ist in Transitivitätsverletzungen ja nicht der Fall: (KK11) (‘Wenn Otto zur Party gegangen wäre, wäre Susi gegangen’) führt uns zu einer Möglichkeit, die für die Auswertung von (KK12) (‘Wenn Susi zur Party gegangen wäre, wäre Waldo gegangen’) irrelevant ist. An (KK11) anknüpfen würde vielmehr das komplexere Konditional ‘Wenn Otto zur Party gegangen wäre und Susi (deshalb) zur Party gegangen wäre, wäre Waldo zur Party gegangen’. Gerade dieses Konditional ist in dem Beispiel für Transitivitätsverletzung aber falsch.Footnote 99

Was kann man also über die zentrale Prämisse (ETA-2) des Arguments aus der eingeschränkten Transitivität sagen? Was spricht aus Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus dafür, dass gilt: Wenn m und p beide nicht eingetreten wären, wäre p* nicht eingetreten?

Man kann diese Prämisse durchaus durch die (unschuldigere) Prämisse (TA-2) aus dem Transitivitätsargument motivieren: Wenn p nicht eingetreten wäre, wäre p* nicht eingetreten. Zwar folgt (ETA-2) hieraus nicht, da kontrafaktische Konditionale nicht monoton sind: Aus ‘A > B’ folgt nicht ‘A ∧ C > B’. Aber es ist eben auch nicht zu sehen, weshalb die Abwesenheit von m dazu führen sollte, dass p* wieder eintritt, obgleich p ja nach wie vor nicht eintritt.

Ein naheliegender Einwand gegen das Argument aus der eingeschränkten Transitivität besteht darin, dass die Prämisse (ETA-2) gefährlich nahe an der Konklusion ist. Es droht hier also Zirkularität. Man beachte jedoch, dass die Konklusion nicht aus (ETA-2) alleine folgt. Zudem kann (ETA-2) wie gerade gesehen ohne einen Verweis auf die Konklusion motiviert werden. Ich denke daher, dass das Argument aus der eingeschränkten Transitivität durchaus eine gewisse Überzeugungskraft entwickeln kann. Es verweist noch einmal auf die Seltsamkeit des Grundes für das Scheitern des Transitivitätsarguments. Im Gegensatz zum Argument aus der wechselseitigen kontrafaktischen Abhängigkeit ist dieses Argument dabei nicht auf Ersetzungs- oder Entfernungsevaluationen angewiesen.

4.3.9 Das Argument aus der notwendigen Basiertheit

Ein weiteres Argument für die Wahrheit eines mentalen kontrafaktischen Konditionals der Art ‘Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten’ wird in einer Reihe von neueren Veröffentlichungen von Thomas Kroedel verteidigt.Footnote 100 Anstatt – wie die bisherigen Argumente – die Wahrheit mentaler kontrafaktischer Konditionale in der Wahrheit kontrafaktischer Konditionale über die aktuale physische Basis von m zu begründen, geht Kroedel von der Wahrheit kontrafaktischer Konditionale über die Menge aller möglichen physischen Basen von m aus. Sein Argument kann wie folgt formuliert werden:

Argument aus der notwendigen Basiertheit:

Es sei m ein mentales Ereignis. p* sei ein physisches Ereignis. m und p* treten tatsächlich ein. p* ist sowohl von m als auch von p gänzlich distinkt.

(ANB-1) Notwendig: m tritt genau dann ein, wenn eine der möglichen physischen Basen von m eintritt.

(ANB-2) Wenn keine der physischen Basen von m eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten.

(ANB-K) Also: Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten.

Das Argument ist gültig und beruht auf einer Schlussregel, derzufolge aus ‚□(A ↔ B)‘ und ‚A > C‘ folgt: ‚B > C‘. Wenn zwei Propositionen einander necessitieren, sind sie im Kontext kontrafaktischer Konditionale unter Erhaltung des Wahrheitswertes austauschbar.Footnote 101

Prämisse (ANB-1) motiviert Kroedel durch die von nicht-reduktiven Physikalist*innen akzeptierte Supervenienz-These. Dabei beruft er sich auf eine verbreitete Version der starken lokalen Supervenienz-These: Notwendigerweise gilt: Wenn ein Objekt o eine mentale Eigenschaft M hat, dann hat o eine physische Eigenschaft P, so dass notwendigerweise gilt: Jedes Objekt o‘, das P hat, hat auch M. Aus dieser Version von starker Supervenienz folgt tatsächlich, dass notwendigerweise jedes Objekt, das eine mentale Eigenschaft hat, auch eine physische Eigenschaft hat, die sie necessitiert. Unter der vorausgesetzten Kim’schen Konzeption von Ereignissen (und der Annahme, dass konstitutives Objekt und konstitutives Zeitintervall gleichbleiben) folgt die entsprechende These für Ereignisse: Für jedes mentale Ereignis m gibt es ein physisches Ereignis p, so dass aus dem Auftreten von p mit Notwendigkeit das Auftreten von m folgt.

In jeder Welt, in der m eintritt, tritt also ein zeitgleiches physisches Ereignis ein, das als Basis von m fungiert. Aus der These der multiplen Realisierung folgt jedoch, dass m nicht in jeder möglichen Welt dieselbe physische Basis hat. Das Eintreten von m necessitiert also nicht das Eintreten der aktualen Basis p von m. Dennoch lässt sich argumentieren, dass das Eintreten von m das Eintreten einer möglichen Basis von m necessitiert. Im Hintergrund steht dabei die Annahme, dass m notwendigerweise physisch basiert ist: m kann nicht ohne eine physische Basis eintreten.Footnote 102

Prämisse (ANB-2) ist – ebenso wie schon (TA-2) im Transitivitätsargument – für zumindest manche Einsetzungen von p* überaus plausibel: Man kann davon ausgehen, dass sich die physische Welt irgendwie anders weiterentwickelt hätte, wenn weder die aktuale Basis noch irgendeine andere physische Basis von m eingetreten wären.

Mit dem Argument aus der notwendigen Basiertheit steht also ein weiteres starkes Argument für die Wahrheit mentaler kontrafaktischer Konditionale im nicht-reduktiven Physikalismus bereit.

4.3.10 Mentale kontrafaktische Konditionale

Die Diskussion in den letzten vier Abschnitten hat gezeigt, dass es gute Gründe gibt, die Wahrheit zumindest mancher mentaler kontrafaktischer Konditionale im nicht-reduktiven Physikalismus zu akzeptieren. Ausgangspunkt der Argumente waren dabei durchgehend kontrafaktische Konditionale, die auf die eine oder andere Weise einen Bezug auf die physischen Basen der relevanten mentalen Ereignisse enthalten. Die Grundidee war also, dass die Wahrheit mentaler kontrafaktischer Konditionale unter Annahme der modalen Verpflichtungen des nicht-reduktiven Physikalismus aus der Wahrheit physischer kontrafaktischer Konditionale folgt. Wer also bestreiten möchte, dass mentale kontrafaktische Konditionale im nicht-reduktiven Physikalismus wahr sind, ist auch auf die Zurückweisung der entsprechenden physischen kontrafaktischen Konditionale festgelegt.

Diese Einsicht ist ein Fortschritt gegenüber dem in Abschnitt 4.3.5. angeschnittenen bloßen Verweis auf die Plausibilität mentaler kontrafaktischer Konditionale. Denn erstens wird deutlich, dass die Wahrheit mentaler kontrafaktischer Konditionale nicht mehr verlangt als die Wahrheit physischer kontrafaktischer Konditionale und die Wahrheit der modalen Verpflichtungen des nicht-reduktiven Physikalismus. Was immer also die physischen kontrafaktischen Konditionale wahrmacht, ist auch für die Wahrheit der zugehörigen mentalen kontrafaktischen Konditionale verantwortlich. Zweitens verdeutlichen die Argumente, dass die Wahrheit mentaler kontrafaktischer Konditionale von Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus nicht angezweifelt werden kann, ohne dass auch die Wahrheit der genannten physischen Konditionale angezweifelt wird. Drittens schließlich akzeptieren Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus typischerweise die genannten physischen Konditionale. Dies macht es schwer zu sehen, wie sie die mentalen kontrafaktischen Konditionale anzweifeln könnten. Insgesamt sollte die Wahrheit zumindest mancher mentaler kontrafaktischer Konditionale nach meiner Einschätzung also keine strittige Annahme mehr sein.

Recht unbestimmt blieb jedoch in meiner bisherigen Diskussion der Argumente, genau welche mentalen kontrafaktischen Konditionale durch sie begründet werden können. Welche physischen Ereignisse können für p* in den obigen Argumenten eingesetzt werden? Für welche physischen Ereignisse ist es plausibel, dass sie kontrafaktisch von der aktualen Basis von m bzw. vom Eintreten einer möglichen physischen Basis von m abhängen? Ist es insbesondere plausibel, typische vermeintliche Wirkungen mentaler Ereignisse wie andere mentale Ereignisse (Susis Wunsch) oder behaviorale Ereignisse (Susis Armheben) für p* einzusetzen? Oder dürfen wir nur physischeeng Ereignisse wie die mikrophysikalischen Vorgänge, die Susis Armbewegung zugrunde liegen, für p* einsetzen?

4.3.11 Kontrafaktische Konditionale und der Status der drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität

Die Beantwortung dieser Fragen möchte ich in diesem Abschnitt mit einer Diskussion des Status der drei Prinzipien der Kausalität in der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität verbinden. Denn die Überlegungen, die für die Beantwortung der am Ende des letzten Abschnitts genannten Fragen relevant sind, sind zugleich für die Bewertung der Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität relevant. Und aus dem Status der drei Prinzipien der Verursachung ergeben sich Konsequenzen für die Beantwortung der genannten Fragen.

Betrachten wir zunächst das Prinzip der Abwärtsverursachung:

Prinzip der Abwärtsverursachung: Wenn ein Ereignis u eine Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis w ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist u auch eine Ursache für Ereignis b.

Es ist hilfreich, sich dem Status dieses Prinzips über die Diskussion eines verwandten Prinzips anzunähern, das sich – anstatt auf kausale Aussagen und Aussagen über ontologische Abhängigkeit – auf kontrafaktische Konditionale und Necessitationsbehauptungen bezieht:

Prinzip der Abwärtsabhängigkeit: Wenn gilt: ‚Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten‘ und gilt: ‚Notwendigerweise: Wenn b eintritt, dann tritt w ein‘, dann gilt: ‚Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre b nicht eingetreten‘.

((¬Eu > ¬Ew) ∧ □(Eb → Ew)) → (¬Eu > ¬Eb)Footnote 103

Dieses Prinzip ist wahr. Denn wenn b w necessitiert, dann ist jede Welt, in der w nicht stattfindet, auch eine Welt, in der b nicht stattfindet. Wenn die nächsten Welten, in denen u nicht stattfindet, also Welten sind, in denen w nicht stattfindet, dann sind diese Welten auch Welten, in denen b nicht stattfindet. Wenn ein Ereignis w also von einem anderen Ereignis u kontrafaktisch abhängt, dann hängt auch jede totale Basis von w kontrafaktisch von u ab.Footnote 104

Bezogen auf das Susi-Beispiel heißt das: Wenn gilt: ‚Wenn Susi nicht den Wunsch gehabt hätte, den Arm zu heben, dann hätte sie ihren Arm nicht gehoben‘, und die mikrophysikalischen Vorgänge, die Susis Armbewegung zugrunde liegen, ihre Armbewegung necessitieren, dann gilt auch: ‚Wenn Susi nicht den Wunsch gehabt hätte, den Arm zu heben, dann hätten die mikrophysikalischen Vorgänge, die ihrer Armbewegung zugrunde liegen, nicht stattgefunden‘.

Wenn wir von der einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität ausgehen (und ontologische Abhängigkeit für den Moment mit Necessitation gleichsetzen), ist das Prinzip der Abwärtsabhängigkeit äquivalent zum Prinzip der Abwärtsverursachung. Die einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität bestätigt also das Prinzip der Abwärtsverursachung.

Gehen wir hingegen aufgrund der in Abschnitt 4.3.4. geschilderten Probleme davon aus, dass kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen zwar hinreichend aber nicht notwendig für Kausalität ist, folgt das Prinzip der Abwärtsverursachung nicht mehr unmittelbar aus dem Prinzip der Abwärtsabhängigkeit. Denn es kann dann Kausalbeziehungen geben, bei denen die Wirkungen nicht von ihren Ursachen kontrafaktisch abhängen. Und für diese Kausalbeziehungen hat das Prinzip der Abwärtsabhängigkeit keine Relevanz. Dennoch können wir dann auf das Prinzip der Abwärtsabhängigkeit verweisen, um zumindest ein eingeschränktes Prinzip der Abwärtsverursachung zu rechtfertigen: Das Prinzip der Abwärtsverursachung gilt dann zumindest für solche Kausalbeziehungen, bei denen die Wirkungen von ihren Ursachen kontrafaktisch abhängen. In vielen typischen Fällen von Kausalität folgt also aus höherstufiger Verursachung Abwärtsverursachung: Wenn Susis Wunsch ihre Armbewegung verursacht, dann verursacht er auch die mikrophysikalischen Vorgänge, die ihrer Armbewegung zugrunde liegen.

Auch das Prinzip der Aufwärtsverursachung hat eine Entsprechung in einem verwandten Prinzip über kontrafaktische Konditionale und Necessitation:

Prinzip der Aufwärtsverursachung: Wenn ein Ereignis u eine Ursache für ein Ereignis w ist und ein Ereignis h ontologisch abhängig von Ereignis w ist, dann ist u auch eine Ursache für Ereignis h.

Prinzip der Aufwärtsabhängigkeit: Wenn gilt: ‚Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten‘ und gilt: ‚Notwendig: wenn w eintritt, dann tritt h ein‘, dann gilt: ‚Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre h nicht eingetreten.

((¬Eu > ¬Ew) ∧ □(Ew → Eh)) → (¬Eu > ¬Eh)

Dieses Prinzip der Aufwärtsabhängigkeit ist jedoch nicht allgemein wahr.Footnote 105 Denn zwar ist – insofern w das höherstufige Ereignis h necessitiert – jede Welt, in der h nicht stattfindet, auch eine Welt, in der w nicht stattfindet. Jedoch kann es Welten geben, in denen w nicht stattfindet und h dennoch stattfindet. Wenn h multipel realisierbar ist, kann h auch durch ein anderes Ereignis als w realisiert sein. Und in Welten, in denen h durch ein anderes Ereignis realisiert ist, tritt h ohne w ein. Entsprechend können auch die nächsten Welten, in denen u nicht eintritt, solche Welten sein, in denen h anders realisiert ist. Dann wäre zwar das Konditional ‚Wenn u nicht eintreten würde, dann würde w nicht eintreten‘ wahr, aber das Konditional ‚Wenn u nicht eintreten würde, dann würde h nicht eintreten‘ ist falsch.Footnote 106

Ist es plausibel, dass in den für uns relevanten Situationen die nächsten Welten, in denen die Ursache nicht eintritt, Welten sind, in denen die Wirkung anders realisiert ist? Lei Zhong gibt das folgende Beispiel, um das Prinzip der Aufwärtsabhängigkeit zurückzuweisen:

On the actual occasion, Ivan’s pain is realized by P (the property of having such and such neurons firing in the anterior cortex), and Ivan’s walking to the hospital is realized by P* (say, the property of having such and such fibers firing in the backbone). Suppose that Q, a physical property very similar to P, can also realize Ivan’s pain, and Q*, a physical property very similar to P*, can also realize Ivan’s walking. Since P* is caused by P, on a counterfactual theory of causation, in the closest possible worlds where P is not instantiated, P* is not instantiated either. But since it is reasonable to assume that Q, a realizer of pain, and Q*, a realizer of walking, would be also instantiated in this possible world, pain and walking would thus be instantiated in the same world.Footnote 107

Zhongs Idee ist hier, dass in den nächsten Welten, in denen die aktuale Basis von Ivans Schmerz nicht eintritt, zwar die aktuale Basis von Ivans Gang zum Krankenhaus nicht eintritt, der Gang zum Krankenhaus jedoch noch immer eintritt, weil eine andere Basis des Gangs zum Krankenhaus eintritt. Zwar ist die aktuale Basis von Ivans Gang zum Krankenhaus von der aktualen Basis von Ivans Schmerz kontrafaktisch abhängig. Der Gang zum Krankenhaus selbst ist aber nicht von der aktualen Basis von Ivans Schmerz abhängig.

Wenn Zhong mit dieser Einschätzung recht hat, hat dies zwei für den vorliegenden Kontext relevante Konsequenzen: Erstens können in den in Abschnitten 4.3.5. bis 4.3.7. diskutierten Argumenten (Das Transitivitätsargument, das Argument aus der wechselseitigen Abhängigkeit und das Argument aus der eingeschränkten Transitivität) nur physischeeng Basen höherstufiger Ereignisse für p* eingesetzt werden, nicht aber die höherstufigen Ereignisse selbst. Denn diese Argumente gingen von der Wahrheit physischer kontrafaktischer Konditionale aus, die die aktuale Basis eines mentalen Ereignisses betreffen. Das ausschlaggebende Konditional in diesen Argumenten ist ‘Wenn p – die aktuale Basis von m – nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten’. Nach Zhongs Einschätzung ist dieses Konditional falsch, wenn für p* ein typisches behaviorales Ereignis wie der Gang zu einem Krankenhaus eingesetzt wird. Wahr ist es hingegen, wenn für p* die aktuale physische Basis eines typischen behavioralen Ereignisses eingesetzt wird. Die Argumente in den Abschnitten 4.3.6. bis 4.3.8. könnten demnach bestenfalls etablieren, dass mentale Ereignisse physischeeng Wirkungen haben. Sie könnten hingegen für sich genommen noch nicht etablieren, dass mentale Ereignisse diejenigen höherstufigen behavioralen Wirkungen haben, die wir ihnen typischerweise zuschreiben.

Zweitens können diese Argumente auch nicht durch einen Verweis auf das Prinzip der Aufwärtsabhängigkeit zu Argumenten für mental-behaviorale Verursachung ausgebaut werden. Denn dieses Prinzip ist laut Zhong nicht wahr. Daraus, dass die aktualen Basen behavioraler Ereignisse von mentalen Ereignissen kontrafaktisch abhängen, folgt nicht, dass die behavioralen Ereignisse selbst von mentalen Ereignissen kontrafaktisch abhängen. Die Wahrheit von kontrafaktischen Konditionalen der Art ‘Wenn Susi den Wunsch, ihren Arm zu heben, nicht gehabt hätte, dann hätte sie ihren Arm nicht gehoben’ muss dann auf andere Weise gerechtfertigt werden.

Kroedels Argument aus der notwendigen Basierheit scheint dieses Problem zu umgehen. Denn Zhong argumentiert nur dafür, dass höherstufige behaviorale Ereignisse nicht von der aktualen Basis mentaler Ereignisse kontrafaktisch abhängen. Ihr Eintreten kann aber noch immer von dem Eintreten irgendeiner physischen Basis des mentalen Ereignisses kontrafaktisch abhängen. Dies kann durchaus als großer Vorteil von Kroedels Argumentationslinie und ihrem Bezug auf die Menge der möglichen Basen gesehen werden.Footnote 108

Ist Zhongs Argumentation gegen das Prinzip der Aufwärtsabhängigkeit aber plausibel? Dies hängt wiederum davon ab, ob wir eine Ersetzungs- oder eine Entfernungsevaluation der relevanten kontrafaktischen Konditionale ansetzen. Zhong verwendet für die physischen kontrafaktischen Konditionale, auf die es hier ankommt, offenbar eine Ersetzungsevaluation: Er geht davon aus, dass in den nächsten Welten in denen die aktuale Basis von Ivans Schmerz P nicht instantiiert ist, Q – „a property very similar to P“Footnote 109 – als alternative Basis von Ivans Schmerz instantiiert ist. Dies ist der Grund, warum er das kontrafaktische Konditional ‚Wenn die aktuale Basis von Ivans Schmerz nicht eingetreten wäre, dann wäre Ivan nicht ins Krankenhaus gegangen‘ für falsch hält: In den nächsten Welten, in denen die aktuale Basis des Schmerzes nicht eintritt, tritt eine sehr ähnliche Basis ein und Ivan geht noch immer ins Krankenhaus. Zugleich geht Zhong davon aus, dass das Konditional ‚Wenn die aktuale Basis von Ivans Schmerz nicht eingetreten wäre, dann wäre die aktuale Basis von Ivans Gang zum Krankenhaus nicht eingetreten‘ auch bei einer Ersetzungsevaluation wahr ist. Der Wechsel von P zu Q hätte dazu geführt, dass Ivans Gang zum Krankenhaus anders realisiert ist.Footnote 110

Bei einer Entfernungsevaluation ist das Konditional ‚Wenn die aktuale Basis von Ivans Schmerz nicht eingetreten wäre, dann wäre Ivan nicht ins Krankenhaus gegangen‘ hingegen plausiblerweise wahr. Denn in den nächsten Welten, in denen die aktuale Basis von Ivans Schmerz ‚is completely and cleanly excised from history‘, tritt keine alternative Basis von Ivans Schmerz ein und Ivan geht nicht ins Krankenhaus. Allgemein ist zu erwarten, dass in Situationen, in denen kontrafaktische Konditionale der Art ‚Wenn p nicht eingetreten wäre, dann wäre p* nicht eingetreten‘ – wobei p und p* für physischeeng Basen höherstufiger Eigenschaften stehen – auch die zugehörigen Konditionale wahr sind, die p mit den höherstufigen Eigenschaften verbinden, die von p* ontologisch abhängen, insofern alle Konditionale durch eine Entfernungsevaluation ausgewertet werden. Akzeptieren wir also ein Verbot von Ersetzungsevaluationen, scheint das Prinzip der Aufwärtsabhängigkeit durchaus plausibel.

Wieder folgt aus dem Prinzip der Aufwärtsabhängigkeit nur dann unmittelbar ein Prinzip der Aufwärtsverursachung, wenn wir voraussetzen, dass kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen hinreichend und notwendig für Kausalität ist. Wieder lässt sich aber auch ein eingeschränktes Prinzip der Aufwärtsverursachung aus dem Prinzip der Aufwärtsabhängigkeit ableiten, wenn wir die Annahme, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist, aufgeben: In paradigmatischen Fällen von Verursachung wird daher – unter Voraussetzung von Entfernungsevaluationen – aus einer fundamentalen oder niedrigstufigen Kausalbeziehung eine aufwärtsgerichtete Kausalbeziehung folgen.

Kommen wir nun noch zum Prinzip der basalen Verursachung. Wieder diskutiere ich das Prinzip, in dem ich die Entsprechung betrachte, die sich auf kontrafaktische Konditionale und Necessitation bezieht:

Prinzip der basalen Verursachung: Wenn ein Ereignis u eine Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis u ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist auch Ereignis b eine Ursache für Ereignis w.

Prinzip der basalen Abhängigkeit: Wenn gilt: ‚Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten‘ und gilt: ‚Notwendig: Wenn b eintritt, dann tritt u ein‘, dann gilt auch: ‚Wenn b nicht eingetreten wäre, dann wäre u nicht eingetreten‘.

((¬Eu > ¬Ew) ∧ □(Eb → Eu)) → (¬Eb > ¬Ew)

Auch das Prinzip der basalen Verursachung ist nicht allgemein wahr.Footnote 111 Denn zwar sind, wenn b u necessitiert, alle Welten, in denen u nicht eintritt, zugleich Welten, in denen b nicht eintritt. Jedoch kann es wieder Welten geben, in denen u eintritt, aber b nicht eintritt. Auch hier ist die multiple Realisierbarkeit von u relevant: In einigen Welten ist u nicht durch b sondern durch eine andere physische Basis realisiert. In diesen Welten tritt b ohne u ein. Die nächsten Welten, in denen u nicht eintritt, sind also in jedem Falle Welten, in denen b nicht eintritt. ‚Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten‘ wird unter Betrachtung solcher Welten ausgewertet, in denen weder b noch u eintreten. Jedoch kann es nähere Welten geben, in denen b ebenfalls nicht eintritt, u aber eintritt. Und wenn es solche näheren Welten gibt, sind diese Welten relevant für die Auswertung von ‘Wenn b nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten’. Wenn w also in den nächsten Welten, in denen u (und b) nicht eintreten, ebenfalls nicht eintritt, aber in den nächsten Welten, in denen b nicht eintritt, w eintritt, ist das kontrafaktische Konditional ‘Wenn b nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten’ falsch, während das kontrafaktische Konditional ‘Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten’ wahr ist, obgleich b u necessitiert.

Wieder spielt für die Begründung des Scheiterns des Schlusses von ‘Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten’ auf ‘Wenn b nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten’, aber eine Ersetzungsevaluation eine ausschlaggebende Rolle. Ich zitiere wiederum Lei Zhong:

It is reasonable to assume that any world where Ivan doesn’t instantiate P and Ivan doesn’t go to the hospital is more remote from the actual world than some world where Ivan instantiates Q rather than P (accordingly Ivan feels pain) and Ivan still goes to the hospital. So, P is not a good candidate for the cause of Ivan’s going to the hospital. By contrast, a world where Ivan doesn’t feel pain and doesn’t go to the hospital is probably closer to the actual world than any world where Ivan doesn’t feel pain but still somehow goes to the hospital.Footnote 112

Die Zurückweisung des Prinzips der basalen Abhängigkeit beruht also auf ähnlichen Überlegungen wie die Zurückweisung des Prinzips der Aufwärtsabhängigkeit: Das Konditional ‘Wenn die aktuale Basis von Ivans Schmerz nicht eingetreten wäre, dann wäre Ivan nicht ins Krankenhaus gegangen’ ist falsch, weil in den nächsten Welten, in denen die aktuale Basis nicht eintritt, die (sehr ähnliche) alternative Basis Q eintritt. Dies ist damit kompatibel, dass in den (weiter entfernten) nächsten möglichen Welten, in denen Ivans Schmerz nicht eintritt, Ivans Gang ins Krankenhaus ebenfalls nicht eintritt. Wie oben schon angemerkt würde eine Entfernungsevaluation zu einem anderen Ergebnis führen: Hier wäre das kontrafaktische Konditional ‘Wenn die aktuale Basis von Ivans Schmerz nicht eingetreten wäre, dann wäre Ivan nicht ins Krankenhaus gegangen’ plausiblerweise wahr, wenn das kontrafaktische Konditional ‘Wenn Ivan keine Schmerzen gehabt hätte, wäre er nicht ins Krankenhaus gegangen’ wahr ist. Auch das Prinzip der basalen Abhängigkeit ist also plausibel, wenn man ein Verbot von Ersetzungsevaluation akzeptiert. Entsprechendes gilt für die wie oben eingeschränkte Version des Prinzips der basalen Verursachung: In paradigmatischen Fällen von Kausalität, in denen die Wirkung kontrafaktisch abhängig von der Ursache ist, folgt daraus, dass ein höherstufiges Ereignis eine Ursache für ein Ereignis ist, dass auch die Basis des höherstufigen Ereignisses eine Ursache für dasselbe Ereignis ist.

Die Diskussion im diesem Abschnitt hat gezeigt, dass sich Kausalrelationen im nicht-reduktiven Physikalismus nach der kontrafaktischen Theorie der Kausalität stark vervielfältigen. Ausgehend von einer unschuldigen Kausalaussage wie ‘Susis Wunsch verursacht ihre Armbewegung’ können wir zunächst – da die kontrafaktische Theorie das Prinzip der Abwärtsverursachung bestätigt – schließen, dass ihr Wunsch auch alle totalen Basen der Armbewegung verursacht. Wenn wir zudem das für kontrafaktische Konditionale, die Informationen über Kausalverhältnisse ausdrücken sollen, plausible Verbot gegen Ersetzungsevaluationen akzeptieren, bestätigt die kontrafaktische Theorie zudem ein auf typische Fälle von Kausalität beschränktes Prinzip der Aufwärtsverursachung und ein auf typische Fälle von Kausalität beschränktes Prinzip der basalen Verursachung. Wenn Susis Wunsch also ein physischeseng Ereignis verursacht, dann verursacht er typischerweise auch alle höherstufigen Ereignisse, die durch dieses physischeeng Ereignis necessitiert werden. Entsprechendes gilt für physische Ereignisse: wenn sie die Basis eines mentalen Ereignisses verursachen, verursachen sie auch das zugehörige mentale Ereignis. Und wenn Susis Wunsch ihre Armbewegung verursacht, wird typischerweise auch jede totale Basis von Susis Wunsch ihre Armbewegung verursachen. In typischen Situationen mentaler Verursachung ergibt sich daher das in Abbildung 4.1 dargestellte Bild.

Abbildung 4.1
figure 1

Mentale Verursachung in der einfachen kontrafaktischen Theorie ohne Proportionalitätsforderung

Aus der kontrafaktischen Theorie der Kausalität folgt also soweit ein kompatibilistisches Bild mentaler Verursachung. Mentale Eigenschaften verursachen demnach (beinahe) ausschließlich Ereignisse, die auch physischeeng Ursachen haben.

Dies bringt das in 3.4.4. kurz angerissene Redundanzproblem auf den Plan. Zwar wurde nun gezeigt, dass mentale Ereignisse im nicht-reduktiven Physikalismus Ursachen sind. Allerdings sind sie nie eigenständige Ursachen, die sich von den physischeneng Ursachen, auf denen sie basieren, abheben. Um diesen Eindruck abzuschwächen, kann man sich nun auf eine Proportionalitätsforderung berufen. Die Einbindung einer Proportionalitätsforderung in die kontrafaktische Theorie der Kausalität ist daher Gegenstand des nächsten Abschnitts. Dabei orientiere ich mich an einer bestimmten Art, eine Proportionalitätsforderung in die kontrafaktische Theorie einzubinden, die von Christian List und Peter Menzies sowie Tuomas Pernu verteidigt wird.Footnote 113

4.3.12 Proportionalität in der kontrafaktischen Theorie der Kausalität

Christian List und Peter Menzies setzen in ihrer Herangehensweise an mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus eine einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität voraus, der zufolge kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen sowohl hinreichend als auch notwendig für Kausalität ist.Footnote 114 Den Kern dieser Theorie drücken sie wie folgt aus:

Truth conditions for making a difference: The presence of F makes a difference to the presence of G in the actual world if and only if it is true in the actual world that (i) F is present □→ G is present; and (ii) F is absent □→ G is absent.Footnote 115

Diese Formulierung ist recht nahe an der in Abschnitt 4.3.1. zu Beginn eingeführten Definition kontrafaktischer Kausalität (DKK). An die hiesige Terminologie angepasst und um eine Distinktheits- und Aktualitätsbedingung ergänzt,Footnote 116 können wir List und Menzies also die folgende Definition von Kausalität zuschreiben:

Definition kontrafaktischer Kausalität (DKK): Ein Ereignis u verursacht ein Ereignis w genau dann, wenn gilt: (dkk-i) u und w finden tatsächlich statt, (dkk-ii) u und w sind gänzlich distinkt und (dkk-iii) w ist kontrafaktisch abhängig von u, d.h. (k-i) wenn u eingetreten wäre, dann wäre w eingetreten und (k-ii) wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten.

List und Menzies Idee ist nun, dass bereits diese einfache kontrafaktische Theorie der Kausalität implizit einer Proportionalitätsforderung Ausdruck verleiht, insofern die Ähnlichkeitsrelation, die für die Auswertung der relevanten kontrafaktischen Konditionale angesetzt wird, auf eine bestimmte Weise verstanden wird. List und Menzies Verständnis der Ähnlichkeitsrelation weicht dabei in einem wichtigen Punkt von der in den vergangenen Abschnitten vorausgesetzten Ähnlichkeitsrelation ab. Und zwar wird an dieser Stelle erstmals die in Abschnitt 4.3.3. geschilderte Komplikation mit Blick auf die Zentrierung der Ähnlichkeitsrelation relevant: Statt von einer starken Zentrierung der Ähnlichkeitsrelation auszugehen, setzen List und Menzies eine schwache Zentrierung voraus.

Dies hat wie geschildert Konsequenzen für die Auswertung faktischer kontrafaktischer Konditionale – also kontrafaktischer Konditionale mit wahrem Antezedens und wahrem Konsequenz. Während diese unter Voraussetzung starker Zentrierung trivial wahr sind, weil für ihre Auswertung ausschließlich die aktuale Welt relevant ist, können sie bei schwacher Zentrierung falsch sein. Denn bei einer schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation kann es vorkommen, dass es maximal ähnliche Welten gibt, in denen das Antezedens eines faktischen kontrafaktischen Konditionals wahr ist, während das Konsequenz falsch ist. Die maximale Ähnlichkeit anderer Welten zur aktualen Welt ergibt sich dabei aus der Irrelevanz bestimmter Ähnlichkeitshinsichten. Maximal ähnliche nicht-aktuale Welten sind dementsprechend Welten, die sich von der aktualen Welt ausschließlich in irrelevanten Hinsichten unterscheiden.

In der obigen Definition kontrafaktischer Kausalität kommt nun ein faktisches kontrafaktisches Konditional vor: Da u und w laut (dkk-i) tatsächlich eintreten, ist das kontrafaktische Konditional (k-i) ‚wenn u eingetreten wäre, dann wäre w eingetreten‘ ein faktisches kontrafaktisches Konditional. Unter Voraussetzung einer schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation ist (k-i) in der obigen Definition daher redundant. Die Wahrheit dieser Bedingung ist schon durch (dkk-i) garantiert. Dies erlaubt es, das faktische kontrafaktische Konditional für eine Auseinandersetzung mit aktualer Kausalität zu ignorieren. Und eben dies habe ich in den Abschnitten 4.3.4. bis 4.3.11. auch getan. Gehen wir jedoch – wie List und Menzies – von einer schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation aus, ist das Konditional ‚wenn u eingetreten wäre, wäre w eingetreten‘ auch dann nicht trivial wahr, wenn u und w tatsächlich eintreten. Es kann vielmehr Informationen ausdrücken, die für die Wahrheit (proportionaler) Kausalaussagen wesentlich sind.

Tatsächlich verstehen List und Menzies das faktische kontrafaktische Konditional in der Definition (DKK) so, dass es Ursachen ausschließt, die im Sinne einer Proportionalitätsforderung nicht spezifisch genug für ihre Wirkungen sind. Das gewöhnliche kontrafaktische Konditional soll hingegen Ursachen ausschließen, die zu spezifisch für ihre Wirkungen sind. Ich illustriere diese Idee zunächst unter Bezug auf das in 4.1.3. eingeführte Beispiel von Yablos Taube:

Yablos Taube: Die Taube Sophie hat gelernt, auf alle roten und nur auf rote Objekte zu picken. Gerade legt jemand ein scharlachrotes Objekt vor Sophie und Sophie beginnt, zu picken.Footnote 117

Hier ist der Umstand, dass ein farbiges Objekt vor Sophie gelegt wird, laut List und Menzies keine Ursache dafür, dass Sophie pickt, weil das faktische kontrafaktische Konditional ‚Wenn ein farbiges Objekt vor Sophie gelegt würde, würde Sophie picken‘ falsch ist. Dieses Konditional schließt das Hinlegen eines farbigen Objekts also als proportionale Ursache für Sophies Picken aus, weil dieses Ereignis zu unspezifisch ist.

Das faktische kontrafaktische Konditional lädt laut List und Menzies dazu ein, nicht nur die aktuale Welt zu betrachten, sondern auch weitere Welten, in denen farbige Objekte vor Sophie gelegt werden. Dies sind die maximal ähnlichen Welten, die für die Auswertung des faktischen kontrafaktischen Konditionals relevant sind. Unter diesen maximal ähnlichen Welten sind auch solche, in denen ein farbiges, aber nicht rotes Objekt vor Sophie gelegt wird. In diesen Welten pickt Sophie jedoch nicht. Also ist das Konsequenz des faktischen kontrafaktischen Konditionals ‚Wenn ein farbiges Objekt vor Sophie gelegt würde, würde Sophie picken‘ nicht in allen maximal ähnlichen Welten wahr, in denen das Antezedens wahr ist. Also ist das faktische kontrafaktische Konditional falsch. Also ist das Legen eines farbigen Objekts vor Sophie keine Ursache für Sophies Picken.

Das Ereignis, das darin besteht, dass ein scharlachrotes Objekt vor Sophie gelegt wird, ist hingegen zu spezifisch, um als proportionale Ursache für Sophies Picken zu gelten. Hier argumentieren List und Menzies, dass das gewöhnliche kontrafaktische Konditional ‚Wenn kein scharlachrotes Objekt vor Sophie gelegt würde, würde Sophie nicht picken‘ falsch ist. Denn in einigen der nächsten möglichen Welten, in denen kein scharlachrotes Objekt vor Sophie gelegt wird, wird laut List und Menzies ein Objekt mit einem anderen Rotton vor Sophie gelegt. In solchen Welten, in denen zum Beispiel ein bordeauxrotes Objekt vor Sophie gelegt wird, pickt Sophie jedoch noch immer. Also ist das relevante kontrafaktische Konditional falsch. Die Annahme, dass in den nächsten möglichen Welten, in denen kein scharlachrotes Objekt vor Sophie gelegt wird, ein Objekt mit einem anderen Rotton vor Sophie gelegt wird, erinnert wiederum an die in Abschnitt 4.3.3. diskutierte Ersetzungsevaluation kontrafaktischer Konditionale.

Das Ereignis, das darin besteht, dass ein rotes Objekt vor Sophie gelegt wird, sei hingegen eine proportionale Ursache für Sophies Picken, weil sowohl das faktische kontrafaktische Konditional ‚Wenn ein rotes Objekt vor Susi gelegt würde, würde sie picken‘ als auch das gewöhnliche kontrafaktische Konditional ‚Wenn kein rotes Objekt vor Susi gelegt würde, würde sie nicht picken‘ wahr seien: In allen maximal ähnlichen Welten, in denen ein rotes Objekt vor Sophie gelegt wird, pickt sie und in den nächsten möglichen Welten, in denen kein rotes Objekt vor Sophie gelegt wird, pickt sie nicht.

4.3.13 Mentale Verursachung, Proportionalität und der Status der drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität

Die so verstandene Proportionalitätsforderung kann nun auch auf typische Fälle mentaler Verursachung angewendet werden. Es stellt sich dabei heraus, dass alle drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität falsch sind, wenn die Proportionalitätsforderung in der Ausdeutung von List und Menzies in Kraft ist. Denn die Proportionalitätsforderung führt zu einem Bild mentaler Verursachung, nach dem mentale Ereignisse ausschließlich höherstufige Ereignisse verursachen, ohne aber auch die Basen ihrer höherstufigen Wirkungen zu verursachen.Footnote 118 Im engen Sinne physische Ereignisse haben zudem zwar physischeeng Wirkungen, verursachen aber eben nicht die höherstufigen Ereignisse, die von diesen physischeneng Wirkungen ontologisch abhängen. Wie in Abbildung 4.2 dargestellt ergibt sich demnach ein inkompatibilistischesFootnote 119 Bild mentaler Verursachung.

Abbildung 4.2
figure 2

Mentale Verursachung in der einfachen kontrafaktischen Theorie mit Proportionalitätsforderung

Wie kann dieses Bild mentaler Verursachung ausgehend von der Proportionalitätsforderung begründet werden? Die Argumentation für das inkompatibilistische Bild mentaler Verursachung ergibt sich aus drei Argumenten: Einem Argument gegen Abwärtsverursachung, einem Argument gegen Aufwärtsverursachung und einem Argument für höherstufige Verursachung. Ich gehe die drei Argumente mit Bezug auf die Benennungen in Abbildung 4.2 durch.

Das Argument gegen Abwärtsverursachung kann – unter Bezug auf die Bezeichnungen in Abbildung 4.2 – wie folgt rekonstruiert werden:

Argument gegen Abwärtsverursachung:

(AB-1) Wenn m p* verursacht, dann gilt: Wenn m eintreten würde, dann würde p* eintreten.

(AB-2) Es gilt nicht: Wenn m eintreten würde, dann würde p* eintreten.

(AB-K) Also: m verursacht nicht p*.

(AB-1) besagt, dass das faktische kontrafaktische Konditional ‘Wenn m eintreten würde, dann würde p* eintreten’ notwendig für eine Kausalbeziehung ist. Diese Prämisse ergibt sich also unmittelbar aus List und Menzies Definition von Kausalität. Es ist zu beachten, dass die in Abschnitt 4.3.4. besprochenen Argumente gegen die Annahme, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist, sich nicht gegen diese Prämisse (AB-1) richten. Denn diese Argumente betreffen das gewöhnliche kontrafaktische Konditional und nicht das hier genannte faktische kontrafaktische Konditional. Dass das faktische kontrafaktische Konditional notwendig für Kausalität ist, ist in der einfachen kontrafaktischen Theorie ohne Proportionalitätsforderung und mit starker Zentrierung eine triviale Konsequenz daraus, dass Ursache und Wirkung beide eintreten müssen. In der nun betrachteten kontrafaktischen Theorie mit Proportionalitätsforderung ist dies jedoch eine substantielle Bedingung an proportionale Ursachen.

Diese notwendige Bedingung ist laut List und Menzies (und Pernu) in ihrer Anwendung auf m und p* nicht erfüllt. Dies ist in Prämisse (AB-2) ausgedrückt. Der Grund dafür hat nun mit dem genaueren Verständnis der schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation zu tun. Denn die bloße Annahme, dass die Ähnlichkeitsrelation schwach zentriert ist, ist für sich genommen noch nicht sehr aussagekräftig. Wichtig ist, welche Ähnlichkeitshinsichten als irrelevant eingestuft werden und wie die Welten, die sich von der aktualen Welt nur in irrelevanten Hinsichten unterscheiden und daher maximal ähnlich sind, genauer beschaffen sind.

Die Ähnlichkeitshinsichten, die in der Bewertung des Konditionals ‘Wenn m eingetreten wäre, dann wäre p* eingetreten’ als irrelevant eingestuft werden sollten, sind laut List und Menzies Ähnlichkeiten mit Blick auf die physischen Basen von m. Welten, die sich nur darin von der aktualen Welt unterscheiden, dass in ihnen eine andere Basis von m eintritt, sollten für die Auswertung des Konditionals als maximal ähnlich klassifiziert werden. Es reicht für die Wahrheit des Konditionals entsprechend nicht, dass m und p* in der aktualen Welt zusammen auftreten. Stattdessen müssen sie in allen Welten, die sich von der aktualen Welt nur dadurch unterscheiden, dass m eine andere physische Basis hat, zusammen auftreten. Die Beziehung zwischen m und p* muss in List und Menzies Worten ‘realisierungsinsensitiv’ sein: Änderungen an der Realisierung von m machen keinen Unterschied für p*.

Wenn wir jedoch davon ausgehen, dass p* ein physischeseng Ereignis ist, das als Basis für eine paradigmatische Wirkung von m (wie z. B. Susis Armbewegung) fungiert, ist es plausibel, dass die Beziehung zwischen m und p* nicht realisierungsinsensitiv ist. Dann wird p* in einigen der maximal ähnlichen Welten, in denen m eine andere Basis hat, nicht eintreten. Das Konditional ‘Wenn m eintreten würde, dann würde p* eintreten’ ist dann falsch und Prämisse (AB-2) im Argument gegen Abwärtsverursachung wahr.Footnote 120

Es ist dabei anzumerken, dass dieses Argument nur in Fällen gegen Abwärtsverursachung spricht, in denen die Beziehung zwischen der vermeintlichen Ursache und der niedrigerstufigen vermeintlichen Wirkung nicht realisierungsinsensitiv ist. Es wird durch diese Argumentation also keinesfalls etabliert, dass mentale Ereignisse niemals physischeeng Wirkungen haben. Wenn eine Person beispielsweise willentlich per Knopfdruck dafür sorgen kann, dass in einem Teilchenbeschleuniger zwei Elementarteilchen kollabieren, kann sein Wunsch, den Knopf zu drücken, durchaus eine proportionale Ursache für die entsprechenden mikrophysikalischen Ereignisse sein. Die Beziehung zwischen ihrem Wunsch, den Knopf zu drücken, und den mikrophysikalischen Ereignissen ist dann realisierungsinsensitiv: Es kommt zur Kollision der Elementarteilchen ganz gleich wie der Wunsch realisiert ist.

Das Argument gegen Aufwärtsverursachung kann – unter Bezug auf die in Abbildung 4.2 dargestellte Situation – wie folgt rekonstruiert werden:

Argument gegen Aufwärtsverursachung:

(AUF-1) Wenn p h verursacht, dann gilt: Wenn p nicht eintreten würde, dann würde h nicht eintreten.

(AUF-2) Es gilt nicht: Wenn p nicht eintreten würde, dann würde h nicht eintreten.

(AUF-K) Also: p verursacht nicht h.

Hier drückt Prämisse (AUF-1) aus, dass das gewöhnliche kontrafaktische Konditional ‘Wenn p nicht eintreten würde, dann würde h nicht eintreten’ notwendig für Kausalität ist. Diese Annahme ist aufgrund der in Abschnitt 4.3.4. angesprochenen Beispiele von Präemption und Überdetermination eigentlich problematisch.Footnote 121 Man könnte in Reaktion hierauf vielleicht versuchen, sie auf geeignete Weise einzuschränken. Dies hatte ich in Abschnitt 4.3.11. bereits angedeutet: In ‘typischen’ Fällen, in denen keine genuinen Überdeterminierer oder Backup-Ursachen zu vermuten sind, erlaubt die Abwesenheit kontrafaktischer Abhängigkeit den Schluss auf die Abwesenheit von Kausalität. Da wir es im vorliegenden Fall nicht mit einem Fall von genuiner Überdetermination oder Präemption zu tun haben, können wir (AUF-1) akzeptieren.Footnote 122

Prämisse (AUF-2) besagt, dass das relevante kontrafaktische Konditional falsch ist: In zumindest manchen der nächsten möglichen Welten, in denen p nicht eintritt, tritt h dennoch ein. Zur Begründung berufen sich sowohl List und Menzies als auch Pernu auf die schon aus Abschnitt 4.3.11. bekannte Ersetzungsevaluation des Konditionals: In den nächsten möglichen Welten, in denen p nicht eintritt, tritt eine alternative Basis von m ein. In diesen Welten tritt h noch immer ein. Wie schon in Abschnitt 4.3.11. angemerkt, ist diese Begründung auf die Ersetzungsevaluation angewiesen und funktioniert bei einer Entfernungsevaluation nicht.

Bis hierher ist die inkompatibilistische Argumentation rein negativ: Es liegen zwei Argumente dagegen vor, dass bestimmte Kausalbeziehungen bestehen. Der positive Teil der inkompatibilistischen Argumentation soll die Behauptung etablieren, dass m h verursacht. Das Argument für diese Behauptung kann wie folgt rekonstruiert werden:

Argument für höherstufige Verursachung:

(HV-1) Wenn gilt: Wenn m eintreten würde, dann würde h eintreten und gilt: Wenn m nicht eintreten würde, dann würde h nicht eintreten, dann gilt: m verursacht h.

(HV-2) Es gilt: Wenn m eintreten würde, dann würde h eintreten.

(HV-3) Es gilt: Wenn m nicht eintreten würde, dann würde h nicht eintreten.

(HV-K) Also: m verursacht h.

(HV-1) besagt, dass kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen – die ihren Ausdruck unter Voraussetzung der schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation sowohl im faktischen als auch im gewöhnlichen kontrafaktischen Konditional findet – hinreichend für Kausalität ist.

Über die Wahrheit des faktischen kontrafaktischen Konditionals in (HV-2) schreibt Pernu folgendes:

[G]iven that m occurs some of its realisers must also occur, which in turn are causally sufficient for the realisers of h to occur, each of which in turn necessitate the occurrence of h.Footnote 123

Die Idee ist hier also, dass die möglichen Basen von m Ursachen für die möglichen Basen von h sind und deshalb in allen Welten, in denen m andere Basen hat, eine Basis von h verursacht wird. Da die maximal ähnlichen Welten die Welten sind, in denen m andere Basen hat, und in jeder dieser Welten h eintritt, ist das Konditional ‘Wenn m eingetreten wäre, dann wäre h eingetreten’ wahr.

Auf eine ähnliche Weise argumentiert Pernu für die Wahrheit des gewöhnlichen kontrafaktischen Konditionals:

[G]iven that m fails to occur, each of its realisers must also fail to occur, and supposing that the realisers of h are causally dependent on the realisers of m, in consequence h fails also to occur.Footnote 124

Auch hier wird die Wahrheit des kontrafaktischen Konditionals also durch vorausgesetzte kausale Beziehungen zwischen den möglichen Basen von m und den möglichen Basen von h etabliert. In den nächsten Welten, in denen m nicht eintritt, stehen also keine Basen von m bereit, um eine Basis von h zu verursachen. Daher tritt h in diesen Welten nicht ein.

Die dargestellte Argumentation hat im Erfolgsfall unmittelbar zur Konsequenz, dass alle drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität falsch sind. Denn m verursacht h, ohne p* zu verursachen. Dies widerlegt das Prinzip der Abwärtsverursachung. Zudem verursacht p p*, ohne h zu verursachen. Dies widerlegt das Prinzip der Aufwärtsverursachung. Schließlich verursacht m h, ohne dass p h verursacht. Dies widerlegt das Prinzip der basalen Verursachung. Dies legt zugleich nahe, dass man im Einklang mit dieser Argumentation das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit akzeptieren kann. Ereignisse, die in einer ontologischen Abhängigkeitsbeziehung zueinander stehen, haben tatsächlich keine gemeinsamen Wirkungen. In diesem Sinne haben wir es hier mit einer inkompatibilistischen Erwiderung auf Exklusionsargumente zu tun: Das Exklusionsprinzip wird akzeptiert und die drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität werden abgelehnt.Footnote 125

Es ist zu beachten, dass nur die Zurückweisung des Prinzips der Abwärtsverursachung auf der Annahme einer schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation beruht, welche Welten, in denen m anders realisiert ist, als maximal ähnlich klassifiziert. Die Zurückweisung der anderen beiden Prinzipien beruht hingegen auf denselben Ersetzungsevaluationen der relevanten kontrafaktischen Konditionalen, die ich schon in Abschnitt 4.3.11. diskutiert habe. Ich gehe noch knapp auf die Zurückweisung des Prinzips der Abwärtsverursachung ein:

Die Begründung des Prinzips der Abwärtsverursachung in Abschnitt 4.3.11. beruhte darauf, dass aus dem gewöhnlichen kontrafaktischen Konditional ‚Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre w nicht eingetreten‘ und dem Umstand, dass w durch eine physische Basis b necessitiert wird, folgt, dass das gewöhnliche kontrafaktische Konditional ‚Wenn u nicht eingetreten wäre, dann wäre b nicht eingetreten‘ wahr ist. Dies ergibt sich bereits aus der Logik kontrafaktischer Konditionale und setzt keine spezifischeren Annahmen über die Ähnlichkeitsordnung zwischen möglichen Welten voraus. Die Schlussregel, die das Prinzip der Abwärtskausalität deckt, besagt, dass aus ‚A > B‘ und ‚□(B → C)‘ folgt: ‚A > C‘ und ist gültig. List und Menzies und Pernu haben hier – soweit das gewöhnliche kontrafaktische Konditional mit dem falschen Antezedens betroffen ist – auch nichts einzuwenden.Footnote 126

Die Zurückweisung des Prinzips der Abwärtskausalität durch die Proportionalitätsforderung beruht stattdessen auf einer Betrachtung des faktischen kontrafaktischen Konditionals. Zunächst einmal ist festzustellen, dass aus dem faktischen kontrafaktischen Konditional ‚Wenn u eintreten würde, dann würde w eintreten‘ und der Annahme, dass w durch b necessitiert wird, nicht folgt, dass das Konditional ‚Wenn u eintreten würde, dann würde b eintreten‘ wahr ist. Denn diesem Schluss würde nicht die obige gültige Schlussregel zugrunde liegen, sondern die ungültige Schlussregel, der zufolge aus ‚A > B‘ und ‚□(C → B)‘ folgt: ‚A > C‘. Ein Prinzip der Abwärtsverursachung, das auch faktische kontrafaktische Konditional berücksichtigt, kann daher nicht länger durch rein logische Überlegungen gestützt werden. Dass das Prinzip der Abwärtsverursachung nicht nur nicht durch eine logisch gültige Schlussregel gedeckt, sondern auch falsch ist, folgt dann aus der Behauptung, dass die ausschlaggebende Ähnlichkeitsrelation Realisierungsunterschiede ignorieren sollte: Denn alle maximal nahen Welten, in denen u eintritt, sind auch Welten, in denen w eintritt. Unter diesen maximal nahen Welten befinden sich jedoch auch Welten, in denen w nicht durch b sondern durch eine alternative Basis ab realisiert ist. Daher gibt es maximal nahe Welten, in denen u eintritt, b aber nicht eintritt. Also ist das Prinzip der Abwärtsverursachung falsch.

4.3.14 Kritik an der kontrafaktischen Theorie der Kausalität mit Proportionalitätsforderung

Wie überzeugend ist die im vergangenen Abschnitt rekonstruierte Argumentation für ein inkompatibilistisches Bild mentaler Verursachung?

Nach meiner Einschätzung hat die Argumentation eine Reihe von Problemen, die sie zusammengenommen eher unattraktiv erscheinen lassen. Ich führe diese Kritik im Folgenden aus:

Erstens wird die Proportionalitätsforderung hier als starke Proportionalitätsforderung in die kontrafaktische Theorie der Kausalität eingebunden: Ereignisse, die zu spezifisch oder zu unspezifisch sind, werden nicht – wie bei einer schwachen Proportionalitätsforderung – als ‘schlechtere’ Ursachen ausgezeichnet, sondern als keine Ursachen. Wie in Abschnitt 4.1.3. kurz angerissen, folgt hieraus, dass viele scheinbar völlig akzeptable Kausalaussagen falsch sind. Dies spricht dafür, Proportionalität nicht als notwendige Bedingung für Kausalität, sondern als Qualitätsmerkmal von Ursachen aufzufassen.

Zweitens beruft sich das Argument gegen Aufwärtsverursachung auf die fragwürdige Annahme, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist. Zwar könnte man hier versuchen, die Verwendung dieser Annahme im Argument durch eine geeignete Einschränkung der Annahme (wie ‘kontrafaktische Abhängigkeit ist in geeigneten Fällen notwendig für Kausalität’) zu rechtfertigen. Es ist jedoch offen, ob man hier präziser werden kann und insbesondere die ‘geeigneten Fälle’ weiter spezifizieren kann. Wahrscheinlich kommt man um eine eingängigere Beschäftigung mit Fällen von Präemption und genuiner Überdetermination nicht herum. Die Annahme, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist, spielt für die kompatibilistischen Argumente und Ergebnisse, die ich in den Abschnitten 4.3.5. bis 4.3.11 diskutiert habe, eine weitaus weniger zentrale Rolle. Denn hier geht es in erster Linie darum, positive Aussagen über mentale Verursachung zu rechtfertigen. Hierfür kann man sich auf die Annahme, dass kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen hinreichend für Kausalität ist, berufen. Im Argument gegen Aufwärtsverursachung hingegen geht es darum, eine Kausalaussage auf Grundlage der Falschheit eines kontrafaktischen Konditionals zurückzuweisen. Und hierfür ist die Annahme, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist, unabdingbar.

Drittens beruht das Argument gegen Aufwärtsverursachung auf einer Ersetzungsevaluation des relevanten kontrafaktischen Konditionals. Diese können jedoch – wie in Abschnitt 4.3.3. kurz angerissen – gerade in kausalen Kontexten durchaus als problematisch gesehen werden. Insbesondere stellt sich für die diskutierte Argumentation die Frage, warum nicht auch in Bezug auf das Konditional ‘Wenn m nicht eingetreten wäre, dann wäre h nicht eingetreten’ eine Ersetzungsevaluation angewendet werden sollte. Wenn in den nächsten Welten, in denen m nicht eintritt, ein sehr ähnliches Ereignis m’ eintritt, ist es durchaus denkbar, dass in diesen Welten h noch immer eintritt. Dann aber würde das Argument für höherstufige Verursachung nicht mehr funktionieren.

Viertens schließlich spielt die schwach zentrierte Ähnlichkeitsrelation, die Unterschiede mit Blick auf die Basen höherstufiger Ereignisse als irrelevante Ähnlichkeitshinsichten klassifiziert, eine tragende Rolle sowohl im Argument gegen Abwärtsverursachung als auch im Argument für höherstufige Verursachung. Auch hier kann man natürlich mit Kritik ansetzen.

Denn allgemein scheint eine schwache Zentrierungsforderung nicht wirklich gut motiviert zu sein und zu weiteren Problemen zu führen. Die grundlegende Motivation für eine schwach zentrierte Ähnlichkeitsrelation ist es, zwischen wahren und falschen faktischen kontrafaktischen Konditionalen zu unterscheiden.

Eine in Abschnitt 4.3.4. genannte Motivation, eine solche Unterscheidung zu treffen, besteht in faktischen kontrafaktischen Konditionalen, deren Antezedens irrelevant für ihr Konsequenz ist. ‘Wenn Obama 2008 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden würde, dann würde die durchschnittliche Entfernung zwischen Mond und Erde 384.400 km betragen’ scheint falsch zu sein. Bei genauerem Hinsehen kann aber zumindest diese Motivation nicht überzeugen. Stattdessen können faktische kontrafaktische Konditionale sogar verwendet werden, um eben die Irrelevanz des Antezedens für das Konsequenz auszudrücken. ‘Wenn Obama 2008 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden würde, dann würde die durchschnittliche Entfernung zwischen Mond und Erde 384.400 km betragen’ ist genauso wahr wie ‘Wenn Obama 2008 nicht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden würde, dann würde die durchschnittliche Entfernung zwischen Mond und Erde 384.400 km betragen’. Dass das faktische kontrafaktische Konditional ebenso wie das gewöhnliche kontrafaktische KonditionalFootnote 127 mit dem negierten Antezedens wahr ist, zeigt gerade, dass das Antezedens irrelevant für das Konsequenz ist.

Michael McDermott nennt das folgende Beispiel eines faktischen kontrafaktischen Konditionals, das falsch zu sein scheint:

A coin is to be tossed twice. I bet on ‘Two heads’, and I win. Common sense says that (1) is false. But Lewis’s theory says that it is true.

(1) If at least one head had come up, I would have won.Footnote 128

Das faktische kontrafaktische Konditional ‘Wenn mindestens ein Münzwurf auf Kopf gelandet wäre, dann hätte ich gewonnen’ scheint falsch zu sein, obwohl tatsächlich mindestens ein Münzwurf auf Kopf gelandet ist und ich gewonnen habe. Auf den ersten Blick spricht dies für schwache Zentrierung. Denn wir haben hier ein falsches faktisches kontrafaktisches Konditional – was unter Voraussetzung starker Zentrierung ausgeschlossen ist.

Jedoch führt eine Behandlung solcher Fälle durch schwache Zentrierung zu weiteren Problemen. Um das faktische kontrafaktische Konditional ‘Wenn mindestens ein Münzwurf auf Kopf gelandet wäre, dann hätte ich gewonnen’ auf Grundlage einer schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation als falsch ausweisen zu können, muss man annehmen, dass es eine maximal ähnliche Welt gibt, in der mindestens ein Münzwurf auf Kopf gelandet ist und in der ich nicht gewinne. Plausiblerweise ist dies eine Welt, in der genau ein Münzwurf auf Kopf landet. Da der zweite Münzwurf in dieser Welt nicht auf Kopf landet, gewinne ich dort nicht, so dass das faktische kontrafaktische Konditional falsch ist. Es muss also die genaue Anzahl der Kopf-Münzwürfe – insbesondere der Unterschied zwischen einem und zwei Kopf-Münzwürfen – als irrelevante Ähnlichkeitshinsicht ausgezeichnet werden.

Unter Voraussetzung einer solchen Ähnlichkeitsrelation ist das faktische kontrafaktische Konditional ‘Wenn ich auf zwei Kopfwürfe gewettet hätte, dann hätte ich gewonnen’ jedoch ebenfalls falsch: Unter den maximal ähnlichen Welten finden sich schließlich noch immer auch solche Welten, in denen nur eine Münze geworfen wird. Und in diesen Welten gewinne ich nicht, obgleich ich (wie in der aktualen Welt) auf zwei Kopfwürfe gewettet habe. Das aber ist kein plausibles Ergebnis: ‘Wenn ich auf zwei Kopfwürfe gewettet hätte, dann hätte ich gewonnen’ ist intuitiv wahr – es handelt sich schließlich um ein faktisches kontrafaktisches Konditional, dessen Antezedens nicht nur wahr, sondern auch relevant für das Konsequenz ist.Footnote 129

Man könnte diesem Einwand eventuell entweichen, indem man auf die Kontextsensitivität von kontrafaktischen Konditionalen verweist. Die unterschiedlichen kontrafaktischen Konditionale eröffnen unterschiedliche Kontexte, was sich in unterschiedlichen Ähnlichkeitsrelationen ausdrückt. Für die Bewertung von ‘Wenn ich auf zwei Kopfwürfe gewettet hätte, hätte ich gewonnen’ und ‘Wenn mindestens ein Münzwurf auf Kopf gelandet wäre, hätte ich gewonnen’ sind demnach unterschiedliche Ähnlichkeitsrelationen anzusetzen. Nur im zweiten Fall ist es angemessen, eine Ähnlichkeitsrelation anzusetzen, für die der Unterschied zwischen einem Kopf-Münzwurf und zwei Kopf-Münzwürfen irrelevant ist.

Es ist jedoch schwierig zu sehen, welche allgemeinen Überlegungen hier eine dem Kontext angemessene Ähnlichkeitsrelation festlegen könnten. Bis hierher scheint es, als würde die Ähnlichkeitsrelation im Einzelfall an den intuitiven Wahrheitswert des jeweiligen kontrafaktischen Konditionals angepasst. Dies scheint mir aber etwas zu weit zu gehen. Zwar sagt Lewis, dass “[i]t is fair to discover the appropriate standards of similarity from the counterfactuals they make true, rather than vice versa”Footnote 130. Aber damit meint er sicher nicht, dass man die Ähnlichkeitsrelation für jedes kontrafaktische Konditional an einen unabhängig bestimmten Wahrheitswert anpassen sollte, so dass jedes kontrafaktische Konditional mit einer eigenen Ähnlichkeitsrelation im Gepäck kommt. Vielmehr sollte man die Ähnlichkeitsrelation zur möglichst allgemeinen Bewertung kontrafaktischer Konditionale aus Urteilen über eine Reihe von unterschiedlichen kontrafaktischen Konditionalen gewinnen.

Selbst wenn dieser Verlust an Allgemeinheit auf semantischer Ebene aber in Kauf genommen wird, ergeben sich aus schwacher Zentrierung weitere Probleme für die Logik kontrafaktischer Konditionale: Lee Walters argumentiert dafür, dass schwache Zentrierung und die hiermit einhergehende Ablehnung der Schlussregel der Konjunktions-Konditionalisierung, der zufolge sich aus ‘A ∧ B’ auf ‘A > B’ schließen lässt, kein trivialer, lokalisierter Eingriff in die Logik kontrafaktischer Konditionale bleiben kann. Vielmehr folgt aus der Ungültigkeit dieser Schlussregel die Ungültigkeit weiterer Schlussregeln, die jedoch unabhängig plausibel sind.Footnote 131

Diese Überlegungen legen nahe, die Proportionalitätsbedingung ohne einen Verweis auf nicht-triviale faktische kontrafaktische Konditionale zu explizieren. Und tatsächlich scheint dies auch problemlos möglich zu sein: Die Informationen, die in List und Menzies faktischem kontrafaktischen Konditional unter Voraussetzung der schwach zentrierten Ähnlichkeitsrelation stecken, können unter Voraussetzung einer stark zentrierten Ähnlichkeitsrelation durch komplexere kontrafaktische Konditionale ausgedrückt werden. Statt das faktische kontrafaktische Konditional ‘Wenn m eintreten würde, dann würde h eintreten’ zu betrachten und dabei davon auszugehen, dass es maximal ähnliche Welten mit anderen Basen von m (und h) gibt, kann man auch Konditionale der Art ‘Wenn m eintreten würde und durch die alternative Base ap realisiert wäre, dann würde h (noch immer) eintreten’ betrachten. Die Forderung, dass die Beziehung zwischen m und h realisierungsinsensitiv ist, findet ihren Ausdruck dann in der Forderung, dass solche gewöhnlichen kontrafaktischen Konditionale für jede alternative Base von m wahr sind.Footnote 132

Das Einbinden einer schwachen Proportionalitätsforderung als Ergänzung zu den kompatibilistischen Ergebnissen der kontrafaktischen Theorie halte ich jedoch für durchaus sinnvoll. Die kontrafaktische Theorie der Kausalität ohne Proportionalitätsforderung führt zu einer bedeutenden Vervielfältigung von Kausalbeziehungen im nicht-reduktiven Physikalismus. Es ist daher wichtig, innerhalb der Vielheit der Ursachen noch ein wenig zu selektieren. Und dass mentale Ereignisse proportional zu ihren behavioralen Wirkungen sind, während ihre physischen Basen dies nicht sind, weil die Beziehung zwischen mentalen Ursachen und ihren behavioralen Wirkungen realisierungsinsensitiv ist, ist dabei ein sehr willkommenes Ergebnis. Es gesteht mentalen Ereignissen eine eingeschränkte Autonomie gegenüber ihren physischen Basen zu.

4.3.15 Fazit

Ich fasse die Ergebnisse in diesem Kapitel zusammen: Die kontrafaktische Theorie der Kausalität bestimmt Kausalbeziehungen über Beziehungen kontrafaktischer Abhängigkeit. In der einfachen kontrafaktischen Theorie wird kontrafaktische Abhängigkeit zwischen gänzlich distinkten Ereignissen dabei als sowohl notwendig als auch hinreichend für Kausalität aufgefasst. Da die einfache kontrafaktische Theorie mit Problemen in Zusammenhang mit Präemption und genuiner Überdetermination konfrontiert ist, wird die Annahme, dass kontrafaktische Abhängigkeit notwendig für Kausalität ist, von vielen Autor*innen aufgegeben.

Auch von der Annahme ausgehend, dass kontrafaktische Abhängigkeit zwischen distinkten Ereignissen hinreichend für Kausalität ist, lassen sich jedoch starke Argumente für die Existenz mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus entwickeln. Denn die Wahrheit mentaler kontrafaktischer Konditionale im nicht-reduktiven scheint mir gut abgesichert zu sein.

Die genaue Entwicklung des Modells mentaler Verursachung, das sich aus der Anwendung der kontrafaktischen Theorie der Kausalität ergibt, ist von subtilen Fragen über die für die Auswertung der relevanten kontrafaktischen Konditionale anzusetzenden Ähnlichkeitsrelation abhängig. Akzeptiert man ein Verbot von Ersetzungsevaluation und eine stark zentrierte Ähnlichkeitsrelation, führt die kontrafaktische Theorie zu einem recht liberalen kompatibilistischen Modell mentaler Verursachung. Kausalbeziehungen vervielfältigen sich im Stufenmodell der Realität, da zumindest eingeschränkte Versionen der drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität bestätigt werden.

Indem eine starke Proportionalitätsforderung in die kontrafaktische Theorie der Kausalität eingebaut wird, kann man alternativ für ein deutlich restriktiveres inkompatibilistisches Modell mentaler Verursachung argumentieren. Jedoch scheint mir diese Version der kontrafaktischen Theorie aus verschiedenen Gründen problematisch zu sein: Sie beruht auf Annahmen über die ausschlaggebende Ähnlichkeitsrelation, die letztlich nicht gänzlich überzeugen können. Zudem muss sie die Notwendigkeit kontrafaktischer Abhängigkeit für Kausalität voraussetzen und viele intuitiv einwandfreie Kausalaussagen aufgrund der starken Proportionalitätsforderung zurückweisen. Die Einbindung einer schwachen Proportionalitätsforderung in die kontrafaktische Theorie ist dennoch sinnvoll. Sie kann aufzeigen, inwiefern mentale Ereignisse als Ursachen für ihre paradigmatischen Wirkungen besser geeignet sind als physischeeng Ereignisse. Jedoch sollte man sich für die Präzisierung einer solchen schwachen Proportionalitätsforderung nicht auf faktische kontrafaktische Konditionale und eine schwach zentrierte Ähnlichkeitsrelation berufen, sondern auf komplexere gewöhnliche kontrafaktische Konditionale.

4.4 Die interventionistische Theorie der Kausalität und mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus

Eine weitere Theorie der Kausalität, der in den vergangenen Jahren große Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Epiphänomenalismus gegen den nicht-reduktiven Physikalismus zuteilgeworden ist, ist James Woodwards Interventionismus.

Der Interventionismus teilt mit der kontrafaktischen Theorie der Kausalität einen Fokus auf die Idee von Kausalität als Abhängigkeit: Kausalität ist demzufolge weder mit hinreichender Verursachung noch mit kausaler Produktion gleichzusetzen. Ursachen sind stattdessen Faktoren, die einen Unterschied für ihre Wirkungen machen.Footnote 133 Auch spielen – ebenso wie in der kontrafaktischen Theorie der Kausalität – kontrafaktische Konditionale eine zentrale Rolle für das interventionistische Verständnis von Kausalität. Jedoch unterscheidet sich der Interventionismus von der in Abschnitt 4.3. behandelten kontrafaktischen Theorie der Kausalität entscheidend hinsichtlich des genaueren Verständnisses kontrafaktischer Zusammenhänge. Insbesondere entfernt sich der Interventionismus von der mögliche Welten Semantik kontrafaktischer Konditionale.Footnote 134 Stattdessen werden die relevanten kontrafaktischen Konditionale unter Rückgriff auf kausale Graphen und Strukturgleichungen repräsentiert und ausgewertet.

Im Folgenden diskutiere ich die Konsequenzen des Interventionismus für mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus. Ich gehe dabei wie folgt vor: In den Abschnitten 4.4.1. bis 4.4.3. lege ich die relevanten Grundlagen der interventionistischen Theorie der Kausalität dar. Abschnitt 4.4.4. schildert knapp die Hoffnungen einiger Autor*innen, auf der Grundlage des Interventionismus eine überzeugende Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus zu entwickeln. Die Abschnitte 4.4.5. bis 4.4.8. dämpfen diese Hoffnung jedoch: Die Annahmen des nicht-reduktiven Physikalismus führen zu bestimmten Problemen für die interventionistische Theorie der Kausalität, die Modifikationen dieser Theorie motivieren. In den Abschnitten 4.4.9. und 4.4.10. diskutierte ich zwei Modifikationen des Interventionismus. Die erste Modifikation – der IV*-Interventionismus besteht in einer Abschwächung des Interventionismus und führt zu einer kompatibilistischen Erwiderung auf Exklusionsargumente. Die zweite Modifikation besteht in einer Verstärkung des Interventionismus durch eine starke Proportionalitätsforderung und führt zu einer inkompatibilistischen Erwiderung auf Exklusionsargumente. Ich komme auf der Grundlage dieser Diskussion zu dem Fazit (4.4.11), dass der IV*-Interventionismus in Kombination mit einer schwachen Proportionalitätsforderung zu einer zufriedenstellenden Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus führt.

4.4.1 Die Grundidee des Interventionismus

Die Grundidee des Interventionismus besagt grob gesprochen, dass Verursachung konstitutiv mit bestimmten Formen der prinzipiellen Manipulierbarkeit zusammenhängt: Kausale Beziehungen sind solche Beziehungen, die im Prinzip zu Zwecken der Manipulation verwendet werden können. Wenn beispielsweise bestimmte Krankheitserreger spezifische Krankheitssymptome auslösen, so wird eine gezielte Abtötung dieser Erreger, d. h. eine Manipulation der Ursache, zum Verschwinden der Krankheitssymptome, d. h. zu einer Veränderung der Wirkung, führen. Wir können also die Wirkung manipulieren, indem wir ihre Ursache manipulieren. Laut dem Interventionismus ist es gerade diese Manipulierbarkeitsbeziehung, die die Beziehung zwischen Erreger und Symptomen zu einer kausalen Beziehung macht.Footnote 135 Woodward bringt diese Grundidee mit folgendem Slogan auf den Punkt:

No causal difference without a difference in manipulability relations, and no difference in manipulability relations without a causal difference.Footnote 136

Kausalität ist dieser Grundidee zufolge also konstitutiv mit Manipulierbarkeitsbeziehungen verbunden. Was aber ist hier genau mit ‘Manipulierbarkeit’ gemeint?

Die Grundidee, Verursachung über Manipulierbarkeitsbeziehungen zu bestimmen, übernimmt der Interventionismus von früheren Manipulationstheorien der Kausalität.Footnote 137 Jedoch unterscheidet sich der Interventionismus in entscheidender Hinsicht von seinen manipulationstheoretischen Vorgängern: Er bestimmt den relevanten Sinn von Manipulation auf eine andere Weise.

Manipulation scheint alltagssprachlich zunächst an die Idee des handelnden Eingreifens gebunden zu sein. Wer manipuliert, handelt. Wenn man den Begriff der Verursachung dementsprechend durch den Begriff der Manipulation zu bestimmen versucht, bindet man den Begriff der Verursachung an den Begriff der Handlung. Einige Vertreter*innen manipulationstheoretischer Ansätze stellen diese Verbindung explizit her und verteidigen sie. So vertreten etwa Huw Price und Peter Menzies die Ansicht, dass „the ordinary notions of cause and effect have a direct and essential connection with our ability to intervene in the world as agents“.Footnote 138

Manipulationstheorien, die Manipulationen unter Rückgriff auf menschliches Handeln bestimmen, sind jedoch anfällig für eine Reihe von Einwänden: Erstens laden solche Theorien dazu ein, die Frage nach der begrifflichen Bestimmung (freier) menschlicher Handlungen zu stellen. Solange dieser Begriff unbestimmt bleibt, bleibt letztlich auch die entsprechende Theorie der Kausalität unbestimmt. In anderen Worten kommt der Verdacht auf, dass hier ein unklarer Begriff durch einen wahrlich düsteren bestimmt werden soll. Zweitens wird der Begriff der Handlung häufig selbst wiederum unter Rückgriff auf kausale Begriffe bestimmt. Eine solche Bestimmung wäre jedoch zumindest dann ungeeignet, wenn der Anspruch besteht, den Kausalitätsbegriff reduktiv, d. h. ohne Rückgriff auf kausale Begriffe, zu bestimmen. Drittens kann gegen die begriffliche Bindung von Kausalität an menschliches Handeln eingewendet werden, dass der Kausalitätsbegriff hierdurch in dem Sinne anthropozentrisch bestimmt wird, dass er zu eng an Situationen gebunden wird, in denen Menschen handelnd eingreifen können. Kausalität ist jedoch gerade auch ein Phänomen der unbelebten Natur und findet auch dort seine Anwendung, wo handelndes Eingreifen nicht möglich ist.Footnote 139

Woodward ist aufgrund dieser Einwände der Meinung, dass eine erfolgsversprechende Manipulationstheorie der Kausalität den zentralen Begriff der Manipulation nicht unter Bezug auf menschliches Handeln charakterisieren sollte. Stattdessen führt Woodward den technischen Begriff einer Intervention ein. Interventionen sind nicht dadurch ausgezeichnet, dass sie von freien Akteuren hervorgebracht werden. Vielmehr ist eine bestimmte kausale Struktur wesentlich für Interventionen. In der Bestimmung der kausalen Struktur von Interventionen orientiert sich Woodward am Aufbau randomisierter, kontrollierter Experimente:

[I]f the reader wishes to have a concrete picture in mind of the notion of intervention that I am attempting to capture, the obvious candidate is randomized experiments.Footnote 140

In randomisierten, medizinischen Studien zur Wirksamkeit eines Medikaments wird das Medikament nicht einfach nur an eine Reihe von Erkrankten ausgegeben. Vielmehr gibt es eine Reihe von methodologischen Standards, die eingehalten werden müssen, damit Schlüsse auf die Wirksamkeit des Medikaments zulässig sind.Footnote 141

Ein Standard besteht darin, die erkrankten Proband*innen einer von zwei Gruppen zuzuordnen, wobei den Proband*innen in einer Gruppe das Medikament verabreicht wird, während den Proband*innen in einer Kontrollgruppe ein Placebo verabreicht wird. Die beiden Gruppen werden dann hinsichtlich des weiteren Krankheitsverlaufs verglichen. Wenn dieser Vergleich zum Ergebnis hat, dass eine Heilung in der Medikamentengruppe signifikant häufiger vorkommt als in der Kontrollgruppe, weist dies auf den ersten Blick auf eine Kausalbeziehung zwischen Medikamenteneinnahme und Heilung hin.

Jedoch müssen für einen gerechtfertigten Schluss auf eine Kausalbeziehung einige weitere, potentielle Probleme berücksichtigt werden. Zunächst einmal sollte sichergestellt werden, dass das Medikament bzw. das Placebo von den Proband*innen in der jeweiligen Gruppe auch tatsächlich eingenommen wird. Sollten die Proband*innen in der Medikamentengruppe – aus welchen Gründen auch immer – beispielsweise das Medikament nach Verabreichung regelmäßig entsorgen, ist ein Schluss auf die Wirksamkeit des Medikaments nicht mehr zulässig. Woodward verlangt daher, dass eine Intervention – in diesem Falle die Verabreichung des Medikaments – der einzige kausal relevante Faktor für die Einnahme des Medikaments ist. Das heißt, dass Faktoren, die unter normalen Umständen kausal relevant für die Einnahme des Medikaments sind (beispielsweise eine generelle Skepsis gegenüber westlicher Medizin), unter den Bedingungen des Experiments keine kausale Relevanz haben. Die Einnahme des Medikaments ist dann ganz und gar durch die Intervention bestimmt.

Aber auch, wenn sichergestellt ist, dass die Medikamentengruppe das Medikament tatsächlich einnimmt und die Placebogruppe das Placebo tatsächlich einnimmt, gibt es noch immer die Möglichkeit, dass sich der Unterschied im Krankheitsverlauf in den beiden Gruppen nicht aus der Einnahme des Medikaments ergibt, sondern auf anderen Faktoren beruht. Zum einen ist die Intervention selbst als ein solcher Faktor in Betracht zu ziehen. Sollte den verabreichten Substanzen beispielsweise anzusehen sein, ob es sich um ein Placebo oder um ein Medikament handelt, kann allein dieser Umstand zu einem Unterschied im Krankheitsverlauf führen. Woodward verlangt daher, dass die Intervention keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat, der unabhängig von der Einnahme des Medikaments ist.

Zum anderen gilt es, alle weiteren in Betracht zu ziehenden Störfaktoren auszuschließen: Die Entwicklung des Krankheitsverlaufs hat neben der Einnahme des Medikaments selbstverständlich weitere Ursachen, wie beispielsweise das Alter und die allgemeine körperliche Verfassung der Patient*innen. Um auszuschließen, dass diese anderen Faktoren den Unterschied zwischen Medikamentengruppe und Kontrollgruppe erklären, sollte die Intervention statistisch unabhängig von diesen anderen kausal relevanten Faktoren sein. Im Aufbau von Experimenten spiegelt sich dies durch die Randomisierung der Zusammensetzungen der beiden Gruppen wider. Die Probanden werden zufällig einer der beiden Gruppen zugeordnet. Bei hinreichend großen Gruppen wird so garantiert, dass sämtliche Faktoren, die sich möglicherweise unabhängig von der Medikamenteneinnahme auf den Krankheitsverlauf auswirken, in den beiden Gruppen annähernd gleich verteilt sind. Unter diesen Umständen kann der Unterschied im Krankheitsverlauf nicht auf andere Faktoren zurückgeführt werden.

Zusammenfassend verlangt Woodward also, dass eine Intervention den Faktor, auf den interveniert wird, eindeutig bestimmt, dass sie keine unabhängige Auswirkung auf die in Frage kommende Wirkung hat, und dass sie statistisch unabhängig von anderen Faktoren ist, die einen unabhängigen kausalen Einfluss auf die in Frage kommende Wirkung haben.

Woodwards Grundidee ist nun, dass der Manipulationsbegriff, der geeignet für eine Formulierung einer plausiblen Manipulationstheorie der Kausalität ist, der so bestimmte Interventionsbegriff ist. Seine interventionistische Theorie der Kausalität kann daher in einer ersten Annäherung wie folgt bestimmt werden:

Interventionistische Kausalität (IK): Ein Faktor X ist genau dann eine Ursache für einen Faktor Y, wenn eine Intervention auf X zu einer Änderung von Y führen würde.

Statt durch menschliche Handlungen sind geeignete Manipulationen – das heißt Interventionen – also durch eine kausale Struktur gekennzeichnet, die sich am Aufbau randomisierter Experimente orientiert. Hierbei ist zu beachten, dass jeder Faktor als Intervention zählt, der diese kausale Struktur besitzt. Ob solche Faktoren in direktem Zusammenhang zu handelndem Eingreifen stehen oder nicht, spielt nach Woodward keine Rolle. Hierdurch geht Woodwards Interventionstheorie einigen Problemen der Theorie von Menzies und Price und anderen handlungszentrierten Manipulationstheorien aus dem Weg: Erstens befreit Woodward den Kausalitätsbegriff von der Unklarheit des Handlungsbegriffs. Zweitens ist seine Theorie nicht in dem problematischen Sinne anthropozentrisch, dass sie den Bereich kausaler Zusammenhänge auf den Bereich menschlichen Handelns einschränkt.

Dennoch ließe sich auf den ersten Blick folgender Einwand gegen Woodwards Theorie vorbringen: Woodward bestimmt den Interventionsbegriff durch eine kausale Struktur und verwendet diesen Begriff, um Kausalität begrifflich zu bestimmen. Seine Theorie ist demnach nicht reduktiv in dem Sinne, dass sie den Kausalitätsbegriff ohne Rückgriff auf kausale Begriffe bestimmt. Vielmehr muss man bereits ein Vorverständnis von Kausalität haben, um seine Definition der Kausalität zu verstehen.

Woodward reagiert auf diesen Einwand, indem er den Anspruch, eine reduktive Theorie der Kausalität zu entwickeln, ablehnt. Seine Ablehnung beruht teils auf einer generellen Skepsis gegenüber der Durchführbarkeit reduktiver Analysen philosophisch relevanter Begriffe. Zudem betont Woodward, dass eine nicht-reduktive Theorie unter bestimmten Bedingungen durchaus informativ sein und bedeutende Ergebnisse zutage fördern kann. Woodward stellt mit seiner Theorie in erster Linie Behauptungen über interessante, beidseitige, begriffliche Zusammenhänge zwischen Kausalität und Intervention auf. Diese Zusammenhänge sind auch insofern informativ, als dass sie zu Ergebnissen hinsichtlich einiger in der Philosophie der Kausalität häufig diskutierten Problemfällen führen, die von den Ergebnissen anderer Theorien abweichen und die intuitiv plausibel sind. Diese Überlegungen führen zu der Ansicht, dass der Interventionismus zwar nicht reduktiv, jedoch auch nicht in einem problematischen Sinne zirkulär ist.

Problematisch zirkulär wäre Woodwards Theorie insbesondere dann, wenn für die Bewertung der Frage, ob eine Aussage der Art ‚Faktor X verursacht Faktor Y‘ wahr ist, eben jene Information über den Kausalzusammenhang zwischen X und Y bereits vorausgesetzt werden müsste. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass Woodwards Theorie diese Struktur nicht hat. Die kausalen Informationen, die relevant für die Bewertung der Aussage ‚X verursacht Y‘ sind, betreffen die kausalen Beziehungen zwischen Interventionen und X sowie Informationen über andere Faktoren und Y, nicht aber den direkten Zusammenhang zwischen X und Y.Footnote 142

Die bisherige informelle Darstellung des Interventionismus sollte die Grundidee der Theorie ausreichend spezifizieren. Sie ist jedoch in manchen Hinsichten ungenau oder vereinfachend. Das Herzstück von Woodwards Theorie besteht in einer Reihe von präziseren Definitionen unterschiedlicher kausaler Begriffe. In diesen Definitionen verwendet Woodward kausale Graphen und Strukturgleichungen als Mittel zur Repräsentation kausaler Zusammenhänge. Im folgenden Abschnitt werden zunächst einige Begriffe eingeführt, die im Zusammenhang mit kausalen Modellen stehen. Dies ermöglicht eine Erläuterung von Woodwards Definitionen im darauffolgenden Abschnitt.

4.4.2 Variablen, kausale Graphen, Strukturgleichungen und kausale Modelle

Im Rahmen des Interventionismus werden kausale Zusammenhänge als Zusammenhänge zwischen Variablen repräsentiert. Variablen können verschiedene Werte annehmen, die wiederum verschiedene Eigenschaften, Ereignisse oder Größen repräsentieren.Footnote 143 Der Wahl von Ereignissen, Eigenschaften oder Größen, die durch Werte von Variablen repräsentiert werden können, ist dabei zunächst keine Grenze gesetzt.Footnote 144 Es handelt sich bei Variablen in diesem Sinne um ein sehr flexibles Repräsentationsmittel. Für die Zwecke dieser Arbeit werde ich jedoch in erster Linie Variablen verwenden, die das Eintreten oder Nicht-Eintreten von Ereignissen – verstanden als Eigenschaftsinstantiierungen – anzeigen.

So könnten wir zur Repräsentation der kausalen Zusammenhänge im obigen Beispiel des randomisierten Experiments etwa die in Tabelle 4.1 spezifizierten Variablen einführen.Footnote 145

Tabelle 4.1 Variablenmenge {I, MED, H, A}

Ich gehe davon aus, dass die Werte von Variablen immer in einem bestimmten Sinne exklusiv und vollständig sind. In der folgenden Passage schildert Woodward diese Forderung an Variablen:

When considering the values of a single variable, we want those values to be logically exclusive, in the sense that variable X’s taking value v excludes X’s also taking value v’ where v ≠ v’. We also want our variables to take a range of values corresponding to the full range of genuine or serious possibilities that can be exhibited by the system of interest.Footnote 146

Eine Variable ist also exklusiv, wenn sie nicht mehrere ihrer Werte zugleich annehmen kann. Die Variable H kann beispielsweise nicht den Wert h1 und den Wert h0 zugleich annehmen: Es ist nicht möglich, dass die Krankheit sowohl geheilt als auch nicht geheilt wird. Die beiden Werte (und entsprechend die Sachverhalte, die sie repräsentieren) schließen sich gegenseitig aus. Eine Variable ist vollständig, wenn es nicht möglich ist, dass sie keinen ihrer Werte annimmt. Auch dieses Kriterium wird von H eindeutig erfüllt: Es ist nicht möglich, dass H weder den Wert h0 noch den Wert h1 annimmt: Die Krankheit kann nicht weder geheilt noch nicht geheilt werden.

Variable H ist offenbar exklusiv und vollständig. Das liegt einfach daran, dass ihr einer Wert die Negation ihres anderen Wertes ist. Bei der Variable MED ist die Sache hingegen weniger eindeutig. So spricht aus rein logischer Sicht natürlich nichts dagegen, dass der Patient sowohl das Placebo als auch das Medikament einnimmt und MED entsprechend den Wert med0 und den Wert med1 annimmt. Auch ist es logisch möglich, dass der Patient weder das Placebo noch das Medikament einnimmt und MED entsprechend weder den Wert med0 noch den Wert med1 annimmt. Entsprechendes gilt für Variable I.

Trotz dieser prinzipiellen Möglichkeiten können wir MED in bestimmten Kontexten als exklusiv und vollständig betrachten.Footnote 147 Hiermit geht jedoch eine bestimmte modale Hintergrundannahme einher: Die Möglichkeit, dass der Patient das Placebo und das Medikament bzw. weder das Placebo noch das Medikament einnimmt, kann zu Zwecken der Repräsentation der zu modellierenden kausalen Struktur ignoriert werden. Diese Möglichkeiten liegen dann in Woodwards Worten nicht im „range of genuine or serious possibilities“Footnote 148. Mit der Wahl bestimmter Variablen geht also eine implizite Festlegung auf einen Bereich relevanter Möglichkeiten einher.Footnote 149

Festzuhalten bleibt hier also, dass jede Variable, die ich zur Modellierung kausaler Situationen verwenden werde, als exklusiv und vollständig behandelt wird. An Stellen, an denen dies mit der impliziten Einführung eines Bereichs relevanter Möglichkeiten einhergeht, weise ich explizit darauf hin.

Die oben gewählten Variablen sind sämtlich binär: Sie können genau zwei Werte annehmen. Es können jedoch auch Variablen eingeführt werden, die mehr als zwei Werte haben. Veranschaulichen lässt sich dies beispielsweise an der Variable A, die das Alter des Patienten nur sehr grob anzeigt, d. h. nur repräsentiert, ob der Patient die Altersgrenze von 70 Jahren unter- oder überschreitet. Falls eine präzisere Repräsentation des Alters gewünscht ist, könnte man alternativ zum Beispiel eine Variable Hmult einführen, die den Wert hmult1 annimmt, wenn der Patient 1 Jahr alt ist, den Wert hmult2 annimmt, wenn der Patient 2 Jahre alt ist, usw. Eine solche Variable hätte nicht nur zwei, sondern zahlreiche mögliche Werte. Weiter unten werde ich u. a. auch von solchen mehrwertigen Variablen Gebrauch machen.

Bleiben wir zur Illustration jedoch bei der oben eingeführten Variablenwahl und der Variablenmenge {I, MED, H, A}. Ein zentrales Mittel zur Repräsentation kausaler Beziehungen im Rahmen des Interventionismus besteht in kausalen Graphen.Footnote 150 In kausalen Graphen werden kausale Beziehungen zwischen Variablen repräsentiert. Um die kausalen Beziehungen zwischen I, MED, H und A zu repräsentieren, könnten wir beispielsweise den kausalen Graphen in Abbildung 4.3 verwenden:

Abbildung 4.3
figure 3

Ein einfacher kausaler Graph für die Variablenmenge {I, MED, H, A}

Ein Pfeil von einer Variable X zu einer anderen Variable Y in einem solchen kausalen Graphen bedeutet, dass X eine direkte Ursache für Y ist. Die Variable H, die die Heilung eines Patienten repräsentiert, hat demnach zwei direkte Ursachen: Die Variable MED, die die Einnahme des Medikaments repräsentiert, und die Variable A, die das Alter des Patienten repräsentiert. Variable MED wiederum hat eine direkte Ursache – Variable I, die die Verabreichung des Medikaments repräsentiert.

I ist keine direkte Ursache von H, da es keinen Pfeil von I zu H gibt. Jedoch gibt es einen kausalen Pfad von I zu H, weil I eine direkte Ursache von MED und MED eine direkte Ursache von H ist. Im Allgemeinen besteht (informell) genau dann ein kausaler Pfad von einer Variable X zu einer Variablen Y, wenn es eine Kette aus direkten Ursachen von X zu Y gibt, wobei die Kette auch aus nur den zwei Gliedern X und Y bestehen kann.

Die Verhältnisse zwischen den Variablen in einem kausalen Graphen werden oft durch genealogisches Vokabular erläutert: Wenn es einen kausalen Pfad von einer Variable X zu einer Variablen Y gibt, heißt X ein Vorfahre von Y und Y ein Nachfahre von X. I ist also Vorfahre von MED und von H; und H ist Nachfahre von MED, von I und von A. Die direkten Ursachen einer Variable X werden auch Eltern von X genannt. H hat im obigen Graphen also die Eltern MED und A. Endogene Variablen in einem Graphen werden Variablen genannt, die relativ zu dem Graphen Eltern haben. Exogene Variablen in einem Graphen sind dagegen solche, die relativ zu dem Graphen keine Eltern haben. I und A sind im gegebenen Graphen also exogene Variablen, während MED und H endogene Variablen sind.

Kausale Graphen sind gut dazu geeignet, zu repräsentieren, zwischen welchen Variablen in einer gegebenen Variablenmenge überhaupt kausale Beziehungen bestehen. Jedoch enthalten sie noch keine Informationen darüber, auf welche Weise sich eine Wirkungsvariable nach Veränderungen ihrer Eltern verändert. So ist der kausale Graph in Abbildung 4.3 beispielsweise zunächst sowohl damit kompatibel, dass die Heilung der Krankheit (H = h1) nur dann eintritt, wenn der Patient über 70 Jahre alt (A = a1) ist und das Placebo einnimmt (MED = med0), als auch damit, dass die Heilung nur dann eintritt (H = h1), wenn der Patient unter 70 Jahre alt ist (A = a0) und das Medikament einnimmt (MED = m1). Der kausale Graph legt bloß fest, dass die Heilung von den Faktoren ‚Alter‘ und ‚Medikamenteneinnahme‘ abhängt, aber nicht, wie diese Abhängigkeit genauer beschaffen ist.

Um die genaueren funktionalen Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Variablen zu spezifizieren, werden Strukturgleichungen verwendet. Für jede endogene Variable gibt es eine Strukturgleichung, die spezifische Informationen darüber enthält, wie sich der Wert der Variable aus den Werten ihrer Eltern ergibt. Der Wert von H im obigen Modell ist demnach eine Funktion aus den Werten von MED und A – also der Eltern von H:

(SG1) H := FH(MED,A)

(SG1) weist jeder Kombination der Werte von MED und A eindeutig einen Wert von H zu. Gelegentlich wird es sich als sinnvoll erweisen, die strukturellen Zusammenhänge zwischen Variablen möglichst exakt darzustellen. Eine einfache Darstellungsmöglichkeit besteht in Funktionstabellen, die jeder Kombination der Werte der Eltern einer endogenen Variablen eindeutig einen Wert der jeweiligen Funktion und somit einen Wert der in Frage stehenden Variable zuordnen. Ein Beispiel findet sich in Tabelle 4.2.

Tabelle 4.2 Funktionstabelle für Gleichung H := FH(MED,A)

Die hiermit ausgedrückte Strukturgleichung ‚H: = FH(MED,A)‘ würde entsprechend bedeuten, dass sich eine Heilung nach Einnahme des Medikaments nur bei unter 70-Jährigen einstellt.

Ein kausales Modell schließlich besteht aus einer Variablenmenge und einer Menge von Strukturgleichungen, die die Zusammenhänge zwischen den Variablen in dieser Variablenmenge spezifizieren. So kann ein kausales Modell, das die Abhängigkeiten zwischen MED, A und H, spezifiziert, beispielsweise als ein Paar aus der Variablenmenge {MED, A, H} und der Menge der Strukturgleichungen {FH(MED,A)} verstanden werden – wobei die Menge der Strukturgleichungen in diesem einfachen Fall nur ein Element hat.

4.4.3 Intervention und Verursachung – Definition zentraler Begriffe

Woodward unterscheidet eine Reihe von unterschiedlichen kausalen Begriffen wie ‚totale Ursache‘, ‚direkte Ursache‘, ‚beitragende Ursache‘ und ‚aktuale Ursache‘. All diese Begriffe werden durch ihre Beziehung zu möglichen Interventionen bestimmt – allerdings auf unterschiedliche Weise. Alle Begriffe werden zudem unter Verwendung des im vorigen Abschnitt eingeführten Vokabulars ausgedrückt. Auch der Begriff einer Intervention selbst wird noch einmal unter Verwendung dieses Vokabular präzisiert. Im Folgenden werde ich zunächst Woodwards Definition einer Intervention erläutern, um daraufhin darauf einzugehen, wie Woodward die angesprochenen kausalen Begriffe in Bezug auf Interventionen definiert.

Wie oben gesehen verlangt Woodward von einer Intervention, dass sie den Faktor, auf den interveniert wird, eindeutig bestimmt, dass sie keine unabhängigen Auswirkungen auf den Faktor hat, der als Ursache in Frage kommt, und dass sie statistisch unabhängig von anderen Faktoren ist, die Ursachen sind für den Faktor, der als Ursache in Frage kommt. Unter Verwendung des Vokabulars kausaler Graphen fängt Woodward diese Bedingungen mit folgenden Definitionen ein.

Zunächst definiert er den Begriff eine Interventionsvariablen:

(IV) Eine Variable I ist eine Interventionsvariable auf eine Variable X hinsichtlich einer Variable Y genau dann, wenn gilt:

(I1) I verursacht X.

(I2) I ist ein Umschalter für X. Das heißt, bestimmte Werte von I sind so beschaffen, dass gilt: Wenn I diese Werte annimmt, hängt X nicht von den Werten anderer Ursachen von X ab, sondern hängt stattdessen nur vom Wert von I ab.

(I3) Jeder kausale Pfad von I zu Y geht durch X. Das heißt, I ist keine direkte Ursache von Y und ist keine Ursache von Ursachen von Y, die distinkt von X sind, außer jenen Ursachen von Y, die in den gerichteten Pfad von I über X zu Y eingebaut sind; also (a) jenen Ursachen von Y, die Wirkungen von X sind und (b) jenen Ursachen von Y, die auf einem kausalen Pfad zwischen I und X liegen und die keine von X unabhängigen Auswirkungen auf Y haben.

(I4) I ist statistisch unabhängig von jeder Variablen Z, die Y verursacht und die auf einem kausalen Pfad liegt, der nicht durch X geht.Footnote 151

(IV) definiert den Begriff einer Interventionsvariablen auf X hinsichtlich Y. Der Begriff einer Interventionsvariablen auf X ist mithin relativiert auf eine weitere Variable. Bei dieser Variable Y handelt es sich um die Variable, die als Wirkung von X in Frage kommt. Im obigen Beispielgraphen wäre dies also Variable H, die die Heilung der Patienten repräsentiert.

Bedingungen (I1) und (I2) sollen dafür sorgen, dass Interventionen den Wert der Variable X, auf die interveniert wird, vollständig bestimmen. Sie stellen daher Forderungen an die kausalen Beziehungen, in denen I und X stehen. Variable Y spielt hier jedoch noch keine Rolle. (I1) verlangt einfach, dass eine Interventionsvariable I auf X eine Ursache für X ist. (I2) verstärkt diese Forderung: I soll nicht nur irgendeine Ursache für X sein, sondern ein ‚Umschalter‘ für X.Footnote 152

Der in (I2) vorkommende Begriff eines Umschalters lässt sich wie folgt veranschaulichen:Footnote 153 In einem Audio-System sind verschiedene Faktoren relevant für den Klang, der aus den Lautsprechern kommt. So kann man den Klang etwa durch eine Einstellung des Lautstärkereglers, durch eine Einstellung des Bassreglers und durch eine Einstellung des Höhenreglers am Verstärker verändern. All diese Faktoren sind Ursachen für die Klangausgabe. All diese Faktoren machen jedoch keinen Unterschied mehr, sobald der Verstärker ausgeschaltet ist. Wenn wir also die Position des Einschaltknopfs des Verstärkers durch eine Variable E repräsentieren, die den Wert 0 annimmt, wenn der Verstärker ausgeschaltet ist und den Wert 1, wenn er eingeschaltet ist, dann ist E ein Umschalter für die Klangausgabe im relevanten Sinn: Der Wert 0 von E sorgt dafür, dass die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen der Klangausgabe und der Einstellung der anderen Regler gebrochen werden. Wenn E den Wert 0 hat, legt dies alleine bereits vollkommen fest, dass kein Klang aus den Lautsprechern kommt. Die Einstellung der anderen Regler ist dann irrelevant. In diesem Sinne ist auch die Verabreichung des Medikaments im obigen Beispiel (I) im Idealfall ein Umschalter für die Medikamenteneinnahme (MED). Die Faktoren, die unter gewöhnlichen Umständen eine Rolle dafür spielen würden, ob die Patient*innen das Medikament einnehmen, sind – gegeben, dass das Medikament unter den kontrollierten Bedingungen des Experiments verabreicht wird – irrelevant. Wenn I also den Wert 1 annimmt, legt dies alleine bereits fest, dass auch MED den Wert 1 annimmt.

Bedingungen (I3) und (I4) sollen dafür sorgen, dass eine etwaige Änderung von Y nach Intervention auf X nicht auf Faktoren zurückzuführen ist, die von X unabhängig sind. Dabei kämen zum einen ‚Nebenwirkungen‘ der Intervention selbst in Frage. Wenn die Intervention I die mögliche Wirkung Y direkt beeinflusst oder auf einer Art und Weise indirekt beeinflusst, die X nicht mit einbezieht, könnte eine etwaige Änderung von Y nach Intervention auf X auch durch diese Wirkung von I auf Y erklärt werden. Y könnte sich dann durch die ‚Intervention‘ ändern, ohne dass X dafür eine Rolle spielt. Dies wird durch (I3) ausgeschlossen.

(I4) soll sämtliche Störfaktoren ausschließen, die nicht von I verursacht werden. Als Beispiel kommt mit Blick auf die Medikamentenstudie das Alter der Patient*innen in Betracht. Die Intervention sollte statistisch unabhängig vom Alter der Patient*innen (A) sein, damit etwaige Unterschiede im Heilungsverlauf nicht auf Unterschiede im Alter zurückgeführt werden können. Im Allgemeinen sollte I statistisch unabhängig von allen Ursachen der als Wirkung in Frage kommenden Variable Y sein.Footnote 154

Gegeben diese Definition einer Interventionsvariablen auf X hinsichtlich Y definiert Woodward den Begriff einer (tatsächlichen) Intervention nun wie folgt:

(IN) Dass I einen Wert I=zi annimmt, ist eine Intervention auf X hinsichtlich Y, genau dann wenn gilt: I=zi ist eine aktuale Ursache für den Wert, den X annimmt.Footnote 155

Eine tatsächliche Intervention ist also ein Wert einer Interventionsvariablen I, der den Wert von X aktual verursacht.

Sowohl in (IV) als auch in (IN) beruft sich Woodward auf kausale Begriffe wie ‚direkte Ursache‘ und ‚aktuale Ursache‘, die bis hierher undefiniert sind. Woodward definiert diese Begriffe nun unter Rückgriff auf Interventionen. Sein System von Definitionen bildet also ein Paket, in welchem die verschiedenen Definitionen wechselseitig aufeinander bezogen sind. Zur weiteren Erläuterung von (IN) und (IV) ist es dementsprechend nötig, die verwendeten kausalen Begriffe einzuführen.

Als Ausgangspunkt von Woodwards Definitionen kausaler Begriffe kann die unter 4.4.1. angegebene erste Annäherung dienen:

Interventionistische Kausalität (IK): Ein Faktor X ist genau dann eine Ursache für einen Faktor Y, wenn eine Intervention auf X hinsichtlich Y zu einer Änderung von Y führen würde.

Wenn diese Ausgangsidee relativ direkt auf das eingeführte Vokabular übertragen wird, ergibt sich Woodwards Definition einer totalen Ursache:

Totale Ursache (TU): Eine Variable X ist eine totale Ursache für eine Variable Y, genau dann, wenn gilt: Es gibt eine mögliche Intervention auf X hinsichtlich Y, die Y (oder die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Y) verändern würde.Footnote 156

Diese Definition (wie auch Woodwards weitere Definitionen) verlangt nicht, dass jede Intervention auf X hinsichtlich Y zu einer Änderung von Y führt. Stattdessen muss es nur eine Intervention auf X hinsichtlich Y geben, die Y verändern würde. Hieraus folgt, dass mehrere Werte von X demselben Wert von Y zugeordnet sein können. Beispielsweise kann X auch dann eine (totale) Ursache von Y sein, wenn eine Intervention, die X auf den Wert × 0 setzt, zu keiner Änderung von Y führt, solange eine andere Intervention, die X etwa auf den Wert × 2 setzt, zu einer Änderung von Y führt. Entsprechende Zusammenhänge finden sich beispielsweise, wenn eine Variable X einen Schwellenwerteffekt auf Y ausübt, so dass X einen bestimmten Wert überschreiten muss, damit sich Y ändert.

Laut Woodward ist totale Verursachung hinreichendFootnote 157, aber nicht notwendig für Verursachung. Das heißt: Jede totale Ursache ist eine Ursache. Jedoch gibt es Ursachen, die keine totalen Ursachen sind.

Der Begriff einer totalen Ursache ist daher alleine nicht dafür geeignet, die kausalen Strukturen, die in kausalen Graphen ausgedrückt werden, einzufangen. Denn es ist nicht wahr, dass ein Pfeil in einem kausalen Graphen von X zu Y genau dann führt, wenn X eine totale Ursache für Y ist. Vielmehr kann X auch dann eine direkte Ursache für Y sein, wenn keine mögliche Intervention auf X Y verändern würde. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn zwei gerichtete Pfade von X zu Y führen, die sich exakt ausgleichen.

Christopher Hitchcock gibt hierfür folgendes Beispiel:Footnote 158 Man betrachte die historische Hypothese, dass der Bau von Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts ein ausschlaggebender Faktor für gesunkene Transportkosten war. Gegen diese Hypothese wurde eingewendet, dass ohne den Bau von Eisenbahnen mehr Kapital in die Entwicklung und den Ausbau alternativer Transportmittel gesteckt worden wäre, was wiederum die Transportkosten reduziert hätte. Die Idee ist demnach, dass der Bau der Eisenbahnen zwar durchaus die Transportkosten reduziert hat, dass sie aber zugleich die Entwicklung alternativer Transportmittel wie Straßen und Lastwagen verhindert oder verlangsamt hat, die in Abwesenheit des Eisenbahnbaus ebenso zu einer Senkung der Transportkosten geführt hätte. Eine Intervention ausschließlich auf den Bau der Eisenbahnen hätte daher (so nehmen wir idealisierend an) nicht zu höheren Transportkosten geführt, sondern dazu, dass die Transportkosten auf anderem Wege in gleichem Maße reduziert worden wären. Daher kann der Bau der Eisenbahnen nicht als totale Ursache für die gesunkenen Transportkosten im Sinne von (TU) gelten: Eine isolierte Intervention auf diesen Faktor hätte die Transportkosten nicht verändert. Dennoch scheint es sich in einem klaren Sinn um eine Ursache zu handeln. Die kausale Struktur kann durch den Graphen in Abbildung 4.4 dargestellt werden:

Abbildung 4.4
figure 4

kausaler Graph für die Variablenmenge {E, A, T}

Der Pfeil von der Eisenbahnbau-Variablen E zur Transportkosten-Variable T kann hier nicht bedeuten, dass eine isolierte Intervention auf den Eisenbahnbau zu einer Änderung der Transportkosten-Variable führen würde. Denn eine solche Intervention auf E würde über den gerichteten Pfad von E über A zu T dazu führen, dass die Transportkosten in demselben Maße gesenkt werden wie ohne die Intervention. Die Definition einer Intervention verlangt nicht, dass eine Intervention auf E hinsichtlich T statistisch oder kausal unabhängig von A ist, weil A T nicht unabhängig von E beeinflusst, sondern auf einem kausalen Pfad liegt, der E einschließt (siehe (I4)). Daher würde jede Intervention auf E auch A auf eine Weise beeinflussen, die den Effekt von E auf T ausgleicht, so dass sich T bei Interventionen auf E nicht verändert.

Zugleich ist jedoch zu beachten, dass eine Intervention auf E zu einer Änderung von T führen würde, wenn A auf einem bestimmten Wert festgehalten würde: Wenn eine zusätzliche Intervention auf A dafür sorgt, dass keine alternativen Transportmittel entwickelt werden, dann senkt eine Intervention auf E, die dafür sorgt, dass Eisenbahnen gebaut werden, die Transportkosten (T). Es scheint dieser Zusammenhang zwischen E, A und T zu sein, der begründet, dass ein Pfeil von E zu T gezogen werden sollte, obgleich E keine totale Ursache für T ist.

Woodward fängt diese Idee mit seiner Definition der direkten Verursachung ein:

Direkte Ursache (DU): Eine Variable X ist eine direkte Ursache einer Variablen Y relativ zu einer Variablenmenge V genau dann, wenn gilt: Es gibt eine mögliche Intervention auf X hinsichtlich Y, die Y (oder die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Y) verändert, wenn alle anderen Variablen in V außer X und Y durch Interventionen auf einem Wert festgesetzt werden.Footnote 159

Gegeben diese Definition ist E aufgrund der obigen Überlegung also eine direkte Ursache für T: Wenn A auf einem Wert festgehalten wird, ändert eine Intervention auf E auch T. Drei Kommentare zu dieser Definition:

Erstens: Pfeile in kausalen Graphen werden an diesen Begriff der direkten Verursachung gebunden: Ein Pfeil von einer Variable X zu einer Variable Y darf in einem kausalen Graph genau dann gezogen werden, wenn X eine direkte Ursache für Y ist. Hierdurch nimmt der Begriff der direkten Verursachung eine zentrale Rolle innerhalb von Woodwards System kausaler Begriffe ein: Die weiteren Begriffe verweisen alle auf die eine oder andere Weise auf direkte Verursachung.

Zweitens: Wie auch in (TU) wird in (DU) nicht verlangt, dass jede Intervention auf X zu einer Änderung von Y führt, wenn die anderen Variablen auf einem Wert festgehalten werden, sondern lediglich, dass es eine solche Intervention gibt. Zudem wird in (DU) in ähnlicher Weise nicht verlangt, dass eine Intervention auf X Y unter allen möglichen Kombinationen von Interventionen auf die anderen Variablen verändert, sondern lediglich, dass es eine solche Kombination von Interventionen auf die anderen Variablen gibt, unter der eine Intervention auf X Y verändert. Bezogen auf das obige Beispiel heißt das, dass der Eisenbahnbau auch dann als direkte Ursache für die Transportkosten gelten kann, wenn eine Intervention, die dafür sorgt, dass in jedem Fall alternative Transportmittel entwickelt werden, zur Konsequenz hat, dass eine Intervention auf den Eisenbahnbau keinen zusätzlichen Unterschied für die Transportkosten mehr macht. Solange der Eisenbahnbau einen Unterschied macht, wenn eine Intervention dafür sorgt, dass die alternativen Transportmittel nicht entwickelt werden, kann der Eisenbahnbau als direkte Ursache gelten. Denn dann gibt es zumindest eine Intervention auf die alternativen Transportmittel, unter der eine Intervention auf den Eisenbahnbau eine Änderung der Transportkosten zur Folge hat.

Drittens: (DU) bestimmt den Begriff der direkten Ursache relativ zu einer Variablenmenge V. Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus einer solchen Relativierung des Begriffs der direkten Verursachung auf eine Variablenmenge ergeben. Insbesondere stellt sich die Frage, ob eine Variable X direkte Ursache für Y relativ zu einer Variablenmenge V sein kann, ohne direkte Ursache für Y relativ zu einer anderen Variablenmenge V‘ zu sein, die X und Y ebenfalls enthält. Ich gehe auf diese Frage weiter unten noch einmal ausführlicher ein. Bereits jetzt sind jedoch zwei Anmerkungen hierzu angebracht:

Erstens kann es vorkommen, dass X keine direkte Ursache für Y relativ zu einer Variablenmenge V ist, aber X eine direkte Ursache für Y relativ zu V + ist, wobei V + eine Erweiterung von V darstellt.Footnote 160 Das heißt: Pfeile zwischen Variablen in einem kausalen Graphen können auftauchen, wenn weitere Variablen hinzugefügt werden. Hitchcocks Beispiel des Eisenbahnbaus vermag dies zu veranschaulichen: Betrachten wir hier zunächst die Variablenmenge {E, T}, die also nur die Variablen für den Eisenbahnbau und die Transportkosten enthält. E wird sich nicht als direkte Ursache für T relativ zu {E, T} qualifizieren. Denn die Definition der direkten Verursachung verlangt nicht, dass wir A (Entwicklung alternativer Transportmittel) festhalten, wenn es um die Frage geht, ob E eine direkte Ursache für T relativ zu {E, T} ist. Der Grund hierfür ist einfach, dass A nicht in der Variablenmenge {E, T} enthalten ist. Die Definition der direkten Verursachung verlangt jedoch nur, dass alle Variablen in der jeweiligen Variablenmenge festgehalten werden. Sie verlangt entsprechend nicht, dass A festgehalten wird. Tatsächlich verlangt die Definition der direkten Verursachung mit Blick auf die Variablenmenge {E, T} nicht mehr als die Definition der totalen Verursachung, die Woodward ja aufgrund dieses Beispiels modifiziert: Da eine Intervention auf E zu einer Änderung von A führt, die wiederum den Effekt von E auf T ausgleicht, wird sich T wie oben geschildert bei einer isolierten Intervention auf E nicht verändern. E ist also keine direkte Ursache für T relativ zu {E, T}.

Betrachten wir nun eine Erweiterung von {E, T}, nämlich {E, T, A}. Relativ zu {E, T, A} wird sich E nun als direkte Ursache für T herausstellen. Denn es gibt eine Intervention auf E, die T verändert, wenn A auf einem Wert festgehalten wird. Und da A nun Teil der relevanten Variablenmenge ist, verlangt die Definition der direkten Ursache, dass A auf einem Wert festgehalten wird. Die Definition der direkten Verursachung hat also nur das gewünschte Ergebnis, dass E eine direkte Ursache für T ist, wenn eine hinreichend reichhaltige Variablenmenge betrachtet wird: Der ausgleichende Pfad von E zu T über A muss in der relevanten Variablenmenge repräsentiert sein.Footnote 161

Zweitens kann es aus einem recht einfachen Grund vorkommen, dass eine Variable X eine direkte Ursache für eine Variable Y relativ zu einer Variablenmenge V ist, ohne dass X eine direkte Ursache für Y relativ zu einer Erweiterung V + von V ist. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn V + eine zusätzliche Variable Z enthält, die auf einem kausalen Pfad zwischen X und Y liegt.Footnote 162 Zur Veranschaulichung greife ich wieder auf das Beispiel der medizinischen Wirksamkeitsstudie zurück: Relativ zur Variablenmenge {MED, H}, die nur Variablen für die Medikamenteneinnahme und die Heilung der Krankheit enthält, ist MED eine direkte Ursache für H: Eine Intervention auf MED würde H verändern, während alle anderen Variablen in der Variablenmenge (in diesem Fall keine) festgehalten werden. Relativ zu einer Variablenmenge, die genauer auf den Mechanismus eingeht, der von MED zu H führt, und zum Beispiel eine zusätzliche Zwischenvariable enthält, die die Konzentration bestimmter Viren im Blut (VK) repräsentiert, zählt MED jedoch nicht als direkte Ursache für H (siehe Abbildungen 4.5 und 4.6).

Abbildung 4.5
figure 5

kausaler Graph für die Variablenmenge {MED, H}

Abbildung 4.6
figure 6

kausaler Graph für die Variablenmenge {MED, VK, H}

Wenn alle anderen Variablen außer MED und H in der Variablenmenge {MED, VK, H} auf einem Wert festgehalten werden, ändert eine Intervention auf MED nicht H. Denn wenn VK auf einem Wert festgehalten wird – d. h. die Konzentration der Viren im Blut aufgrund einer weiteren Intervention auch bei Einnahme des Medikaments unverändert bleibt – führt eine Einnahme des Medikaments nicht zur Heilung der Krankheit. MED ist also keine direkte Ursache für H relativ zu {MED, VK, H}.

Offenbar können wir MED dennoch in einem gewissen Sinne als Ursache von H relativ zu {MED, VK, H} ansprechen. Schließlich ist MED eine direkte Ursache für VK und VK eine direkte Ursache für H. Um diesen Sinn von Verursachung einzufangen, führt Woodward den Begriff der beitragenden Verursachung ein:Footnote 163

Beitragende Ursache (BU): Eine Variable X ist eine beitragende Ursache einer Variablen Y relativ zu einer Variablenmenge V genau dann, wenn gilt: (i) Es gibt einen kausalen Pfad P, d.h. eine Kette aus direkten Ursache, der von X zu Y führt und (ii) es gibt eine Intervention auf X, die Y (oder die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Y) verändert, wenn alle Variablen in V, die nicht auf dem kausalen Pfad P von X zu Y liegen, auf einem Wert festgehalten werden.Footnote 164

Der Unterschied zwischen beitragenden und direkten Ursachen besteht im Wesentlichen darin, dass beitragende Ursachen Zwischenschritte erlauben. Der Pfad von X zu Y kann also weitere Variablen enthalten. Natürlich sollten solche Variablen, die auf einem kausalen Pfad zwischen X und Y liegen, nicht durch Interventionen auf einem Wert festgehalten werden. Denn solche Interventionen würden dafür sorgen, dass die Zwischenvariablen unabhängig von X werden und der Einfluss von X auf Y daher nicht mehr über die Zwischenvariablen übertragen wird. Es wird daher in (BU) leidglich verlangt, dass die anderen Variablen in der Variablenmenge, die nicht auf dem kausalen Pfad von X und Y liegen, auf einem Wert festgehalten werden. Entsprechend ist MED in Abbildung 4.6 eine beitragende Ursache für H relativ zu {MED, VK, H}. Denn es wird hier nicht verlangt, dass VK auf einem Wert festgehalten wird.

Auch (BU) bestimmt einen auf Variablenmengen relativierten Begriff beitragender Verursachung. Und auch mit Blick auf beitragende Verursachung kann es vorkommen, dass eine Variable X keine beitragende Ursache für eine Variable Y relativ zu einer Variablenmenge V ist, aber X eine beitragende Ursache für Y relativ zu einer Erweiterung V + von V ist. Der Grund dafür ist derselbe wie bei direkter Verursachung: Wenn ausgleichende Pfade in V nicht repräsentiert werden, verlangt (BU) nicht, dass die Variablen auf den ausgleichenden Pfaden festgehalten werden. Fügt man Variablen auf den ausgleichenden Pfaden aber hinzu, müssen diese festgehalten werden. E ist im Eisenbahnbeispiel entsprechend keine beitragende Ursache relativ zu {E, T}, aber wird zu einer beitragenden Ursache relativ zu {E, A, T}.

Anders als im Fall der direkten Verursachung können Beziehungen der beitragenden Verursachung laut Woodward jedoch nicht verschwinden, wenn weitere Variablen zu einer Variablenmenge hinzugefügt werden: Wenn X eine beitragende Ursache für Y relativ zu einer Variablenmenge V ist, dann ist X auch eine beitragende Ursache für Y relativ zu jeder Erweiterung V + von V. In diesem Sinne ist die Relation der beitragenden Verursachung monoton.Footnote 165 Zudem ist jede direkte Ursache relativ zu einer Variablenmenge V auch eine beitragende Ursache relativ zu V. Die Monotonie der Relation der beitragenden Verursachung hat daher auch Konsequenzen für direkte Verursachung: Eine direkte Ursache X für eine Variable Y relativ zu einer Variablenmenge V kann zwar relativ zu einer Erweiterung V + von V aufhören, eine direkte Ursache für Y zu sein. Jedoch wird X dann relativ zu V + noch immer eine beitragende Ursache für Y sein.Footnote 166 Kausalverhältnisse zwischen Variablen können also ihren Status der ‚Direktheit‘ verlieren, sie können jedoch nicht ganz verschwinden.

Sowohl (DU) als auch (BU) sind also auf Variablenmengen relativiert. In der Definition einer Interventionsvariable (IV) hingegen macht Woodward von kausalen Begriffen Gebrauch, die keine explizite Relativierung auf Variablenmengen enthalten. Er verlangt zum Beispiel, dass Interventionsvariablen auf X hinsichtlich Y statistisch unabhängig von allen Variablen sind, die Y verursachen (und nicht auf einem kausalen Pfad von X zu Y liegen) – und nicht, dass eine Interventionsvariable auf X hinsichtlich Y statistisch unabhängig von allen Variablen ist, die Y relativ zu einer Variablenmenge V verursachen (und nicht auf einem kausalen Pfad von X zu Y relativ zu V liegen). Auch der Begriff der Interventionsvariable selbst ist nicht auf Variablenmengen relativiert. Dies wirft die Frage auf, wie die nicht-relativierte Verwendung kausaler Begriffe in (IV) sich zu den relativierten Begriffen der direkten und beitragenden Verursachung verhält.

Eine mögliche Antwort hierauf ist die folgende:Footnote 167 Ausgehend von den auf Variablenmengen relativierten Begriffen der direkten und beitragenden Verursachung kann man einen de-relativierten Begriff der Verursachung definieren. Die Definition einer Interventionsvariablen bezieht sich dann auf diesen de-relativierten Begriff der Verursachung.

Zur Einführung eines de-relativierten Begriffs der Verursachung bietet es sich an, auf die eine oder andere Weise über Variablenmengen zu quantifizieren. Hier eröffnen sich zwei auf den ersten Blick plausible Möglichkeiten:

De-Relativierung durch Allquantifikation: Eine Variable X ist eine Ursache für eine Variable Y genau dann, wenn gilt: X ist eine beitragende Ursache für Y relativ zu jeder Variablenmenge V, die X und Y enthält.

De-Relativierung durch existentielle Quantifikation: Eine Variable X ist eine Ursache für eine Variable Y genau dann, wenn gilt: Es gibt eine Variablenmenge V, relativ zu der X eine beitragende Ursache für Y ist.

Die De-Relativierung durch Allquantifikation ist jedoch bei genauerem Hinsehen ungeeignet. Grund hierfür ist die oben schon ausgeführte Beobachtung, dass es möglich ist, dass X keine beitragende Ursache für Y relativ zu V ist, aber relativ zu einer Erweiterung V + von V zu einer beitragenden Ursache für Y wird. Würde die De-Relativierung durch Allquantifikation gewählt, würde die Variable E im Eisenbahn-Beispiel (der Eisenbahnbau) fälschlicherweise nicht als (simpliciter) Ursache für T (Transportkosten) zählen. Denn E ist nicht beitragende Ursache für T relativ zu {E, T}, sondern erst relativ zu {E, T, A}. E ist also nicht beitragende Ursache für T relativ zu jeder Variablenmenge, die E und T enthält. Daher ist E nach Maßgabe der De-Relativierung durch Allquantifikation keine Ursache für T simpliciter. Allgemein würde eine De-Relativierung durch Allquantifikation dazu führen, dass nur totale Ursachen als simpliciter Ursachen gezählt werden.Footnote 168

Woodward präferiert entsprechend eine De-Relativierung durch existentielle Quantifikation.Footnote 169 Hier ist E im Eisenbahn-Beispiel eine simpliciter Ursache für T. Denn es gibt eine Variablenmenge – in diesem Falle zum Beispiel {E, T, A} – relativ zu der E eine beitragende Ursache für T ist.Footnote 170 Dies gibt uns also den ausschlaggebenden Begriff der Verursachung im Interventionismus: Eine Variable X ist genau dann eine Ursache für eine Variable Y, wenn es eine Variablenmenge gibt, relativ zu der X eine beitragende Ursache für Y ist.

Für die Plausibilität dieser Art der De-Relativierung ist es essentiell, dass die Relation der (relativierten) beitragenden Verursachung im oben geschilderten Sinne monoton ist: Die Hinzufügung weiterer Variablen zu einer Variablenmenge darf nie dazu führen, dass Beziehungen der beitragenden Verursachung verloren gehen. Denn anderenfalls wären wir (gelegentlich) mit der folgenden Situation konfrontiert: X ist eine beitragende Ursache für Y relativ zu einer Variablenmenge V und daher ist X eine Ursache für Y simpliciter. Es gibt jedoch eine Erweiterung V + von V, relativ zu der X keine beitragende Ursache für Y ist. Dies spricht nicht dagegen, dass X eine Ursache für Y simpliciter ist. Wir wären entsprechend darauf angewiesen, zu behaupten, dass die Erweiterung V + von V die (de-relativierten) kausalen Fakten falsch wiedergibt, während nur die ‚ärmere‘ Variablenmenge V eine korrekte Wiedergabe der Kausalverhältnisse ermöglicht. Dies scheint jedoch äußerst unplausibel: Denn wieso sollte eine korrekte Repräsentation der kausalen Fakten zu einer falschen führen, wenn weitere Elemente der Realität zusätzlich in Betracht gezogen werden?

Noch ein Kommentar zum Verhältnis zwischen Verursachung in dem gerade spezifizierten Sinne und totaler Verursachung: Der Begriff der totalen Verursachung ist von vornherein nicht auf Variablenmengen relativiert. Die Relativierung und die Forderung, andere Variablen festzuhalten, kam in erster Linie deshalb ins Spiel, weil bestimmte Ursachen, wie E im Eisenbahnbeispiel, keine totalen Ursachen sind. Woodward macht jedoch auch deutlich, dass alle totalen Ursachen Ursachen sind. Tatsächlich ist totale Verursachung hinreichend für die hier spezifizierte Relation der Verursachung: Wenn eine Variable X eine totale Ursache für eine Variable Y ist, dann gibt es auch eine Variablenmenge – zum Beispiel {X, Y} – relativ zu der X eine beitragende Ursache für Y ist. Um positive Kausalaussagen zu begründen, reicht es daher oft, sich auf den (deutlich leichter zu handhabenden) Begriff der totalen Verursachung zu berufen. Die Komplikationen, die durch die Relativierung auf Variablenmengen und die darauffolgende De-relativierung entstehen, können dann umgangen werden.

Soweit haben wir also eine de-relativierte Definition von Verursachung zwischen Variablen. Meine weitere Diskussion wird sich in erster Linie an dieser Definition orientieren. Es sei jedoch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Relation der Verursachung zwischen Variablen nicht gleichgesetzt werden kann mit einer Relation der aktualen Verursachung, die zwischen tatsächlich stattfindenden Ereignissen besteht. Woodward entwickelt aufbauend auf der Verursachungsrelation zwischen Variablen auch eine Definition aktualer Verursachung. Diese besteht nicht zwischen Variablen, sondern zwischen den aktualen Werten von Variablen. Die Details seiner Definition müssen uns hier nicht interessieren.Footnote 171 Zwei Dinge werden jedoch in der weiteren Diskussion noch einmal wichtig:

Erstens: Wenn eine Variable X eine Variable Y verursacht, dann werden in aller Regel zumindest manche Werte von X in manchen Situationen auch manche Werte von Y aktual verursachen. Die Verursachungsrelation zwischen Variablen erlaubt also durchaus – vorsichtige – Schlüsse auf aktuale Verursachung zwischen Variablenwerten.

Zweitens: Ein Wert x einer Variablen X kann nur dann eine aktuale Ursache für einen Wert y einer Variablen Y sein, wenn X eine Ursache für Y ist. Wenn X also Y nicht verursacht, ist der Schluss darauf, dass die Werte von X die Werte von Y nicht aktual verursachen, unproblematisch und erlaubt.

Ausgerüstet mit diesem komplexen System von Definitionen kausaler Begriffe werde ich nun in den kommenden Abschnitten diskutieren, wie der Interventionismus auf die Frage nach der Existenz mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus angewendet werden kann.

4.4.4 Der Interventionismus als Rettung für den nicht-reduktiven Physikalismus?

Der Interventionismus scheint zunächst gut zum nicht-reduktiven Physikalismus zu passen. Dieser Einschätzung verleiht auch Woodward in der folgenden Passage Ausdruck:

Prima facie, [interventionism] seems to support the claim that mental states can be causes. We do after all seem to regularly (and successfully) intervene to change the mental states of others and perhaps our own mental states as well and these changes in turn sometimes seem to be regularly associated with changes in other mental states and behavior. Indeed, this seems to be what successful persuasion and deception are all about – in persuasion, I manipulate your beliefs and desires by providing you with information or material inducements, typically with the goal in mind that these changes will in turn lead to further changes that I desire in your mental state or behavior. On an interventionist conception of cause, this is all that is required for mental causation – nothing more metaphysically portentous is needed.Footnote 172

Schon aus unseren alltäglichen Erfahrungen über die Interaktion mit unseren Mitmenschen wissen wir demzufolge, dass wir häufig das Verhalten anderer Personen ändern können, indem wir ihre mentalen Zustände manipulieren. Da eine solche Manipulierbarkeitsbeziehung nach Maßgabe des Interventionismus bereits hinreichend für eine Kausalbeziehung zwischen mentalen Ereignissen und Verhaltensereignissen ist, verspricht der Interventionismus somit eine einfache Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus: Der nicht-reduktive Physikalismus führt nicht dazu, dass es keine mentale Verursachung gibt, weil der nicht-reduktive Physikalismus nicht dazu führt, dass wir das Verhalten anderer Personen nicht durch eine Manipulation ihrer mentalen Zustände verändern können.

Dieser auf den ersten Blick durchaus plausiblen Grundidee folgen neben Woodward auch eine Reihe von anderen Autor*innen.Footnote 173 Jedoch bleiben einige Fragen offen:

Erstens zieht die von Woodward angeführte und intuitiv einleuchtende Überlegung zur Manipulierbarkeit des Verhaltens von Personen durch eine Manipulation ihrer mentalen Zustände die Besonderheiten des nicht-reduktiven Physikalismus zunächst gar nicht in Betracht. Man könnte Woodward als Kritiker*in des nicht-reduktiven Physikalismus entsprechend durchaus darin zustimmen, dass eine solche Manipulierbarkeitsbeziehung offenbar besteht, und eben anfügen, dass diesem Sachverhalt nur Rechnung getragen werden kann, wenn der nicht-reduktive Physikalismus falsch ist. Dass die Existenz mentaler Verursachung unter Voraussetzung des Interventionismus offensichtlich ist, zeigt noch nicht, dass der Interventionismus die Existenz mentaler Verursachung im Rahmen des nicht-reduktiven Physikalismus offensichtlich einfangen kann.

Hiermit zusammenhängend ergeben sich zweitens aus dem nicht-reduktiven Physikalismus durchaus schwierige Interpretationsfragen für den Interventionismus. Denn der nicht-reduktive Physikalismus postuliert Beziehungen der nicht-kausalen, ontologischen Abhängigkeit zwischen niedrigerstufigen und höherstufigen Ereignissen und Eigenschaften. Der Interventionismus hingegen wurde entwickelt, ohne die Möglichkeit solcher nicht-kausalen Beziehungen im Blick zu haben. Er konzentriert sich auf kausale Beziehungen. Was aber geschieht, wenn die durch den Interventionismus bestimmten kausalen Beziehungen auf die vom nicht-reduktiven Physikalismus postulierten nicht-kausalen Beziehungen ontologischer Abhängigkeit treffen? Wie sich in den kommenden Abschnitten zeigen wird, ist es keinesfalls eine triviale Frage, ob der Interventionismus mit solchen nicht-kausalen Abhängigkeitsbeziehungen umgehen kann und zugleich zum aus Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus gewünschten Ergebnis führt.

4.4.5 Unmögliche Kombinationen von Variablenwerten und Variablen-Supervenienz

Die nicht-kausalen ontologischen Abhängigkeitsbeziehungen, die laut dem nicht-reduktiven Physikalismus zwischen höherstufigen Ereignissen und ihren Basen bestehen, haben (in der Terminologie des Interventionismus) zur Konsequenz, dass bestimmte Kombinationen von Werten von Variablen metaphysisch unmöglich sind. Um dies zu präzisieren, diskutiere ich im Folgenden, wie man eine für den nicht-reduktiven Physikalismus typische Situation der Instantiierung einer mentalen Eigenschaft mithilfe des interventionistischen Vokabulars von Variablen und ihren Werten modellieren kann und welche Kombinationen von Variablenwerten dann als unmöglich ausgezeichnet werden müssen.

Gehen wir davon aus, dass M eine mentale Eigenschaft ist.Footnote 174 M könnte, wie im Beispiel von Susi, etwa für Susis Wunsch stehen, die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken. M ist laut dem nicht-reduktiven Physikalismus multipel realisierbar. Gehen wir vereinfachend davon aus, dass M nur zwei mögliche totaleFootnote 175 physischeeng Basen hat: BM1 und BM2.Im nicht-reduktiven Physikalismus necessitieren diese physischen Basen jeweils M: Wenn BM1 instantiiert ist, muss M instantiiert sein. Entsprechendes gilt für BM2. Zudem gehen wir davon aus, dass M nicht ohne physische Basis instantiiert sein kann. Das heißt, wenn M instantiiert ist, muss BM1 oder BM2 instantiiert sein.

Um diese Situation zu modellieren, können wir nun Variablen einführen, die die Instantiierung von M, BM1 und BM2 anzeigen. Zur Repräsentation von M empfiehlt sich die Einführung einer binären Variable M, die in Tabelle 4.3 spezifiziert ist:

Tabelle 4.3 Variable M

Zur Modellierung der physischen Basen von M eröffnen sich zwei verschiedene Optionen. Die erste Option besteht darin, eine dreiwertige Variable BM einzuführen (siehe Tabelle 4.4).Footnote 176

Tabelle 4.4 Variable BM

Variable BM verstößt strenggenommen gegen das in Abschnitt 4.4.3. erwähnte absolute Kriterium der Exklusivität. Der nicht-reduktive Physikalismus schließt nicht grundsätzlich aus, dass mehrere totale Basen einer mentalen Eigenschaft zugleich instantiiert sind. In diesem Falle wäre M ‚übernecessitiert‘ oder ontologisch überdeterminiert, ähnlich wie Wirkungen gelegentlich kausal überdeterminiert sind. Entsprechend setzt die hier verwendete Modellierung voraus, dass diese Möglichkeit der ontologischen Überdetermination im gegebenen Kontext vernachlässigt werden kann. Anderenfalls müsste man die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass BM sowohl den Wert bm1 als auch den Wert bm2 annimmt. Dies sollte jedoch vermieden werden.

Nimmt man die Möglichkeit ontologischer Überdetermination also ernst, ist es angeraten, für jede mögliche Base von M eine eigene binäre Variable einzuführen. Eine zweite, alternative Modellierung der Situation beinhaltet also die folgenden beiden, binären Variablen BM1 und BM2 (siehe Tabelle 4.5).Footnote 177

Tabelle 4.5 Variablenmenge {BM1, BM2}

Bei beiden Optionen ergeben sich bestimmte Kombinationen zwischen Werten der eingeführten Variablen, die im nicht-reduktiven Physikalismus als metaphysisch unmöglich gelten müssen. So sind, bezogen auf die erste Option, die folgenden Kombinationen von Werten von M und BM metaphysisch unmöglich:

(Kom-1) BM=bm0 und M=m1

(Kom-2) BM=bm1 und M=m0

(Kom-3) BM=bm2 und M=m0

Kombination (Kom-1) entspräche einer Situation, in der M ohne eine Basis instantiiert ist. Die Kombinationen (Kom-2) und (Kom-3) entsprächen jeweils einer Situation, in der eine totale Basis von M instantiiert ist, ohne dass M instantiiert ist. Wie oben geschildert, werden genau solche Situationen durch den nicht-reduktiven Physikalismus als metaphysisch unmöglich ausgeschlossen.

Bei der zweiten Option zur Modellierung von M und ihren Basen ist die Sache nur leicht komplizierter. Betrachten wir zunächst die Beziehung zwischen M und BM1. Hier stellt sich nur die folgende Kombination als metaphysisch unmöglich heraus:

(Kom-4) BM1=bm11 und M=m0Footnote 178

Denn (Kom-4) würde einer Situation entsprechen, in der eine totale Basis von M ohne M instantiiert ist. Jede andere Kombination von Werten von M und BM1 ist hingegen metaphysisch möglich. Insbesondere ist es möglich, dass M den Wert m1 annimmt und BM1 den Wert bm10 annimmt. M wäre dann instantiiert, ohne dass die spezifische Base BM1 von M instantiiert ist. Da M multipel realisierbar ist, ist diese Situation möglich.

Da M aber, wie wir voraussetzen, notwendigerweise eine Basis hat und BM2 die einzige mögliche alternative Basis ist, muss dann BM2 den Wert bm21 annehmen. Das heißt: Wenn wir alle drei Variablen M, BM1 und BM2 betrachten, ergeben sich weitere unmögliche Kombinationen von Werten:

(Kom-5) BM1=bm10, BM2=bm20 und M=m1

(Kom-6) BM1=bm11, BM2=bm20 und M=m0

(Kom-7) BM1=bm10, BM2=bm21 und M=m0

(Kom-8) BM1=bm11, BM2=bm21 und M=m0

Hier entspricht (Kom-5) einer Situation, in der M ohne totale Basis instantiiert ist, während (Kom-6), (Kom-7) und (Kom-8) Situationen entsprechen, in denen (mindestens) eine totale Basis von M ohne M instantiiert ist. Wieder müssen die entsprechenden Kombinationen von Werten nach den Vorgaben des nicht-reduktiven Physikalismus also als metaphysisch unmöglich ausgeschlossen werden.

Wenn Variablen so aufeinander bezogen sind, wie M auf BM bzw. auf BM1 und BM2, können wir von einer Supervenienz-Relation zwischen Variablen sprechen. Diese kann wie folgt eingeführt werden:

Variablen-Supervenienz (VS): Eine Variable X superveniert genau dann auf einer Variablenmenge {Y1, …, Yn}, wenn gilt: Für jeden Wert x von X gibt es eine Kombination von Werten k von Y1, …, Yn, so dass notwendigerweise gilt: Wenn Y1, …, Yn die Kombination von Werten k annimmt, dann nimmt X den Wert x an.Footnote 179

M superveniert auf BMFootnote 180, weil es für jeden Wert von M einen Wert von BM gibt, der ihn necessitiert: Der Wert m0 wird durch den Wert bm0 necessitiert: Wenn BM den Wert bm0 annimmt, dann muss M den Wert m0 annehmen. Der Wert m1 wird sowohl von bm1 als auch von bm2 necessitiert: Wenn BM den Wert bm1 annimmt, muss M den Wert m1 annehmen, und wenn BM den Wert bm2 annimmt, muss M ebenfalls den Wert m1 annehmen. Entsprechend gibt es für jeden Wert von M (mindestens) einen Wert von BM, der ihn necessitiert. Anders ausgedrückt: Es ist unmöglich, M zu ändern, ohne BM zu ändern. Wenn M sich von m0 zu m1 ändert, muss sich auch BM von bm0 auf bm1 oder bm2 ändern. Und wenn M sich von m1 zu m0 ändert, muss sich auch BM von bm1 oder bm2 zu bm0 ändern.

M superveniert zudem auf der Variablenmenge {BM1, BM2}. Für jeden Wert von M gibt es eine Kombination von Werten von BM1 und BM2, der ihn necessitiert. Für den Wert m0 ist dies die Kombination (bm10 und bm20). Für den Wert m1 sind dies die verbleibenden drei Kombinationen (bm11 und bm20), (bm10 und bm21) sowie (bm11 und bm21). Jedoch superveniert M weder auf BM1 noch auf BM2 alleine: Denn es gibt keinen Wert von BM1, der m0 necessitiert. Der Wert bm10 necessitiert nicht m0, weil M = m1 sein kann, während BM1 = bm10 ist, (insofern BM2 = bm21 ist). Eine Supervenienz-Beziehung unter Voraussetzung einer binären Repräsentation der Basen von M muss entsprechend sämtliche Variablen für die möglichen Basen von M involvieren.

Bis hierher haben wir eine Übertragung der zentralen modalen Annahmen des nicht-reduktiven Physikalismus auf die Terminologie des Interventionismus. Aus dem nicht-reduktiven Physikalismus folgt, dass bestimmte Kombinationen von Werten von Variablen metaphysisch unmöglich sind und dass bestimmte Variablen auf anderen Variablen supervenieren.

Der Unmöglichkeit von Kombinationen von Variablenwerten zugrunde liegt dabei eine nicht-kausale ontologische Abhängigkeitsbeziehung. Es ist daher mit dem nicht-reduktiven Physikalismus zugleich verbunden, dass keine kausalen Beziehungen zwischen den Variablen M und BM, bzw. zwischen den Variablen M und BM1 und BM2 bestehen: M ist keine Ursache für BM, BM1 und BM2 und BM, BM1 und BM2 sind keine Ursachen für M. M superveniert nicht-kausal auf BM bzw. {BM1, BM2}. Der nicht-reduktive Physikalismus kommt also mit einer Einschränkung für die Möglichkeit von Kombinationen von Variablenwerten und zugleich mit einem Verbot, diese Einschränkung auf kausale Beziehungen zurückzuführen. Diese Vorgaben bleiben nicht ohne Konsequenzen für die Frage, in welche kausalen Beziehungen die entsprechenden Variablen laut dem Interventionismus eintreten können.

Im folgenden Abschnitt gehe ich zunächst auf ein unmittelbares Problem ein, das sich im Zusammenhang mit der Anwendung von Woodwards Definitionen der direkten und beitragenden Verursachung auf Variablen, die in Supervenienzbeziehungen stehen, ergibt. Ich beschränke mich hierbei auf eine Diskussion der Variablen M und BM und wähle also die Modellierung der ausschlaggebenden Situation über eine dreiwertige Variable, die die Anwesenheit der verschiedenen Basen von M anzeigt.

4.4.6 Direkte Verursachung, beitragende Verursachung und Variablen-Supervenienz

Wenn wir die Definitionen einer direkten oder beitragenden Ursache auf Variablenmengen anwenden, die Variablen enthalten, die in einer Supervenienzbeziehung stehen, ergeben sich seltsame und schwer zu akzeptierende Konsequenzen. Dies möchte ich im Folgenden ausführen.

Zuerst gehe ich dafür knapp auf die Annahme des nicht-reduktiven Physikalismus ein, dass mentale Eigenschaften oder Ereignisse und ihre physischen Basen nicht kausal verknüpft sind. Eine Anwendung der Definition der direkten und beitragenden Verursachung auf Variablenmengen, die in Supervenienzbeziehungen stehen, hat auf den ersten Blick die gegenteilige Konsequenz: Variablen, die in Supervenienzbeziehungen stehen, verursachen einander.

Betrachten wir dafür die Variablenmenge {M, BM}. Auf den ersten Blick gibt es nun InterventionenFootnote 181 auf M, die BM verändern. Tatsächlich ändert sogar jede Intervention auf M mit metaphysischer Notwendigkeit auch BM. Folgt man also der Definition der direkten oder der beitragenden Verursachung, ist M eine direkte und beitragende Ursache für BM relativ zu {M, BM}. Also gibt es eine Variablenmenge, relativ zu der M direkte oder beitragende Ursache für BM ist. Also ist M eine Ursache für BM.

Zudem gibt es auch Interventionen auf BM, die M verändern. Hier ändert zwar nicht jede Intervention auf BM auch M: Die Interventionen auf BM, die zwischen den Werten bm1 und bm2 wechseln, ziehen keine Änderung von M nach sich. Jedoch führt jede andere Intervention auf BM (z. B, eine solche, die BM von bm0 auf bm1 setzt) mit metaphysischer Notwendigkeit zu einer Änderung von M. Demzufolge gibt es eine Intervention auf BM, die M ändert. Also ist BM eine direkte und beitragende Ursache für M relativ zu {M, BM}. Also ist auch BM eine Ursache für M.

Aus Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus ist dieses Ergebnis natürlich unbefriedigend. Wie oben geschildert geht mit dem nicht-reduktiven Physikalismus die Vorgabe einher, die Beziehung zwischen M und BM nicht-kausal zu deuten. Es scheint jedoch, als habe der Interventionismus bis hierher nicht die nötigen Mittel, um die nicht-kausalen Beziehungen ontologischer Abhängigkeit, die laut dem nicht-reduktiven Physikalismus zwischen höherstufigen Eigenschaften und ihren physischen Basen bestehen, von gewöhnlichen kausalen Beziehungen zu unterscheiden.Footnote 182

Ich komme auf dieses Problem gegen Ende dieses Abschnitts noch einmal zurück. Vorher möchte ich das Problem des Interventionismus mit Variablen, die in einer nicht-kausalen Supervenienz-Beziehung stehen, jedoch noch etwas verschärfen. Dafür gehe ich vorerst davon aus, dass – trotz der gerade ausgeführten Überlegung – keine kausale Beziehung zwischen M und BM besteht. Das Problem verschärft sich, wenn man die Frage stellt, in welchen kausalen Beziehungen M und BM zu anderen Variablen stehen können, wenn man davon ausgeht, dass sie in einer nicht-kausalen Supervenienzbeziehung zueinander stehen.

Betrachten wir hierfür zunächst die Variablenmenge {M, W}. M ist wie oben bestimmt und zeigt an, ob die mentale Eigenschaft M instantiiert ist. W zeigt an, ob eine bestimmte behaviorale Eigenschaft W instantiiert ist. W kann dabei zum Beispiel so verstanden werden, dass eine Instantiierung von W bedeutet, dass Susi ihren Arm hebt. Die Variable W ist also wie in Tabelle 4.6 bestimmt.

Tabelle 4.6 Variable W

Gehen wir nun davon aus, dass eine reine Betrachtung von M und W nahelegt, dass M eine Ursache für W ist. Tatsächlich sieht alles danach aus, dass M eine direkte Ursache für W relativ zu {M, W} ist und die Beziehung zwischen M und W durch die einfache Strukturgleichung ‚W: = Fw(M)‘ beschrieben werden kann (siehe Tabelle 4.7). Das heißt, InterventionenFootnote 183 auf M, die M auf m0 setzen, führen dazu, dass W den Wert w0 annimmt und Interventionen, die M auf m1 setzen, führen dazu, dass W den Wert w1 annimmt.

Tabelle 4.7 Funktionstabelle für Gleichung W := Fw(M)

Gegeben Woodwards Definition der direkten Verursachung wäre M dann eine direkte Ursache für W relativ zu {M, W}: Eine Intervention auf M verändert W, wenn alle anderen Variablen in {M, W} auf einem Wert festgehalten werden.

Betrachten wir als nächstes die Variablenmenge {BM, W}, wobei BM wie in Tabelle 4.4 definiert anzeigt, welche physische Basis von M instantiiert ist. Auch hier sieht alles danach aus, dass BM eine direkte Ursache für W relativ zu {BM, W} ist und die Beziehung zwischen BM und W durch die Strukturgleichung ‚W: = Fw(BM)‘ beschrieben werden kann (siehe Tabelle 4.8): Interventionen, die BM auf bm0 setzen, haben zur Folge, dass W den Wert w0 annimmt. Interventionen, die BM auf bm1 oder bm2 setzen, haben zur Folge, dass W den Wert w1 annimmt. Man beachte, dass hier nicht jede Intervention auf BM zu einer Änderung von W führt. Interventionen, die zwischen den Werten bm1 und bm2 wechseln, führen zu keiner Änderung von W. Dies ist jedoch wie oben beschrieben mit Woodwards Definition einer direkten Ursache kompatibel: Schließlich gibt es eine Intervention auf BM, die zu einer Änderung von W führt, wenn alle anderen Variablen in {BM, W} auf einem Wert festgehalten werden.

Tabelle 4.8 Funktionstabelle für Gleichung W := Fw(BM)

Die so bestimmten (scheinbar) kausalen Zusammenhänge zwischen BM und W bzw. M und W sind zunächst kompatibel mit der Annahme, dass M auf BM superveniert: Da (i) M notwendigerweise genau dann den Wert m0 hat, wenn BM den Wert m0 hat und W laut den gerade spezifizierten Strukturgleichungen dann den Wert w0 hat und (ii) M notwendigerweise genau dann den Wert m1 hat wenn BM den Wert bm1 oder den Wert bm2 hat und W laut den gerade spezifizierten Strukturgleichungen dann den Wert w1 hat, ist hier keine Inkonsistenz zu finden. Zugleich ist jedoch zu beachten, dass andere Strukturgleichungen für BM und W bzw. M und W nicht mit der Supervenienz von M auf BM vereinbar wären. Insbesondere kann, wenn der Zusammenhang zwischen M und W durch ‚W: = Fw(M)‘ bestimmt ist und M auf BM superveniert, keiner der Werte bm1 und bm2 von BM dazu führen, dass W den Wert w0 annimmt. Gegeben die Strukturgleichung ‚W: = Fw(M)‘ für {M, W} können Interventionen, die zwischen den physischen Basen von M wechseln, nicht zu einer Änderung von W führen. In anderem Vokabular ausgedrückt: Die Strukturgleichung ‚W: = Fw(M)‘ legt fest, dass die Beziehung zwischen M und W realisierungsinsensitiv ist.Footnote 184

Nun stellt sich jedoch die Frage, was passiert, wenn wir die bisher betrachteten Modelle zusammenführen. Was passiert also, wenn wir statt den Variablenmengen {M, W} und {BM, W} die Erweiterung {M, BM, W} betrachten?

Unter der in Abschnitt 4.4.3. schon behandelten Annahme der Monotonie sollte zu erwarten sein, dass die kausalen Beziehungen zwischen M und W bzw. zwischen BM und W, die relativ zur Variablenmenge {M, W} bzw. {BM, W} aufzufinden sind, relativ zu der Erweiterung {M, BM, W} nicht verloren gehen. Gehen wir also davon aus, dass M relativ zu {M, W} eine direkte Ursache für W ist, muss M auch eine direkte (oder beitragende) Ursache für W relativ zu {M, BM, W} sein. Entsprechendes gilt für BM. Aus dieser Perspektive ist also zu erwarten, dass sowohl M als auch BM direkte (oder beitragende) Ursachen für W relativ zu {M, BM, W} sind.

Aus einer naiven Anwendung der Definition der direkten Verursachung (DU) bzw. der beitragenden Verursachung (BU) auf die Variablenmenge {M, BM, W} ergibt sich jedoch recht unmittelbar, dass weder M noch BM direkte oder beitragende Ursachen für W relativ zu {M, BM, W} sind. Ausschlaggebend hierfür ist die sowohl in (DU) als auch (BU) enthaltene Forderung, dass es eine mögliche Intervention auf die Ursache gibt, die die Wirkung verändert, während alle anderen Variablen in der Variablenmenge (die nicht auf dem kausalen Pfad von der Ursache zur Wirkung liegen) auf einem Wert festgehalten werden. Gegeben die Supervenienzbeziehung zwischen M und BM ist es bei Interventionen auf M bzw. BM nicht (immer) möglich, die jeweils andere Variable festzuhalten. Wenn ein solches Festhalten anderer Variablen aber nicht möglich ist, sind (DU) und (BU) nicht erfüllt.Footnote 185

Zunächst zur Frage, ob M eine direkte oder beitragende Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist. Hier liegt die Sache recht einfach: Jede Änderung von M geht aufgrund der Supervenienzbeziehung notwendig mit einer Änderung von BM einher. Man kann BM daher nicht auf einem Wert festhalten, während man eine Intervention auf M durchführt. M ist deshalb keine direkte Ursache für W relativ zu {M, BM, W}. Auch liegt BM nicht auf einem kausalen Pfad von M zu W – die Supervenienz-Beziehung soll schließlich nicht-kausal aufgefasst werden, so dass BM keine Ursache oder Wirkung von M ist. Entsprechend verlangt auch (BU), dass BM auf einem Wert festgehalten werden kann, während M manipuliert wird. Da dies nicht möglich ist, ist M auch keine beitragende Ursache für W relativ zu {M, BM, W}. Die (vermeintliche?) kausale Beziehung zwischen M und W, die mit Blick auf die Variablenmenge {M, W} festgestellt wurde, geht also verloren, wenn man auch die Variable BM ins Boot holt.

Hinsichtlich der Frage, ob BM eine direkte oder beitragende Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist, ist die Argumentation nur unwesentlich komplizierter: Gegeben, dass W systematisch mit M korreliert ist und immer dann den Wert w0 bzw. w1 annimmt, wenn M den Wert m0 bzw. m1 annimmt, kann auch BM keine direkte Ursache für W relativ zu {M, BM, W} sein. Zwar gibt es Interventionen auf BM, die es erlauben, M festzuhalten. So kann man BM von bm1 auf bm2 setzen und andersherum, während M auf dem Wert m1 ‚festgehalten‘Footnote 186 wird. Jedoch sind gerade dies die Interventionen, die W nicht verändern. Wenn man auf BM hingegen so interveniert, dass sich W verändert, kann man M nicht festhalten: Setzt man BM beispielsweise von bm1 oder bm2 auf bm0 (so dass sich W von w1 auf w0 verändert), muss sich mit Notwendigkeit auch M von m1 auf m0 verändern. Dementsprechend ist jede Intervention auf BM entweder so beschaffen, dass sie W nicht verändert, oder so beschaffen, dass es nicht möglich ist, M festzuhalten. Daher ist auch BM keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W}.

Gegeben die spezifizierten Zusammenhänge zwischen BM und W bzw. M und W und die nicht-kausale Supervenienz-Beziehung zwischen M und BM zählen also weder M noch BM als Ursache für W relativ zu {M, BM, W}.

Dieses Ergebnis kann verallgemeinert werden: Erstens wird eine Variable X niemals als Ursache für irgendeine Variable Y relativ zu einer Variablenmenge zählen, die eine Variable Z enthält, so dass X auf Z superveniert. Denn man kann allgemein Z nicht auf einem Wert festhalten, während man X verändert, wenn X auf Z superveniert. Zweitens wird eine Variable Z nur dann eine Variable Y relativ zu einer Variablenmenge verursachen, die eine Variable X enthält, die auf Z superveniert, wenn es Änderungen von Z gibt, die (i) X nicht verändern und daher mit einem Festhalten von X vereinbar sind und die (ii) Y verändern. Denn anderenfalls sind die einzigen Veränderungen von Z, die durchgeführt werden können, während X festgehalten wird, solche, die Y nicht verändern.

Einige Kommentare und Erläuterungen zu diesem Ergebnis sind angebracht:

Erstens: Es gibt durchaus Situationen, in denen eine subveniente Variable Ursachen relativ zu einer Variablenmenge hat, die auch eine zugehörige supervenierende Variable enthält. Wenn die Interventionen auf BM, die zwischen bm1 und bm2 wechseln, zu Änderungen von W führen, muss BM als Ursache für W relativ zu {M, BM, W} zählen. Hieraus ergibt sich also eine Asymmetrie zwischen supervenierenden und subvenienten Variablen: Für supervenierende Variablen ist es allgemein ausgeschlossen, dass sie Wirkungen relativ zu Variablenmengen haben, die auch eine zugehörige subveniente Variable enthalten. Für subveniente Variablen ist dies hingegen nur unter der Bedingung ausgeschlossen, dass die anderen Variablen in dem Modell nicht auf bestimmte Änderungen der subvenienten Variable reagieren. Man kann jedoch davon ausgehen, dass diese Bedingung bei den paradigmatischen Fällen (vermeintlicher) mentaler Verursachung erfüllt ist: Wenn W im obigen Beispiel für eine typische behaviorale Eigenschaft wie Susis Armbewegung steht, kann man davon ausgehen, dass W den Wert w1 annimmt (W instantiiert ist), unabhängig davon, wie M realisiert ist. Solange die Beziehung zwischen M und W in diesem Sinne realisierungsinsensitiv ist, kann BM also nicht als Ursache für W relativ zu {M, BM, W} zählen.

Zweitens: Die ausgeführte Argumentation hat eine enge Verwandtschaft zu einem StrangFootnote 187 in Michael Baumgartners Überlegungen zum interventionistischen Exklusionsargument, die weiter unten noch ausführlich diskutiert werden. Jedoch sollte auf zumindest zwei wichtige Unterschiede hingewiesen werden: Zum ersten stecken – anders als bei Baumgartner – in der ausgeführten Argumentation keine vorherigen Annahmen über Kausalbeziehungen zwischen BM und W relativ zu {M, BM, W}. Baumgartner setzt voraus, dass BM eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist und folgert hieraus auf der Grundlage u. a. der Unmöglichkeit des Festhaltens von BM bei Interventionen auf M, dass M keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist. Wie wir gesehen haben, ist die Annahme, dass BM eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist, für dieses Ergebnis jedoch gar nicht nötig. Es reicht bereits, dass sich BM überhaupt in der fraglichen Variablenmenge befindet.Footnote 188 Zum zweiten problematisiert die vorliegende Argumentation auch diese Annahme, dass BM eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist. Baumgartner hält diese Annahme für unproblematisch und meint, dass nicht-reduktive Physikalist*innen auf sie festgelegt sind. Diese Annahme kann jedoch nur dann konsistent vertreten werden, wenn die korrelative Beziehung zwischen M und W nicht realisierungsinsensitiv ist.

Drittens: Wenn wir davon ausgehen, dass M eine Ursache für W relativ zu {M, W} ist oder BM eine Ursache für W relativ zu {BM, W} ist, dann geht das vorliegende Ergebnis mit einer Verletzung der Monotonie der beitragenden Verursachung einher. M ist direkte (und damit beitragende) Ursache für W relativ zu {M, W}, jedoch ist M nicht direkte oder beitragende Ursache für W relativ zu der erweiterten Variablenmenge {M, BM, W}. Entsprechendes gilt für BM. Man kann an der Annahme der Monotonie also auf den ersten Blick nur dadurch festhalten, dass man M auch relativ zu {M, W} nicht als Ursache für W klassifiziert und BM auch relativ zu {BM, W} nicht als Ursache für W klassifiziert. Wenn wir also an der Annahme der Monotonie festhalten, können wir das Ergebnis auf dieser Grundlage ausweiten: Es gibt dann keine Variablenmengen, relativ zu denen M oder BM Ursache für W ist.Footnote 189

Viertens: Nur unter Voraussetzung einer solchen Ausweitung ist es möglich, aus dem vorliegenden Ergebnis de-relativierte negative Kausalaussagen abzuleiten. Gegeben die unter 4.4.3. eingeführte De-Relativierung durch existentielle Quantifikation können wir daraus, dass M keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist, nicht ableiten, dass M keine Ursache für W simpliciter ist. Ganz im Gegenteil können wir unter der Annahme, dass M eine Ursache für W relativ zu {M, W} ist, sogar ableiten, dass M eine Ursache für W simpliciter ist. Wenn wir die Annahme der Monotonie also aufgeben, hat das vorliegende Ergebnis keine Konsequenzen für de-relativierte Verursachung. Stattdessen würde die De-Relativierung durch existentielle Quantifikation dann nahelegen, dass die Variablenmenge {M, BM, W} die tatsächlichen kausalen Fakten fehlrepräsentiert, während die Variablenmengen {M, W} und {BM, W} korrekte Repräsentationen sind.

Fünftens: Die vorliegende Argumentation hat keinerlei Konsequenzen für den (von vornherein nicht relativierten) Begriff der totalen Verursachung: Um festzustellen, ob M eine totale Ursache für W ist, reicht es, eine isolierte Intervention auf M durchzuführen, ohne BM festzuhalten. Da eine solche Intervention W ändert, ist M also totale Ursache für W.Footnote 190 Gegeben, dass totale Verursachung simpliciter-Verursachung impliziert, ist M also eine Ursache für W. Dies scheint ein starkes Argument dafür zu sein, dass die Variablenmenge {M, BM, W} zu einer Fehlrepräsentation der kausalen Fakten führt und das Problem entsprechend bei der Monotonie-Annahme liegt. Halten wir nämlich an der Monotonie-Annahme fest (und gehen also davon aus, dass M keine direkte oder beitragende Ursache für W relativ zu {M, W} ist), müssen wir schließen, dass totale Verursachung nicht hinreichend für simpliciter-Verursachung ist. Hierfür gibt es jedoch zumindest keinen unabhängigen Grund.

Sechstens: Die vorliegende Argumentation beruht auf der im Wortlaut der Definitionen der direkten und beitragenden Verursachung enthaltenen Forderung, dass alle Variablen in der relevanten Variablenmenge, die nicht auf dem kausalen Pfad von M zu W liegen, auf einem Wert festgehalten werden müssen. Einige Bemerkungen von Woodward machen jedoch deutlich, dass diese Forderung eigentlich unnötig stark ist:

[A]s long as we hold fixed some variable along each of the alternative causal routes from X to Y besides the direct route, it does not matter what else we hold fixed. In particular, if we hold fixed all other variables in the variable set V that describes the system of interest and find that there is a possible manipulation of X that changes Y, it follows that X is a direct cause of Y with respect to that variable set.Footnote 191

[I]t is not really necessary to fix all off-path variables at all possible combinations of values. Instead, we may proceed as follows. We first draw a causal graph that represents all of the direct causal relationships between X, Y and all other variables in V. […] We then check all of the routes or directed paths from X to Y. For each route Pi from X to Y we freeze at least one intermediate variable at each of its various possible values along all other routes from X to Y containing intermediate variables. We also fix at each of its possible values all other direct causes of Y that are not on any direct path from X to Y. If for some combination of values of these off-path variables, some intervention on X will change the value of Y, then X is a contributing cause of Y. Alternatively, we check to see whether there is some possible combination of values of the direct causes of Y that are not on the path Pi such that with these values fixed, some intervention on X will change the value of Y.Footnote 192

Woodward führt hier zunächst aus, dass die Forderung nach einem Festhalten aller Variablen in V keinen Schaden für seine Definition der direkten und beitragenden Verursachung anrichtet. Die gewünschten Ergebnisse im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen totaler und direkter bzw. beitragender Verursachung – also in erster Linie die Klassifizierung von E im Eisenbahnbeispiel als direkte Ursache von T relativ zu {E, A, T} (siehe Abschnitt 4.4.3.) – lassen sich jedoch schon auf Grundlage einer anspruchsloseren Forderung etablieren. Insbesondere ist es für dieses Ergebnis hinreichend, dass diejenigen Variablen in {E, A, T}, die nicht auf dem direkten Pfad von E zu T liegen und die T direkt verursachen auf einem Wert festgehalten werden. Eine anspruchslosere Forderung an direkte und beitragende Verursachung, die ebenfalls zu den gewünschten Ergebnissen führt, wäre also die folgende:

Direkte Ursache – Qualifiziert (DU-Q): Eine Variable X ist eine direkte Ursache einer Variablen Y relativ zu einer Variablenmenge V genau dann, wenn gilt: Es gibt eine mögliche Intervention auf X hinsichtlich Y, die Y (oder die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Y) verändert, wenn alle anderen Variablen in V außer X und Y, die relativ zu V direkte Ursachen von Y sind, durch Interventionen auf einem Wert festgesetzt werden.

Beitragende Ursache – Qualifiziert (BU-Q): Eine Variable X ist eine beitragende Ursache einer Variablen Y relativ zu einer Variablenmenge V genau dann, wenn gilt: (i) Es gibt einen kausalen Pfad P, d.h. eine Kette aus direkten Ursachen, der von X zu Y führt und (ii) es gibt eine Intervention auf X, die Y (oder die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Y) verändert, wenn alle Variablen in V, die nicht auf dem kausalen Pfad P von X zu Y liegen und die Y relativ zu V direkt verursachen, auf einem Wert festgehalten werden.

Ein scheinbarer Nachteil dieser Definitionen ist, dass sie die Zirkularität des Interventionismus noch einmal offensichtlich werden lassen: Die Definition der direkten Verursachung nach (DU-Q) enthält selbst den Begriff der direkten Verursachung. Zugleich wäre (DU-Q) nach Woodwards erklärtem Maßstab scheinbar dennoch nicht auf problematische Weise zirkulär: Zur Anwendung von (DU-Q) benötigen wir Informationen darüber, welche anderen Variablen in V außer X direkte Ursachen für Y sind. Jedoch benötigen wir nicht die Information, ob X direkte Ursache für Y ist.Footnote 193

Welche Konsequenzen erwachsen aus (DU-Q) und (BU-Q) für die vorliegende Argumentation betreffend die Variablenmenge {M, BM, W}?

In erster Linie ergibt sich aus diesen Definitionen, dass wir kausale Annahmen voraussetzen müssen, um zu etablieren, dass andere (relativierte) kausale Aussagen falsch sind. So lässt sich unter Voraussetzung von (DU-Q) und (BU-Q) nicht mehr direkt zeigen, dass M keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist. Stattdessen lässt sich nur noch zeigen, dass M keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist, wenn BM eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist. Denn das Festhalten von BM ist nur dann gefordert, wenn BM eine Ursache für W ist. Auch lässt sich nicht mehr direkt zeigen, dass BM keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist, wenn die Beziehung zwischen M und W realisierungsinsensitiv ist. Stattdessen lässt sich nur noch zeigen, dass BM keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist, wenn die Beziehung zwischen M und W realisierungsinsensitiv ist und M eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist. Denn das Festhalten von M ist nur dann gefordert, wenn M eine Ursache für W ist.

Eine wichtige Konsequenz hiervon ist, dass sich auf der Grundlage von (DU-Q) und (BU-Q) eine erste Version eines interventionistischen Exklusionsprinzips etablieren lässt. Dieses Prinzip besagt grob gesprochen, dass Variablen X und Y, die in einer Supervenienzbeziehung zueinander stehen, relativ zu Variablenmengen, die X und Y enthalten, niemals gemeinsame Wirkungen haben. Etwas präziser kann es wie folgt formuliert werden:

Relativiertes interventionistisches Exklusionsprinzip: Wenn eine Variable X nicht-kausal auf einer Variable Y superveniert und Y eine direkte oder beitragende Ursache für Z relativ zu einer Variablenmenge V ist, die X und Y enthält, dann gilt: X ist keine direkte oder beitragende Ursache für Z relativ zu V.

Die Begründung dieses Prinzips ergibt sich dann aus einer Verallgemeinerung der Argumentation dafür, dass M keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} sein kann, wenn BM eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist: Wenn BM eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist, dann kann M nur dann ebenfalls eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} sein, wenn es möglich ist, auf M zu intervenieren, während BM festgehalten wird. Genau das ist aber nicht möglich, wenn M auf BM nicht-kausal superveniert. Wenn BM also eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist und M auf BM superveniert, dann ist M keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W}. Kontrapositorisch formuliert: Wenn M eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist und M auf BM superveniert, dann ist BM keine Ursache für W relativ zu {M, BM, W}.

Man beachte, dass dieses Exklusionsprinzip – wie auch alle anderen schon in Abschnitt 3.3.9. diskutierten Exklusionsprinzipien – neutral hinsichtlich der Frage ist, welche Ursache in einem gegebenen Fall ausgeschlossen wird. Eine Bevorzugung der subvenienten Variable bedarf also ebenso wie eine Bevorzugung der supervenierenden Variable weiterer Argumentation. Es ist keinesfalls offensichtlich, wie die Entscheidung hier aussehen sollte. Aus interventionistischer Sicht haben sowohl M als auch BM zunächst einen berechtigten Anspruch darauf, Ursache für W zu sein. Das ergibt sich aus einer Betrachtung der Variablenmengen {M, W} und {BM, W}. Jedoch können nicht beide Ursache für W relativ zu {M, BM, W} sein. Und es gibt innerhalb des Interventionismus, soweit ich ihn bis hier geschildert habe, kein Kriterium dafür, M oder BM als Ursache für W relativ zu {M, BM, W} zu bevorzugen.Footnote 194 Der Umgang mit der Variablenmenge {M, BM, W} bleibt also unklar, wenn statt der ursprünglichen Definitionen (DU) und (BU) die qualifizierten Definitionen (DU-Q) und (BU-Q) vorausgesetzt werden.

Siebtens: Wie schon mehrfach erwähnt sind alle in diesem Abschnitt entwickelten Ergebnisse auf Variablenmengen relativiert. Zudem wurden sie in Bezug auf Variablenmengen erreicht, die Variablen enthalten, die in Supervenienzbeziehungen stehen. Es ist daher recht naheliegend, das unerwünschte Ergebnis, dass weder M noch BM eine Ursache für W relativ zu {M, BM, W} ist, einfach dadurch zu vermeiden, dass man die Variablenmenge {M, BM, W} als unzulässige Variablenmenge von der Betrachtung ausschließt. Tatsächlich sind – neben Woodward selbstFootnote 195 – auch eine Reihe von anderen Autor*innen der Meinung, dass es sich bei {M, BM, W} einfach nicht um eine Variablenmenge handelt, auf die die interventionistischen Definitionen (DU) und (BU) angewendet werden sollten.Footnote 196 Was aber ist verkehrt an der Variablenmenge {M, BM, W}?

Vergleichen wir {M, BM, W} einmal mit einer anderen Variablenmenge {T, TS, N}, deren Variablen in Tabelle 4.9 bestimmt sind.Footnote 197

Tabelle 4.9 Variablenmenge {T, TS, N}

Auch in {T, TS, N} liegt eine Supervenienzbeziehung zwischen Variablen vor: TS superveniert auf T: Jede Änderung von TS geht notwendigerweise mit einer Änderung von T einher: Man kann beispielsweise nicht dafür sorgen, dass die Wasserprobe eine Temperatur von 100° C oder mehr annimmt (ts1), während man die Temperatur der Wasserprobe auf 90° C festhält (t90). Wie auch die Beziehung zwischen M und BM ist die Beziehung zwischen TS und T dabei nicht-kausal: Eine Änderung der Temperatur auf 101° C (t101) verursacht nicht, dass die Wasserprobe eine Temperatur von 100° C oder mehr annimmt (ts1), sondern kommt diesem Umstand in einem gewissen Sinne gleich. Die Beziehung zwischen T und TS ist nicht kausal, sondern logisch. Entsprechend ließe sich nun – parallel zu der obigen Überlegung mit Bezug auf M und BM – zeigen, dass weder T noch TS Ursachen für N relativ zu {T, TS, N} sein können.

Die Probleme im Zusammenhang mit Variablen, die in einer Supervenienzbeziehung stehen, sind also nicht spezifisch für den nicht-reduktiven Physikalismus und die ontologische Abhängigkeit mentaler Eigenschaften von ihren physischen Basen. Sie treten stattdessen zum Beispiel auch dann auf, wenn ein Modell zwei Variablen enthält, die wie T und TS in einem Schwellenwert-Verhältnis stehen (so dass eine Variable genau dann einen bestimmten Wert annimmt, wenn die Werte der anderen Variable eine bestimmte Schwelle überschreiten). Ähnliche Probleme ergeben sich, wenn die Werte verschiedener Variablen Sachverhalte repräsentieren, die durch arithmetische oder Boole’sche Operationen auseinander konstruiert werden können: Ein bekanntes Beispiel ist hier der Zusammenhang zwischen einer ersten Variable LC, die den LDL-Cholesterinspiegel (‚low density lipoprotein‘) einer Person anzeigt, einer zweiten Variable HC, die den HDL-Cholesterinspiegel (‚high density lipoprotein‘) einer Person anzeigt, und einer dritten Variable GC, die den Gesamt-Cholesterinspiegel einer Person anzeigt, wobei der Gesamt-Cholesterinspiegel als die Summe aus dem HDL-Cholesterinspiegel und dem LDL-Cholesterinspiegel bestimmt ist. Auch hier ist es offenbar nicht möglich, den LDL-Cholesterinspiegel oder den HDL-Cholesterinspiegel zu verändern, während der Gesamt-Cholesterinspiegel festgehalten wird. Entsprechend könnte man (irreführenderweise) folgern, dass der LDL-Cholesterinspiegel keine Ursache für Herzkrankheiten ist relativ zu einer Variablenmenge, die auch eine Variable enthält, die den Gesamt-Cholesterinspiegel repräsentiert.Footnote 198

Die Betrachtung von Variablenmengen, die Variablen enthalten, die Sachverhalte, Eigenschaften oder Ereignisse repräsentieren, die in Beziehungen der ontologischen Abhängigkeit oder in logischen Beziehungen stehen, führt also in vielen Fällen zu falschen oder irreführenden (relativierten) Kausalaussagen. Vor diesem Hintergrund erscheint das Problem mit der Variablenmenge {M, BM, W} als ein Spezialfall eines allgemeineren Problems, das sich aus der Betrachtung ungeeigneter Variablenmengen ergibt. Dies legt nahe, dass Interventionist*innen ganz unabhängig von einer Festlegung auf eine bestimmte metaphysische Hintergrundtheorie wie den nicht-reduktiven Physikalismus eine Einschränkung für die Zulässigkeit von Variablenmengen einführen sollten: Die Variablen in einer Variablenmenge, auf die die Definitionen der direkten und beitragenden Ursache angewendet werden, sollten auf eine noch näher zu spezifizierende Weise unabhängig voneinander sein.

Woodward führt in diesem Kontext ein Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit ein:

(IF): a set of variables V satisfies independent fixability of values if and only if for each value it is possible for a variable to take individually, it is possible (that is, “possible” in terms of their assumed definitional, logical, mathematical, mereological or supervenience relations) to set the variable to that value via an intervention, concurrently with each of the other variables in V also being set to any of its individually possible values by independent interventions.Footnote 199

Das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit verlangt auf den Kern heruntergebrochen, dass alle Kombinationen von Werten von Variablen in einer Variablenmenge möglich sein sollten. Sobald eine Kombination nicht möglich ist, kann die entsprechende Kombination auch nicht mehr durch Interventionen herbeigeführt werden.Footnote 200 Offenbar erfüllen die Variablenmengen {M, BM, W}, {T, TS, N} und {LC, HC, TC} das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit nicht. In allen Fällen gibt es Kombinationen von Variablenwerten, die unmöglich sind und daher nicht durch Interventionen herbeigeführt werden können. Es handelt sich also nicht um unabhängig fixierbare Variablenmengen.

Alle bis hierher diskutierten unerwünschten Ergebnisse lassen sich nun dadurch vermeiden, dass man die Anwendungsreichweite des Interventionismus auf unabhängig fixierbare Variablenmengen beschränkt. Erstens stehen M und BM laut dem Interventionismus dann nicht in einem kausalen Verhältnis zueinander: Es gibt keine (zulässige) Variablenmenge, relativ zu der M eine direkte oder beitragende Ursache für BM ist, weil die Variablenmenge {M, BM} von der Betrachtung ausgeschlossen ist. Zweitens ist die Annahme der Monotonie nicht gefährdet: Wir können davon ausgehen, dass M eine Ursache für W relativ zu {M, W} ist, ohne zu akzeptieren, dass es eine (zulässige) Erweiterung von {M, W} gibt, relativ zu der M keine beitragende Ursache für W ist. Denn die Variablenmenge {M, BM, W} ist als unzulässig von der Betrachtung ausgeschlossen. Drittens können wir die Feststellung, dass weder M noch BM relativ zu {M, BM, W} Ursache für W sind, nun einordnen: Diese Feststellung hat keinerlei Konsequenzen für die tatsächlichen Kausalverhältnisse zwischen M, BM und W, weil sie eine unzulässige Variablenmenge betrifft.Footnote 201

Wie schon angedeutet ist das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit dabei unabhängig vom nicht-reduktiven Physikalismus motiviert. Es handelt sich daher nicht um eine ad hoc-Modifikation des Interventionismus in Anbetracht seiner Probleme, sich in die Metaphysik des nicht-reduktiven Physikalismus einzupassen. Vielmehr ist eine solche Modifikation oder Ergänzung des Interventionismus in jedem Fall und unabhängig von vorgängigen metaphysischen Annahmen nötig, um zum Beispiel die Probleme mit den Variablenmengen {TS, T, N} und {HC, LC, GC} in den Griff zu bekommen.

Die Beschränkung auf unabhängig fixierbare Variablenmengen wird also im Folgenden vorausgesetzt. Dies löst jedoch nicht alle Probleme, die sich aus einer Verbindung des nicht-reduktiven Physikalismus mit dem Interventionismus ergeben. Ein anderes, eng verwandtes Problem ergibt sich aus Woodwards Definition einer Intervention. Im folgenden Abschnitt schildere ich zunächst, wie sich aus dieser Definition ein interventionistisches Exklusionsprinzip ergibt. Daran anschließend diskutiere ich, ob sich von diesem Exklusionsprinzip ausgehend ein starkes interventionistisches Exklusionsargument entwickeln lässt.

4.4.7 Interventionen und interventionistische Exklusion

Die im vorigen Abschnitt behandelten Probleme ergeben sich aus der in den Definitionen der direkten und beitragenden Verursachung enthaltenen Forderung des Festhaltens anderer Variablen. Ich habe in meiner Diskussion dabei vorausgesetzt, dass Interventionen auf die in Frage stehenden Variablen möglich sind. In diesem Abschnitt wird nun ein Problem diskutiert, das sich für die Möglichkeit von Interventionen ergibt. Ausgangspunkt ist dabei wieder die Beobachtung, dass der nicht-reduktive Physikalismus bestimmte Kombinationen von Variablenwerten unmöglich macht und daher zu Supervenienz-Beziehungen zwischen Variablen führt.Footnote 202

Wie oben geschildert versteht Woodward Interventionen auf X als Werte von Interventionsvariablen, die Werte von X aktual verursachen. Hieraus folgt, dass es eine Intervention auf X hinsichtlich Y natürlich nur dann geben kann, wenn es überhaupt eine Interventionsvariable für X hinsichtlich Y gibt.

Zur Erinnerung hier noch einmal Woodwards Definition einer Interventionsvariablen:

(IV) Eine Variable I ist eine Interventionsvariable auf eine Variable X hinsichtlich einer Variable Y genau dann, wenn gilt:

(I1) I verursacht X.

(I2) I ist ein Umschalter für X. Das heißt, bestimmte Werte von I sind so beschaffen, dass gilt: Wenn I diese Werte annimmt, hängt X nicht von den Werten anderer Ursachen von X ab, sondern hängt stattdessen nur vom Wert von I ab.

(I3) Jeder kausale Pfad von I zu Y geht durch X. Das heißt, I ist keine direkte Ursache von Y und ist keine Ursache von Ursachen von Y, die distinkt von X sind, außer jenen Ursachen von Y, die in den gerichteten Pfad von I über X zu Y eingebaut sind; also (a) jenen Ursachen von Y, die Wirkungen von X sind und (b) jenen Ursachen von Y, die auf einem kausalen Pfad zwischen I und X liegen und die keine von X unabhängigen Auswirkungen auf Y haben.

(I4) I ist statistisch unabhängig von jeder Variablen Z, die Y verursacht und die auf einem kausalen Pfad liegt, der nicht durch X geht.Footnote 203

In Woodwards Definition einer Interventionsvariablen (IV) wird einerseits verlangt, dass Interventionsvariablen für eine Variable X hinsichtlich einer Variablen Y Ursachen für X sind (I1 und I2). Andererseits wird in (IV) auch verlangt, dass Interventionsvariablen für eine Variable X hinsichtlich einer Variable Y auf bestimmte Weise unabhängig von anderen Ursachen für Y sind: Interventionsvariablen dürfen erstens, wie in Bedingung (I3) spezifiziert, Y nur über Pfade verursachen, die X einschließen und sie müssen zweitens, wie in (I4) spezifiziert, auch statistisch unabhängig von allen Ursachen von Y sein, die nicht von X verursacht werden und die X nicht verursachen.

Wenden wir diese Forderungen auf die Variable M an und setzen dabei voraus, dass M auf BM nicht-kausal superveniert. Es kann nun gezeigt werden, dass es keine Interventionsvariablen für M hinsichtlich Wirkungen von BM geben kann:

Gehen wir davon aus, dass BM eine direkte Ursache für W relativ zu {BM, W} ist. BM ist also auch simpliciter eine Ursache für W. Gehen wir weiter davon aus, dass BM keine Ursache oder Wirkung von M ist. Diese Annahme ist durch die Forderung des nicht-reduktiven Physikalismus gedeckt, dass M nicht-kausal auf BM superveniert.Footnote 204 Hieraus folgt nach (IV4), dass Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W von BM statistisch unabhängig sein müssen: Denn BM ist eine Ursache von W, die nicht auf einem kausalen Pfad von M zu W liegt. Zudem folgt nach (I3), dass Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W keine Ursachen für BM sein dürfen. Denn BM ist eine Ursache für W, die distinkt von X ist und nicht in den kausalen Pfad von I über X zu Y eingebaut ist.

(IV) verlangt jedoch auch, dass Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W Ursachen für M sind. Nun gibt es jedoch keine Ursache für M, die statistisch unabhängig von BM ist.Footnote 205 Und es gibt keine Ursache für M, die nicht zugleich auch Ursache für BM ist.Footnote 206 Jede Ursache für M ist statistisch abhängig von BM und verursacht BM. Dies liegt einfach daran, dass M auf BM superveniert. Eine Änderung von M geht notwendig immer mit einer Änderung von BM einher. Also gibt es keine Interventionsvariable auf M hinsichtlich W.

Man beachte, dass dieses Ergebnis nur unter der Voraussetzung erreicht werden kann, dass BM eine Ursache für W (relativ zu {BM, W}) ist. Wenn BM keine Ursache für W ist, müssen Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W auch nicht statistisch unabhängig von BM sein und sie dürfen BM verursachen. Wenn BM keine Ursache für W ist, steht der Existenz von Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W also auch nichts im Wege. Unter Berücksichtigung hiervon kann das Ergebnis also wie folgt ausgedrückt werden: Wenn BM eine Ursache für W ist, dann gibt es keine Interventionsvariable auf M hinsichtlich W.

Wenn es keine Interventionsvariable auf M hinsichtlich W gibt, dann kann M auch keine Ursache für W sein. Für diesen Schritt kann man sich wieder auf Woodwards Definitionen der totalen, direkten und beitragenden Verursachung berufen. In jeder dieser Definitionen wird verlangt, dass eine Variable X nur dann eine Ursache für eine Variable Y sein kann, wenn es eine mögliche Intervention auf X hinsichtlich Y gibt. Wenn es aber schon keine Interventionsvariable auf M hinsichtlich W gibt, dann gibt es natürlich auch keine mögliche Intervention auf M hinsichtlich W. Also folgt aus dem Ergebnis, dass M keine Ursache für W ist, wenn BM eine Ursache für W ist.

Das Ergebnis lässt sich wieder verallgemeinern: Wenn eine Variable X auf einer Variable Y nicht-kausal superveniert und Y eine Variable Z verursacht, dann kann X keine Ursache für Z sein. Denn es gibt dann keine Interventionsvariable für X hinsichtlich Z.Footnote 207 In dieser allgemeinen Formulierung kommt das Ergebnis einem interventionistischen Exklusionsprinzip gleich:

Das interventionistische Exklusionsprinzip (IE): Für alle Variablen X, Y, Z: Wenn X nicht-kausal auf Y superveniert und Y eine Ursache für Z ist, dann ist X keine Ursache für Z.

Ein allgemeines Argument für das interventionistische Exklusionsprinzip kann wie folgt konstruiert werden:

Argument für das interventionistische Exklusionsprinzip:

(IE1) Für alle Variablen X, Y, Z: Wenn es eine Interventionsvariable I auf X hinsichtlich Z gibt und Y eine Ursache für Z ist und X keine Ursache für Y ist und Y keine Ursache für X ist, dann gibt es eine Variable I, die X verursacht und die statistisch unabhängig von Y ist. (Prämisse)

(IE2) Für alle Variablen X, Y: Wenn X nicht-kausal auf Y superveniert, dann ist X keine Ursache für Y und Y ist keine Ursache für X. (Prämisse)

(IE3) Für alle Variablen X, Y: Wenn X nicht-kausal auf Y superveniert, dann gibt es keine Variable I, die X verursacht und die statistisch unabhängig von Y ist. (Prämisse)

(IE4) Also: Für alle X, Y, Z: Wenn X auf Y nicht-kausal superveniert und Y eine Ursache für Z ist, dann gibt es keine Interventionsvariable auf X hinsichtlich Z. (aus IE1, IE2 und IE3)

(IE5) Für alle Variablen X, Z: Wenn es keine Interventionsvariable auf X hinsichtlich Z gibt, dann ist X keine Ursache für Z. (Prämisse)

(IEK) Also: Für alle X,Y,Z: Wenn X nicht-kausal auf Y superveniert und Y eine Ursache für Z ist, dann ist X keine Ursache für Z (aus IE4 und IE5).

(IE1) ergibt sich dabei aus der Definition einer Interventionsvariablen. (IE2) legt fest, dass Variablen, die in einer nicht-kausalen Supervenienzbeziehung stehen, einander nicht verursachen. (IE3) legt fest, dass jede Ursache einer supervenienten Variable statistisch abhängig von der zugehörigen subvenienten Variable ist. Dies ergibt sich daraus, dass es im Allgemeinen nicht möglich ist, eine supervenierende Variable zu ändern, ohne auch die zugehörige subvenierende Variable zu ändern. (IE4) folgt logisch aus (IE1), (IE2) und (IE3). (IE5) ergibt sich aus Woodwards Definitionen kausaler Begriffe. (IEK) folgt aus (IE4) und (IE5).

Wieder sind eine Reihe von Kommentaren zu dem interventionistischen Exklusionsprinzip und der Argumentation hierfür angebracht:

Erstens: Das interventionistische Exklusionsprinzip enthält keine Relativierungen auf Variablenmengen. Es betrifft stattdessen unmittelbar simpliciter Verursachung. Dies unterscheidet die vorliegende Argumentation in entscheidender Hinsicht von der Argumentation aus Abschnitt 4.4.6.: Während es in 4.4.6. immer um relativierte Kausalaussagen ging, geht es hier von vornherein um nicht-relativierte Kausalaussagen.

Das interventionistische Exklusionsprinzip kommt ohne eine Relativierung auf Variablenmengen aus, weil es von der Definition einer Interventionsvariablen ausgeht. Die Definition einer Interventionsvariablen aber ist nicht auf Variablenmengen relativiert und macht Gebrauch von de-relativierten Kausalaussagen. Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W müssen statistisch unabhängig von BM sein, insofern BM eine de-relativierte Ursache für W ist, die im de-relativierten Sinn von Verursachung nicht kausal mit M verknüpft ist.

Dass ein solches de-relativiertes Verständnis von Interventionsvariablen (auf den ersten Blick) auch nötig ist, verdeutlicht das folgende Beispiel von Michael Strevens: Nehmen wir an, dass das Essen salziger Nahrung (S) eine gemeinsame Ursache für die Menge von konsumiertem Wasser (W) und das Entwickeln eines Herzleidens (H) ist, so dass es zwar eine Korrelation, aber keine kausale Beziehung zwischen der Menge von konsumierten Wasser und dem Entwickeln eines Herzleidens gibt. Relativ zur Variablenmenge {S,W,H} würde sich dann folgende Struktur gemeinsamer Verursachung ergeben (Abbildung 4.7):

Abbildung 4.7
figure 7

kausaler Graph für die Variablenmenge {S, W, H}

Strevens meint nun, dass die Entfernung der gemeinsamen Ursache S aus der Variablenmenge V nach Woodwards Definitionen zur Konsequenz hat, dass W als Ursache von H klassifiziert wird. W ist also zwar keine beitragende Ursache von H relativ zu {S,W,H}, jedoch ist W eine beitragende Ursache von H relativ zu {W,H}.

Wenn Strevens Argumentation funktioniert, hat dies für den Interventionismus katastrophale Konsequenzen: Da es eine Variablenmenge gibt, relativ zu der W Ursache von H ist, müssten wir schließen dass W simpliciter Ursache von H ist. Jedoch ist W offensichtlich nicht Ursache von H – die tatsächliche kausale Struktur wird stattdessen in der Variablenmenge {S, W, H} deutlich: W und H haben eine gemeinsame Ursache. Nach Strevens kann der Interventionismus also nicht einmal mit einfachen Fällen gemeinsamer Verursachung umgehen. Zudem würde Strevens Argumentation die Annahme der Monotonie relativierter Verursachung widerlegen: W ist eine Ursache für H relativ zu {W,H}, aber nicht relativ zur Erweiterung {S,W,H}.

Strevens argumentiert wie folgt dafür, dass W eine Ursache für H relativ zu {W,H} ist:

Because Woodward’s definition of an intervention is implicitly relativized to the variables in a network, increasing the amount of bottled water you drink by increasing your consumption of salty foods will count as an intervention relative to the salt-free network (due to the invisibility, within the network, of the “side effects” of the salty strategy for drinking more).Footnote 208

Strevens geht also davon aus, dass die Definitionen einer Intervention und einer Interventionsvariablen implizit ebenfalls auf eine Variablenmenge relativiert sind. Eine Intervention auf W hinsichtlich H relativ zu {W,H} muss daher nicht von S statistisch unabhängig sein, weil S nicht in {W,H} enthalten ist. Daher gibt es Interventionen auf W hinsichtlich H relativ zu {W,H}, die H verändern – nämlich solche, die auch S verändern.

Woodward reagiert auf diesen Einwand, indem er betont, dass seine Definitionen einer Intervention und einer Interventionsvariablen nicht auf Variablenmengen relativiert sind:

[A] look at IN makes it clear that there is no explicit or obvious relativization to a variable set of the sort that Strevens has in mind. In particular, IN is formulated in terms of requirements that concern the relationship between the intervention variable I and ‘‘other (contributing) causes’’ of Y, the putative effect variable, and not in terms of the relationship between I and the other causes of Y that are in some particular variable set V or that are known to the experimenter. In other words, the intervention must be uncorrelated with all potential confounders, not just with all confounders that happen to be in some variable set such as the one we use to describe the system in which the intervention occurs. Thus, contrary to what Strevens claims, to count as an intervention on W with respect to H, the manipulation of water consumption must not be correlated with S. There is no such thing, from my point of view, as the manipulation counting as an intervention with respect to W and H but not with respect to W, H and S. Indeed, it was precisely to avoid consequences like those described by Strevens […] that I very deliberately elected not to relativize the notion of an intervention to a variable set.Footnote 209

Eine Intervention auf W muss also von jeder Ursache von H statistisch unabhängig sein – ganz gleich, ob diese Ursache in der betrachteten Variablenmenge {W,H} repräsentiert ist oder nicht. Da auch S eine Ursache für H (z. B. relativ zu {S, H} oder {S, W, H} und daher simpliciter) ist, muss die Intervention auf W also auch statistisch unabhängig von S sein. Die von Strevens in den Blick genommene Veränderung von W, die auch eine Änderung von S zur Folge hat, zählt also nicht als Intervention auf W hinsichtlich H. Daher müssen wir nicht schließen, dass W eine Ursache von H relativ zu {W, H} ist. Die unerwünschten Konsequenzen sind vermieden.

Der Austausch zwischen Strevens und Woodward verdeutlicht, dass die Definitionen einer Intervention und einer Interventionsvariable nicht auf eine Variablenmenge relativiert werden sollten.Footnote 210 Stattdessen beziehen sich die Verwendungen kausaler Begriffe in diesen Definitionen immer auf de-relativierte Kausalaussagen. Entsprechend muss eine Intervention auf eine Variable X hinsichtlich einer Variable Y schon dann statistisch unabhängig von einer pfadunabhängigen Variable Z sein, wenn es überhaupt eine Variablenmenge gibt, relativ zu der Z eine Ursache für Y ist.

Um im Argument für das interventionistische Exklusionsprinzip daher zu etablieren, dass Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W statistisch unabhängig von BM sein müssen, ist es nur entscheidend, dass es eine Variablenmenge gibt, relativ zu der BM eine Ursache für W ist. Diese Variablenmenge muss M nicht enthalten und muss also auch nicht das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit verletzen. Es bietet sich hier die Variablenmenge {BM, W} an: Solange BM eine Ursache für W relativ zu {BM, W} ist, müssen Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W unabhängig von BM sein.

Zweitens: Das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit ist deshalb keine Hilfe dabei, das interventionistische Exklusionsprinzip zu vermeiden. Denn es wird nirgendwo vorausgesetzt, dass man Variablenmengen betrachten sollte, die Variablen enthalten, die in Supervenienzbeziehungen stehen. Es reicht stattdessen, Variablenmengen wie {BM, W} zu betrachten, die BM und die vermeintlichen Wirkungen von M enthalten. Wenn BM relativ zu {BM, W} eine direkte Ursache für M ist, dann kann M relativ zu keiner Variablenmenge eine direkte oder beitragende Ursache für W sein.Footnote 211

Ganz im Gegenteil ist das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit der vorliegenden Argumentation für das interventionistische Exklusionsprinzip sogar zuträglich: Ohne ein solches Kriterium müsste man (prima facie – ohne eine andere Lösung für das Problem) Variablen, die in Supervenienzbeziehungen stehen, nämlich als kausal miteinander verknüpft betrachten. Man müsste insbesondere schließen, dass M eine Ursache für BM relativ zu {M, BM} ist. Dann aber würde (IV) nicht mehr verlangen, dass eine Interventionsvariable für M hinsichtlich W statistisch unabhängig von BM sein muss. BM läge dann schließlich auf einem kausalen Pfad von M zu W.Footnote 212 Das Argument setzt also sogar voraus, dass Variablenmengen, die das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit nicht erfüllen, unzulässig sind.

Drittens: Das interventionistische Exklusionsprinzip ist – wie auch alle anderen, schon in Abschnitt 3.3.9. behandelten Exklusionsprinzipien – zunächst neutral gegenüber der Frage, welche der beiden in Frage kommenden Ursachen ausgeschlossen wird. Es legt nicht fest, dass M nicht als Ursache für W zählt, sondern nur, dass M nicht als Ursache für W zählt, wenn BM als Ursache für W zählt. Wenn BM hingegen nicht als Ursache für W zählt, kann M problemlos als Ursache für W zählen. Das Exklusionsprinzip stellt uns also vor eine Wahl: Entweder, M verursacht W. Dann kann BM keine Ursache für W sein. Oder BM verursacht W. Dann kann M keine Ursache für W sein. Aus dem Interventionismus selbst lässt sich dabei zunächst keine Entscheidung herbeiführen. Betrachtet man die Variablenmenge {M, W}, sieht M wie eine Ursache für W aus. Und betrachtet man die Variablenmenge {BM, W}, sieht BM wie eine Ursache für W aus. Gegeben das interventionistische Exklusionsprinzip ist dieser erste Anschein jedoch trügerisch. Eine der beiden Variablenmengen führt zu einem Fehlurteil. Welche der beiden Variablenmengen allerdings zu einem Fehlurteil verleitet, kann nicht allein auf der Grundlage von Interventionen entschieden werden. Was vielmehr in Frage steht, ist, welche Manipulationen überhaupt als Interventionen zählen können. Und um dies zu entscheiden, müssen bereits bestimmte Annahmen über die kausalen Beziehungen zwischen M, BM und W vorausgesetzt werden.

Viertens: Das interventionistische Exklusionsprinzip kann durch bestimmte Modifikationen der Definition einer Interventionsvariable vermieden werden.Footnote 213 Auf diese Strategie gehe ich in Abschnitt 4.4.10 noch einmal ein. Zunächst möchte ich im folgenden Abschnitt jedoch die Frage behandeln, ob sich aus dem interventionistischen Exklusionsprinzip ein plausibles interventionistisches Exklusionsargument ergibt.

4.4.8 Das interventionistische Exklusionsargument

Klarerweise lässt sich auf der Grundlage des interventionistischen Exklusionsprinzips das folgende Exklusionsargument konstruieren:

Das interventionistische Exklusionsargument

(IEA1) Wenn BM eine Ursache für W ist und M auf BM nicht-kausal superveniert, dann ist M keine Ursache für W.

(IEA2) M superveniert nicht-kausal auf BM.

(IEA3) BM ist eine Ursache für W.

(IEAK) Also: M ist keine Ursache für W.

Dieses Argument ist gültig. Es bleibt jedoch die Frage, ob seine Prämissen wahr sind, ob sie nicht-zirkulär begründet werden können und ob sie von Vertreter*innn des nicht-reduktiven Physikalismus akzeptiert werden müssen.

(IEA1) ist einfach eine Instanz des interventionistischen Exklusionsprinzips, dessen Begründung ich in Abschnitt 4.4.8. besprochen habe: Wenn M auf BM superveniert und BM W verursacht, dann sind Interventionen auf M hinsichtlich W unmöglich. M kann daher dann keine Ursache für W sein. Die Ablehnung dieser Prämisse durch Modifikationen der Definition einer Interventionsvariable bespreche ich in Abschnitt 4.4.10.

(IEA2) scheint aus Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus zunächst zwingend zu sein: Wie in Abschnitt 4.4.5. geschildert, ergibt sich aus dem nicht-reduktiven Physikalismus, dass bestimme Kombinationen von Werten von M und BM unmöglich sind und dass jeder Wert von M von einem Wert von BM necessitiert wird. Zudem ist mit dem nicht-reduktiven Physikalismus verbunden, dass Instantiierungen von M nicht von den Instantiierungen der Basen von M (BM1 und BM2) verursacht werden.

Zugleich ist jedoch zu beachten, dass (IEA2) im Rahmen des Interventionismus nur dann plausibel wird, wenn der Interventionismus um ein Mittel erweitert wird, um Beziehungen der nicht-kausalen ontologischen Abhängigkeit von kausalen Beziehungen zu unterscheiden. Wie in Abschnitt 4.4.7. erläutert, kann dies zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass man eine Einschränkung zulässiger Variablenmengen einführt: Zulässig sind dann nur solche Variablenmengen, die das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit erfüllen. Gegeben eine solche Einschränkung sind die Variablenmenge {M, BM} und alle ihre Erweiterungen unzulässig und die Beobachtung, dass Interventionen auf M zu Änderungen in BM führen, hat keine Konsequenzen für die Frage, ob M eine Ursache für BM ist. In Abwesenheit einer solchen Modifikation ist (IEA2) jedoch falsch. Das Problem der Kombination aus nicht-reduktivem Physikalismus und Interventionismus besteht dann nicht darin, dass M keine physischen Wirkungen haben kann, sondern darin, dass M seine Basen verursacht – was laut dem nicht-reduktiven Physikalismus ausgeschlossen sein sollte.Footnote 214

Wie steht es um (IEA3)? Ich argumentiere im Folgenden dafür, dass nicht-reduktive Physikalist*innen die Annahme, dass BM eine Ursache für W ist, ablehnen können. Dies eröffnet die prinzipielle Möglichkeit für nicht-reduktive Physikalist*innen, das interventionistische Exklusionsprinzip zu akzeptieren. Ob diese Option aber zu einer zufriedenstellenden interventionistischen Konzeption mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus führen kann, hängt auch davon ab, ob Interventionist*innen gute Gründe dafür anführen können, M als Ursache für W gegenüber BM zu bevorzugen. Dies wiederum ist davon abhängig, ob Interventionist*innen ein starkes Proportionalitätsprinzip in ihre Theorie einbauen können. Auf diese Frage gehe ich erst in Abschnitt 4.4.10 genauer ein.

Die naheliegendste Möglichkeit, (IEA3) im interventionistischen Exklusionsargument zu motivieren, besteht in einer Berufung auf die These der kausalen Geschlossenheit. Eine solche Begründung hat den Vorteil, dass sie sich auf eine These beruft, die üblicherweise als Kernthese des nicht-reduktiven Physikalismus verstanden wird. Da nicht-reduktive Physikalist*innen also auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt sind, können sie die Annahme, dass BM eine Ursache für W ist, dann nicht zurückweisen.Footnote 215

Meine Kommentare zur These der kausalen Geschlossenheit in Abschnitt 3.2. ziehen jedoch in Zweifel, ob Prämisse (IEA3) angemessen durch die These der kausalen Geschlossenheit begründet werden kann:

Erstens sind nicht-reduktive Physikalist*innen in erster Linie auf eine These der nomologischen Geschlossenheit festgelegt. Ob hieraus auch eine These der kausalen Geschlossenheit folgt, hängt von der vorausgesetzten Theorie der Kausalität ab. Zudem bezieht sich die These der kausalen Geschlossenheit auf den Begriff der hinreichenden Verursachung. Hinreichende Verursachung impliziert jedoch nicht kausale Abhängigkeit.Footnote 216 Prämisse (IEA3) betrifft aber kausale Abhängigkeit. Dies macht es fraglich, ob Prämisse (IEA3) unter Berufung auf die These der kausalen Geschlossenheit begründet werden kann.

Woodward schreibt zur Verbindung zwischen hinreichenden Bedingungen und interventionistischer Kausalität das Folgende:

[Interventionism] yields a conception of causation that is importantly distinct from conceptions based on the idea that causes are (or are non-redundant “parts of” or “conjuncts in”) sufficient conditions for their effects, which seems to be the conception often adopted in discussions of the exclusion argument. In particular, it is entirely possible for various individual token realizations (described in some “lower level” science) of some upper level variable X to be sufficient for individual token realizations of some upper level variable Y (also described in terms of some lower level science) and yet for it not to be the case that intervening on X is a means for changing Y.Footnote 217

Selbst wenn jeder Wert einer Variable X nomologisch hinreichend dafür ist, dass Y einen bestimmten Wert annimmt, folgt hieraus noch nicht, dass eine Intervention auf X zu einer Änderung von Y führt. Insbesondere bricht die Folgerung dann zusammen, wenn die verschiedenen Werte von X für denselben Wert von Y nomologisch hinreichend sind. Sind zum Beispiel sowohl die Einnahme des Placebos als auch die Einnahme des Medikaments hinreichend dafür, dass die Krankheit geheilt wird, kann eine Intervention auf die Variable MED, die repräsentiert, ob ein Patient das Placebo oder das Medikament einnimmt, nicht zu einer Änderung der Variable H führen, die die Heilung der Krankheit des Patienten repräsentiert.

Schon diese knappe Überlegung zeigt, dass der Schluss von einer These der kausalen Geschlossenheit, der zufolge jedes physische Ereignis eine hinreichende physische Ursache hat, auf eine interventionistische Kausalaussage, der zufolge jede Variable, die ein physisches Ereignis repräsentiert, eine andere solche physische Variable als Ursache hat, nicht unproblematisch ist.

Zweitens hat die These der kausalen Geschlossenheit zunächst eine recht eingeschränkte Reichweite: Sie besagt, dass physischeeng Ereignisse hinreichende physischeeng Ursachen haben. Betroffen sind dementsprechend zunächst ausschließlich Eigenschaften und Ereignisse, die Gegenstand physikalischer Theorien sind. Auch Prämisse (IE3) kann also bloß physischeeng Ereignisse betreffen, insofern sie durch die These der kausalen Geschlossenheit motiviert wird. Dies schränkt die Reichweite des interventionistischen Exklusionsarguments bedeutend ein.Footnote 218 Ob die Reichweite der These der kausalen Geschlossenheit ausgeweitet werden kann, hängt davon ab, ob sich ein Prinzip der Aufwärtsverursachung verteidigen lässt. Auf diese Frage gehe ich in Abschnitt 4.4.10. noch ein.

Drittens setzt eine Folgerung von der These der kausalen Geschlossenheit auf eine interventionistische Kausalaussage voraus, dass es überhaupt interventionistische Kausalität im Bereich der Physik gibt. Gerade dies wird jedoch von einigen Autor*innen angezweifelt.Footnote 219

Anstatt sich auf die These der kausalen Geschlossenheit zu berufen, könnten sich Verteidiger*innen des interventionistischen Exklusionsarguments für die Begründung der Prämisse (IEA3) auf die interventionistischen Definitionen kausaler Begriff berufen: Es gibt mögliche Interventionen auf BM, die W verändern. Daher ist BM nach den Maßstäben des Interventionismus eine Ursache für W.

Das Problem mit dieser Begründung ist, dass man sich auf den ersten Blick mit gleichem Recht darauf berufen kann, dass es Interventionen auf M gibt, die W verändern und somit M nach den Maßstäben des Interventionismus eine Ursache für W ist. Natürlich würde Baumgartner nun einwenden, dass dies voraussetzt, dass es mögliche Interventionen auf M hinsichtlich W gibt und dass es nur dann mögliche Interventionen auf M hinsichtlich W gibt, wenn BM keine Ursache für W ist. Wenn die korrelative Beziehung zwischen M und W jedoch realisierungsinsensitiv ist – Änderungen von BM, die zwischen bm1 und bm2 wechseln, führen nicht zu Änderungen von W – ist diese Situation symmetrisch: Es gibt dann auch keine Interventionen auf BM, die W verändern, insofern M eine Ursache für W ist. Denn jede Variable, die BM von bm0 auf bm1 oder bm2 setzen kann und somit Interventionen auf BM erlauben würde, die W verändern, ist statistisch abhängig von M. Wenn M also eine Ursache für W ist, gibt es unter diesen Umständen keine Interventionen auf BM hinsichtlich W.

Die Frage, ob M oder BM eine Ursache für W ist, kann daher, soweit ich sehe, nicht aufgrund von Überlegungen entschieden werden, die sich aus dem (bis hierher spezifizierten) Interventionismus ergeben. M kann nur eine Ursache für W sein, wenn es Interventionen auf M gibt, die W verändern. Solche Interventionen kann es aber nur geben, wenn BM keine Ursache für W ist. BM kann nur eine Ursache für W sein, wenn es Interventionen auf BM gibt, die W verändern. Solche Interventionen kann es aber nur geben, wenn M keine Ursache für W ist. Es ist aus dem Interventionismus alleine nicht entscheidbar, welche Veränderungen wir als Interventionen zählen sollten. Die Annahme, dass BM Ursache für W ist, setzt voraus, dass wir die mit Interventionen auf BM verbundenen Änderungen in M nicht als Intervention zählen, so dass M keine Ursache für W sein kann. Gleichzeitig setzt die Annahme, dass M Ursache für W ist, voraus, dass wir die mit Interventionen auf M verbundenen Änderungen in BM nicht als Interventionen zählen, so dass BM keine Ursache für W ist.

Wie Kim deutlich macht, hat die These der kausalen Geschlossenheit im einfachen Exklusionsargument die Funktion, die Symmetrie des Exklusionsprinzips zu durchbrechen, so dass das physische Ereignis dem mentalen Ereignis als Ursache vorgezogen werden kann.Footnote 220 Diese Funktion kann die These der kausalen Geschlossenheit im Rahmen des interventionistischen Exklusionsarguments nicht übernehmen. Grund hierfür ist, dass die These der kausalen Geschlossenheit keine direkten Konsequenzen für interventionistische Verursachung hat. Auch kann die Symmetrie des Exklusionsprinzips im interventionistischen Exklusionsargument nicht durch Überlegungen durchbrochen werden, die sich aus dem Interventionismus selbst ergeben. Der Interventionismus zwingt nicht dazu, Änderungen von BM, die auch M verändern, als Interventionen zu zählen, aber Änderungen von M, die auch BM verändern, nicht als Interventionen zu zählen.

Wie lässt sich also entscheiden, ob M oder BM eine Ursache für W ist? Es gibt hier im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder, man schwächt den Interventionismus so ab, dass sowohl M als auch BM als Ursachen für W zählen können. Oder man verstärkt den Interventionismus um ein Kriterium, das eine Entscheidung für M und gegen BM [oder eine Entscheidung für BM und gegen M] herbeiführen kann. Die erste Option führt zu einer kompatibilistischen Konzeption mentaler Verursachung, während die zweite Option zu einer inkompatibilistischen Konzeption mentaler Verursachung führt. In den folgenden beiden Abschnitten gehe ich auf die beiden Optionen ein.

4.4.9 Modifizierter Interventionismus: Ablehnung des interventionistischen Exklusionsprinzips und der Status der drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität

Das interventionistische Exklusionsprinzip kann vermieden werden, indem die Definition einer Interventionsvariablen modifiziert wird. Woodward schlägt die folgende Modifikation für die Definition einer Interventionsvariablen vor:

(IV*) Eine Variable I ist eine Interventionsvariable auf eine Variable X hinsichtlich einer Variable Y genau dann, wenn gilt:

(I1) I verursacht X.

(I2) I ist ein Umschalter für X. Das heißt, bestimmte Werte von I sind so beschaffen, dass gilt: Wenn I diese Werte annimmt, hängt X nicht von den Werten anderer Ursachen von X ab, sondern hängt stattdessen nur vom Wert von I ab.

(I3*) Jeder kausale Pfad von I zu Y geht durch X oder durch eine Variable Z, die in einer Supervenienzbeziehung zu X steht. Das heißt, I ist keine direkte Ursache von Y und ist keine Ursache von Ursachen von Y, die distinkt von X sind, außer jenen Ursachen von Y, die in den gerichteten Pfad von I über X zu Y eingebaut sind oder in einer Supervenienzbeziehung zu X stehen; also (a) jenen Ursachen von Y, die Wirkungen von X sind und (b) jenen Ursachen von Y, die auf einem kausalen Pfad zwischen I und X liegen und die keine von X unabhängigen Auswirkungen auf Y haben und (c) jenen Ursachen von Y, auf denen X superveniert oder die auf X supervenieren.

(I4*) I ist statistisch unabhängig von jeder Variablen Z, die Y verursacht, die auf einem kausalen Pfad liegt, der nicht durch X geht und die nicht in eine Supervenienzrelation zu X steht.Footnote 221

(I3*) und (I4*) enthalten Ausnahmeklauseln für Variablen, die in einer Supervenienzrelation stehen: Laut (I3*) ist es nun zulässig, dass eine Interventionsvariable für X hinsichtlich Y auch eine Variable verursacht, die Y verursacht, solange X auf dieser Variablen superveniert. Laut (I4*) muss eine Interventionsvariable für X hinsichtlich Y nun nicht mehr von jeder Ursache von Y, die auf einem kausalen Pfad liegt, der nicht durch X geht, unabhängig sein, sondern nur von solchen Ursachen von Y, die nicht in einer Supervenienzbeziehung zu X stehen. Dass es keine Variablen gibt, die M verursachen, ohne auch BM zu verursachen und ohne von BM statistisch abhängig zu sein, spricht also nicht mehr dagegen, dass es Interventionsvariablen für M im Sinne von (IV*) gibt.

Setzt man diesen modifizierten Begriff einer Intervention voraus, stellt sich M als Ursache für W relativ zu {M, W} heraus: Eine (IV*)-Intervention auf M ist möglich und verändert W. Zudem stellt sich auch BM als Ursache für W relativ zu {BM, W} heraus: Eine (IV*)-Intervention auf BM verändert W ebenfalls. W ist also eine gemeinsame Wirkung von M und BM. Also ist das interventionistische Exklusionsprinzip dann falsch: Obgleich M auf BM superveniert, haben M und BM gemeinsame Wirkungen.

Die Ausnahmeklauseln für Supervenienzbasen in (IV*) mögen auf den ersten Blick wie ad hoc-Modifikationen aussehen. Woodward führt jedoch zwei Überlegungen an, die diesen Eindruck zumindest abschwächen:

Erstens sind solche Ausnahmeklauseln schon deshalb nötig, weil sich Supervenenienzbeziehungen zwischen Variablen auch aus logischen oder begrifflichen Beziehungen zwischen Variablen ergeben können. Die schon in Abschnitt 4.3.7. diskutierten Variablenmengen {TS, T, N} und {LC, HC, GC} sind hier wiederum passende Beispiele. Ein allgemeines interventionistisches Exklusionsargument würde auch solche Variablen betreffen und zur Konsequenz haben, dass z. B. TS (die Schwellenwert-Variable für die Temperatur der Wasserprobe) keine Ursache für N sein kann, wenn T (die Variable für die genaue Temperatur) eine Ursache für N (das Garen der Nudeln) ist. Wieder sind die Probleme also nicht spezifisch für den nicht-reduktiven Physikalismus.

Zweitens, so Woodward, würde die Forderung, dass Interventionen unabhängig von Supervenienzbasen sein müssen, nicht gut zur wissenschaftlichen Praxis passen. In randomisierten kontrollierten Experimenten – die ja als Vorbild für Woodwards Bestimmung des Interventionsbegriffs dienen – wird jedenfalls keine Anstrengung unternommen, das Unmögliche zu erreichen und die experimentellen Interventionen z. B. auf die Einnahme von Medikamenten frei von statistischer Abhängigkeit von der Mikrostruktur der Medikamente zu halten.Footnote 222 Dies ist kein Mangel der entsprechenden Studien. Hintergrund ist hier, dass Supervenienzbasen nicht als gewöhnliche Störfaktoren agieren können. Wäre die Intervention auf die Einnahme des Medikaments abhängig vom Alter der Patient*innen – so dass das Medikament ausschließlich an junge Patient*innen ausgegeben wird und das Placebo ausschließlich an alte Patient*innen –, könnte es nicht ausgeschlossen werden, dass die beobachtete Korrelation zwischen Medikamenteneinnahme und Heilung auf das Alter der Patient*innen zurückzuführen ist: Bei jüngeren Patient*innen würde sich eine Heilung auch ohne Medikamenteneinnahme einstellen und bei älteren Patient*innen würde sich die Heilung auch bei Einnahme des Medikaments nicht einstellen. Eine Entsprechung findet sich im Falle der Abhängigkeit der Intervention auf die Einnahme des Medikament von der Mikrostruktur des Medikaments jedoch nicht: Es gibt einfach keine möglichen Situationen, in denen eine Substanz mit der Mikrostruktur des Medikaments ohne das Medikament eingenommen wird. Es kann daher auch nicht vorkommen, dass die Einnahme einer Substanz mit der Mikrostruktur des Medikaments auch ohne Einnahme des Medikaments zur Heilung führt.

Baumgartner reagiert wie folgt auf diese Begründung der Ausnahmeklauseln:

While correlations of variables that are related in terms of reductive variants of supervenience are indeed likely not to give rise to data confounding, it is far from clear whether the same holds for variables related in terms of non-reductive supervenience.Footnote 223

Unter reduktiven Varianten von Supervenienz versteht Baumgartner dabei u. a. Supervenienzbeziehungen zwischen Variablen, die sich aufgrund von logischen Zusammenhängen, aufgrund von Konstitution oder aufgrund von einer Beziehung zwischen Determinablen und Determinaten ergeben. Baumgartner meint, dass sich die Supervenienzbeziehung zwischen M und BM von solchen Fällen in entscheidender Hinsicht unterscheidet. Hier solle es sich schließlich um eine nicht-reduktive Variante von Supervenienz handeln. Er stimmt Woodward auch darin zu, dass es keine sinnvolle Forderung ist, Interventionen auf die Einnahme des Medikaments von der Mikrostruktur des Medikaments unabhängig zu halten. Denn die Beziehung zwischen Medikament und Mikrostruktur sei reduktiv. Jedoch besteht er darauf, dass sich diese Überlegung nicht auf den Fall mentaler Verursachung übertragen lässt.

Ausschlaggebend für Woodwards Argumentation sind jedoch die modalen Verbindungen zwischen subvenienter und supervenierender Variablen. Diese sorgen dafür, dass subveniente Variablen nicht als Störfaktoren in Betracht kommen. Folgt man dieser Argumentation, ist es daher schwierig, einen Keil zu schlagen zwischen solche Supervenienzbeziehungen, die sich aus logischen Beziehungen zwischen Variablen ergeben und solchen Supervenienzbeziehungen, die sich aus ontologischer Abhängigkeit im nicht-reduktiven Physikalismus ergeben. Im nicht-reduktiven Physikalismus unterscheidet sich der Zusammenhang zwischen den Variablen TS und T von dem Zusammenhang zwischen den Variablen M und BM nicht in modaler Hinsicht.Footnote 224 Die zugehörigen Supervenienzbeziehungen haben dieselbe modale Kraft: metaphysische Notwendigkeit.Footnote 225 Dies scheint mir der wesentliche Grund dafür zu sein, dass in beiden Fällen die subvenienten Variablen nicht als Störfaktoren in Frage kommen. Die Annahme, dass die physischen Basen mentaler Eigenschaften trotz der genannten modalen Verknüpfungen als Störfaktoren in Frage kommen, bedarf daher zumindest weiterer Argumentation.

Woodwards Modifikation der Definition einer Interventionsvariablen scheint also gut zum Grundgedanken des Interventionismus zu passen, sich bei der Bestimmung kausaler Begriffe an der wissenschaftlichen Praxis zu orientieren. Auch führt sie – wie bereits geschildert – zum gewünschten Ergebnis mit Blick auf mentale Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus: M ist eine Ursache für W. Eine IV*-Intervention auf M verändert W. Zu was für einem Gesamtbild mentaler Verursachung führt sie aber? Dieser Frage möchte ich im Folgenden nachgehen, indem ich den Status der drei in Abschnitt 3.3.5. eingeführten Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität unter Voraussetzung des IV*-Interventionismus diskutiere.

Betrachten wie zunächst das folgende Prinzip der basalen Verursachung:

Interventionistisches Prinzip der basalen Verursachung: Wenn eine Variable U eine Ursache für eine Variable W ist und U nicht-kausal auf einer Variable B superveniert, dann ist auch B eine Ursache für W.

Zunächst eine Überlegung, die für dieses Prinzip spricht: IV*-Interventionen auf M führen aufgrund der Supervenienzbeziehung notwendigerweise auch zu Veränderungen von BM. Zudem ist es plausibel, dass diese Veränderungen in BM ebenfalls so zu verstehen sind, dass sie durch IV*-Interventionen herbeigeführt sind. Die Interventionsvariable I für M hinsichtlich W ist zugleich eine Interventionsvariable für BM hinsichtlich W. Wenn I nun einen Wert annimmt, der verursacht, dass M den Wert m1 annimmt, wird dieser Wert von I zugleich verursachen, dass BM den Wert b1 oder b2 annimmt. Jede IV*-Intervention auf M ist also zugleich eine IV*-Intervention auf BM. Wenn es demzufolge eine IV*-Intervention auf M gibt, die W verändert, wird diese selbe Intervention zugleich eine IV*-Intervention auf BM sein, die W verändert. Also folgt daraus, dass M eine Ursache für W ist, auch, dass BM eine Ursache für W ist.

Nun eine Komplikation: Insofern BM Ursachen haben kann, die keine Ursachen von M sind – die hiermit verbundene Ablehnung des Prinzips der Aufwärtskausalität diskutiere ich gleich noch – folgt daraus, dass I eine IV*-Interventionsvariable für M ist, nicht, dass I eine IV*-Interventionsvariable für BM ist. Grund hierfür ist Bedingung (I2): I könnte ein Umschalter für M sein, ohne ein Umschalter für BM zu sein.

Wenn I zum Beispiel einen Wert i1 hat, der eindeutig festlegt, dass M den Wert m1 hat, folgt daraus noch nicht, dass I einen Wert hat, der eindeutig festlegt, ob BM den Wert bm1 oder den Wert bm2 hat. Wenn i1 der einzige Wert ist, der den Wert von M eindeutig (auf m1) festlegt, hat I dann keinen Wert, der einen Wert von BM eindeutig festlegt. Ob BM dann den Wert bm1 oder den Wert bm2 annimmt, könnte von anderen Ursachen von BM abhängen, deren Einfluss auf BM durch I nicht gebrochen wird. Also ist I dann ein Umschalter für M, aber kein Umschalter für BM.

Dieses Bedenken kann jedoch leicht ausgeräumt werden: Zwar ist nicht jede Interventionsvariable für M auch eine Interventionsvariable für BM. Jedoch lässt sich immer eine Variable konstruieren, die sowohl für M als auch für BM Interventionsvariable ist. Wenn I also z. B. drei Werte (so viele wie BM) hat, so dass jeder Wert von I eindeutig festlegt, welchen Wert BM annimmt, dann wird I notwendigerweise auch Werte haben, die die Werte von M eindeutig festlegen. Insofern I dann Umschalter für BM ist, ist I auch Umschalter für M. Und wenn Interventionen auf M, die in Werten einer so konstruierten Interventionsvariablen bestehen, zu Änderungen von W führen, werden dieselben Interventionen auch Interventionen auf BM sein und zu Änderungen von W führen.

Der IV*-Interventionismus bestätigt also das interventionistische Prinzip der basalen Verursachung. Hieraus folgt, dass mentale Variablen im IV*-Interventionismus niemals Wirkungen haben, die nicht zugleich Wirkungen physischer Variablen sind. Dies spricht gegen eine echte Autonomie mentaler Ereignisse.Footnote 226

Es ist hinzuzufügen, dass der IV*-Interventionismus nicht die Konsequenz hat, dass M und BM die genau selben Wirkungen haben. Es kann Wirkungen von BM geben, die keine Wirkungen von M sind. Der einfache Grund hierfür ist, dass es Variablen geben kann, die nur auf Änderungen der präzisen Realisierung von M reagieren. Sie ändern sich also durch Interventionen auf BM, die zwischen bm1 und bm2 wechseln, aber durch keine anderen Interventionen auf BM.

Betrachten wir als nächstes den Status eines interventionistischen Prinzips der Abwärtsverursachung:

Interventionistisches Prinzip der Abwärtsverursachung: Wenn eine Variable U eine Ursache für eine Variable W ist und W nicht-kausal auf einer Variable B superveniert, dann ist U auch eine Ursache für B.

Auch dieses Prinzip wird durch den IV*-Interventionismus bestätigt: Jede Variable, die M verursacht, verursacht auch BM. Denn jede Änderung von M geht mit einer Änderung von BM einher. Wenn es daher eine Intervention auf eine Variable U gibt, die M verändert, wird diese Intervention auch BM verändern. U zählt dann sowohl als Ursache von M als auch als Ursache von BM.Footnote 227

Auch hier ergibt sich eine ähnliche Komplikation wie schon bei der Begründung des Prinzips der basalen Verursachung: Auf den ersten Blick ist es möglich, dass es eine Intervention auf U hinsichtlich M gibt, die M und BM verändert, ohne dass es eine Intervention auf U hinsichtlich BM gibt, die M und BM verändert. Gegeben, dass BM Ursachen haben kann, die keine Ursachen von M sind, ist nicht jede Intervention auf U hinsichtlich M zugleich eine Intervention auf U hinsichtlich BM. Denn die Interventionsvariable für U könnte statistisch unabhängig von allen Ursachen von M sein, ohne statistisch unabhängig von allen Ursachen von BM zu sein.

Bei der richtigen Wahl der Interventionsvariablen lässt sich diese Komplikation jedoch wiederum ausräumen: Es wird immer eine Interventionsvariable auf U hinsichtlich BM geben, die auch eine Interventionsvariable auf U hinsichtlich M ist. Diese Interventionsvariable erlaubt dann Interventionen auf U, die M und BM verändern, so dass U sowohl für M als auch für BM Ursache ist.

Kommen wir zum Status des folgenden interventionistischen Prinzips der Aufwärtsverursachung:

Interventionistisches Prinzip der Aufwärtsverursachung: Wenn eine Variable U eine Ursache für eine Variable W ist und eine Variable H nicht-kausal auf W superveniert, dann ist U auch eine Ursache für H.

Das Prinzip ist nicht allgemein gültig, weil es eine Ursache U für BM geben kann, die nur Relevanz dafür hat, ob BM den Wert bm1 oder den Wert bm2 annimmt. U macht dann einen Unterschied dafür, wie M realisiert ist, aber nicht dafür, ob M überhaupt instantiiert ist.Footnote 228

Jedoch wird jede Ursache U von BM, für die es Interventionen gibt, die BM von bm0 auf bm1 oder bm2 setzen oder von bm1 oder bm2 auf bm0 setzen, auch eine Ursache für M sein. Denn solche Interventionen auf U sind notwendig mit Änderungen von M verbunden. Es gibt dann also IV*-Interventionen auf U, die M verändern und U zählt als Ursache für M. Ein entsprechend eingeschränktes, interventionistisches Prinzip der Aufwärtsverursachung wird im IV*-Interventionismus also bestätigt.

Insgesamt führt der IV*-Interventionismus also zu einer weitreichenden Vervielfältigung von Verursachungsbeziehungen: Jede Wirkung einer mentalen Variable hat (aufgrund des interventionistischen Prinzips der basalen Verursachung) auch jede subveniente physische Variable als Ursache. Jede Ursache einer mentalen Variable ist (aufgrund des interventionistischen Prinzips der Abwärtsverursachung) auch Ursache einer subvenienten physischen Variable. Und in vielen Fällen – jedoch nicht allgemein – zählen die Ursachen subvenienter physischer Variablen auch als Ursachen der zugehörigen supervenierenden mentalen Variablen.

Da das interventionistische Exklusionsprinzip im IV*-Interventionismus jedoch nicht gültig ist, führt diese Vervielfältigung von Kausalbeziehungen nicht zu erweiterten Exklusionsargumenten. Auch führt sie – wenn wir Woodwards Begründung dafür folgen, dass eine Unabhängigkeit von Interventionen von Supervenienzbasen nicht gerechtfertigt ist – nicht zu gefährlichen kausalen Fehlschlüssen.

Der IV*-Interventionismus ist jedoch mit keinerlei Diskriminierungen zwischen den zahlreichen, in Supervenienzbeziehungen stehenden Ursachen für eine Variable verbunden: Susis Armbewegung wird im selben Sinne von ihrem Wunsch, den neurologischen Prozessen in ihrem Hirn und den zugrundeliegenden fundamentalen mikrophysikalischen Vorgängen verursacht. Die mit der Idee der Proportionalität verbundene Intuition, dass Susis Wunsch als Ursache für ihre Armbewegung besser geeignet ist als die zugrundeliegenden mikrophysikalischen Vorgänge, wird im IV*-Interventionismus (bis hierher) also nicht eingefangen. Im folgenden Abschnitt geht es nun um die Frage, welchen Platz solche Diskriminierungen im Rahmen einer interventionistischen Theorie mentaler Verursachung einnehmen können.

4.4.10 Proportionalität im Interventionismus

Sowohl der IV-Interventionismus als auch der IV*-Interventionismus führen zu Auffassungen von Verursachung, in denen Überlegungen zu Proportionalität keine Rolle spielen. Es stellt sich nun die Frage, ob die beiden Versionen des Interventionismus um Proportionalitätsbedingungen ergänzt werden können. Im Lichte der in Abschnitt 4.1. eingeführten Unterscheidung zwischen einer starken Proportionalitätsforderung, der zufolge Proportionalität eine notwendige Bedingung für Verursachung ist, und einer schwachen Proportionalitätsforderung, der zufolge Überlegungen zu Proportionalität einen Qualitätsunterschied zwischen verschiedenen Ursachen ziehen können, und den bisherigen Überlegungen zum interventionistischen Exklusionsargument, ergeben sich die folgenden zu diskutierenden Möglichkeiten:

Erstens könnte man den IV-Interventionismus um eine starke Proportionalitätsforderung ergänzen, um eine inkompatibilistische Erwiderung auf das interventionistische Exklusionsargument zu entwickeln.Footnote 229 Zweitens könnte man den IV*-Interventionismus um eine schwache Proportionalitätsforderung ergänzen, um den Eindruck abzuschwächen, dass er der Autonomie höherstufiger Eigenschaften nicht gerecht wird.Footnote 230 Ich argumentiere im Folgenden dafür, dass die erste Option nicht verteidigt werden kann. Die zweite Option ist hingegen vielversprechend.

Die Diskussion des interventionistischen Exklusionsprinzips und des darauf aufbauenden Exklusionsarguments in den Abschnitten 4.4.7. und 4.4.8. hat gezeigt, dass der IV-Interventionismus ein interventionistisches Exklusionsprinzip bestätigt, jedoch keinerlei Mittel bereitstellt, zu entscheiden, welche vermeintliche Ursache hiervon betroffen ist: M und BM sehen beide wie legitime Ursachen für W aus. Gegeben das interventionistische Exklusionsprinzip können jedoch nicht sowohl M als auch BM Ursachen für W sein. Da schon die Frage, ob Manipulationen von M bzw. BM als Interventionen zählen können, davon abhängt, ob M bzw. BM Ursachen für W sind – also der interventionistische Test für jede Ursache von einem vorhergehenden Urteil über die andere Ursache abhängt – scheint eine Entscheidung innerhalb des IV-Interventionismus nicht möglich.

Verstärkungen des IV-Interventionismus könnten jedoch eine eindeutige Entscheidung herbeiführen. Insbesondere könnte eine starke Proportionalitätsforderung – ähnlich zu der von List und MenziesFootnote 231 – dazu führen, dass M in vielen Fällen als Ursache für W bevorzugt wird, während BM als Ursache für W ausgeschlossen wird. Dies legt also die folgende Verstärkung des IV-Interventionismus nahe:

IV-Interventionismus + Proportionalität (IVIP): Eine Variable X ist eine Ursache für eine Variable Y genau dann, wenn gilt: (i) es gibt eine Variablenmenge V, relativ zu der X eine beitragende Ursache für Y im Sinne des IV-Interventionismus ist und (ii) X ist proportional für Y.

Wenn BM nicht proportional für W ist, wird BM dann als Ursache für W ausgeschlossen. Entsprechend verlangt die Definition einer Interventionsvariablen (IV) auch nicht, dass Interventionsvariablen auf M unabhängig von BM sind: Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W müssen nur unabhängig von pfadunabhängigen Ursachen für W sein. Da BM aber (aufgrund fehlender Proportionalität) keine Ursache für W ist, müssen Interventionsvariablen auf M hinsichtlich W nicht unabhängig von BM sein. Also gibt es Interventionsvariablen und Interventionen auf M hinsichtlich W. Da wir davon ausgehen, dass diese Interventionen auf M W verändern, steht der Annahme, dass M W verursacht, nun nichts mehr im Wege. Wenn M dann also zusätzlich auch proportional zu W ist, ist M auch Ursache für W.

Um diese Argumentation zu plausibilisieren, muss mehr darüber gesagt werden, wie Proportionalität innerhalb des Interventionismus verstanden werden kann. Was kann also damit gemeint sein, dass M proportional für W ist, während BM nicht proportional für W ist?

Eine mögliche Antwort hierauf hat in der Diskussion in den Abschnitten 4.4.74.4.9. bereits eine Rolle gespielt: Die Beziehung zwischen M und W ist realisierungsinsensitiv: Solange M den Wert m0 annimmt, nimmt auch W den Wert w0 an. Und solange M den Wert m1 annimmt, nimmt auch W den Wert w1 an. Ob BM dabei den Wert bm1 oder bm2 annimmt, ist irrelevant für dieses Korrelationsmuster. Wie M also realisiert ist, spielt keine Rolle für die Verbindung zwischen M und W.

Ausgehend von dieser Beobachtung lässt sich eine Forderung der Proportionalität formulieren, die sich in ihrer Grundidee an der Proportionalitätsforderung von List und Menzies orientiert. Eine Variable X ist proportional für eine Variable Y, wenn die Korrelation zwischen X und Y realisierungsinsensitiv ist.

Woodward schreibt zum Begriff der Realisierungsinsensitivität das Folgende:

What is required is the existence of a relationship that both involves a dependency between the upper level variables (different values of M1, produced by interventions map into different values of M2) and that is realization independent in the sense that it continues to stably hold for a range of different realizers of these values of M1 and M2. It is the presence of this sort of realization independent dependency relationship (henceforth RIDR) that ensures that interventions that change M1 are stably associated with changes in M2 – hence that M1 causes M2.

Lässt sich diese Idee der Realisierungsinsensitivität präzisieren? Man kann es mit der folgenden Definition versuchen:

Realisierungsinsensitive Korrelation 1: Eine Korrelation zwischen einer Variable X und einer Variable Y ist realisierungsinsensitiv genau dann, wenn gilt: Für jede Variable Z, auf der X superveniert und die die Basen der in X repräsentierten Eigenschaften repräsentiert, gilt: Keine Intervention auf Z, die X unberührt lässt, führt zu einer Änderung von Y.Footnote 232

Ein Problem mit dieser Definition: Es ist nach dieser Definition nicht nur die Korrelation zwischen M und W realisierungsinsensitiv, sondern scheinbar auch die Korrelation zwischen BM und W. Gehen wir zum Beispiel davon aus, dass BM auf einer Variable PM (siehe Tabelle 4.10) superveniert.

Tabelle 4.10 Variable PM

Die Korrelation zwischen BM und W – die darin besteht, dass Manipulationen auf BM, die zwischen bm0 und einem der Basiswerte bm1 oder bm2 wechseln, zu einer Änderung von W führen – ist von Interventionen auf PM, die BM unberührt lassen, nicht betroffen. Keine Intervention auf PM, die BM unberührt lässt (z. B. Interventionen, die zwischen pm1 und pm2 wechseln, oder Interventionen, die zwischen pm3 und pm4 wechseln), führt zu einer Änderung von W. Entsprechendes wird auch für andere Variablen gelten, auf denen BM superveniert. Also ist die Korrelation zwischen BM und W realisierungsinsensitiv.

Tatsächlich scheint die Realisierungsinsensitivität der Korrelation zwischen BM und W sogar aus der Realisierungsinsensitivität der Korrelation zwischen M und W zu folgen: Wenn M auf BM superveniert und BM auf PM superveniert, dann superveniert M auf PM. Variablensupervenienz ist transitiv. Wenn die Beziehung zwischen M und W realisierungsinsensitiv ist, gibt es also keine Interventionen auf PM, die M unberührt lassen und W verändern. Da die Menge der Interventionen auf PM, die BM unberührt lassen, eine Teilmenge der Interventionen auf PM sind, die M unberührt lassen, gibt es dann auch keine Interventionen auf PM, die BM unberührt lassen und W verändern.

Man beachte aber, dass es Interventionen auf PM gibt, die BM nicht unberührt lassen, und die ebenfalls nicht zu Änderungen in W führen. Dies ist mit Blick auf BM und M hingegen nicht der Fall. Es gibt keine Interventionen auf BM, die M ändern, und zu keiner Änderung von W führen. Dies kann man sich zunutze machen und Realisierungsinsensitivität wie folgt bestimmen:

Realisierungsinsensitive Korrelation 2: Eine Korrelation zwischen einer Variable X und einer Variable Y ist realisierungsinsensitiv genau dann, wenn gilt: Für jede Variable Z, auf der X superveniert und die die Basen der in X repräsentierten Eigenschaften repräsentiert, gilt: (i) Keine Intervention auf Z, die X unberührt lässt, führt zu einer Änderung von Y und (ii) Jede Intervention auf Z, die X nicht unberührt lässt, verändert auch Y.

Gegeben diese Bestimmung realisierungsinsensitiver Korrelation ist die Korrelation zwischen M und W realisierungsinsensitiv, während die Korrelation zwischen BM und W nicht realisierungsinsensitiv ist. Denn es gibt Interventionen auf PM – z. B. solche, die zwischen pm2 und pm3 wechseln – die BM nicht unberührt lassen und W dennoch nicht verändern.

Diese Definition hat die Konsequenz, dass eine Korrelation zwischen zwei Variablen X und Y nur realisierungsinsensitiv sein kann, wenn jede Veränderung von X mit einer Veränderung von Y korreliert ist. Würde M beispielsweise dreiwertig sein und neben der Instantiierung von M auch noch die Instantiierung von M* repräsentieren, wobei M* eine leichte Abwandlung von M ist und ebenfalls dazu führt, dass W den Wert w1 annimmt, wäre die Korrelation zwischen M und W nicht mehr realisierungsinsensitiv. Denn es gäbe dann Variablen, auf denen M superveniert und die sowohl verschiedene Basen von M als auch verschiedene Basen von M* repräsentieren. Wenn auf diese Variablen so interveniert wird, dass statt einer Basis von M eine Basis von M* instantiiert ist, zieht dies keine Änderungen von W nach sich. Diese Eigenschaft ist jedoch möglicherweise gerade wünschenswert: Variablen, die proportional für andere Variablen sind, sollten keine ‘überflüssigen’ Werte enthalten. Und ein Grund, warum BM nicht als proportional für W gelten sollte, scheint gerade zu sein, dass BM solche überflüssigen Werte enthält. Dieser Aspekt wird durch das Kriterium der Realisierungsinsensitivität eingefangen.

Kommen wir zurück zum IV-Interventionismus + Proportionalität. Wenn Proportionalität als Realisierungsinsensitivität verstanden wird, ergibt sich folgender Versuch:

IV-Interventionismus + Realisierungsinsensitivität (IVIR): Eine Variable X ist eine Ursache für eine Variable Y genau dann, wenn gilt: (i) es gibt eine Variablenmenge V, relativ zu der X eine beitragende Ursache für Y im Sinne des IV-Interventionismus ist und (ii) die Korrelation zwischen X und Y ist realisierungsinsensitiv.

Lässt sich auf dieser Grundlage eine inkompatibilistische Erwiderung auf das interventionistische Exklusionsargument entwickeln?

Die Idee wäre folgende: Wir haben BM und M als mögliche Ursachen für W, können aber nicht entscheiden, ob es mögliche Interventionen auf M hinsichtlich W oder stattdessen mögliche Interventionen auf BM hinsichtlich W gibt, die W verändern. Wir verlassen daher zunächst den IV-Interventionismus und stellen die Frage, ob die Korrelation zwischen M und W bzw. die Korrelation zwischen BM und W realisierungsinsensitiv ist. Wir stellen fest, dass die Korrelation zwischen M und W, jedoch nicht die Korrelation zwischen BM und W realisierungsinsensitiv ist. Wir können daher ausschließen, dass BM eine Ursache für W ist, weil BM Bedingung (ii) in (IVIR) verletzt. Nun kehren wir mit dieser Einsicht ausgerüstet zurück zur Frage, ob es Interventionen auf M gibt, die W verändern oder stattdessen Interventionen auf BM, die W verändern. Da BM keine Ursache für W ist, müssen Interventionen auf M hinsichtlich W nicht statistisch unabhängig von BM sein. Dass jede Manipulation von M auch BM verändert, spricht also nicht dagegen, dass es Interventionen auf M hinsichtlich W gibt. Wir stellen fest, dass Interventionen auf M auch W verändern. Also ist M eine Ursache für W relativ zu {M, W} und daher auch simpliciter. Wir stellen nun wiederum die Frage, ob auch BM eine Ursache für W relativ zu {BM, W} ist – wenn wir von der Frage der Realisierungsinsensitivität einmal absehen und uns auf den ursprünglichen IV-Interventionismus konzentrieren. Unsere Antwort ist negativ: Jede Manipulation von BM, die W verändert, verändert auch M. Da M aber Ursache für W ist, müssen Interventionen auf BM statistisch unabhängig von M sein. Also gibt es keine Interventionen auf BM, die W verändern. Die relevanten Manipulationen von BM, die W verändern, zählen aufgrund ihrer statistischen Abhängigkeit von M nicht als Interventionen. Also ist BM keine Ursache für W relativ zu {BM, W} oder zu irgendeiner Erweiterung von {BM, W}. Wir sehen uns in unserem (anstoßgebenden) Urteil, dass BM keine Ursache für W ist, bestätigt. Tatsächlich erfüllt BM weder Bedingung (i) noch Bedingung (ii) in (IVIR).

Diese Argumentationsstrategie hat jedoch folgendes Problem: In bestimmten Strukturen gemeinsamer Verursachung, die Variablen involvieren, die in Supervenienzbeziehungen stehen, ist es nicht möglich, ausschließlich realisierungsinsensitive Verursachungsrelationen zuzulassen. Vera Hoffmann-Kolss gibt hierfür das folgende Beispiel:Footnote 233

Ein Stück Schokolade beginnt zu schmelzen, sobald ein Wasserbad eine Temperatur von 35° C erreicht hat. Die Temperatur des Wassers kann nun auf zwei Weisen in einer Variable repräsentiert werden: Erstens kann man eine binäre Schwellenwert-Variable TS einführen, die den Wert ts0 einnimmt, wenn das Wasser eine Temperatur zwischen 1° C und 35° C hat, und den Wert ts1 annimmt, wenn das Wasser eine Temperatur zwischen 35° C und 100° C hat. Zweitens kann man eine mehrwertige Variable T einführen, die Werte annimmt, die der Temperatur des Wasser in ° C entsprechen. T hat also den Wert t1, wenn das Wasser eine Temperatur von 1° C hat, den Wert t35, wenn das Wasser eine Temperatur von 35° C hat, und den Wert t100, wenn das Wasser eine Temperatur von 100° C hat. Die Variable TS superveniert offenbar auf der Variable T: Für jeden Wert von TS gibt es Werte von T, die sie necessitieren. Wenn T beispielsweise den Wert t100 hat, muss TS den Wert ts1 annehmen und wenn T beispielsweise den Wert t1 hat, muss TS den Wert ts0 annehmen.

Führen wir nun zunächst eine Variable S ein, die repräsentiert, ob das Stück Schokolade schmilzt (s0 = die Schokolade schmilzt nicht, s1 = die Schokolade schmilzt). Nach dem IV-Interventionismus + Realisierungsinsensitivität (IVIR) können wir T als Ursache für S ausschließen, weil die Korrelation zwischen T und S nicht realisierungsinsensitiv ist. Unter dieser Voraussetzung können wir TS als Ursache für S bezeichnen, weil die Korrelation zwischen TS uns S realisierungsinsensitiv ist und es Interventionen auf TS gibt, die S verändern. Soweit erhalten wir also das gewünschte Ergebnis.

Wenn wir nun aber eine andere Variable A betrachten, die die Anzeige eines Thermometers repräsentiert, entstehen Probleme. A nimmt Werte a1 – a100 an, je nach Anzeige eines in das Wasser getauchten Thermometers in ° C. Die Beziehung zwischen TS und A ist nun nicht realisierungsinsenitiv, so dass TS als Ursache für A ausgeschlossen werden kann. Die Beziehung zwischen T und A ist hingegen realisierungsinsensitiv. Das Problem ergibt sich aus der Frage, wie wir im Rahmen von (IVIR) mit Variablenmengen umgehen können, die sowohl S als auch A enthalten.

Die Variablen S und A stehen nicht in einer Supervenienzbeziehung und es gibt keine metaphysisch unmöglichen Kombinationen von Werten von S und A. Es ist metaphysisch möglich, dass das Thermometer eine Temperatur von 100° C anzeigt und die Schokolade dennoch nicht schmilzt. Das Kriterium der unabhängigen Fixierbarkeit spricht also nicht gegen die Zulässigkeit von Variablenmengen, die S und A enthalten.

Es gibt dennoch eine Korrelation zwischen S und A. Diese kann jedoch nicht durch eine direkte Verursachungsbeziehung zwischen S und A erklärt werden: Der Thermometerstand verursacht nicht, dass die Schokolade schmilzt. Vielmehr haben Thermometerstand und Schmelzen eine gemeinsame Ursache – nämlich die Temperatur des Wassers.Footnote 234

Es gibt nun, gegeben die Variablen T und TS, auf den ersten Blick zwei Möglichkeiten, diese gemeinsame Ursache für S und A in eine zulässige Variablenmenge einzuführen: Erstens kann man die Variablenmenge {T, S, A} betrachten. Zweitens kann man die Variablenmenge {TS, S, A} betrachten. Das Problem besteht jedoch darin, dass laut (IVIR) keine dieser beiden Variablenmengen eine gemeinsame Ursache für S und A einführt.

Relativ zu {T, S, A} ist T eine Ursache für A, jedoch keine Ursache für S. Denn die Korrelation zwischen T und S ist nicht realisierungsinsensitiv. Relativ zu {TS, S, A} ist TS eine Ursache für S, aber nicht für A. Denn die Korrelation zwischen S und A ist nicht realisierungsinsensitiv. Also wird relativ zu keiner der betrachteten Variablenmengen die Temperatur des Wassers als gemeinsame Ursache für das Schmelzen der Schokolade und den Thermometerstand repräsentiert. Dies ist kein gutes Ergebnis. Jede Variablenmenge, die A und S enthält, wird eine unerklärte und nicht auf gemeinsame Ursachen zurückzuführende Korrelation zwischen A und S enthalten.

Ein entsprechendes Problem wird jede Auffassung treffen, die eine starke Proportionalitätsforderung für interventionistische Verursachung postuliert. Wann immer wir zwei Variablen X und Y haben, die in einer Supervenienzbeziehung stehen, wird es Wirkungen Wx geben, die zu X proportional sind, und andere Wirkungen Wy, die zu Y proportional sind, wobei diese Wirkungen Wx und Wy zwar miteinander korreliert sind, jedoch nicht selbst in einer Supervenienzbeziehung zueinander stehen. Variablenmengen, die Wx und Wy enthalten, werden keine gemeinsamen Ursachen für Wx und Wy enthalten. Es gibt dann also eine Korrelation zwischen Wx und Wy, die weder durch gemeinsame Verursachung, noch durch Verursachungsrelationen zwischen Wx und Wy, noch auch durch nicht-kausale Supervenienz zu erklären sind.

Dies scheint mir tatsächlich ein guter Grund zu sein, eine starke Proportionalitätsforderung im Interventionismus zu vermeiden. Allerdings hat die Argumentation nach meiner Auffassung nicht dieselbe Kraft gegen eine schwache Proportionalitätsforderung, die auf dem IV*-Interventionismus aufbaut. Die schwache Proportionalitätsforderung diskriminiert zwischen verschiedenen Ursachen, anstatt bestimmte Variablen als Ursachen auszuschließen.Footnote 235 Sie hat daher nicht die Konsequenz, dass A und S keine gemeinsamen Ursache haben.

Im IV*-Interventionismus sind sowohl TS als auch T gemeinsame Ursachen für A und S: TS ist gemeinsame Ursache für A und S relativ zu {TS, A, S}. T ist gemeinsame Ursache für A und S relativ zu {T, A, S}. Die schwache Proportionalitätsforderung fügt dem hinzu, dass TS eine ‘bessere’ Ursache für S ist als T, weil die Beziehung zwischen TS und S realisierungsinsensitiv ist, während die Beziehung zwischen T und S nicht realisierungsinsensitiv ist. Zudem ist T eine ‘bessere’ Ursache für A, weil die Beziehung zwischen T und A realisierungsinsensitiv ist, nicht aber die Beziehung zwischen TS und A. Sowohl die Variablenmenge {TS, A, S} als auch die Variablenmenge {T, A, S} sind dann zulässige Repräsentationen der vorliegenden kausalen Struktur. Die beiden Variablenmengen haben jedoch unterschiedliche Vor- und Nachteile: {TS, A, S} stellt die Beziehung zwischen TS und A nicht ideal dar, aber dafür die Beziehung zwischen TS und S. {T, A, S} stellt die Beziehung zwischen T und S nicht ideal dar, dafür aber die Beziehung zwischen T und A. Man kann daher nicht absolut sagen, dass {TS, A, S} die bessere Repräsentation ist oder dass {T, A, S} die bessere Repräsentation ist. Dies hängt scheinbar auch davon ab, welche kausale Beziehung im gegebenen Kontext relevanter ist.Footnote 236 Man kann jedoch eindeutig die Stärken und Schwächen der beiden Variablenmengen identifizieren.Footnote 237

Es ist zudem sinnvoll, den IV*-Interventionismus um eine schwache Proportionalitätsforderung zu ergänzen. Um die Autonomie mentaler Ursachen zu betonen, ist es wichtig, deutlich zu machen, in welchem Sinne es sich bei mentalen Ursachen in vielen Kontexten um ‘bessere’ Ursachen handelt als bei zugrundeliegenden physischen Ursachen.

4.4.11 Fazit

In diesem Unterkapitel habe ich untersucht, ob der Interventionismus zu einer zufriedenstellenden Konzeption mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus führt. Es hat sich dabei herausgestellt, dass der IV-Interventionismus – Woodwards ursprüngliche Formulierung der Theorie – ein interventionistisches Exklusionsprinzip bestätigt. Zudem hat der IV-Interventionismus keine Ressourcen, um zu entscheiden, welche Ursachen nach diesem Exklusionsprinzip vom kausalen Ausschluss betroffen sind. Eine Auflösung dieser Unbestimmtheit durch eine starke Proportionalitätsforderung verbietet sich dabei, da sie zu Problemen im Zusammenhang mit bestimmten Strukturen gemeinsamer Verursachung führt.

Man kommt daher nicht umhin, die Definition einer Interventionsvariablen um eine Ausnahmeklausel für Variablen zu ergänzen, die in Supervenienzbeziehungen stehen. Das Ergebnis – der IV*-Interventionismus – führt zu einer recht liberalen Auffassung von Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus. Insbesondere bestätigt der IV*-Interventionismus ein interventionistisches Prinzip der basalen Verursachung: Mentale Variablen haben daher niemals Wirkungen, die nicht zugleich auch Wirkungen ihrer Supervenienzbasen sind. Zudem bestätigt der IV*-Interventionismus ein interventionistisches Prinzip der Abwärtsverursachung: Ursachen mentaler Variablen sind zugleich immer auch Ursachen ihrer Supervenienzbasen.

Diese weitreichende Vervielfältigung von Kausalrelationen im Interventionismus motiviert eine schwache Proportionalitätsforderung: Zwar haben die Wirkungen mentaler Ursachen im Interventionismus zahlreiche in Supervenienzbeziehung stehende Ursachen. Jedoch sind in den paradigmatischen Fällen die mentalen Ursachen die ‘besten’ oder ‘ausschlaggebenden’ Ursachen im Sinne der schwachen Proportionalitätsforderung. Mentalen Ursachen kommt daher durchaus eine (eingeschränkte) Autonomie zu.Footnote 238

4.5 Kausale Abhängigkeit, kausale Produktion und der Vorwurf des Epiphänomenalismus

In den letzten beiden Unterkapiteln habe ich dafür argumentiert, dass die beiden vorherrschenden Abhängigkeitstheorien der Kausalität in ihrer Anwendung auf den nicht-reduktiven Physikalismus zur Konsequenz haben, dass es mentale Verursachung gibt. Die kontrafaktische Theorie der Kausalität und der Interventionismus führen daher zu einer Zurückweisung der ersten Prämisse des Vorwurfs des Epiphänomenalismus und damit zu einer kausalistischen Erwiderung (siehe Abschnitt 3.1.3.).: Wenn wir Kausalität also als kausale Abhängigkeit verstehen, hat der nicht-reduktive Physikalismus keinesfalls die Konsequenz, dass es keine mentale Verursachung gibt.

Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus können sich daran stoßen, dass die bis hierher verteidigte Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus auf einem Verständnis von Kausalität als kausaler Abhängigkeit beruht. Die Erwiderung scheint nur dann erfolgreich zu sein, wenn Kausalität tatsächlich kausale Abhängigkeit ist. Wenn man Kausalität hingegen als kausale Produktion versteht, gehen die letzten beiden Unterkapitel gewissermaßen am Thema vorbei. Was dann eigentlich gezeigt werden müsste, ist, dass mentale Ereignisse ihre Wirkungen hervorbringen und kausale Arbeit leisten. Was aber bis hierher nur gezeigt wurde, ist, dass mentale Ereignisse unterschied-machende Faktoren für andere Ereignisse sind.

Dieser Linie von Kritik an der entwickelten Erwiderung möchte ich mich in diesem letzten Unterkapitel zuwenden. Ich gehe dabei wie folgt vor:

In Abschnitt 4.5.1. unterscheide ich zwei Versionen des Vorwurfs des Epiphänomenalismus und präzisiere darauf aufbauend die Kritik an der entwickelten Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus. Abschnitt 4.5.2. geht auf eine verbreitete Reaktion auf den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus ein. In Abschnitt 4.5.3. verdeutliche ich, dass bereits der Nachweis der Existenz mentaler kausaler Abhängigkeit einiges leisten kann, was üblicherweise von mentaler Verursachung verlangt wird. In Abschnitt 4.5.4. weise ich das für den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus zentrale Argument zurück und argumentiere dafür, dass die Existenz mentaler Produktion nicht notwendig für die Existenz von Handlungen ist.

4.5.1 Zwei Versionen des Vorwurfs des Epiphänomenalismus

Anknüpfend an die in Abschnitt 4.1.1. eingeführte Unterscheidung zwischen kausaler Abhängigkeit und kausaler Produktion lassen sich zwei verschiedene Versionen des Vorwurfs des Epiphänomenalismus formulieren: Eine Version, die sich auf kausale Abhängigkeit bezieht und eine Version, die sich auf kausale Produktion bezieht.

Der Vorwurf des Abhängigkeits-Epiphänomenalismus:

(VEA-1) Wenn der nicht-reduktive Physikalismus wahr ist, dann gibt es keine mentale kausale Abhängigkeit.

(VEA-2) Es gibt mentale kausale Abhängigkeit.

(VEA-C) Also: Der nicht-reduktive Physikalismus ist falsch.

Der Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus:

(VEP-1) Wenn der nicht-reduktive Physikalismus wahr ist, dann gibt es keine mentale Produktion.

(VEP-2) Es gibt mentale Produktion.

(VEP-C) Der nicht-reduktive Physikalismus ist falsch.

Die Argumentation in den Unterkapiteln 4.3. und 4.4. hat gezeigt, dass die erste Prämisse des Vorwurfs des Abhängigkeits-Epiphänomenalismus falsch ist. Aus dem nicht-reduktiven Physikalismus folgt keineswegs, dass es keine mentale kausale Abhängigkeit gibt. Ganz im Gegenteil lässt sich zeigen, dass die vorherrschenden Theorien kausaler Abhängigkeit dazu führen, dass es mentale kausale Abhängigkeit unter Voraussetzung des nicht-reduktiven Physikalismus gibt.

Wir haben in Abschnitt 4.1.1. aber bereits gesehen, dass kausale Abhängigkeit auch ohne kausale Produktion vorkommen kann. Die dort diskutierten Fälle von negativer Kausalität und von Doppelverhinderung zeigen, dass kausale Abhängigkeit nicht hinreichend für kausale Produktion ist. Auch wenn die kontrafaktische Theorie der Kausalität und der Interventionismus also dazu führen, dass es mentale kausale Abhängigkeit gibt, folgt hieraus keineswegs, dass es mentale kausale Produktion gibt. Die bisherigen Überlegungen führen also noch nicht zu einer Zurückweisung des Vorwurfs des Produktions-Epiphänomenalismus.

Wie sollten nicht-reduktive Physikalist*innen also den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus zurückweisen? Es gibt – wie schon bei der originalen Version des Vorwurfs des Epiphänomenalismus – zwei Strategien zur Zurückweisung des Vorwurfs:

Erstens könnte man Prämisse (VEP-1) zurückweisen und argumentieren, dass der nicht-reduktive Physikalismus mit der Existenz mentaler Produktion kompatibel ist. Dies entspricht einer kausalistischen Erwiderung auf den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus.

Zweitens könnte man Prämisse (VEP-2) zurückweisen und akzeptieren, dass es im nicht-reduktiven Physikalismus keine mentale Produktion gibt. Mentale Ereignisse bringen ihre Wirkungen dann nicht hervor und leisten keine kausale Arbeit. Dies entspricht einer epiphänomenalistischen Erwiderung auf den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus.

Die epiphänomenalistische Erwiderung kann wiederum – wie in Abschnitt 3.5.3. ausgeführt – zwei Gestalten annehmen: Sie kann in einer radikalen und einer konservativen Form vertreten werden. Der radikale Produktions-Epiphänomenalismus würde besagen, dass die Nicht-Existenz mentaler Produktion weitreichende Konsequenzen für unser Selbst- und Menschenbild hat, mit denen wir wohl oder übel zu leben lernen müssen. Der konservative Produktions-Epiphänomenalismus würde hingegen bestreiten, dass aus der Nicht-Existenz mentaler Produktion unangenehme Konsequenzen folgen.

Ich führe in den kommenden Abschnitten einige Überlegungen zugunsten einer epiphänomenalistischen Erwiderung auf den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus an. Der Knackpunkt ist dabei, dass ein konservativer Produktions-Epiphänomenalismus vielversprechend ist, wenn eine Relation kausaler Abhängigkeit als ‚Ersatzrelation‘ bereitsteht. Die Idee einer Verteidigung eines konservativen Epiphänomenalismus unter Verweis auf eine Ersatzrelation habe ich bereits in Abschnitt 3.5.4. kurz angeschnitten. Hier wird diese Strategie nun in Bezug auf den Produktions-Epiphänomenalismus ausgeführt: Mentale kausale Abhängigkeit kann auch in Abwesenheit von mentaler kausaler Produktion alles leisten, was üblicherweise von mentaler Verursachung (bzw. mentaler Produktion) verlangt wird. Eine Ablehnung mentaler Produktion hat daher keine radikalen Konsequenzen.

Bevor ich dies aber weiter ausführe, beschäftige ich mich im kommenden Abschnitt mit einer anderen, verbreiteten Reaktion auf den Produktions-Epiphänomenalismus.

4.5.2 Die Dunkelheit des Produktionsbegriffs und die Frage nach der genuinen Kausalbeziehung

Eine verbreitete Reaktion auf den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus besteht in einer Grundsatzkritik an der Idee kausaler Produktion. So schreiben beispielsweise Christian List und Peter Menzies:

Our response is that the concept of generation or production requires clarification. […]

[U]nless a better explication can be given of causation as production, this notion can hardly play a significant role in the debate about mental causation.Footnote 239

Zudem bemerken sie, dass der Begriff der Produktion gelegentlich mit dem Begriff der hinreichenden Verursachung gleichgesetzt wird. Aber:

If this is the interpretation of production or generation, however, then this concept is not a genuinely causal concept at all. There are well-known counter-examples to this view of causation.Footnote 240

Hierbei stützen sie sich dann wiederum auf die Kritik an hinreichender Verursachung, die ich in Abschnitt 4.1.2. kurz dargestellt habe: Insbesondere werden irrelevante Faktoren als Ursachen klassifiziert. Der Lärm wird als Ursache für das Wiedererscheinen des Mondes nach der Mondfinsternis klassifiziert. Barry Loewer weist in demselben Kontext zudem auf das Problem der Komplexität hinreichender Ursachen hin: „If one wants to speak of ‘production’, it seems that it is the whole state and the laws that produce subsequent states.“Footnote 241

Eine typische Reaktion auf den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus besteht also in der Behauptung, dass der Begriff der kausalen Produktion dunkel und/oder nicht genuin kausal sei. Daher könne er keine tragende Rolle in einem Epiphänomenalismus-Vorwurf gegen den nicht-reduktiven Physikalismus spielen. Eine naheliegende Erwiderung auf diese Sorge besteht in einer Klärung und Verteidigung des Begriffs kausaler Produktion. Jaegwon Kim, der den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus stark macht, gründet sein Verständnis von Produktion auf zwei Quellen:

Erstens beruft er sich auf Elizabeth Anscombes klassischen Aufsatz ‘Causality and Determination’.Footnote 242 Anscombes Verständnis von Kausalität ist eng an die Idee einer Produktion von Wirkungen durch Ursachen geknüpft: „Effects derive from, arise out of, come of, their causes“Footnote 243. Hierbei argumentiert Anscombe jedoch explizit gegen eine Gleichsetzung oder enge Verwandtschaft von hinreichenden Bedingungen und Kausalität.Footnote 244 Gehen wir also von einem Anscomb’schen Verständnis von kausaler Produktion aus, scheint zumindest die Argumentationslinie, nach der Produktion kein genuin kausaler Begriff ist, weil er mit hinreichender Verursachung gleichgesetzt wird, keine Schlagkraft zu haben.

Mit Bezug auf das Anscomb’sche Verständnis von Produktion schreiben List und Menzies entsprechend: „Anscombe treats productive causation as primitive, and neither she nor Kim elucidates the concept“Footnote 245. Dieser Begriff sei also zu unverständlich, um eine tragende Rolle in einem Epiphänomenalismus-Vorwurf zu spielen. Man kann hier aber erwidern, dass einige Begriffe nun einmal primitiv sind. Und es ist durchaus möglich, dass wir eine hinreichende Bekanntschaft mit einem primitiven Begriff kausaler Produktion haben, auch wenn wir ihn nicht durch andere Begriffe definieren oder reduktiv analysieren können.

Zweitens bezieht sich Kim zur Erläuterung seines Verständnisses von kausaler Produktion auf Phil Dowes Erhaltungsgrößentheorie der Kausalität. Kim schreibt:

These causal processes all involve real connectedness between cause and effect, and the connection is constituted by phenomena such as energy flow and momentum transfer, an actual movement of some (conserved) physical quantity.Footnote 246

Wie in Abschnitt 4.1.1. geschildert, versteht Dowe kausale Prozesse als Weltlinien von Objekten, die eine Erhaltungsgröße haben und kausale Interaktionen als Überschneidungen von Weltlinien von Objekten, die mit einer Übertragung einer Erhaltungsgröße einhergehen. Die Grundidee ist dann, dass Ursachen und Wirkungen durch so verstandene kausale Prozesse und kausale Interaktionen miteinander verbunden sind und dass sich entsprechend immer eine Erhaltungsgröße von der Ursache zur Wirkung verfolgen lässt.Footnote 247 Die Idee eines Produzierens oder Hervorbringens findet ihren Ausdruck dann in der Übertragung dieser Erhaltungsgröße.

Ein Dowe’sches Verständnis von kausaler Produktion ist also nicht primitiv und auch nicht in einem problematischen Maße dunkel. Auch hier ist Produktion nicht mit hinreichender Verursachung gleichzusetzen: Mein Stoß gegen die weiße Kugel beim Billard ist über kausale Prozesse und Interaktionen mit dem Einlochen der 11er Kugel verbunden, ohne dass der Stoß für sich genommen hinreichend für das Einlochen wäre. Der Einwand, dass der Produktionsbegriff zu dunkel ist oder deshalb kein genuin kausaler Begriff ist, weil er mit hinreichender Verursachung gleichzusetzen ist, scheint hier also nicht zu greifen.

Natürlich könnte man nun argumentieren, dass kausale Produktion in diesem Sinne aus anderen Gründen kein genuin kausaler Begriff ist. Auch gegen Dowes Produktionstheorie der Kausalität gibt es „well-known counter-examples“Footnote 248.Footnote 249 Ich denke jedoch, dass die Existenz von Gegenbeispielen und die Frage, welcher Begriff oder welche Begriffe ‘genuin kausal’ sind, ohnehin nur von bedingter Relevanz in der Dialektik des Vorwurfs des Epiphänomenalismus sind.

Der Grund hierfür ist folgender: Selbst wenn wie auch immer verstandene kausale Produktion kein genuin kausaler Begriff ist, kann der Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus ein ernstzunehmendes Problem für den nicht-reduktiven Physikalismus darstellen. Wenn aus dem nicht-reduktiven Physikalismus folgt, dass es keine mentale Produktion gibt und sich aus der Nicht-Existenz mentaler Produktion weitreichende Konsequenzen für unser Selbst- und Menschenbild ergeben, ist dies auch dann ein Problem für den nicht-reduktiven Physikalismus, wenn Produktion kein genuin kausaler Begriff ist. Eine Grundsatzkritik am Begriff kausaler Produktion kann daher für sich genommen nicht den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus zurückweisen. Es müsste noch immer gezeigt werden, dass aus dem nicht-reduktiven Physikalismus nicht folgt, dass es keine mentale Produktion gibt, oder dass wir ohne radikale Konsequenzen auf die Annahme mentaler Produktion verzichten können. Der Verweis darauf, dass der Begriff kausaler Produktion dunkel oder nicht-kausal ist, lässt offen, welche dieser Strategien mit Blick auf den Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus verfolgt wird.

Dieser Punkt geht in beide Richtungen: Auch der Nachweis, dass kausale Abhängigkeit kein genuin kausaler Begriff ist, würde nicht zeigen, dass kausale Abhängigkeit keine wichtige Arbeit für die Zurückweisung des Vorwurfs des Epiphänomenalismus leisten kann. Man kann einen Produktions-Epiphänomenalismus vertreten, auch wenn Produktion die einzige ‚echte‘ Kausalbeziehung ist.Footnote 250 Denn mit den (laut Autoren wie Dowe und Kim eben nur Pseudo-kausalen) Relationen, die in der kontrafaktischen Theorie der Kausalität und der interventionistischen Theorie der Kausalität spezifiziert werden, steht eine hervorragende Ersatz-Relation für die Verteidigung eines konservativen Produktions-Epiphänomenalismus zur Verfügung. Der Produktions-Epiphänomenalismus hat keine radikalen Konsequenzen für unser Welt- und Menschenbild. Denn alles, was von einer ‚genuinen‘ – das hieße dann produktiven – Kausalrelation geleistet werden soll, kann auch von einer Beziehung der kausalen Abhängigkeit geleistet werden.

Es zeigt sich hier, dass die Frage nach der korrekten Theorie der Kausalität für die Zurückweisung des Vorwurfs des Epiphänomenalismus weniger bedeutsam ist, als häufig angenommen. Insbesondere ist es nicht so, als wäre die Plausibilität des nicht-reduktiven Physikalismus davon abhängig, welche Theorie der Kausalität sich in der unabhängigen Diskussion um die Metaphysik der Kausalität durchsetzt. Nicht-reduktive Physikalist*innen müssen nicht darauf hoffen, dass sich Abhängigkeitstheorien insgesamt als plausibler erweisen als Produktionstheorien. Vielmehr reicht es, zu zeigen, dass die Relation der kausalen Abhängigkeit – ganz gleich, ob es sich um eine genuin kausale Beziehung handelt – geeignet ist, um absurde Konsequenzen des nicht-reduktiven Physikalismus zu vermeiden.

Um dies weiter auszuführen, gehe ich im nächsten Abschnitt zunächst darauf ein, was der Nachweis mentaler kausaler Abhängigkeit bereits leisten kann – selbst wenn er nicht durch Produktionsbeziehungen untermauert ist.

4.5.3 Der Wert mentaler kausaler Abhängigkeit

Jonathan Schaffer vergleicht zwei Mechanismen, die einen Knopfdruck mit der Explosion einer Bombe verbinden könnten:

Perhaps pressing the button generates an electrical current that connects to the bomb and triggers the explosion.

Or perhaps pressing the button causes the absence of an inhibiting shield that had been preventing the source current from triggering the explosion.Footnote 251

Im ersten Fall löst der Knopfdruck ein elektrisches Signal aus, das direkt zur Explosion der Bombe führt. In diesem Fall kann die Verbindung zwischen Knopfdruck und Explosion als eine Beziehung kausaler Produktion verstanden werden. Im zweiten Fall hingegen ist der Knopfdruck mit der Explosion der Bombe über eine Doppelverhinderungsstruktur verbunden: Das Quellsignal ist auch ohne den Knopfdruck bereits vorhanden, wird jedoch nicht an die Bombe weitergeleitet, weil eine Abschirmung der Bombe dies verhindert. Der Knopfdruck entfernt dann die Abschirmung und verhindert so, dass die Abschirmung die Explosion der Bombe verhindert. In diesem Falle sind Knopfdruck und Explosion der Bombe nicht über eine Beziehung kausaler Produktion miteinander verbunden. Denn die Verbindung zwischen Knopfdruck und Explosion involviert ein negatives Ereignis, nämlich die Abwesenheit der Abschirmung.

Der Punkt, der anhand dieses Beispiels veranschaulicht werden kann, ist, dass der Unterschied zwischen den beiden Mechanismen in vielerlei Hinsicht irrelevant ist: Bei beiden Mechanismen macht der Knopfdruck einen Unterschied für die Explosion der Bombe. In beiden Fällen ist der Knopfdruck ein effektives Mittel, um die Explosion der Bombe hervorzurufen. In beiden Fällen kann man auf Grundlage der Information, dass der Knopf gedrückt wird, vorhersagen, dass die Bombe explodieren wird. Auch kann man in beiden Fällen eine Explosion der Bombe unter Bezug auf den Knopfdruck erklären. Schließlich kann man eine Person, die den Knopf drückt, auch in beiden Fällen moralisch verantwortlich für die Explosion der Bombe machen. Für all diese Dinge scheint es schlichtweg irrelevant zu sein, ob die Verbindung zwischen Knopfdruck und Explosion im Sinne einer kausalen Produktion verstanden werden kann, oder ob hier eine kausale Abhängigkeit ohne Produktion vorliegt.Footnote 252

Diese Beobachtungen legen nahe, dass auch durch eine kausale Abhängigkeitsbeziehung zwischen mentalen und behavioralen Ereignissen bereits viel geleistet werden kann. Wir können hierdurch Erklärungen behavioraler Ereignisse durch mentale Ereignisse untermauern: Susis Wunsch, den Arm zu heben, erklärt, warum sie ihren Arm hebt. Wir können auf der Basis mentaler Ereignisse Vorhersagen über das Verhalten anderer Personen treffen: Wenn wir wissen, dass Susi den Wunsch hat, den Arm zu heben, ist dies ein guter Grund damit zu rechnen, dass sie den Arm heben wird. Und eine Einflussnahme auf die mentalen Ereignisse anderer Personen ist ein effektives Mittel, um ihr Verhalten zu ändern. All diese Punkte scheinen nicht darauf angewiesen zu sein, dass mentale Ereignisse ihre Wirkungen produzieren. Stattdessen reicht bereits das Bestehen einer kausalen Abhängigkeitsbeziehung für all dies hin.

Auch wenn das Bestehen einer kausalen Abhängigkeitsbeziehung zwischen mentalen Ereignissen und behavioralen Ereignisse also bereits einige radikale Konsequenzen, die typischerweise mit dem Epiphänomenalismus in Zusammenhang gebracht werden (und teilweise für die Epiphobie verantwortlich sein mögen), abwenden kann, ist hiermit noch nicht gesagt, dass es nicht weitere Aspekte gibt, für die eine Produktionsbeziehung zwischen mentalen Ereignissen und behavioralen Ereignissen benötigt wird. In Abschnitt 3.5.2. habe ich das Argument aus der Existenz von Handlungen als das wichtigste Argument gegen den Epiphänomenalismus eingeführt. Im folgenden Abschnitt soll dieses Argument nun vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen kausaler Produktion und kausaler Abhängigkeit betrachtet werden.

4.5.4 Kausale Abhängigkeit, kausale Produktion und die Existenz von Handlungen

Um Prämisse (VEP-2) des Vorwurfs des Produktions-Epiphänomenalismus (‘Es gibt mentale Produktion’) zu begründen, sollte man zeigen, dass die Ablehnung mentaler Produktion Konsequenzen hat, die man nicht akzeptieren kann. Die von Fodor geschilderte Epiphobie bezieht sich dann (auch) auf den Produktions-Epiphänomenalismus. Und der Produktions-Epiphänomenalismus käme nicht weniger als der Abhängigkeits-Epiphänomenalismus einem „Ende der Welt“ gleich.Footnote 253

Wie in Abschnitt 3.5.2. geschildert, betrifft eine zentrale ‘Gefahr’ eines Epiphänomenalismus den Handlungsbegriff. Dies drückt sich in dem folgenden Argument aus der Existenz von Handlungen aus:

Das Argument aus der Existenz von Handlungen

(AH-1) Wenn es keine mentale Verursachung gibt, dann gibt es keine Handlungen.

(AH-2) Es gibt Handlungen.

(AH-3) Also: Es gibt mentale Verursachung.

Wenn nun gezeigt werden kann, dass dieses Argument aus der Existenz von Handlungen unter Voraussetzung eines Begriffs der kausalen Produktion funktioniert, ist dies sicherlich eines der stärksten möglichen Argumente für Prämisse (VEP-2). Das Argument aus der Existenz von Handlungen gegen den Produktions-Epiphänomenalismus sieht wie folgt aus:

Das Argument aus der Existenz von Handlungen – Produktion

(AHP-1) Wenn es keine mentale Produktion gibt, dann gibt es keine Handlungen.

(AHP-2) Es gibt Handlungen.

(AHP-K) Also: Es gibt mentale Produktion.

Tatsächlich legt Jaegwon Kim seinem Vorwurf des Produktions-Epiphänomenalismus eben ein solches Argument zugrunde, wenn er schreibt:

We care about mental causation because we care about human agency, and agency requires the productive/generative conception of causation. […] It seems to me that mere counterfactual dependence is not enough to sustain the causal relation involved in our idea of acting upon the natural course of events and bringing about changes so as to actualize what we desire and intend. An agent is someone who, on account of her beliefs, desires, emotions, intentions, and the like has the capacity to perform actions in the physical world: that is, to cause her limbs and other bodily parts to move in appropriate ways so as to bring about changes in the arrangement of objects and events around her – open a door, pick up the morning paper, and make a cup of coffee. It seems to me that without productive causation, which respects the locality/contiguity condition, such causal processes are not possible. These causal processes all involve real connectedness between cause and effect, and the connection is constituted by phenomena such as energy flow and momentum transfer, an actual movement of some conserved physical quantity.Footnote 254

Die Idee ist hier also, dass wir nur dann handeln können, wenn wir unsere Handlungen hervorbringen oder produzieren. Da die Existenz mentaler kausaler Abhängigkeit jedoch nicht impliziert, dass wir unsere Handlungen hervorbringen oder produzieren, kann der Nachweis mentaler kausaler Abhängigkeit auch nicht die Existenz von Handlungen retten. Ohne mentale kausale Produktion gibt es keine Handlungen. Der Produktions-Epiphänomenalismus ist das Ende der Welt.

Ich sehe eine Reihe von Problemen mit dieser Argumentation, die ich im Folgenden schildern werde:

Erstens verweist Kim in dem obigen Zitat auf schwierig theoretisch einzuordnende Intuitionen über die Natur von Handlungen. Er schildert „our idea of acting upon the natural course of events“ und schreibt, dass „an agent is someone who […] has the capacity to […] cause her limbs […] to move“. Tatsächlich sind dies Ideen, die in unserem vortheoretischen Verständnis von Handlungen eine wichtige Rolle spielen. Sie theoretisch einzufangen, ist jedoch bekanntermaßen schwierig. Und es ist keinesfalls eindeutig, dass eine Produktionsbeziehung zwischen mentalen Ereignissen und Körperbewegungen hierbei von großer Hilfe wäre. Kims Formulierungen legen vielmehr nahe, dass erst eine akteurskausalistische Theorie von Handlungen die angesprochenen Intuitionen angemessen einfangen könnte: Die Person produziert ihre Handlungen und greift somit von außen in den natürlichen Verlauf der Welt ein. In dieses Paket von Intuitionen über Handlungen gehört sicherlich auch die Idee, dass die Person in einer produktiven Relation zu ihrer Handlung steht. Zugleich scheinen mir die Aussichten, diese Intuitionen im Rahmen einer naturalistisch ausgerichteten Handlungstheorie einzufangen, jedoch eher schlecht. Es ist daher fragwürdig, ob sich Kim auf solcherlei Intuitionen berufen kann, um ein reduktiv-physikalistisches Bild von Handlungen zu motivieren und es als vorteilhaft gegenüber einem nicht-reduktiv-physikalistischen Bild von Handlungen auszuweisen.

Naheliegend wäre es stattdessen, kausaler Produktion im Rahmen einer kausalen Handlungstheorie eine unverzichtbare Rolle zuzuschreiben. Zweitens sehe ich hierfür jedoch keine zwingenden Gründe. Die kausale Handlungstheorie kann ihre wesentlichen Vorzüge auch auf Grundlage einer Abhängigkeitstheorie der Kausalität etablieren. Dies kann durch die folgenden Überlegungen untermauert werden:

Die Unterscheidung zwischen Handlungen und bloßen Geschehnissen wird in der kausalen Handlungstheorie auf der Grundlage eines kausalen Kriteriums gezogen: Handlungen sind Ereignisse, die durch rationalisierende mentale Ereignisse verursacht werden. Dieses Unterscheidungskriterium zieht seine Attraktivität aus einer überzeugenden Anwendung auf paradigmatische Fälle: Susis Armbewegung wird als Handlung klassifiziert, weil sie von einem passenden Wunsch und einer passenden Überzeugung verursacht wird. Wenn Susi nießt, ist dies hingegen keine Handlung, weil dieses Ereignis nicht durch mentale Ereignisse verursacht wird, die es rational erscheinen lassen, zu nießen. Eine Deutung von Verursachung im Sinne kausaler Abhängigkeit in diesem Unterscheidungskriterium scheint gut geeignet zu sein, diesen Vorteil der kausalen Handlungstheorie zu erhalten: Susis Armbewegung ist kausal abhängig von rationalisierenden mentalen Ereignissen, aber ihr Nießen ist dies nicht. Dies kann schon auf der Grundlage einer einfachen kontrafaktischen Theorie der Kausalität etabliert werden: Wenn Susi nicht den Wunsch gehabt hätte, den Arm zu heben, dann hätte sie nicht den Arm gehoben. Aber ihr Nießen ist nicht von rationalisierenden mentalen Ereignissen abhängig: Wenn Susi hätte nießen wollen hätte sie genießt und wenn sie nicht hätte nießen wollen, hätte sie ebenfalls genießt.

Eine klassische Motivation für die kausale Handlungstheorie ist zudem Donald Davidsons Beobachtung, dass „a person can have a reason for an action, and perform the action, and yet this reason not be the reason why he did it“.Footnote 255 Al Mele gibt zur Veranschaulichung das folgende Beispiel:

Two different things, T1 and T2, independently dispose Al to mow his lawn this morning. T2 has to do with schedule-related convenience and T2 with vengeance. Al wants to mow his lawn this week, and he believes that this morning is a convenient time, given his schedule for the week. But he also wants to repay his neighbour for the rude awakening he suffered recently when she turned on her mower at the crack of dawn, and he believes that mowing his lawn this morning would constitute suitable repayment. As it happens, Al's purpose in mowing his lawn this morning accords with one or the other of T1 and T2 but not both.Footnote 256

Davidsons Herausforderung für alle Handlungstheorien besteht hier darin, eine Unterscheidung zwischen bloßen Gründen für eine Handlung und den Gründen, aus denen eine Handlung ausgeführt wurde, zu ziehen. Wir können zum Beispiel davon ausgehen, dass Al in Meles Beispiel den Rasen mäht, um seine Nachbarin zu verärgern, während seine Überlegungen zu seinem Wochenplan keine ausschlaggebende Rolle spielen. Die kausale Handlungstheorie kann diese Unterscheidung wiederum auf elegante Weise durch ein kausales Kriterium ziehen: Bloße Gründe für eine Handlung sind mentale Ereignisse, die eine Handlung zwar rationalisieren, aber nicht verursachen. Gründe, aus denen eine Handlung ausgeführt wird, sind hingegen mentale Ereignisse, die die Handlung sowohl rationalisieren als auch verursachen. Auch hier scheint eine Deutung von Verursachung im Sinne kausaler Abhängigkeit die gewünschte theoretische Rolle spielen zu können: Plausiblerweise sorgen bereits die einfachen kontrafaktischen Konditionale in Bezug auf das obige Beispiel für das gewünschte Ergebnis: Hätte Al nicht die Überlegungen zu seinem Wochenplan angestellt, hätte er den Rasen (aufgrund seines Wunsches nach Rache) noch immer gemäht. Hätte er hingegen den Wunsch nach Rache nicht gehabt, hätte er den Rasen nicht gemäht. Denn die Überlegungen zu seinem Zeitplan alleine hätten ihn nicht zur Handlung motiviert.

Das einschlägigste Problem für die kausale Handlungstheorie besteht in Fällen abweichender Kausalketten. Gelegentlich verursachen rationalisierende mentale Ereignisse ein Ereignis, ohne dass dieses Ereignis plausibel als Handlung betrachtet werden kann. Das kausale Kriterium zur Abgrenzung von Handlungen ist daher nicht hinreichend. Davidson gibt hierfür das folgende Beispiel:

A climber might want to rid himself of the weight and danger of holding another man on a rope, and he might know that by loosening his hold on the rope he could rid himself of the weight and danger. This belief and want might so unnerve him as to cause him to loosen his hold, and yet it might be the case that he never chose to loosen his hold, nor did he do it intentionally.Footnote 257

Hier hat der Kletterer mentale Zustände, die einen Grund dafür konstituieren, das Seil loszulassen und den Mann in die Tiefe fallen zu lassen. Auch verursachen diese mentalen Zustände (über den Umweg der Nervosität), dass der Kletterer das Seil loslässt. Dennoch ist das Loslassen keine Handlung des Kletterers.

Ein starkes Argument für eine Ausdeutung der kausalen Handlungstheorie im Sinne kausaler Produktion würde sich sicherlich ergeben, wenn eine Produktionstheorie der Kausalität dieses Problem der abweichenden Kausalketten lösen könnte, während eine Abhängigkeitstheorie scheitert. Auch dies ist jedoch nicht zu erwarten. Denn die typische Reaktion auf Fälle kausaler Abweichung besteht nicht darin, die zugrundeliegende Kausalbehauptung zu bestreiten, sondern darin, das kausale Kriterium zur Abgrenzung von Handlungen um zusätzliche Bedingungen zu verstärken. Abweichende Kausalketten sind demnach Kausalketten – die eine wie auch immer spezifizierte zusätzliche Bedingung nicht erfüllen. Es ist daher nicht offenbar, dass unterschiedliche Kausaltheorien hier überhaupt etwas leisten können.

Wenn man aber den Weg wählt, zu bestreiten, dass die rationalisierenden mentalen Zustände im Fall des Kletterers verursachen, dass der Kletterer das Seil loslässt, scheinen Abhängigkeitstheorien der Kausalität sehr viel vielversprechender zu sein: Ein interessanter Ansatz beruht beispielsweise auf einer Anwendung einer Proportionalitätsforderung auf den Fall der abweichenden Kausalketten. So ließe sich, wie Neil McDonnell argumentiert, möglicherweise bestreiten, dass die rationalisierenden mentalen Ereignisse proportional zur Nervosität des Kletterers sind. Zumindest dies scheint aber eine Strategie zu sein, die nur im Rahmen einer Abhängigkeitstheorie zu verfolgen ist.Footnote 258

Eine abschließende Bewertung der Rolle der Unterscheidung zwischen kausaler Produktion und kausaler Abhängigkeit in der kausalen Handlungstheorie kann hier natürlich nicht geleistet werden. Die angeführten Überlegungen lassen jedoch keinen zwingenden Grund erkennen, der kausalen Handlungstheorie einen Begriff kausaler Produktion zugrunde zu legen. Stattdessen kann die kausale Handlungstheorie auf einer Abhängigkeitstheorie der Kausalität aufgebaut werden. Die kausale Handlungstheorie ist eine wichtige Motivation für Prämisse (AH-1) des ursprünglichen Arguments aus der Existenz von Handlungen. Wenn die kausale Handlungstheorie aber auf kausaler Abhängigkeit aufgebaut werden kann, überträgt sich diese Motivation nicht auf Prämisse (AHP-1) der Produktionsversion des Arguments aus der Existenz von Handlungen.

Ein drittes Problem mit Kims Plausibilisierung der Produktionsversion des Arguments aus der Existenz von Handlungen ist das folgende: Es gibt empirische Gründe, zu bestreiten, dass mentale Ereignisse ihre Wirkungen produzieren. Jonathan Schaffer schreibt folgendes über den tatsächlichen Mechanismus, der zu Muskelkontraktionen führt:

[N]erve signals only cause muscle contractions […] by negative causation: the firing of the nerves causes a calcium cascade through the muscle fiber, which causes calcium-troponin binding, which causes the removal of tropomyosin from the binding sites on the actin which causes myosin-actin binding, and thereby causes the actin to be pulled in and the muscle to contract. […]

Since all voluntary human actions are due to muscle contractions, it follows that all voluntary human actions (perhaps the most paradigmatic of all causes) involve negative causation.Footnote 259

Laut Schaffer hat der Mechanismus, der zu Muskelkontraktionen führt, also eine Doppelverhinderungsstruktur: Denn ein wesentlicher Schritt in der Verursachung einer Muskelkontraktion ist die Entfernung von Tropomyosinfäden vom Aktinfilament. Ein Nervenimpuls von der motorischen Endplatte bewirkt zunächst die Ausschüttung von Calcium, was zu einer Entfernung der Tropomyosinfäden führt. Dies wiederum führt dazu, dass sich Myosin an das Aktin binden kann.Footnote 260 Der Nervenimpuls verhindert also, dass die Tropomyosinfäden verhindern, dass sich das Myosin an das Aktin bindet. Da es sich hier um einen Fall von Doppelverhinderung handelt, kann es sich nicht um eine Beziehung kausaler Produktion handeln. Da Handlungen üblicherweise mit Körperbewegungen einhergehen und Körperbewegungen Muskelkontraktionen involvieren, folgt aus dieser Beobachtung, dass Handlungen nicht durch neuronale Ereignisse produziert werden. Gerade auch in Versionen des reduktiven Physikalismus, in denen mentale Ereignisse mit neuronalen Ereignissen identifiziert werden, scheint hieraus zu folgen, dass mentale Ereignisse Handlungen nicht produzieren.Footnote 261

Wenn Kim also damit recht hat, dass Handlungen produziert werden müssen und Produktion „an actual movement of some conserved physical quantity“ erfordert, zeigt bereits eine genauere Betrachtung des Mechanismus, der zu Muskelkontraktion führt, dass es keine Handlungen gibt. Diese Konklusion ist dann nicht vom nicht-reduktiven Physikalismus abhängig, sondern ergibt sich gerade auch im reduktiven Physikalismus. Dies scheint ein guter Grund zu sein, die Forderung, dass Handlungen produziert werden müssen, aufzugeben.Footnote 262 Zudem ergibt sich hieraus ein guter Grund, eine kausale Handlungstheorie nicht auf den Begriff der kausalen Produktion aufzubauen: Denn insofern Handlungen tatsächlich nicht produziert werden, scheitert auch das auf kausaler Produktion basierende kausale Kriterium zur Abgrenzung von Handlungen: Susis Armheben ist ebensowenig von rationalisierenden mentalen Ereignissen produziert wie ihr Nießen.

Ich denke, dass die in diesem Abschnitt ausgeführten Überlegungen zeigen, dass die Produktionsversion des Arguments aus der Existenz von Handlungen scheitert: Aus der Nicht-Existenz mentaler Produktion folgt nicht, dass es keine Handlungen gibt. Hiermit bricht das zentrale Argument gegen einen Produktions-Epiphänomenalismus ein. Es sieht danach aus, dass ein konservativer Produktions-Epiphänomenalismus problemlos verteidigt werden kann: Die Existenz mentaler Produktion ist sicherlich kein Moore’scher Fakt und ich sehe nicht, warum die Nicht-Existenz mentaler Produktion das Ende der Welt sein sollte.