Der nicht-reduktive Physikalismus wirkt deshalb attraktiv, weil er einerseits realistischen Intuitionen in Bezug auf mentale Entitäten gerecht wird, andererseits mentale Entitäten aber auch in einer grundlegend physischen Welt verortet. Auf diese Weise verspricht er eine Vermittlung zwischen unseren alltäglichen, vor-theoretischen Überzeugungen über denkende und handelnde Personen auf der einen Seite und dem theoretischen Bedürfnis nach einer einfachen, einheitlichen und wissenschaftsnahen Metaphysik auf der anderen Seite.

In der bisherigen Charakterisierung des nicht-reduktiven Physikalismus habe ich jedoch einen wichtigen Aspekt ausgeklammert: Zu unseren vor-theoretischen Überzeugungen gehört es nach allgemeiner Auffassung nicht nur, dass mentale Entitäten einfach bloß existieren. Vielmehr müssen sie auch wirksam sein. Sie müssen den Verlauf der Welt mitbestimmen und eine Funktion erfüllen. Personen müssen nicht nur faktisch denken und fühlen. Ihre Gedanken und Gefühle müssen auch einen Unterschied machen. Kurz: Es muss mentale Verursachung geben.

An dieser Stelle setzt nun der stärkste und meistdiskutierte Einwand gegen den nicht-reduktiven Physikalismus an: der Vorwurf des Epiphänomenalismus. Laut diesem Vorwurf kann der nicht-reduktive Physikalismus der Existenz mentaler Verursachung nicht Rechnung tragen. Da es sich bei der Annahme mentaler Verursachung zugleich um eine absolut zentrale und unverzichtbare Annahme handele, sei der nicht-reduktive Physikalismus aufzugeben. Er führe unweigerlich in die absurde Position des Epiphänomenalismus, demzufolge es keine mentale Verursachung gibt.

Ziel des zweiten Teils dieser Arbeit ist es, den Vorwurf des Epiphänomenalismus ausführlich zu rekonstruieren und zu diskutieren. Dabei gehe ich wie folgt vor: In Abschnitt 3.1. gehe ich zunächst knapp auf die These der mentalen Verursachung ein und skizziere den Vorwurf des Epiphänomenalismus, demzufolge nicht-reduktive Physikalist*innen die These der mentalen Verursachung nicht akzeptieren können, obgleich jeder diese These akzeptieren muss. Die restlichen Abschnitte konstituieren dann eine ausführliche Diskussion des Vorwurfs des Epiphänomenalismus. In Abschnitt 3.2. gehe ich ausführlich auf die These der kausalen Geschlossenheit ein, die eine tragende Rolle im Vorwurf des Epiphänomenalismus spielt. Darauf aufbauend diskutiere ich in den Abschnitten 3.3. und 3.4. Argumente dafür, dass nicht-reduktive Physikalist*innen die These der mentalen Verursachung nicht akzeptieren können. In Abschnitt 3.5. schließlich diskutiere ich Argumente dafür, dass jeder die These der mentalen Verursachung akzeptieren muss.

3.1 Mentale Verursachung und der Vorwurf des Epiphänomenalismus

In diesem Abschnitt führe ich den Vorwurf des Epiphänomenalismus ein. In Abschnitt 3.1.1. führe ich anhand eines Beispiels vier Arten von mentaler Verursachung ein. In Abschnitt 3.1.2. unterscheide ich epiphänomenalistische und kausalistische Versionen des nicht-reduktiven Physikalismus. Abschnitt 3.1.3. widmet sich einer knappen Rekonstruktion des Vorwurfs des Epiphänomenalismus.

3.1.1 Mentale Verursachung: Ein Beispiel und vier Thesen

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Phänomene mit dem Begriff ‚mentale Verursachung‘ angesprochen sind, kann man sich das folgende, einfache Beispiel vor Augen halten: Susi sitzt in einem Philosophieseminar, hat einen interessanten Gedanken, und möchte diesen in einem Wortbeitrag mitteilen. Sie hebt daher ihre Hand, um die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken. In dieses Beispiel lassen sich nun eine Reihe von Thesen der mentalen Verursachung hineinlesen.

Mental-mentale Verursachung: Susis interessanter Gedanke verursacht ihren Wunsch, die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken. Hier haben wir einen Fall mental-mentaler Verursachung: Ein mentales Ereignis (Susis Gedanke) verursacht ein anderes mentales Ereignis (Susis Wunsch).

Mental-behaviorale Verursachung: Susis Wunsch, die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken, verursacht, dass Susi ihren Arm hebt. Hier verursacht ein mentales Ereignis (Susis Wunsch) eine Körperbewegung oder eine Verhaltensweise (ihr Armheben). Ich spreche hier von mental-behavioraler Verursachung.

Mental-neurologische Verursachung: Susis Wunsch verursacht (womöglich über weitere neurologische Zwischenglieder) bestimmte neurologische Vorgänge in ihrem motorischen Cortex, die schließlich dazu führen, dass sie ihren Arm hebt. Laut dieser These verursacht ein mentales Ereignis (Susis Wunsch) neurologische Ereignisse (Vorgänge im motorischen Cortex). Ich spreche in so einem Fall allgemein von mental-neurologischer Verursachung.

Mental-mikrophysikalische Verursachung: Susis Wunsch verursacht Veränderungen in den Elementarteilchen, die die Neuronen in ihrem motorischen Cortex konstituieren. Laut dieser These verursacht ein mentales Ereignis (Susis Wunsch) mikrophysikalische Ereignisse. Hier spreche ich von mental-mikrophysikalischer Verursachung.

All dies sind Fälle von mentaler Verursachung. Im Allgemeinen spreche ich immer dann von mentaler Verursachung, wenn ein mentales Ereignis als Ursache in Erscheinung tritt.

Ich habe oben geschrieben, dass sich diese Behauptungen in das Beispiel ‚hineinlesen‘ lassen. Diese vage Formulierung lässt absichtlich offen, ob sich diese Behauptungen zwingend aus dem Beispiel ergeben. Folgt daraus, dass Susi ihre Hand hebt, um die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken, tatsächlich, dass es mental-behaviorale, mental-neurologische und mental-mikrophysikalische Verursachung gibt? Diese Fragen nehme ich erst in Abschnitt 3.5 wieder auf. An dieser Stelle dient das Beispiel lediglich einer ersten Veranschaulichung der These der Existenz mentaler Verursachung.

3.1.2 Epiphänomenalismus und Kausalismus

Da der nicht-reduktive Physikalismus nach meiner Charakterisierung in Teil 2 dieser Arbeit nicht per definitionem auf die Existenz mentaler Verursachung festgelegt ist,Footnote 1 lassen sich verschiedene Versionen des nicht-reduktiven Physikalismus mit Blick auf ihre Einstellung zu mentaler Verursachung unterscheiden. Insbesondere ergibt sich zunächst eine einfache Unterscheidung zwischen einem epiphänomenalistischen nicht-reduktiven Physikalismus und einem kausalistischen nicht-reduktiven Physikalismus.

Der epiphänomenalistische nicht-reduktive Physikalismus (im Folgenden schlicht ‚Epiphänomenalismus‘) ergänzt die Kernthesen des nicht-reduktiven Physikalismus durch die Annahme, dass es keine mentale Verursachung gibt. Dem Epiphänomenalismus zufolge sind also alle oben angeführten Behauptungen mentaler Verursachung falsch: Susis Gedanke verursacht nicht ihren Wunsch und ihr Wunsch verursacht weder ihr Verhalten, noch die Vorgänge in ihrem motorischen Cortex oder die Veränderungen in den Elementarteilchen, die ihren motorischen Cortex konstituieren.

Der kausalistische nicht-reduktive Physikalismus (im Folgenden schlicht ‚Kausalismus‘) ergänzt die Kernthesen des nicht-reduktiven Physikalismus durch die Annahme, dass es mentale Verursachung gibt. Der Kausalismus ist dabei als allgemeine Position neutral gegenüber der Frage, welche konkreten Behauptungen mentaler Verursachung wahr sind. Mit dem Kausalismus ist es zum Beispiel auch vereinbar, dass es nur mental-mentale Verursachung gibt, aber keine mental-behaviorale oder mental-neurologische Verursachung. Es ergibt sich also die Möglichkeit weiterer Unterscheidungen innerhalb des Kausalismus. Diese werde ich später (in Abschnitt 3.4.) auch wieder aufgreifen.

3.1.3 Der Vorwurf des Epiphänomenalismus

Der Vorwurf des Epiphänomenalismus ist der meistdiskutierte Einwand gegen den nicht-reduktiven Physikalismus. Laut diesem Vorwurf kann der nicht-reduktive Physikalismus der Existenz mentaler Verursachung nicht Rechnung tragen. Da es sich bei der Annahme mentaler Verursachung zugleich um eine absolut zentrale und unverzichtbare Annahme handele, sei der nicht-reduktive Physikalismus aufzugeben. Der nicht-reduktive Physikalismus führe unweigerlich in den Epiphänomenalismus, der aber keine haltbare Position sei.

Eine einfache Rekonstruktion des Vorwurfs des Epiphänomenalismus ist also die folgende:

Vorwurf des Epiphänomenalismus

(VE1) Wenn der nicht-reduktive Physikalismus wahr ist, dann gibt es keine mentale Verursachung.

(VE2) Es gibt mentale Verursachung.

(VEC) Der nicht-reduktive Physikalismus ist falsch.

Gegeben diese einfache Struktur des Vorwurfs des Epiphänomenalismus gibt es zwei grundsätzliche Strategien, den nicht-reduktiven Physikalismus zu verteidigen. Die kausalistische Erwiderung lehnt Prämisse (VE1) ab. Für Kausalist*innen besteht die Herausforderung also darin, die Argumente, die zugunsten von (VE1) vorgebracht werden, zurückzuweisen. Das prominenteste Argument für Prämisse (VE1) ist dabei Jaegwon Kims Exklusionsargument. In Abschnitt 3.3. werde ich verschiedene Möglichkeiten erkunden, dieses Argument im Detail zu entwickeln. In Abschnitt 3.4. gehe ich dann auf kausalistische Erwiderungen auf dieses Argument ein.

Die epiphänomenalistische Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus lehnt Prämisse (VE2) ab. Epiphänomenalist*innen stehen vor der Herausforderung, den Epiphänomenalismus zu plausibilisieren. Dies ist auf den ersten Blick keine einfache Aufgabe: Natürlich – so könnte man meinen – verursacht Susis Wunsch, die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken, ihre Armbewegung. In Abschnitt 3.5. gehe ich auf die Aussichten ein, den Epiphänomenalismus trotz dieses Bedenkens zu verteidigen.

3.2 Die These der kausalen Geschlossenheit

In einer groben, ersten Charakterisierung besagt die These der kausalen Geschlossenheit, dass physische Ereignisse im Allgemeinen hinreichende physische Ursachen haben. Diese These nimmt auch im Vorwurf des Epiphänomenalismus eine zentrale Rolle ein. Sie führt zu einem wichtigen Argument für den ersten Schritt des Vorwurfs des Epiphänomenalismus. Bevor ich (in Abschnitt 3.3) auf dieses Argument eingehe und die Rolle der These der kausalen Geschlossenheit in diesem Argument diskutiere, ist es daher sinnvoll, etwas genauer auf die These der kausalen Geschlossenheit selbst einzugehen. Was besagt die These der kausalen Geschlossenheit? Welche impliziten Annahmen über die Natur der Kausalrelation enthält sie? Und sind nicht-reduktive Physikalist*innen tatsächlich zur Akzeptanz der These verpflichtet?

Um diese Fragen zu beantworten, gehe ich wie folgt vor: In Abschnitt 3.2.1. formuliere und präzisiere ich die These der kausalen Geschlossenheit. In Abschnitt 3.2.2. diskutiere ich einige Argumente zugunsten der These der kausalen Geschlossenheit. Aufbauend hierauf behandle ich in Abschnitt 3.2.3. die Frage, welche Reichweite die These der kausalen Geschlossenheit hat – auf welchen Bereich von Ereignissen sie sich also bezieht. In Abschnitt 3.2.4. arbeite ich einige implizite Voraussetzungen der These heraus, die die Natur der Verursachungsrelation betreffen. Abschnitt 3.2.5. schließlich behandelt die Rolle der These der kausalen Geschlossenheit innerhalb des nicht-reduktiven Physikalismus.

3.2.1 Die These der kausalen Geschlossenheit: Grundidee und Formulierungen

Ein Ausdruck der Grundidee der These der kausalen Geschlossenheit findet sich bei Kim:

According to this principle, physics is causally and explanatorily self-sufficient: there is no need to go outside the physical domain to find a cause, or a causal explanation, of a physical event.Footnote 2

Die These macht also eine Einschränkung geltend, die die kausale Geschichte physischer Ereignisse betrifft: Verfolgt man die Ursachenkette zurück, die zu einem beliebigen physischen Ereignis führt, muss man den Bereich des Physischen nicht verlassen. Man wird immer andere physische Ereignisse finden, die das physische Ereignis verursachen. Diese Einschränkung wird zugleich mit der These in Verbindung gebracht, dass die Physik kausal und explanatorisch eigenständig ist. Physikalische Erklärungen sind an keiner Stelle auf die Erwähnung nicht-physischer Ursachen angewiesen.

Diese Grundidee kann nun auf verschiedene Weisen präzisiert werden. In der Literatur findet sich eine große Vielfalt an nicht-äquivalenten Formulierungen der These der kausalen Geschlossenheit.Footnote 3 Im Folgenden gehe ich auf einige dieser Formulierungen ein.

Ein erster Versuch der Präzisierung könnte etwa in der folgenden These bestehen:

(KG1) Alle physischen Ereignisse haben physische Ursachen.Footnote 4

Diese These bringt jedoch nicht gut zum Ausdruck, was üblicherweise unter der These der kausalen Geschlossenheit verstanden wird. Dies liegt unter anderem daran, dass These (KG1) in einem Sinne sehr schwach ist: Sie legt fest, dass physische Ereignisse auch physische Ursachen haben. Sie erlaubt aber, dass diese physischen Ursachen für sich genommen nicht hinreichen, um ein physisches Ereignis hervorzubringen. Sie ist kompatibel damit, dass physische Ursachen nur im Verbund mit nicht-physischen Ursachen zu ihren physischen Wirkungen führen. Manche physischen Wirkungen wären dann in eine Struktur gemeinschaftlicher Verursachung mit nicht-physischen Teilursachen eingebettet. In Abbildung 3.1 ist eine solche Kausalstruktur illustriert: Die physische Wirkung p* hat hier zwar eine physische Teilursache p. Allerdings tritt p* nur dann ein, wenn sowohl p als auch die nicht-physische Teilursache m eintreten. p allein ist also nicht hinreichend für p*. Ohne die nicht-physische Ursache m würde p* nicht eintreten. Das aber würde heißen, dass die Physik nicht – wie Kim es ausdrückt – kausal und explanatorisch eigenständig ist: Eine vollständige kausale Erklärung eines physischen Ereignisses müsste dann auch die nicht-physische Teilursache erwähnen.

Abbildung 3.1
figure 1

Gemeinschaftliche Verursachung mit nicht-physischen Teilursachen

Die Kompatibilität mit Fällen gemeinschaftlicher Verursachung mit nicht-physischen Teilursachen kann durch folgende Formulierung vermieden werden:

(KG2) Alle physischen Ereignisse haben hinreichende physische Ursachen.Footnote 5

Diese These ist insofern stärker als (KG1), als dass nicht bloß verlangt wird, dass physische Ereignisse unter anderem physische Teilursachen haben. Stattdessen wird verlangt, dass physische Ereignisse hinreichende physische Ursachen haben. Um eine vollständige Erklärung eines physischen Ereignisses zu geben, reicht es dann, auf dessen hinreichende physische Ursache zu verweisen. Eine vollständige Erklärung braucht entsprechend nicht auf nicht-physische Ursachen zu verweisen. Die Selbstständigkeit der Physik ist also durch (KG2) besser eingefangen als durch (KG1).

Dennoch ist (KG2) noch keine zufriedenstellende Formulierung der These der kausalen Geschlossenheit. Denn (KG2) ist noch immer kompatibel damit, dass die kausale Kette, die zu einem physischen Ereignis führt, als unverzichtbare Bestandteile nicht-physische Ursachen enthält. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine physische Wirkung in eine Struktur gemischter Kausalketten mit nicht-physischen Gliedern eingebettet ist.Footnote 6 Eine solche Struktur ist in Abbildung 3.2 illustriert: p* hat hier zwar eine hinreichende physische Ursache p. p verursacht p* jedoch nicht direkt, sondern indirekt über ein nicht-physisches, kausales Zwischenglied m. Eine Erklärung des Zustandekommens von p*, die dieses nicht-physische Zwischenglied unerwähnt lässt, wäre keine vollständige Erklärung. Wieder wäre also die Grundidee, dass vollständige Kausalerklärungen physischer Ereignisse nicht auf nicht-physische Ursachen verweisen müssen, nicht angemessen eingefangen.

Abbildung 3.2
figure 2

Gemischte Kausalketten mit nicht-physischen Gliedern

Dieses Problem lässt sich durch eine der folgenden Modifikationen vermeiden:

(KG3) Alle physischen Ereignisse haben direkte hinreichende physische Ursachen.Footnote 7

(KG4) Alle physischen Ereignisse haben hinreichende physische Ursachen zu t – wobei ‚t‘ für einen beliebigen Zeitpunkt vor Eintreten des Wirkungsereignisses steht.Footnote 8

These (KG3) schließt Fälle gemischter Kausalketten mit nicht-physischen Gliedern aus, indem sie festsetzt, dass physische Ereignisse direkte hinreichende physische Ursachen haben. Eine direkte hinreichende Ursache für p* ist dabei eine hinreichende Ursache, die p* ohne eine Vermittlung über kausale Zwischenglieder verursacht. In Abbildung 3.2 hat p* hingegen nur eine indirekte hinreichende physische Ursache, weshalb diese Situation gegen (KG3) verstößt. These (KG4) wählt einen anderen Weg: Gemischte Kausalketten mit nicht-physischen Gliedern sind laut dieser These ausgeschlossen, weil für jeden Zeitpunkt vor Eintreten des Wirkungsereignisses eine hinreichende physische Ursache existieren soll. In der in Abbildung 3.2 illustrierten Situation gibt es zu Zeitpunkt t2 aber keine hinreichende physische Ursache, weshalb die Situation nicht mit (KG4) vereinbar ist. (KG3) und (KG4) sind also zwei unterschiedliche und gleichermaßen funktionierende Möglichkeiten, einer angemessenen Formulierung der These der kausalen Geschlossenheit näher zu kommen.Footnote 9

Eine letzte Komplikation: Die bisherigen Formulierungen (KG2), (KG3) und (KG4) implizieren sämtlich, dass alle physischen Ereignisse hinreichende Ursachen haben. Diese Forderung steht jedoch mit der Existenz indeterminierter physischer Ereignisse in Konflikt, die durch die Quantenmechanik nahegelegt wird. Einige physische Ereignisse haben keine hinreichenden Ursachen – weder physische noch nicht-physische. Sie haben stattdessen lediglich eine bestimmte objektive Eintrittswahrscheinlichkeit. Üblicherweise wird die Existenz indeterminierter physischer Ereignisse jedoch nicht als Widerlegung der These der kausalen Geschlossenheit aufgefasst. Stattdessen wird die These der kausalen Geschlossenheit so formuliert, dass sie mit der Existenz indeterminierter physischer Ereignisse kompatibel ist.

Die im Kontext von Diskussionen mentaler Verursachung verbreitetste Formulierung ist die folgende:

(KG5) Alle physischen Ereignisse, die eine hinreichende Ursache zu t haben, haben eine hinreichende physische Ursache zu t.

These (KG5) ist mit der Existenz indeterminierter physischer Ereignisse kompatibel, weil sie diese Ereignisse explizit ausklammert. Sie beschränkt sich auf determinierte physische Ereignisse und schweigt mit Blick auf die kausale Geschichte indeterminierter Ereignisse. Dies mag unbefriedigend wirken: Denn nun können die objektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten indeterminierter physischer Ereignisse in Übereinstimmung mit (KG5) auf ganz beliebige Weise festgelegt sein. Insbesondere können sie ausschließlich durch nicht-physische Ereignisse festgelegt sein, so dass physische Ereignisse gar keine Rolle für das Zustandekommen indeterminierter physischer Ereignisse spielen. Auch in diesem Falle wäre die Physik nicht kausal selbstständig, da eine Kausalerklärung indeterminierter physischer Ereignisse auf nicht-physische Ereignisse verweisen müsste. Zudem droht (KG5) beinahe inhaltsleer zu werden, wenn sich die meisten physischen Ereignisse als indeterminiert erweisen. Tatsächlich ist (KG5) sogar damit kompatibel, dass nicht ein einziges physisches Ereignis tatsächlich eine hinreichende physische Ursache hat.

Diesen Bedenken lässt sich durch die folgende Formulierung begegnen:

(KG6) Alle physischen Ereignisse haben hinreichende physische Ursachen zu t oder haben eine objektive Eintrittswahrscheinlichkeit, die durch andere physische Ereignisse festgelegt ist.

These (KG6) trifft auch eine Aussage über indeterminierte physische Ereignisse. Sie fängt die Grundidee, dass vollständige Kausalerklärungen physischer Ereignisse nicht auf nicht-physische Ereignisse verweisen müssen, daher angemessen ein.Footnote 10

Die hier aufgeführten Formulierungen sprechen für sich genommen nicht gegen die These, dass nicht-physische Ereignisse gelegentlich physische Ereignisse verursachen. Sie verlangen, dass physische Ereignisse hinreichende physische Ursachen haben. Aber sie verlangen nicht, dass physische Ereignisse darüber hinaus keine nicht-physischen Ursachen haben. Diese Konsequenz wird im Rahmen des Vorwurfs des Epiphänomenalismus erst durch die Hinzunahme eines Exklusionsprinzip etabliert, das in Abschnitt 3.3 noch ausführlich besprochen wird.

Gelegentlich finden sich hingegen auch stärkere Formulierungen, die unmittelbar gegen die Verursachung physischer Ereignisse durch nicht-physische Ereignisse sprechen.Footnote 11 Im Kontext einer Diskussion des Vorwurfs des Epiphänomenalismus gegen den nicht-reduktiven Physikalismus sind solche Formulierungen jedoch ungünstig. Denn sie versperren den Blick auf die Relevanz der These der kausalen Exklusion. Die These der kausalen Exklusion ist es aber gerade, die von vielen nicht-reduktiven Physikalist*innen abgelehnt wird. Eine angemessene Darstellung der Dialektik erfordert es daher, die These der kausalen Exklusion als eigenständige Prämisse von der These der kausalen Geschlossenheit zu trennen und somit eine schwache Version der These der kausalen Geschlossenheit vorauszusetzen.

In diesem Abschnitt ist deutlich geworden, dass eine angemessene Formulierung der These der kausalen Geschlossenheit mit einer Reihe von Komplikationen verbunden ist, denen durch verschiedene Qualifikationen Rechnung getragen werden kann. Wenn ich im Folgenden von der These der kausalen Geschlossenheit spreche, sollten diese Qualifikationen im Hinterkopf behalten werden. Ich werde die nötigen Qualifikationen jedoch nicht immer explizit machen. Stattdessen werde ich aus Gründen der einfacheren Darstellung häufig eine Formulierung wählen, die (KG2) recht nahe kommt: Physische Ereignisse haben hinreichende physische Ursachen. Dort, wo die Qualifikationen systematisch relevant werden, weise ich explizit darauf hin.

3.2.2 Argumente für die These der kausalen Geschlossenheit

Die These der kausalen Geschlossenheit ist eine sehr allgemeine, metaphysische These über die kausale Struktur der physischen Welt. Es stellt sich die Frage, wie diese allgemeine metaphysische These gerechtfertigt werden kann. Was also spricht dafür, dass der Bereich des Physischen im geschilderten Sinne kausal geschlossen ist?

Ein erstes, mögliches Argument, das in der zu Beginn des vorigen Abschnitts zitierten Bemerkung von Kim bereits angedeutet wird, beruft sich auf die prinzipielle Möglichkeit einer kausal-explanatorisch vollständigen Physik.Footnote 12 Kim wird an folgender Stelle noch etwas deutlicher:

If you reject this principle, you are ipso facto rejecting the in-principle completability of physics – that is, the possibility of a complete and comprehensive physical theory of all physical phenomena. For you would be saying that any complete explanatory theory of the physical domain must invoke nonphysical causal agents. Never mind a complete physical explanation of everything there is; there couldn’t even be a complete physical explanation of everything physical. It is safe to assume that no serious physicalist could accept such a prospect.Footnote 13

Der Gedankengang in diesem Zitat lässt sich wie folgt zusammenfassen: Eine Ablehnung der These der kausalen Geschlossenheit würde bedeuten, dass die Physik aus prinzipiellen Gründen kausal-explanatorisch unvollständig bleiben muss. Dies wiederum würde heißen, dass nicht-physische Ursachen (wie irreduzible Akteure oder Götter) zur kausalen Erklärung physischer Ereignisse herangezogen werden müssen. Dies ist einerseits unplausibel, so dass sich ein direktes Argument für die These der kausalen Geschlossenheit ergibt. Andererseits ist die notwendige Unvollständigkeit der Physik besonders unplausibel aus der Perspektive des Physikalismus, so dass sich ein (noch stärkeres) Argument dafür ergibt, dass (reduktive wie auch nicht-reduktive) Physikalist*innen auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt sind.

Die auf diese Weise angedeuteten Argumente können zumindest an zwei Stellen angegriffen werden.

Erstens folgt aus der These, dass die Physik notwendig unvollständig ist, keinesfalls, dass es vollständige Erklärungen gibt, die auf nicht-physische Entitäten wie Götter oder irreduzible Akteure verweisen. Dass eine physikalische Erklärung unmöglich ist, bedeutet nicht unbedingt, dass eine nicht-physikalische Erklärung möglich ist. Die in Frage stehenden Ereignisse könnten auch prinzipiell unerklärbar sein. Somit kann der Verweis auf unplausible Alternativerklärungen hier keine argumentative Arbeit leisten.

Zweitens kann in Zweifel gezogen werden, dass die Physik im relevanten Sinne prinzipiell vervollständigbar ist. Dies ist schließlich eine nicht-triviale Annahme, die weiterer Rechtfertigung bedarf.Footnote 14 Diese Reaktion scheint jedoch aus dualistischer Perspektive attraktiver als aus der Perspektive des (nicht-reduktiven) Physikalismus. Es besteht zumindest prima facie eine Spannung zwischen der These, dass der Bereich des Physischen die metaphysische Grundlage für alle Entitäten bildet, und der Idee, dass die Physik prinzipiell unvollständig ist. Wenn diese Spannung sich als belastbar erweist, wäre also zumindest Kims Argument dafür, dass (nicht-reduktive) Physikalist*innen auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt sind, an dieser Stelle überzeugend.

Ein zweiter Ansatz zur Begründung der These der kausalen Geschlossenheit beruht auf einem Induktionsschluss. Die Grundidee bringt Andrew Melnyk auf den Punkt:

[C]urrent physics‘ success to date in finding that many physical events have sufficient physical causes provides inductive evidence that all physical events, including both unexamined physical events and examined-but-as-yet-unexplained physical events, have sufficient physical causes.Footnote 15

Daraus, dass viele physische Ereignisse nach unserem jetzigen Wissensstand hinreichende physische Ursachen haben, können wir demzufolge induktiv schließen, dass alle physischen Ereignisse hinreichende physische Ursachen haben.

Wie überzeugend ist dieses induktive Argument für die These der kausalen Geschlossenheit?

Erstens stellt sich die Frage nach der Stärke der Induktionsbasis. Tatsächlich schneidet das induktive Argument für die These der kausalen Geschlossenheit hier auf den ersten Blick gut ab: Die kausalen Erklärungserfolge der Physik sind weitreichend. Es handelt sich nicht um einige wenige, isolierte Erfolge. Zudem war es bisher nie nötig, auf nicht-physische Ursachen zu verweisen, um diese Erklärungsfolge zu leisten.Footnote 16

Zweitens könnte man bezweifeln, dass die Klasse der physischen Ereignisse hinreichend homogen ist, um einen Induktionsschluss zu erlauben. Ließen sich relevante Unterschiede ausmachen zwischen den bisher erklärten physischen Ereignissen und den unerklärten physischen Ereignissen, auf deren kausale Erklärbarkeit geschlossen wird, würde der Induktionsschluss dadurch an Überzeugungskraft verlieren. Auch hier scheint es jedoch keine starken Gründe zu geben, einen solchen Unterschied zu erwarten. Aus wissenschaftlicher Perspektive sind z. B. die physischen Ereignisse in menschlichen Gehirnen, oder die mit Handlungen verbundenen Körperbewegungen, nicht besonders gegenüber anderen physischen Ereignissen. Warum also sollte man davon ausgehen, dass diese Ereignisse prinzipiell unerklärbar durch andere physische Ereignisse sind?Footnote 17

Das induktive Argument zeigt also, dass es zumindest starke Evidenzen für die These der kausalen Geschlossenheit gibt. Natürlich bleibt Raum für Zweifel: Zukünftige Entwicklungen in der Physik oder Physiologie könnten zu der Überzeugung führen, dass manche physischen Ereignisse keine hinreichenden physischen Ursachen haben. Es gibt jedoch keinen Grund, solche Entwicklungen zu erwarten.

Ein drittes Argument nimmt seinen Ausgang vom Energieerhaltungssatz in der modernen Physik. In geschlossenen Systemen bleibt die Gesamtenergie konstant: Es geht weder Energie verloren, noch entsteht neue Energie. Das physische Universum wird in diesem Argument als geschlossenes System aufgefasst. Daher ist durch den Energieerhaltungssatz ausgeschlossen, dass dem physischen Universum ‚von außerhalb‘ Energie zugeführt wird, oder dass Energie aus dem physischen Universum ‚nach außen‘ abgegeben wird.

Ohne auf die Details dieser Argumentation einzugehen, lassen sich zwei Aspekte dieser Idee hervorheben:

Erstens: Um vom Energieerhaltungssatz zu einer gehaltvollen These der kausalen Geschlossenheit zu gelangen, muss Kausalität mit Energieübertragung verknüpft werden. Wenn Verursachung notwendig mit Energieübertragung einherginge, könnte tatsächlich keine nicht-physische Ursache eine physische Wirkung haben, ohne dass der Energieerhaltungssatz verletzt wird. Ob eine solche Verbindung zwischen Energieübertragung und Kausalität aber hergestellt werden kann, ist unklar. Hier hängt einiges von der vorausgesetzten Theorie der Kausalität ab. Wie wir (in Kapitel 4) sehen werden, folgt ein solcher Zusammenhang unmittelbar aus z. B. Phil Dowes Erhaltungsgrößentheorie der Kausalität.Footnote 18 Im Rahmen einer kontrafaktischen oder interventionistischen Theorie ist ein solcher Zusammenhang aber nicht ohne Weiteres zu begründen.Footnote 19

Zweitens: Die Argumentation scheint im Erfolgsfall nicht nur zu etablieren, dass physische Ereignisse hinreichende physische Ursachen haben. Vielmehr scheint es zusätzlich zu begründen, dass physische Ereignisse keine nicht-physischen Ursachen haben. Es wird also eine Geschlossenheitsthese motiviert, die stärker ist als die Formulierungen, die ich in Abschnitt 3.1.1. eingeführt habe. Dies hat zum einen zur Konsequenz, dass nicht-reduktive Physikalist*innen, die an einer Verteidigung mentaler Verursachung interessiert sind, schlecht darin beraten wären, sich auf dieses Argument für die These der kausalen Geschlossenheit zu berufen.Footnote 20 Zum anderen sollten aber auch reduktive Physikalist*innen, die den nicht-reduktiven Physikalismus auf Grundlage der These der kausalen Geschlossenheit angreifen wollen, sich nicht auf dieses Argument berufen. Denn ein Angriff auf den nicht-reduktiven Physikalismus auf Grundlage einer starken Geschlossenheitsthese gilt gemeinhin als dialektisch ungünstig.Footnote 21

3.2.3 Die Reichweite der These der kausalen Geschlossenheit

Die These der kausalen Geschlossenheit besagt, dass der Bereich des Physischen kausal geschlossen ist. Im Lichte der Unterscheidungen zwischen verschiedenen Sinnen von ‚physisch‘, die ich in den Abschnitt 2.3.2 und 2.3.3. getroffen habe, bedarf diese These jedoch weiterer Spezifikation. Sie kann sich zum einen auf physischeweit Ereignisse beziehen, so dass auch chemische oder biologische Ereignisse betroffen sind. Zum anderen kann sie sich auf physischeeng Ereignisse beziehen, so dass in erster Linie Ereignisse betroffen sind, die Gegenstand der Physik sind. Welche Spezifikationen der These der kausalen Geschlossenheit sind also plausibel?

Eine Komplikation bei der Beantwortung dieser Frage ergibt sich daraus, dass der Ausdruck ‚physisch‘ in der These der kausalen Geschlossenheit zweimal vorkommt: Physische Ereignisse haben hinreichende physische Ursachen. Es gibt daher die Möglichkeit, die beiden Vorkommnisse des Ausdrucks unterschiedlich zu deuten. Es ergeben sich somit die folgenden vier möglichen Formulierungen:Footnote 22

(KG7) Alle physischeneng Ereignisse haben hinreichende physischeeng Ursachen.

(KG8) Alle physischenweit Ereignisse haben hinreichende physischeweit Ursachen.

(KG9) Alle physischeneng Ereignisse haben hinreichende physischeweit Ursachen.

(KG10) Alle physischenweit Ereignisse haben hinreichende physischeeng Ursachen.

Unter der Voraussetzung, dass die Menge der physischeneng Ereignisse eine echte Teilmenge der Menge der physischenweit Ereignisse ist, ist These (KG10) dabei die logisch stärkste These: Sie impliziert die Thesen (KG7), (KG8) und (KG9), ohne von einer dieser Thesen impliziert zu werden. These (KG9) ist hingegen die logisch schwächste These: Sie wird von jeder der anderen Thesen impliziert, ohne eine der anderen Thesen zu implizieren. These (KG9) wäre zum Beispiel damit vereinbar, dass manche mikrophysikalischen Ereignisse keine hinreichende mikrophysikalischen Ursachen haben, sondern ausschließlich hinreichende biologische Ursachen. Auch These (KG8) wäre mit dieser Situation kompatibel.

Zwei Überlegungen sprechen dafür, dass These (KG7) der primäre Sinn der These der kausalen Geschlossenheit ist:

Erstens: Die in Abschnitt 3.2.2 diskutierten Argumente für die These der kausalen Geschlossenheit scheinen in erster Linie für These (KG7) zu sprechen. Kim führt die prinzipielle kausal-explanatorische Vervollständigbarkeit der Physik als Ausgangspunkt seines Arguments für die These der kausalen Geschlossenheit ins Feld. Aus der Vervollständigbarkeit der Physik folgt jedoch nicht unmittelbar etwas für die kausale Geschichte von z. B. biologischen Ereignissen. Auch das induktive Argument in der zitierten Version von Melnyk bezieht sich auf den vergangenen Erklärungserfolg der Physik. Es ist daher zumindest naheliegend, auch dieses Argument in erster Linie auf jene Ereignisse zu beziehen, die in der Physik behandelt werden.Footnote 23 Auch jene Argumente, die vom Grundsatz der Energieerhaltung ausgehen, betreffen zunächst ausschließlich physischeeng Ereignisse. Es scheint also, dass primär These (KG7) durch die besprochenen Argumente begründet ist.

Da These (KG7) These (KG9) impliziert, weiten sich die Argumente auch auf diese These aus: Wenn alle physischeneng Ereignisse hinreichende physischeeng Ursachen haben, dann haben auch alle physischeneng Ereignisse physischeweit Ursachen – einfach deshalb, weil die Menge der physischeneng Ereignisse eine Teilmenge der Menge der physischenweit Ereignisse ist. These (KG9) ist dementsprechend begründet, weil These (KG7) begründet ist. Die Verursachung mikrophysikalischer Ereignisse ausschließlich durch biologische oder andere höherstufige, physischeweit Ereignisse, die von (KG9) eigentlich zugelassen wird, ist vor dem Hintergrund dieser Begründung aber ausgeschlossen.

Zweitens: Plausiblerweise ist neben dem Bereich des im engen Sinne Physischen kein weiterer Bereich kausal geschlossen. Beispielsweise haben nicht alle biologischen Ereignisse hinreichende biologische Ursachen. Papineau gibt hierfür das Beispiel des Aussterbens der Dinosaurier – einem biologischen Ereignis – das durch einen Kometeneinschlag verursacht wurde – einem nicht-biologischen Ereignis.Footnote 24 Im Allgemeinen ist es unwahrscheinlich, dass wir für alle höherstufigen, physischenweit Ereignisse andere höherstufige, physischeweit Ursachen finden können: Die Entstehung von Higgs-Bosonen im LHC – ein physischeseng Ereignis – hatte zahlreiche physischeweit Wirkungen, für die wir keine hinreichende physischenweit Ursachen finden. Sie verursachte zum Beispiel – so können wir annehmen – die Ausschüttung von Endorphinen in den Gehirnen zahlreicher Wissenschaftler – also neurologische Ereignisse. Diese Ereignisse können wir nicht vollständig durch Verweis auf ausschließlich höherstufige, physischeweit Ursachen erklären. Der Bereich der höherstufigen, physischenweit Ereignisse ist also nicht kausal geschlossen.Footnote 25

Diese Überlegung zeigt, dass wir die hinreichenden Ursachen aller physischenweit Ereignisse nicht ausschließlich aus dem Bereich der höherstufigen physischenweit Ereignisse ziehen können. Sie ist aber damit vereinbar, dass wir für alle physischenweit Ereignisse hinreichende physischeeng Ursachen finden können. Sie ist also mit These (KG10) kompatibel. In Abschnitt 3.3.7. werde ich dafür argumentieren, dass auch These (KG10) unter Voraussetzung weiterer Annahmen – insbesondere des Prinzips der Aufwärtsverursachung und der These der ontologischen Abhängigkeit – aus These (KG7) folgt. Das hieße, dass alle vier Thesen begründet werden können. Es ist jedoch wichtig, dass eine solche Argumentation auf einem zusätzlichen und möglicherweise kontroversen Prinzip beruht. Erst einmal ist nach meiner Auffassung ausschließlich These (KG7) begründet: Die Reichweite der These der kausalen Geschlossenheit beschränkt sich auf physischeeng Ereignisse.

3.2.4 Kausalität und kausale Geschlossenheit

Die These der kausalen Geschlossenheit ist eine kausale These. Sie sagt also etwas darüber aus, in welchen kausalen Verhältnissen physische Ereignisse stehen. Dies wirft die Frage auf, was hier genauer mit Kausalität gemeint ist. Ausführlich auf die Relation der Kausalität werde ich erst in Kapitel 4 eingehen. An dieser Stelle möchte ich jedoch bereits auf einige implizite Voraussetzungen der These der kausalen Geschlossenheit eingehen, die den Begriff der Kausalität betreffen.

Erstens setzt die These der kausalen Geschlossenheit voraus, dass es einen sinnvollen Begriff von hinreichender Verursachung gibt. Wie in Abschnitt 3.2.1. bereits angedeutet, ist die Relation der hinreichenden Verursachung dabei nicht mit der Relation der Verursachung (simpliciter) gleichzusetzen: Nicht alle Ursachen sind hinreichende Ursachen. Um ein verbreitetes BeispielFootnote 26 zu bemühen: Ein Kurzschluss kann einen Hausbrand verursachen, ohne dass der Kurzschluss für sich genommen hinreichend für den Hausbrand ist. Erst gemeinsam mit vielen anderen Faktoren – wie der Anwesenheit von brennbarem Material und dem Umstand, dass die üblichen Brandschutzmechanismen nicht funktionieren – bildet der Kurzschluss (eventuell) eine hinreichende Bedingung für den Brand. Der Kurzschluss ist also eine Ursache für den Brand, aber keine hinreichende Ursache.Footnote 27

Anhand dieses Beispiels lässt sich zudem veranschaulichen, dass hinreichende Bedingungen für ein Ereignis sehr komplex sein müssen. Hierfür muss man sich vor Augen führen, was zu einem Kurzschluss alles hinzukommen muss, damit ein Hausbrand garantiert ist: Einerseits müssen zahlreiche ‚positive‘ Bedingungen wie die Anwesenheit von brennbarem Material oder die Anwesenheit von Sauerstoff erfüllt sein. Andererseits müssen aber auch zahlreiche ‚negative‘ Bedingungen gegeben sein: Es darf nicht der Fall sein, dass das brennbare Material (aus welchen Gründen auch immer) nass ist; es darf nicht der Fall sein, dass ein Bewohner den ersten Funken bemerkt und löscht, usw. Allgemein darf gewissermaßen nichts dazwischenkommen, was den Brand trotz des Kurzschlusses verhindern würde.Footnote 28

Die in Kapitel 4 zu diskutierenden Theorien der Kausalität stellen nicht den Begriff der hinreichenden Verursachung in den Mittelpunkt, sondern den Begriff der Verursachung (simpliciter). Es ist nicht trivial, innerhalb dieser Theorien einen angemessenen Begriff der hinreichenden Verursachung zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund vertreten einige Autor*innen einen prinzipiellen Skeptizismus hinsichtlich des Begriffs der hinreichenden Verursachung. Panu Raatikainen schreibt etwa besonders deutlich:

There are causes, which are difference-makers; and there are sufficient conditions, which are wholly different issues and not causes of any sort; there are no such things as sufficient causes.Footnote 29

Setzt man einen solchen Skeptizismus hinsichtlich des Begriffs der hinreichenden Verursachung voraus, stellt dies die These der kausalen Geschlossenheit in Frage. Der Gehalt der These bleibt dann unklar, weil der zentrale Begriff der hinreichenden Verursachung nicht sinnvoll expliziert werden kann. Es bleibt also vorerst festzuhalten, dass die These der kausalen Geschlossenheit voraussetzt, dass der Begriff der hinreichenden Verursachung sinnvoll ist.

Eine zweite Voraussetzung der These der kausalen Geschlossenheit betrifft die Frage, ob es im Bereich des (im engen Sinne) Physischen überhaupt Ursachen gibt. Einige Autor*innen bezweifeln, dass der Begriff der Verursachung sinnvoll auf die Physik anwendbar ist.Footnote 30 Ein möglicher Grund für eine solche Skepsis ist, dass sich die Asymmetrie der Verursachungsrelation in den Gesetzen physikalischer Theorien nicht wiederfindet. Sollte es keine Verursachung im Bereich der Physik geben, spricht das ebenfalls gegen die These der kausalen Geschlossenheit. Denn physischeeng Ereignisse hätten dann im allgemeinen keine physischeneng Ursachen. Entsprechend hätten sie auch keine hinreichenden physischeneng Ursachen. Die These der kausalen Geschlossenheit – zumindest in der Version, die sich auf physischeeng Ereignisse beziehtFootnote 31 – setzt also voraus, dass der Skeptizismus mit Blick auf Verursachung in der Physik zurückgewiesen werden kann.Footnote 32

Beide genannten Voraussetzungen der These der kausalen Geschlossenheit zum Begriff der Verursachung können umgangen werden, indem die These der kausalen Geschlossenheit ganz von ihrem kausalen Gehalt befreit wird. Tatsächlich finden sich in der Literatur auch Varianten der These der Geschlossenheit, die auf kausales Vokabular verzichten. Man betrachte etwa die folgende These der nomologischen Geschlossenheit:

Nomologische Geschlossenheit (NG): Die objektive Eintrittswahrscheinlichkeit aller physischen Ereignisse ist durch physische Gesetze und andere (frühere) physische Ereignisse vollständig festgelegt.Footnote 33

Eine solche These der nomologischen Geschlossenheit setzt weder voraus, dass es einen sinnvollen Begriff von hinreichender Verursachung gibt, noch setzt sie voraus, dass es Verursachung im Bereich der Physik gibt. Wer also skeptisch gegenüber einer dieser Voraussetzungen der These der kausalen Geschlossenheit ist, kann noch immer die verwandte These der nomologischen Geschlossenheit akzeptieren.Footnote 34

3.2.5 Die These der kausalen Geschlossenheit im nicht-reduktiven Physikalismus

Die These der kausalen Geschlossenheit wird oft als ein wesentlicher Bestandteil des (reduktiven und nicht-reduktiven) Physikalismus behandelt. Insbesondere wird der nicht-reduktive Physikalismus häufig so definiert, dass er auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt ist. Meine Charakterisierung des nicht-reduktiven Physikalismus in Teil 2 erwähnt die These der kausalen Geschlossenheit jedoch nicht und weicht in dieser Hinsicht also von anderen, weit verbreiteten Charakterisierungen ab.

Ein Grund hierfür ist, wie bereits angedeutet, dass der Kern des nicht-reduktiven Physikalismus für die Zwecke dieser Arbeit weitgehend von kausalen Konnotationen freigehalten werden sollte. Die Leitfrage dieser Arbeit lautet, ob der nicht-reduktive Physikalismus – verstanden als die Kombination aus den Thesen des Realismus, der Nicht-Identität und der ontologischen Abhängigkeit – gegen den Vorwurf des Epiphänomenalismus verteidigt werden kann. Für die Diskussion dieser Leitfrage ist es wichtig, zu verdeutlichen, dass diese Kombination von Thesen zunächst einmal – d. h. ohne weitere Argumente – keine Implikationen für das Bestehen oder Nicht-Bestehen irgendwelcher Kausalbeziehungen hat.

Dies kann vor dem Hintergrund der Überlegungen in Abschnitt 3.2.4. noch etwas deutlicher gemacht werden: Es spricht aus der Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus zunächst einmal nichts dagegen, einen Skeptizismus mit Blick auf den Begriff der hinreichenden Verursachung oder mit Blick auf Kausalität in der Physik zu vertreten.Footnote 35 Diese Positionen implizieren jedoch, dass die These der kausalen Geschlossenheit falsch ist. Dann aber spricht aus der Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus auch nichts gegen die Ablehnung der These der kausalen Geschlossenheit.

Diese Überlegungen zeigen jedoch bestenfalls, dass nicht-reduktive Physikalist*innen nicht auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt sind. Sie sind vereinbar damit, dass nicht-reduktive Physikalist*innen auf die These der nomologischen Geschlossenheit festgelegt sind. Auch sind sie damit vereinbar, dass nicht-reduktive Physikalist*innen auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt sind, wenn bestimmte weitere Bedingungen erfüllt sind. Zu diesen Bedingungen gehören zum Beispiel die Falschheit des Skeptizismus mit Blick auf den Begriff der hinreichenden Verursachung und mit Blick auf Kausalität in der Physik. Es könnte also sein, dass nicht-reduktive Physikalist*innen auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt sind, wenn sie diese Positionen ablehnen.

In diesem eingeschränkten Sinn halte ich es für durchaus plausibel, dass nicht-reduktive Physikalist*innen auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt sind: Sie sind auf die These der kausalen Geschlossenheit festgelegt, insofern sie den Begriff der hinreichenden Verursachung für sinnvoll halten und einen Platz für Verursachung in der Physik sehen. Wenn sie eine dieser Voraussetzungen ablehnen, sind sie noch immer auf die These der nomologischen Geschlossenheit festgelegt. Denn würden sie diese These ablehnen, müssten sie tatsächlich die prinzipielle Vervollständigbarkeit der Physik ablehnen.

3.3 Vom nicht-reduktiven Physikalismus zum Epiphänomenalismus

In diesem Abschnitt erkunde ich einige Möglichkeiten, die erste Prämisse des Vorwurfs des Epiphänomenalismus zu begründen. Es geht also um die folgende These:

(VE1) Wenn der nicht-reduktive Physikalismus wahr ist, dann gibt es keine mentale Verursachung.

Wenn diese These stimmt, werden nicht-reduktive Physikalist*innen in den Epiphänomenalismus gedrängt. Die einzige Möglichkeit einer Verteidigung des nicht-reduktiven Physikalismus bestünde dann in einer epiphänomenalistischen Erwiderung, die die Existenz mentaler Verursachung abstreitet. Wie also versuchen Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus die These zu begründen?

Zentral für die Begründung der These sind Exklusionsargumente.Footnote 36 Die Grundidee von Exklusionsargumenten bringt Jaegwon Kim wie folgt knapp auf den Punkt:

[T]he problem of causal exclusion is to answer this question: Given that every physical event that has a cause has a physical cause, how is a mental cause also possible?Footnote 37

Kim spielt in dieser Frage zunächst auf die These der kausalen Geschlossenheit an, die ich in Abschnitt 3.2. bereits ausführlich diskutiert habe. Diese stellt sicher, dass jedes physische Ereignis, das als Wirkung eines mentalen Ereignisses in Frage kommt, bereits eine hinreichende physische Ursache hat. Wenn die (vorgeblichen) Wirkungen mentaler Ereignisse aber bereits hinreichende physische Ursachen haben, bleibt die kausale Rolle distinkter, mentaler Ereignisse rätselhaft. Mentale Ereignisse könnten ihre physischen Wirkungen allenfalls überdeterminieren. Diese Option hält Kim jedoch für überaus unplausibel.

Diese Grundidee von Exklusionsargumenten kann auf unterschiedliche Weisen entwickelt und erweitert werden. Im Folgenden gehe ich auf eine Reihe von möglichen Formulierungen von Exklusionsargumenten ein. Dabei gehe ich wie folgt vor: In Abschnitt 3.3.1. rekonstruiere ich zunächst ein sehr einfaches Exklusionsargument. In Abschnitt 3.3.2. zeige ich auf, dass diese einfache Version eine deutlich eingeschränkte Reichweite hat und deshalb nicht überzeugen kann. In Abschnitt 3.3.3. bespreche ich eine konservative Änderung des einfachen Exklusionsarguments, die die Reichweite des Arguments möglicherweise ausweitet. In Abschnitt 3.3.4. führe ich eine wichtige begriffliche Grundlage für die weitere Diskussion von Exklusionsargumenten ein, indem ich mentale Verursachung in einem Stufenmodell der Realität verorte. Darauf aufbauend führe ich in Abschnitt 3.3.5. drei Prinzipien ein, die den Zusammenhang von Verursachung und ontologischer Abhängigkeit betreffen. Diese drei Prinzipien eröffnen drei verschiedene Möglichkeiten, das einfache Exklusionsargument zu erweitern oder zu reformulieren, um seine Reichweite deutlich auszuweiten. Diese Möglichkeiten entwickle ich in den Abschnitten 3.3.6., 3.3.7. und 3.3.8.

In Abschnitt 3.3.9. schließlich gehe ich genauer auf das Exklusionsprinzip ein, das das Herzstück aller bis dahin besprochenen Exklusionsargumente bildet. Diese Diskussion führt zu einer Modifikation der besprochenen Exklusionsargumente, die ich in Abschnitt 3.3.10 einführe. In Abschnitt 3.3.11. stelle ich die besprochenen Exklusionsargumente abschließend noch einmal in einen Bezug zum Vorwurf des Epiphänomenalismus.

3.3.1 Das einfache Exklusionsargument

Das einfache Exklusionsargument nimmt seinen Ausgang von den folgenden beiden Thesen:

These der Nicht-Identität: Mentale Ereignisse sind nicht mit physischen Ereignissen identisch.Footnote 38

These der kausalen Geschlossenheit: Physische Ereignisse, die hinreichende Ursachen zu t haben, haben hinreichende physische Ursachen zu t.Footnote 39

Beide These werden in der Regel von nicht-reduktiven Physikalist*innen akzeptiert.Footnote 40 Sie können im vorliegenden Kontext als gegeben vorausgesetzt werden. Es ist also die Kombination dieser beiden Thesen, die laut dem einfachen Exklusionsargument dazu führt, dass der nicht-reduktive Physikalismus ein Problem mit mentaler Verursachung hat.

Das einfache Exklusionsargument lässt sich am besten anhand einer Anwendung dieser beiden Thesen auf ein schemenhaftes Szenario entwickeln. Gehen wir also davon aus, dass p* ein physisches Ereignis ist, das als Wirkung eines mentalen Ereignisses m (zum Beispiel Susis Wunsch) in Frage kommt. Laut der These der kausalen Geschlossenheit können wir postulieren, dass p* eine hinreichende, physische Ursache hat.Footnote 41 Nennen wir diese hinreichende physische Ursache p und gehen wir davon aus, dass p zeitgleich mit m stattfindet. Aufgrund der These der Nicht-Identität können wir davon ausgehen, dass das mentale Ereignis m nicht mit der hinreichenden Ursache p (oder mit einem Teil derselben) identisch ist. Wenn m also ebenfalls p* verursacht, dann hat p* nun zwei gleichzeitige Ursachen: Die hinreichende physische Ursache p und die zusätzliche mentale Ursache m. Diese Situation ist in Abbildung 3.3 illustriert.

Abbildung 3.3
figure 3

Mental-physische Verursachung als Überdetermination

Diese Situation ergibt sich unmittelbar aus der These der Nicht-Identität und der These der kausalen Geschlossenheit. Zudem ergibt sich die Situation für jedes physische Ereignis, das laut der These der kausalen Geschlossenheit eine hinreichende physische Ursache hat. Jede Position, die – wie der nicht-reduktive Physikalismus – die These der Nicht-Identität und die These der kausalen Geschlossenheit akzeptiert, ist also darauf festgelegt, dass mental-physische Verursachung, so es sie denn gibt, nach dem in Abbildung 3.3 abgebildeten Schema funktioniert.Footnote 42 Die physischen Wirkungen mentaler Ereignisse haben durchweg hinreichende physische Ursachen. Sie sind daher in einem gewissen Sinne überdeterminiert: Sie haben hinreichende Ursachen und zusätzlich weitere Ursachen.Footnote 43

Bis hierher ist jedoch noch nicht ausgeschlossen, dass mentale Ereignisse überhaupt physische Wirkungen haben. Es ist lediglich ausgeschlossen, dass mentale Ereignisse physische Wirkungen haben, die keine hinreichenden physischen Ursachen haben. Es ist ja durchaus eine Möglichkeit, dass alle physischen Wirkungen mentaler Ereignisse in einem gewissen Sinne überdeterminiert sind.

Um also zu der Konklusion zu gelangen, dass mentale Ereignisse im nicht-reduktiven Physikalismus keine physischen Wirkungen haben, müssen weitere Annahmen hinzugezogen werden. Üblicherweise geschieht dies durch die Annahme eines allgemeinen Exklusionsprinzips, das hier vorläufig wie folgt formuliert werden kann:

Das einfache Exklusionsprinzip: Wenn ein Ereignis eine hinreichende Ursache zu t hat, dann hat es darüber hinaus keine weitere Ursache zu t.Footnote 44

Dieses einfache Exklusionsprinzip schließt nun aus, dass physische Ereignisse eine hinreichende physische Ursache und darüber hinaus eine (gleichzeitige) mentale Ursache haben. Wenn p* in Abbildung 3.3 also bereits eine hinreichende physische Ursache hat – was durch die These der kausalen Geschlossenheit vorgegeben ist – dann kann m keine Ursache für p* mehr sein. Mental-physische Verursachung kann dementsprechend nicht stattfinden, wenn die These der kausalen Geschlossenheit, die These der Nicht-Identität und das einfache Exklusionsprinzip wahr sind. Mentale Ereignisse haben dann keine physischen Wirkungen.

Man beachte, dass das einfache Exklusionsprinzip zunächst neutral gegenüber der Unterscheidung zwischen mentalen und physischen Ursachen ist. Das Exklusionsprinzip schreibt für sich genommen nicht vor, dass p die eigentliche (hinreichende) Ursache für p* ist. Es wäre ebenso mit dem Exklusionsprinzip vereinbar, an m als der eigentlichen Ursache festzuhalten und die Annahme, dass p eine hinreichende Ursache für p* ist, aufzugeben. Das Exklusionsprinzip verlangt lediglich eine Entscheidung zwischen den beiden Kandidaten für Ursachen: Eine der beiden Ursachen muss aussortiert werden. Ausschlaggebend dafür, dass m als Ursache aussortiert wird, ist die These der kausalen Geschlossenheit. Denn diese schreibt vor, dass p* eine hinreichende physische Ursache hat. Es ist also die These der kausalen Geschlossenheit, die eine Asymmetrie zwischen den beiden Kandidaten für Ursachen von p* ins Spiel bringt und eine Entscheidung zugunsten der physischen Ursache herbeiführt.Footnote 45

Zur Zusammenfassung und Verdeutlichung der Argumentation möchte ich die folgende Rekonstruktion des einfachen Exklusionsarguments einführen:

Das einfache Exklusionsargument

Es sei m ein mentales Ereignis. p und p* seien zwei physische Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das einfache Exklusionsargument wie folgt rekonstruieren:

  1. (1)

    p ist hinreichende Ursache für p* (motiviert durch die These der kausalen Geschlossenheit).

  2. (2)

    m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

  3. (3)

    Wenn p hinreichende Ursache von p* ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist, dann ist m nicht Ursache von p* (motiviert durch das einfache Exklusionsprinzip).

  4. (4)

    Also: m ist nicht Ursache von p* (aus 1, 2, 3).

3.3.2 Die Reichweite des einfachen Exklusionsarguments

Erinnern wir uns an Susi und die vier Behauptungen mentaler Verursachung aus Abschnitt 3.1.1.:

Mental-mentale Verursachung: Susis interessanter Gedanke verursacht ihren Wunsch, die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken.

Mental-behaviorale Verursachung: Susis Wunsch verursacht, dass sie ihren Arm hebt.

Mental-neurologische Verursachung: Susis Wunsch verursacht neurologische Veränderungen in ihrem motorischen Cortex.

Mental-mikrophysikalische Verursachung: Susis Wunsch verursacht mikrophysikalische Veränderungen in den Elementarteilchen, die ihren neurologischen Cortex konstituieren.

Die Frage nach der Reichweite des einfachen Exklusionsarguments, die ich in diesem Abschnitt behandeln möchte, ist diese: Welche dieser vier Behauptungen mentaler Verursachung sind durch das einfache Exklusionsargument betroffen?

Die kurze Antwort ist, dass von diesen vier Behauptungen ausschließlich die Behauptung mental-mikrophysikalischer Verursachung betroffen ist. Das einfache Exklusionsargument vermag nicht in Frage zu stellen, dass Susis Gedanke ihren Wunsch verursacht und es vermag nicht in Frage zu stellen, dass ihr Wunsch ihre Armbewegung und neurologische Vorgänge in ihrem motorischen Cortex verursacht.

Der Grund dafür ist folgender: Das einfache Exklusionsargument beruft sich auf die These der kausalen Geschlossenheit. Es ist diese These, die erlaubt, die Existenz einer hinreichenden physischen Ursache von p* zu postulieren. Die Reichweite des einfachen Exklusionsarguments ist daher von der Reichweite der These der kausalen Geschlossenheit abhängig: Die These der kausalen Geschlossenheit erlaubt uns nur dann, eine hinreichende Ursache von p* zu postulieren, wenn p* überhaupt in den Bereich der These der kausalen Geschlossenheit fällt.

In Abschnitt 3.2.3 habe ich dafür argumentiert, dass die These der kausalen Geschlossenheit primär physischeeng Ereignisse betrifft: Die Version der These der kausalen Geschlossenheit, die gut begründet ist und für die es plausibel scheint, dass nicht-reduktive Physikalist*innen auf sie festgelegt sind, besagt, dass physischeeng Ereignisse (die überhaupt hinreichende Ursachen haben) hinreichende, physischeeng Ursachen haben. Die These der kausalen Geschlossenheit kann also allenfalls dafür genutzt werden, hinreichende Ursachen für Ereignisse zu postulieren, die in den Bereich der Physik fallen. Weder neurologische noch behaviorale Ereignisse fallen aber in den Bereich der Physik. Diese Ereignisse sind zwar physischweit, aber eben nicht physischeng. Daher kann die These der kausalen Geschlossenheit auch nicht dafür genutzt werden, für diese Ereignisse hinreichende Ursachen zu postulieren.Footnote 46

Dies ist eine bedeutende Limitierung des einfachen Exklusionsarguments. Denn nicht-reduktive Physikalist*innen könnten die Konklusion des Arguments einfach akzeptieren, da die im Alltagsdenken zentralen Behauptungen mentaler Verursachung noch gar nicht angegriffen sind. Um ein ernstzunehmendes Problem für den nicht-reduktiven Physikalismus darzustellen, sollte die Reichweite des einfachen Exklusionsarguments also ausgeweitet werden. Im Folgenden gehe ich auf einige Möglichkeiten ein, wie dies geschehen kann.

3.3.3 Kausale Geschlossenheit und empirische Evidenzen für hinreichende physische Ursachen

Die Einschränkung der Reichweite des einfachen Exklusionsarguments ergibt sich aus der eingeschränkten Reichweite der These der kausalen Geschlossenheit. Ein erster Ansatz, diese Einschränkung aufzulösen, besteht also darin, das einfache Exklusionsargument von der These der kausalen Geschlossenheit zu lösen.

Tatsächlich ist die These der kausalen Geschlossenheit in einer Hinsicht sehr viel allgemeiner, als dies im Rahmen des einfachen Exklusionsargument verlangt wird. Denn die These der kausalen Geschlossenheit betrifft alle physischeneng Ereignisse und nicht nur jene physischeneng Ereignisse, die als Wirkungen mentaler Ereignisse in Frage kommen. Die These der kausalen Geschlossenheit wäre zum Beispiel falsch, wenn die physische Welt einen nicht-physischen kausalen Ursprung hätte: Wenn ein übernatürliches Wesen den Urknall (als erstes physisches Ereignis) ausgelöst hätte, gäbe es ein physisches Ereignis, das eine hinreichende Ursache hat, aber keine hinreichende physische Ursache. Das einfache Exklusionsargument würde dann scheitern – und zwar aufgrund von Erwägungen, die mit der Existenz gewöhnlicher mentaler Verursachung eigentlich nichts zu tun haben.Footnote 47 Es ist daher wünschenswert, das einfache Exklusionsargument von der unnötigen Allgemeinheit der These der kausalen Geschlossenheit zu befreien.

Anstatt sich also auf ein allgemeines Prinzip zu berufen, dass es erlaubt, eine hinreichende physische Ursache von p* zu postulieren, könnte man sich auf konkrete empirische Belege dafür berufen, dass p* eine hinreichende physische Ursache hat. Man könnte Prämisse (1) im einfachen Exklusionsargument („p ist hinreichende Ursache für p*“) also auch motivieren, indem man sich auf konkrete empirische Evidenzen aus der Physiologie oder den Neurowissenschaften beruft, anstatt sich auf eine allgemeine These der kausalen Geschlossenheit zu berufen: Wenn beispielsweise eine vollständige neuro-physiologische Kausalerklärung von Susis Armbewegung vorliegt, die die kausale Geschichte der Armbewegung über Muskelkontraktionen, Aktivitäten im motorischen Cortex und darüber hinaus lückenlos zurückverfolgt, motiviert bereits dies auf den ersten Blick die Annahme, dass die Armbewegung eine hinreichende (neurologische) Ursache hat. Für die Plausibilität dieser Annahme ist es dann gar nicht notwendig, eine allgemeine These der kausalen Geschlossenheit zu verteidigen, die neben behavioralen Ereignissen auch alle anderen physischen Ereignisse betrifft.

Eine solche Herangehensweise hat (möglicherweise) wünschenswerte Konsequenzen für die Reichweite des Arguments: Betroffen sind nun alle Ereignisse, für die es empirisch plausibel ist, dass sie hinreichende physischeweit Ursachen haben. Eine prinzipielle Einschränkung auf physischeeng Ereignisse liegt nicht mehr vor.

Ob die Reichweite des einfachen Exklusionsarguments durch diese Alternative tatsächlich auf physischeweit Ereignisse, insbesondere behaviorale Ereignisse, ausgeweitet werden kann, hängt natürlich davon ab, ob solche vollständigen Kausalerklärungen der relevanten physischenweit Ereignisse durch andere physischeweit Ereignisse verfügbar sind. Diese Frage werde ich hier nicht im Detail behandeln. Auf drei mögliche Schwierigkeiten dieser Strategie sei jedoch hingewiesen:

Erstens: Was im Rahmen des Exklusionsarguments benötigt wird, ist die Annahme, dass die relevanten physischenweit Ereignisse hinreichende physischeweit Ursachen haben. Es würde also nicht reichen, physischeweit Teilursachen ausfindig zu machen. Denn auch die These der kausalen Exklusion wird letztlich bestenfalls dann plausibel, wenn sie sich auf hinreichende Verursachung bezieht.Footnote 48 Die These, dass behaviorale Ereignisse hinreichende physischeweit Ursachen haben, ist jedoch deutlich schwieriger empirisch zu belegen, als die schwächere These, dass behaviorale Ereignisse physischeweit Ursachen haben.Footnote 49 Zumindest würde die Identifikation einer relativ lokalen neurologischen Ursache hierfür nicht ausreichen. Denn angesichts der allgemeinen Komplexität hinreichender Ursachen ist eine solche relativ lokale neurologische Ursache kein guter Kandidat für eine hinreichende Ursache.Footnote 50

Zweitens: Die These der kausalen Geschlossenheit übernimmt im einfachen Exklusionsargument die Rolle, eine Entscheidung zwischen zwei möglichen Ursachen herbeizuführen. Denn das Exklusionsprinzip schreibt lediglich vor, dass entweder m oder p keine Ursache von p* sein kann. Die These der kausalen Geschlossenheit schließt dann die Option aus, p als Ursache aufzugeben und an m festzuhalten.Footnote 51 Da die These der kausalen Geschlossenheit im Rahmen von Diskussionen des Exklusionsarguments gegen den nicht-reduktiven Physikalismus als unverhandelbar gilt, wird die Option, an dieser Stelle des Arguments einzuhaken, üblicherweise nicht wahrgenommen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Berufung auf empirische Evidenzen dieselbe Funktion innerhalb von einem Exklusionsargument gegen den nicht-reduktiven Physikalismus übernehmen kann wie die These der kausalen Geschlossenheit. Denn es ließe sich argumentieren, dass die empirischen Evidenzen für die Existenz mentaler Verursachung mindestens ebenso stark sind wie die empirischen Evidenzen für die Existenz hinreichender physischer Ursachen. Zunächst einmal etabliert die These der kausalen Exklusion dann einen Konflikt zwischen empirischen Evidenzen unterschiedlicher Art. In diesem Fall ist es gar nicht so klar, dass nicht-reduktive Physikalist*innen die Evidenzen für die Existenz hinreichender physischer Ursachen bevorzugen müssen. Es muss im Rahmen dieser Strategie also argumentiert werden, dass die empirischen Evidenzen für die Existenz hinreichender physischer Ursachen für die vermeintlichen Wirkungen mentaler Ereignisse nicht nur vorliegen, sondern sie die empirischen Evidenzen für die Existenz mentaler Verursachung auch übertrumpfen.

Drittens: Die These der kausalen Geschlossenheit erlaubt es, für eine große Klasse von Ereignissen auf einen Schlag hinreichende Ursachen zu postulieren: Alle physischeneng Ereignisse sind daher gleichermaßen vom einfachen Exklusionsargument betroffen. Es ist nicht nötig, auf die Details der kausalen Geschichte bestimmter physischereng Ereignisse einzugehen, um hinreichende Ursachen für sie zu postulieren. Exklusionsargumente, die auf konkreten empirischen Evidenzen für hinreichende Ursachen der vermeintlichen Wirkungen mentaler Ereignisse beruhen, müssen hingegen viel stärker stückchenweise vorgehen: Ein Exklusionsargument, das etabliert, das Susis Gedanke nicht ihren Wunsch verursacht, muss auf empirische Theorien zur kausalen Geschichte von Wünschen eingehen. Ein Exklusionsargument, das etabliert, dass Susis Wunsch nicht ihre Armbewegung verursacht, muss auf empirische Theorien zur kausalen Geschichte von Armbewegungen eingehen. Und ein Exklusionsargument, das etabliert, dass Susis Wunsch keine neurologischen Veränderungen in ihrem motorischen Kortex verursacht, muss auf empirische Theorien über die kausale Geschichte entsprechender Vorgänge im motorischen Kortex eingehen. Um eine universelle epiphänomenalistische Konklusion zu erhalten, müssten daher für jeden Typ von vermeintlichen Wirkungen mentaler Ereignisse gut bestätige Theorien vorliegen. Es scheint daher zumindest einfacher zu sein, allgemeine Exklusionsargumente auf der Verteidigung eines allgemeinen Prinzips wie der These der kausalen Geschlossenheit aufzubauen.

Im Lichte dieser (sicherlich nicht vernichtenden) Schwierigkeiten lohnt es sich also, nach weiteren Möglichkeiten Ausschau zu halten, die Reichweite des einfachen Exklusionsarguments zu erweitern.

3.3.4 Mentale Verursachung im Stufenmodell der Realität

Das einfache Exklusionsargument beruht auf der These der Nicht-Identität und der These der kausalen Geschlossenheit. Es enthält keine darüber hinausgehenden, für den nicht-reduktiven Physikalismus spezifischen Thesen. Daher betrifft es neben dem nicht-reduktiven Physikalismus auch dualistische Positionen. Die in den folgenden Abschnitten zu diskutierenden Erweiterungen weichen in dieser Hinsicht vom einfachen Exklusionsargument ab. Denn sie berufen sich auch auf die für den nicht-reduktiven Physikalismus spezifische These der ontologischen Abhängigkeit:

Universale Ontologische Abhängigkeit: Jedes höherstufige Ereignis h ist ontologisch abhängig von einem physischeneng Ereignis p.Footnote 52

Um die verschiedenen Arten, wie diese These für Exklusionsargumente relevant wird, zu explizieren, ist es an dieser Stelle sinnvoll, ein wenig Terminologie einzuführen und die Existenz mentaler Verursachung auf diese Weise etwas genauer innerhalb der Metaphysik des nicht-reduktiven Physikalismus zu verorten.

Wie in Abschnitt 2.5.8. ausgeführt, zieht der nicht-reduktive Physikalismus eine erschöpfende und ausschließende Unterscheidung zwischen fundamentalen, physischeneng Ereignissen auf der einen Seite und höherstufigen Ereignissen auf der anderen Seite. Höherstufige Ereignisse sind dabei ontologisch abhängig von fundamentalen Ereignissen. In Abschnitt 2.5.9 habe ich zudem die Idee eines Stufenmodells der Realität ausgeführt: Höherstufige Ereignisse sind diesem Modell zufolge hierarchisch in niedrigere und höhere Stufen geordnet. Die verschiedenen Stufen lassen sich grob den unterschiedlichen Spezialwissenschaften zuordnen, so dass es eine (mikro-)physikalische Stufe, eine chemische Stufe, eine biologische Stufe, eine neurologische Stufe, eine psychologische (oder mentale) Stufe gibt usw.. Die Hierarchie ergibt sich dabei aus der Relation der ontologischen Abhängigkeit: Die Idee ist also, dass mentale Ereignisse auf einer höheren Stufe als neurologische Ereignisse sind, weil mentale Ereignisse von neurologischen Ereignissen ontologisch abhängen. Neurologische Ereignisse sind hingegen auf einer höheren Stufe als biologische Ereignisse, weil neurologische Ereignisse von biologischen Ereignissen ontologisch abhängen. Auf der absoluten Basis dieses ModellsFootnote 53 finden wir fundamentale, physischeeng Ereignisse. Alle höherstufigen Ereignisse hängen letztlich von diesen physischeneng Ereignisse ontologisch ab.

Vor dem Hintergrund eines Stufenmodells der Realität lässt sich nun eine Unterscheidung zwischen drei Arten von Verursachung treffen:

Intralevel Verursachung liegt genau dann vor, wenn Ursache und Wirkung sich auf derselben Stufe befinden – wenn also zum Beispiel sowohl Ursache als auch Wirkung neurologische Ereignisse sind.

Abwärtsverursachung liegt genau dann vor, wenn die Ursache sich auf einer höheren Stufe befindet als die Wirkung – wenn also zum Beispiel die Ursache ein mentales Ereignis und die Wirkung ein neurologisches Ereignis ist.

Aufwärtsverursachung liegt genau dann vor, wenn die Ursache sich auf einer niedrigeren Stufe befindet als die Wirkung – wenn also zum Beispiel die Ursache ein neurologisches Ereignis und die Wirkung ein mentales Ereignis ist.

In Abbildung 3.4 ist diese Unterscheidung anhand einer niedrigeren und einer höheren Stufe illustriert.

Abbildung 3.4
figure 4

Verursachung im Stufenmodell der Realität

Ein wichtiger Spezialfall von Intralevel-Verursachung ist dabei die fundamentale Verursachung (siehe Abb. 4.2), bei der ein fundamentales, physischeseng Ereignis ein anderes fundamentales, physischeseng Ereignis verursacht. Es ist diese Art der Verursachung, die primär durch die These der kausalen Geschlossenheit gedeckt ist: Fundamentale, physischeeng Ereignisse haben (hinreichende) fundamentale, physischeeng Ursachen.Footnote 54

Wie ist nun mentale Verursachung in diese Unterscheidung eingebettet? Wie in Abschnitt 3.1.1 gesehen, gilt es zunächst zu beachten, dass es ganz unterschiedliche Behauptungen mentaler Verursachung gibt. In der Geschichte von Susi, die einen interessanten Gedanken hat und deshalb ihren Arm hebt, um die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken, habe ich vier mögliche Behauptungen mentaler Verursachung unterschieden:

Mental-mentale Verursachung: Susis Gedanke verursacht ihren Wunsch.

Mental-behaviorale Verursachung: Susis Wunsch verursacht, dass sie ihren Arm hebt.

Mental-neurologische Verursachung: Susis Wunsch verursacht neurologische Veränderungen in ihrem motorischen Cortex.

Mental-mikrophysikalische Verursachung: Susis Wunsch verursacht mikrophysikalische Veränderungen in den Elementarteilchen, die ihren neurologischen Cortex konstituieren.

Diese verschiedenen Fälle mentaler Verursachung sind unterschiedlich in die in diesem Abschnitt eingeführte Unterscheidung zwischen Intralevel-, Abwärts- und Aufwärtsverursachung einzuordnen. Mental-mentale Verursachung etwa ist eindeutig als ein Fall von Intralevel-Verursachung zu klassifizieren: Susis Gedanke und ihr Wunsch sind auf derselben Stufe angesiedelt. Mental-neurologische Verursachung kann als Spezialfall von Abwärtsverursachung eingeordnet werden: Mentale Ereignisse sind ontologisch abhängig von neurologischen Ereignissen und daher auf einer höheren Stufe angesiedelt. Wenn ein mentales Ereignis also ein neurologisches Ereignis verursacht, befindet sich die Ursache auf einer höheren Stufe als die Wirkung. Ebenso ist mental-mikrophysikalische Verursachung ein Spezialfall von Abwärtsverursachung. Hierbei ist eine Besonderheit, dass das mentale Ereignis ein physischeseng, fundamentales Ereignis verursacht. Es handelt sich also um einen Fall von mental-fundamentaler Abwärtsverursachung. Es ist dieser Spezialfall von Abwärtsverursachung, der im einfachen Exklusionsargument problematisiert wird.

Die Einordnung des im Alltagsdenken vielleicht zentralsten Falls der mental-behavioralen Verursachung ist hingegen weniger eindeutig. Einige Autor*innen würden dies als einen weiteren Spezialfall von Abwärtsverursachung einordnen: Behaviorale Ereignisse sind (im weiten Sinne) physische Ereignisse und schon deshalb auf einer niedrigeren Stufe als mentale Ereignisse. Andere verstehen mental-behaviorale Verursachung hingegen als einen Spezialfall von Intralevel-Verursachung. Behaviorale Ereignisse sind, genau wie mentale Ereignisse, höherstufig und von physischeneng Ereignissen ontologisch abhängig. Zudem ließe sich argumentieren, dass mentale und behaviorale Ereignisse derselben Spezialwissenschaft, nämlich der Psychologie, zugeordnet sind und sie deshalb als gleichstufig behandelt werden sollten.Footnote 55 Hier hängt die Einordung also von kontroversen Fragen über den konkreten Aufbau der Stufenhierarchie ab. Wie wir sehen werden, hat die Einordnung mental-behavioraler Verursachung bedeutende Konsequenzen für die Plausibilität mancher Erwiderungen auf das Exklusionsargument.Footnote 56

Es bleibt also zunächst festzuhalten, dass die ausschlaggebenden Behauptungen mentaler Verursachung entweder Fälle von mentaler Intralevel-Verursachung oder Fälle von mentaler Abwärtsverursachung sind.Footnote 57 Mental-fundamentale Abwärtsverursachung nimmt dabei einen Sonderstatus ein, da es eben jene Art von Verursachung ist, deren Existenz durch das einfache Exklusionsargument in Frage gestellt wird. Die noch zu diskutierenden Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments nehmen die Problematisierung von mental-fundamentaler Abwärtsverursachung als Ausgangspunkt, um auch andere Arten mentaler Verursachung zu problematisieren. Dabei berufen sie sich auf eines von drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität. Diese drei Prinzipien werden im folgenden Abschnitt erläutert.

3.3.5 Drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität

Im Stufenmodell der Realität treffen zwei unterschiedliche Abhängigkeits-Relationen aufeinander: Auf der einen Seite haben wir die ‚vertikale‘ Relation der ontologischen Abhängigkeit, die gleichzeitig stattfindende, fundamentale und höherstufige Ereignisse miteinander verbindet. Auf der anderen Seite haben wir die ‚horizontale‘ Relation der Verursachung, die (üblicherweise) zeitlich aufeinanderfolgende Ursache- und Wirkungsereignisse verknüpft. Es stellt sich nun die Frage, wie diese beiden Relationen miteinander interagieren. Im vorliegenden Kontext ist besonders die folgende Frage relevant: Was folgt daraus, dass ein Ereignis von einem anderen Ereignis ontologisch abhängt, für das Bestehen oder Nicht-Bestehen von Verursachungsrelationen, die diese Ereignisse involvieren?

Drei Prinzipien, die diese Frage teilweise beantworten, spielen für die zu diskutierenden Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments eine wichtige Rolle: Das Prinzip der Abwärtsverursachung, das Prinzip der Aufwärtsverursachung und das Prinzip der basalen Verursachung. Diese drei Prinzipien werde ich im Folgenden jeweils formulieren, erläutern und knapp und vorläufig motivieren.

Das Prinzip der Abwärtsverursachung besagt das folgende:

Prinzip der Abwärtsverursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende)Footnote 58 Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis w ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist u auch eine (hinreichende) Ursache für Ereignis b.Footnote 59

Jede Ursache eines höherstufigen Ereignisses ist diesem Prinzip zufolge zugleich Ursache aller niedrigerstufigen Ereignisse, von denen das höherstufige Ereignis ontologisch abhängt. Die Relation der Verursachung sickert in der Hierarchie der Stufen gewissermaßen herunter.

Abbildung 3.5
figure 5

Prinzip der Abwärtsverursachung

In Abbildung 3.5 ist illustriert, welche Art von Schlüssen das Prinzip der Abwärtsverursachung erlaubt. Die Situation in Abbildung 5.1. impliziert nach dem Prinzip der Abwärtsverursachung die Situation in Abbildung 5.2.. Abbildung 5.1. kann daher niemals eine vollständige kausale Struktur abbilden. Stattdessen ist die vollständige Struktur nur durch Abbildung 5.2. abgebildet.

Eine wichtige Konsequenz des Prinzips der Abwärtsverursachung ist, dass es eine reine Intralevel-Verursachung nur auf der fundamentalen Stufe geben kann. In anderen Worten: Intralevel-Verursachung geht auf höheren Stufen immer mit Abwärtsverursachung einher. Wenn Susis Gedanke etwa ihren Wusch verursacht (mental-mentale Intralevel-Verursachung), dann muss ihr Gedanke auch das neurologische Ereignis verursachen, von dem ihr Wunsch ontologisch abhängt (mental-neurologische Abwärtsverursachung). Aber nicht nur Intralevel-Verursachung ist vom Prinzip der Abwärtsverursachung betroffen. Eine weitere wichtige Konsequenz ist, dass Abwärtsverursachung immer herunter bis auf die fundamentale Stufe sickert. Wenn Susis Wunsch also neurologische Vorgänge in ihrem motorischen Cortex verursacht (mental-neurologische Abwärtsverursachung), dann muss ihr Wunsch auch die mikrophysikalischen Veränderungen in den Elementarteilchen verursachen, die ihren motorischen Cortex konstituieren (mental-fundamentale Abwärtsverursachung).

Kim verteidigt dieses Prinzip im Rahmen seiner bevorzugten Erweiterung des einfachen Exklusionsarguments. Er stellt hierfür zunächst eine Spannung fest, die sich aus zwei verschiedenen Erklärungen des Eintretens von w ergibt: Die ‚horizontale‘ Kausalerklärung von w, die auf die Ursache u verweist, steht in Spannung mit der ‚vertikalen‘ Erklärung von w, die auf das niedrigerstufige Ereignis b verweist. Diese Spannung könne durch die Annahme aufgelöst werden, dass u auch b verursacht. Dies ist also eine vorläufige Motivation für das Prinzip der Abwärtsverursachung. Sie ergibt sich aus einer behaupteten Spannung zwischen den beiden Abhängigkeits-Relationen, die im Stufenmodell der Realität aufeinandertreffen: der horizontalen Relation der Verursachung auf der einen Seite und der vertikalen Relation der ontologischen Abhängigkeit auf der anderen Seite.Footnote 60

Das Prinzip der Aufwärtsverursachung kann wie folgt formuliert werden:

Prinzip der Aufwärtsverursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und ein Ereignis h ontologisch abhängig von Ereignis w ist, dann ist u auch eine (hinreichende) Ursache für Ereignis h.Footnote 61

Jede Ursache eines niedrigerstufigen Ereignisses ist diesem Prinzip zufolge zugleich Ursache aller höherstufigen Ereignisse, die von dem niedrigerstufigen Ereignis ontologisch abhängen. Die Relation der Verursachung klettert in der Hierarchie der Stufen gewissermaßen hinauf.

Abbildung 3.6
figure 6

Prinzip der Aufwärtsverursachung

In Abbildung 3.6 ist illustriert, welche Arten von Schlüssen das Prinzip der Aufwärtsverursachung erlaubt. Die Situation in Abbildung 6.1. impliziert nach dem Prinzip der Aufwärtsverursachung die Situation in Abbildung 6.2.. Abbildung 6.1. kann daher niemals eine vollständige kausale Struktur abbilden. Stattdessen ist die vollständige Struktur nur durch Abbildung 6.2. abgebildet.

Ebenso wie das Prinzip der Abwärtsverursachung hat auch das Prinzip der Aufwärtsverursachung Konsequenzen für die Existenz reiner Intralevel-Verursachung. Wenn das Prinzip der Aufwärtsverursachung stimmt, kann es eine reine Intralevel-Verursachung nur auf einer höchsten Stufe der Realität geben: Nur, wenn von der Wirkung keine weiteren Ereignisse ontologisch abhängen, folgt aus einer Intralevel-Verursachungsrelation keine Relation der Aufwärtsverursachung. Intralevel-Verursachung geht auf niedrigeren Stufen immer mit Aufwärtsverursachung einher. Wenn also die Veränderungen in den Elementarteilchen, die Susis motorischen Cortex konstituieren, von vorhergehenden mikrophysikalischen Vorgängen verursacht werden (fundamentale Intralevel-Verursachung), dann müssen diese mikrophysikalischen Vorgänge auch die neurologischen Vorgänge in Susis motorischem Cortex verursachen (fundamental-neurologische Aufwärtsverursachung). Auch das Prinzip der Aufwärtsverursachung hat zudem Konsequenzen für Abwärtsverursachung. Abwärtsverursachung klettert die Hierarchie der Stufen hinauf: Wenn Susis Wunsch die mikrophysikalischen Veränderungen in den Elementarteilchen verursacht, die ihren motorischen Cortex konstituieren (mental-fundamentale Abwärtsverursachung), dann muss ihr Wunsch auch die hierdurch konstituierten neurologischen Vorgänge in ihrem motorischen Cortex verursachen (mental-neurologische Abwärtsverursachung). In vielen Fällen bedeutet dies zudem, dass Abwärtsverursachung mit Intralevel-Verursachung einhergeht: Wenn Susis Gedanke etwa die neurologische Basis ihres Wunsches verursacht (mental-neurologische Abwärtsverursachung), dann verursacht ihr Gedanke auch ihren Wunsch (mental-mentale Intralevel-Verursachung).

Das Prinzip der Aufwärtsverursachung kann vorläufig durch die folgende Überlegung motiviert werden: Wenn u eine hinreichende Ursache für w ist, dann garantiert u, dass w eintritt. Wenn w aber eine physische Basis für h ist (weil h von w ontologisch abhängt), dann garantiert w auch, dass h eintritt. Also garantiert u ebenfalls, dass h eintritt. Dies spricht dafür, dass u auch h verursacht.Footnote 62

Das Prinzip der Aufwärtsverursachung und das Prinzip der Abwärtsverursachung haben zusammengenommen die Konsequenz, dass zwei Ereignisse, zwischen denen eine ontologische Abhängigkeitsbeziehung besteht, all ihre Ursachen teilen. Die Relation der Verursachung weitet sich dann auf das gesamte Spektrum der verschiedenen Stufen aus: Sie sickert nach unten und klettert nach oben. Verursachung bleibt nie ausschließlich auf einer Stufe. Wenn Susis Gedanke also ein neurologisches Ereignis verursacht, das als Basis für ihren Wunsch fungiert, dann verursacht der Gedanke sowohl ihren Wunsch (aufgrund des Prinzips der Aufwärtsverursachung) als auch die mikrophysikalischen Vorgänge, die das neurologische Ereignis konstituieren (aufgrund des Prinzips der Abwärtsverursachung).

Die beiden bis hierher besprochenen Prinzipien haben gemeinsam, dass sie von Wirkungen ausgehen, die in der Relation der ontologischen Abhängigkeit stehen. Sie haben hingegen keine Konsequenzen für Situationen, in denen Ursachen in der Relation der ontologischen Abhängigkeit stehen. Das dritte Prinzip, das für Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments genutzt werden kann und das es im Folgenden einzuführen gilt, geht nun von Ursachen aus, die in der Relation der ontologischen Abhängigkeit stehen.

Wir können dieses Prinzip ‚das Prinzip der basalen Verursachung‘ nennen und es wie folgt formulieren:

Prinzip der basalen Verursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis u ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist auch Ereignis b eine (hinreichende) Ursache für Ereignis w.Footnote 63

Jede Wirkung eines höherstufigen Ereignisses ist diesem Prinzip zufolge zugleich Wirkung jedes niedrigerstufigen Ereignisses, von dem das höherstufige Ereignis ontologisch abhängt. Wir haben hier also einen weiteren Sinn, in dem die Relation der Verursachung in der Hierarchie der Stufen heruntersickert: Was von einem höherstufigen Ereignis verursacht wird, wird auch von dessen niederigerstufigen Basen verursacht.

Abbildung 3.7
figure 7

Prinzip der basalen Verursachung

In Abbildung 3.7 ist illustriert, welche Arten von Schlüssen das Prinzip der basalen Verursachung erlaubt. Die Situation in Abbildung 7.1. impliziert nach dem Prinzip der basalen Verursachung die Situation in Abbildung 7.2.. Abbildung 7.1. kann daher niemals eine vollständige kausale Struktur abbilden. Stattdessen ist die vollständige Struktur nur durch Abbildung 7.2. abgebildet.

Auch das Prinzip der basalen Verursachung hat Konsequenzen für die Möglichkeit reiner Intralevel-Verursachung. Wie das Prinzip der Abwärtsverursachung impliziert auch das Prinzip der basalen Verursachung, dass es eine reine Intralevel-Verursachung nur auf fundamentaler Ebene geben kann. Höherstufige Intralevel-Verursachung geht nach dem Prinzip der basalen Verursachung hingegen immer mit Aufwärtsverursachung einher: Wenn Susis Gedanke ihren Wunsch verursacht (mentale Intralevel-Verursachung), dann muss auch die neurologische Basis ihres Gedankens ihren Wunsch verursachen (neurologisch-mentale Aufwärtsverursachung). Eine weitere erwähnenswerte Konsequenz des Prinzips der basalen Verursachung betrifft höherstufig-fundamentale Abwärtsverursachung. Diese impliziert nämlich nach dem Prinzip der basalen Verursachung fundamentale Intralevel-Verursachung: Wenn Susis Wunsch mikrophysikalische Veränderungen in den Elementarteilchen verursacht, die ihren motorischen Cortex konstituieren, dann werden diese mikrophysikalischen Veränderungen auch von der fundamentalen, physischeneng Basis ihres Wunsches verursacht.

Das Prinzip der basalen Verursachung kann auf eine ähnliche Weise vorläufig motiviert werden wie das Prinzip der Aufwärtsverursachung: Wenn u ontologisch abhängig von b ist, dann garantiert u, dass b eintritt. Wenn b aber hinreichende Ursache für w ist, dann garantiert u, dass w eintritt. Also garantiert b, dadurch, dass es das Eintreten von u garantiert, auch das Eintreten von w. Dies spricht dafür, dass b ebenfalls hinreichende Ursache für w ist.Footnote 64

Ich habe die drei Prinzipien in diesem Abschnitt neutral hinsichtlich der Frage formuliert, ob sie die Relation der hinreichenden Verursachung oder die Relation der Verursachung betreffen. Diese Frage ist jedoch, wie noch deutlich werden wird, relevant für die Stärke der zu diskutierenden Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments. Ich werde diese Frage an späterer Stelle – in Abschnitt 4.2 – also wieder aufgreifen. Jedoch werde ich auch bei meiner Rekonstruktion der Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments vorerst weitgehend bei dieser Neutralität bleiben.

Die dreiFootnote 65 Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität eröffnen drei unterschiedliche Möglichkeiten, das einfache Exklusionsargument auszuweiten, so dass es nicht länger auf die fundamentalen, physischeneng (vermeintlichen) Wirkungen mentaler Ereignisse beschränkt bleibt. Das einfache Exklusionsargument dient dabei als Anker, von dem aus sich allgemeine Argumente gegen die Existenz mentaler Verursachung entwickeln lassen, wenn man eines der drei Prinzipien hinzuzieht. Im folgenden Abschnitt führe ich zunächst aus, wie das Prinzip der Abwärtsverursachung für eine Erweiterung des einfachen Exklusionsarguments genutzt werden kann.

3.3.6 Das Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung

Kommen wir also zurück zu der Frage, wie das einfache Exklusionsargument so ausgeweitet werden kann, dass es nicht länger ausschließlich fundamentale, physischeeng Ereignisse betrifft. Eine erste Möglichkeit, die auch von Kim in Anspruch genommen wirdFootnote 66, beruft sich auf das Prinzip der Abwärtsverursachung, das hier zur Erinnerung noch einmal erwähnt werden soll:

Prinzip der Abwärtsverursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis w ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist u auch eine (hinreichende) Ursache für Ereignis b.

Als zweite Zutat benötigen wir eine universelle Variante der These der ontologischen Abhängigkeit, die sich nicht auf mentale Ereignisse beschränkt, sondern alle höherstufigen Ereignisse betrifft:

Universale Ontologische Abhängigkeit: Jedes höherstufige Ereignis h ist ontologisch abhängig von einem physischeneng Ereignis p.

Mithilfe dieser beiden Thesen ist es nun einfach, in einem ersten Schritt zu zeigen, dass ein mentales Ereignis, insofern es ein höherstufiges Ereignis verursacht, auch ein fundamentales, physischeseng Ereignis verursacht. In einem zweiten Schritt können wir dann auf das einfache Exklusionsargument verweisen, um zu etablieren, dass das mentale Ereignis nicht ein fundamentales, physischeseng Ereignis verursacht. Hieraus können wir dann schließen, dass das mentale Ereignis auch keine höherstufigen Ereignisse verursacht.

Gehen wir also davon aus, dass m ein mentales Ereignis ist, das als Ursache für ein höherstufiges Ereignis h in Frage kommt. Aufgrund der These der ontologischen Abhängigkeit können wir postulieren, dass h eine physischeeng Basis p* hat, von der h ontologisch abhängt. Aufgrund des Prinzips der Abwärtsverursachung muss m auch p* verursachen, wenn m h verursacht. Das ist also der erste Schritt dieser Erweiterung des einfachen Exklusionsarguments: Wenn m h verursacht, dann verursacht m auch hs physischeeng Basis p*.

An dieser Stelle aber kommt das einfache Exklusionsargument ins Spiel: m kann p*, die physischeeng Basis von h, nicht verursachen, weil p* aufgrund der These der kausalen Geschlossenheit bereits eine hinreichende, physischeeng Ursache p hat. Aber m ist nach der These der Nicht-Identität nicht mit p (oder mit einem Teil von p) identisch. Aufgrund des einfachen Exklusionsprinzips wird m also als Ursache von p* ausgeschlossen. Das ist der zweite Schritt dieser Erweiterung des einfachen Exklusionsarguments: m verursacht nicht hs physischeeng Basis p*.

Aus dem ersten Schritt und dem zweiten Schritt zusammengenommen folgt nun aber (nach modus tollens), dass m auch h nicht verursacht. Also: m verursacht nicht h.

Zur Verdeutlichung wieder eine Rekonstruktion des Arguments, das wir zur späteren Bezugnahme ‚das Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung‘ taufen können:

Erweiterung I: Das Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung

Es sei m ein mentales Ereignis. Es sei h ein höherstufiges Ereignis. p und p* seien zwei physischeeng Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung wie folgt rekonstruieren:

Schritt 1:

  1. (1)

    h ist ontologisch abhängig von p* (motiviert durch die These der ontologischen Abhängigkeit).

  2. (2)

    Wenn m Ursache von h ist und h ontologisch abhängig von p* ist, dann ist m Ursache von p* (motiviert durch das Prinzip der Abwärtsverursachung).

  3. (3)

    Also: Wenn m Ursache von h ist, dann ist m Ursache von p* (aus 1,2)

Schritt 2:

  1. (4)

    p ist hinreichende Ursache für p* (motiviert durch die These der kausalen Geschlossenheit).

  2. (5)

    m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

  3. (6)

    Wenn p hinreichende Ursache von p* ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist, dann ist m nicht Ursache von p* (motiviert durch das einfache Exklusionsprinzip).

  4. (7)

    Also: m ist nicht Ursache von p* (aus 4, 5, 6).

  5. (8)

    Also: m ist nicht Ursache von h (aus 3, 7).

‚h‘ kann in diesem Argument für ein beliebiges höherstufiges Ereignis stehen. Wir können sowohl neurologische Ereignisse als auch behaviorale Ereignisse oder mentale Ereignisse einsetzen. Durch diese Erweiterung ist die Limitierung des einfachen Exklusionsargument also überwunden: Das neue Argument betrifft nun nicht nur fundamentale, physischeeng Ereignisse, sondern alle Ereignisse – ob fundamental oder höherstufig. Entsprechend lässt sich mit diesem Argument etablieren, dass Susis Gedanke nicht ihren Wunsch verursachen kann und ihr Wunsch nicht ihr Armheben, nicht die neurologischen Vorgänge in ihrem motorischen Cortex und nicht die mikrophysikalischen Veränderungen, die diese neurologischen Vorgänge konstituieren, verursachen kann. Mentale Ereignisse haben, wenn dieses Argument funktioniert, unter den Annahmen des nicht-reduktiven Physikalismus also keinerlei Wirkungen. Sie sind vollständig epiphänomenal.

3.3.7 Das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung

Wie ich in Abschnitt 2.3.2. ausgeführt habe, ergibt sich die eingeschränkte Reichweite des einfachen Exklusionsarguments aus der eingeschränkten Reichweite der These der kausalen Geschlossenheit. Ein weiterer Ansatz, diese Einschränkung aufzulösen besteht also darin, die Reichweite der These der kausalen Geschlossenheit auszuweiten. Hierfür kann man sich auf das Prinzip der Aufwärtsverursachung berufen, das hier zu Erinnerung noch einmal genannt wird:

Prinzip der Aufwärtsverursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und ein Ereignis h ontologisch abhängig von Ereignis w ist, dann ist u auch eine (hinreichende) Ursache für Ereignis h.

Wieder ist es für dieses Argument nötig, eine universale Variante der These der ontologischen Abhängigkeit hinzuzuziehen:

Universale Ontologische Abhängigkeit: Jedes höherstufige Ereignis h ist ontologisch abhängig von einem physischeneng Ereignis p.

Auf Grundlage dieser beiden Thesen lässt sich nun in einem ersten Schritt ein Argument konstruieren, das von der These der kausalen Geschlossenheit, die besagt, dass jedes fundamentale, physischeeng Ereignis eine hinreichende, physischeeng Ursache hat, zu der Annahme führt, dass auch jedes höherstufige Ereignis eine hinreichende, physischeeng Ursache hat. Und zwar wie folgt:

Es sei h ein beliebiges höherstufiges Ereignis. Auf Grundlage der These der ontologischen Abhängigkeit können wir postulieren, dass h eine physischeeng Basis hat, die wir ‚p*‘ nennen können. Aufgrund der These der kausalen Geschlossenheit können wir zudem postulieren, dass p* eine hinreichende, physischeeng Ursache p hat.Footnote 67 Das Prinzip der Aufwärtsverursachung erlaubt nun, zu schließen, dass p als hinreichende, physischeeng Ursache von p* auch eine hinreichende, physischeeng Ursache von h ist. Also hat auch h eine hinreichende, physischeeng Ursache. Dasselbe gilt für jedes andere höherstufige Ereignis. Also hat jedes höherstufige Ereignis eine hinreichende, physischeeng Ursache.Footnote 68

Als zweiten Schritt können wir uns nun wieder auf die Argumentation berufen, die aus dem einfachen Exklusionsargument bekannt ist. Allerdings können wir diese Argumentation nun direkt auf das höherstufige Ereignis h beziehen. Es sei m ein mentales Ereignis, das als Ursache für h in Frage kommt. h hat, wie im ersten Schritt gezeigt, aber bereits eine hinreichende physischeeng Ursache p. m ist nach der These der Nicht-Identität nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch. Das einfache Exklusionsprinzip schließt daher aus, dass m ebenfalls h verursacht. Also verursacht m nicht h.

Zur späteren Bezugnahme nenne ich dieses Argument ‚das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung‘ und führe zur Verdeutlichung die folgende Rekonstruktion ein:

Erweiterung II: Das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung

Es sei m ein mentales Ereignis. Es sei h ein höherstufiges Ereignis. p und p* seien zwei physischeeng Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung wie folgt rekonstruieren:

Schritt 1:

  1. (1)

    h ist ontologisch abhängig von p* (motiviert durch die These der ontologischen Abhängigkeit).

  2. (2)

    p ist hinreichende Ursache von p* (motiviert durch die These der kausalen Geschlossenheit).

  3. (3)

    Wenn p hinreichende Ursache für p* ist und h ontologisch abhängig von p* ist, dann ist p hinreichende Ursache für h.

  4. (4)

    Also: p ist hinreichende Ursache für h (aus 1, 2, 3).

Schritt 2:

  1. (5)

    m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

  2. (6)

    Wenn p hinreichende Ursache von h ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist, dann ist m nicht Ursache von h (motiviert durch das einfache Exklusionsprinzip)

  3. (7)

    Also: m ist nicht Ursache von h (aus 4, 5, 6).

Auch das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung ist im Gegensatz zum einfachen Exklusionsargument nicht auf physischeeng Ereignisse eingeschränkt. Ebenso wie das Argument aus der Abwärtsverursachung erlaubt also auch dieses Argument, eine uneingeschränkt allgemeine epiphänomenalistische Konsequenz zu begründen: Wenn das Argument funktioniert, haben mentale Ereignisse im nicht-reduktiven Physikalismus keinerlei Wirkungen und sind vollständig epiphänomenal.Footnote 69

3.3.8 Das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung

Auch aus dem Prinzip der basalen Verursachung ergibt sich ein Exklusionsargument, das die Beschränkung der Reichweite des einfachen Exklusionsarguments vermeidet. Zur Erinnerung sei das Prinzip der basalen Verursachung hier noch einmal genannt:

Prinzip der basalen Verursachung: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und Ereignis u ontologisch abhängig von einem Ereignis b ist, dann ist auch Ereignis b eine (hinreichende) Ursache für Ereignis w.

Wie auch im Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung und dem Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung spielt in dem in diesem Abschnitt zu entwickelnden Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung die These der ontologischen Abhängigkeit eine wichtige Rolle. Hierbei ist es jedoch nicht notwendig, eine universale These der ontologischen Abhängigkeit vorauszusetzen. Stattdessen reicht für die Zwecke des Arguments aus dem Prinzip der basalen Verursachung eine auf mentale Ereignisse eingeschränkte Version der These der ontologischen Abhängigkeit:

Mentale Ontologische Abhängigkeit: Jedes mentale Ereignis m ist ontologisch abhängig von einem physischeneng Ereignis p.

Das Prinzip der basalen Verursachung und die These der ontologischen Abhängigkeit haben in Kombination die folgende Konsequenz: Wenn ein mentales Ereignis m eine beliebige (fundamentale oder höherstufige) Wirkung w hat, dann hat w auch eine (hinreichende) physischeeng Ursache – nämlich die physischeeng Basis von m. Dies ist der erste Schritt des Arguments: Wenn m eine (hinreichende) Ursache für w ist, dann ist auch p, die physischeeng Basis von m, eine (hinreichende) Ursache für w.

Der zweite Schritt des Arguments besteht nun wieder in einer Überlegung, die bereits aus dem einfachen Exklusionsargument bekannt ist: Gegeben, dass m nach der These der Nicht-Identität nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist, und dass w nach dem einfachen Exklusionsprinzip nicht mehr als eine (hinreichende) Ursache hat, kann w nicht von m und p verursacht werden. Dies ist der zweite Schritt des Arguments: Wenn p eine (hinreichende) Ursache für w ist, dann ist m keine (hinreichende) Ursache für w.

Die beiden Schritte haben zusammengenommen die paradoxe Konsequenz, dass aus der Annahme, dass m (hinreichende) Ursache für w ist, folgt, dass m nicht (hinreichende) Ursache für w ist. Die Konklusion dieses Arguments ist also nicht bloß, dass mentale Ereignisse im nicht-reduktiven Physikalismus keine Wirkungen haben. Vielmehr wird gezeigt, dass die Annahme, dass mentale Ereignisse Wirkungen haben, unter Voraussetzung des nicht-reduktiven Physikalismus selbstwiderlegend ist: Sie führt in einen Widerspruch.Footnote 70

Wieder biete ich zur Klärung eine Rekonstruktion des Arguments an:

Erweiterung III: Das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung

Es sei m ein mentales Ereignis. Es sei w ein beliebiges Ereignis. p und p* seien zwei physischeeng Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung wie folgt rekonstruieren:

Schritt 1:

  1. (1)

    m ist ontologisch abhängig von p (motiviert durch die These der ontologischen Abhängigkeit).

  2. (2)

    Wenn m (hinreichende) Ursache von w ist und m ontologisch abhängig von p ist, dann ist p (hinreichende) Ursache von w (motiviert durch die These der basalen Verursachung).

  3. (3)

    Wenn m (hinreichende) Ursache von w ist, dann ist p (hinreichende) Ursache von w (aus 1, 2).

Schritt 2:

  1. (4)

    m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

  2. (5)

    Wenn p hinreichende Ursache von w ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist, dann ist m nicht (hinreichende) Ursache von w (motiviert durch das einfache Exklusionsprinzip).

  3. (6)

    Also: Wenn p (hinreichende) Ursache von w ist, dann ist m nicht (hinreichende) Ursache von w (aus 4, 5).

  4. (7)

    Also: Wenn m (hinreichende) Ursache von w ist, dann ist m nicht (hinreichende) Ursache von w (aus 3, 6).

Das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung ist ebenso wie das Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung und das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung uneingeschränkt allgemein. Es betrifft jede vermeintliche Wirkung eines mentalen Ereignisses. Eine Einschränkung auf fundamentale physischeeng Ereignisse liegt nicht vor.

Eine Besonderheit dieses Arguments ist, dass es sich an keiner Stelle auf die These der kausalen Geschlossenheit beruft. Auch sind keine empirischen Evidenzen dafür nötig, dass w tatsächlich eine hinreichende, physischeeng Ursache hat. Das Argument würde auch dann noch funktionieren, wenn kein einziges Ereignis eine hinreichende, physischeeng Ursache hätte. Der Grund dafür ist, dass die Konklusion des Arguments wie auch seine Prämissen konditional sind: Wenn m eine (hinreichende) Ursache für w ist, dann ist auch p eine (hinreichende) Ursache für w. Und: Wenn p eine (hinreichende) Ursache für w ist, dann ist m keine (hinreichende) Ursache für w. Also: Wenn m eine hinreichende Ursache für w ist, dann ist m keine hinreichende Ursache für w. Für die Wahrheit dieser konditionalen Aussagen ist es nicht nötig, dass m oder p tatsächlich w verursachen. Daher ist es auch nicht nötig, die These der kausalen Geschlossenheit einzubeziehen, um zu etablieren, dass p tatsächlich w verursacht. Es reicht vielmehr die Argumentation dafür, dass w eine hinreichende, physischeeng Ursache hat, insofern w von m (hinreichend) verursacht wird. Denn schon hieraus lässt sich unter Hinzunahme der These der Nicht-Identität und des einfachen Exklusionsprinzips die Konklusion ableiten, dass die Annahme der Existenz mentaler Verursachung selbstwiderlegend ist.

Kim argumentiert jedoch in einem neueren Aufsatz dafür, dass die These der kausalen Geschlossenheit unter Voraussetzung der These der ontologischen Abhängigkeit aus dem Prinzip der basalen Verursachung folgt.Footnote 71 Das Argument ist – übertragen auf die hier verwendete Terminologie und in manchen Hinsichten ergänzt – in groben Zügen dieses:

Ereignisse sind entweder höherstufig oder fundamental und im engen Sinne physisch. Höherstufige Ereignisse haben aufgrund der These der ontologischen Abhängigkeit fundamentale, physischeeng Basen. Wenn ein Ereignis nun eine hinreichende höherstufige Ursache hat, dann hat es aufgrund des Prinzips der basalen Verursachung auch eine hinreichende, physischeeng, fundamentale Ursache – nämlich die physische Basis der höherstufigen Ursache. Wenn ein Ereignis hingegen keine hinreichende, höherstufige Ursache hat, dann hat es (aufgrund der erschöpfenden Unterscheidung zwischen höherstufigen und fundamentalen Ereignissen) entweder überhaupt keine hinreichende Ursache oder eine hinreichende fundamentale, physischeeng Ursache. Wenn ein Ereignis also überhaupt eine hinreichende Ursache hat, dann hat es eine hinreichende fundamentale physischeeng Ursache. Die These der kausalen Geschlossenheit ist etabliert.Footnote 72

Was durch diese Argumentation jedoch nicht etabliert wird, ist, dass die These der kausalen Geschlossenheit gehaltvoll ist. Auch dieses Argument würde sogar dann funktionieren, wenn überhaupt kein Ereignis eine hinreichende physischeeng Ursache hat, so dass die These der kausalen Geschlossenheit leer wahr ist. Die anderen beiden Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments setzen natürlich eine gehaltvolle These der kausalen Geschlossenheit voraus. Das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung tut dies nicht (und impliziert auch keine solche These).

Für den vorliegenden Kontext ist aber ohnehin nur dies relevant: Das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung muss sich im Gegensatz zu den anderen diskutierten Exklusionsargumenten nicht explizit auf die These der kausalen Geschlossenheit beziehen und muss diese These insbesondere nicht in Anspruch nehmen, um zu etablieren, dass irgendein Ereignis tatsächlich eine hinreichende physischeeng Ursache hat.

Dass das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung auf die These der kausalen Geschlossenheit verzichtet, wirft eine interessante Frage auf. Denn im einfachen Exklusionsargument spielt die These der kausalen Geschlossenheit eine tragende Rolle: Sie sorgt für die Asymmetrie zwischen den zwei Kandidaten für Ursachen von p*. Da das Exklusionsprinzip lediglich vorschreibt, dass nicht sowohl p als auch m (hinreichende) Ursachen von p* sein können, und daher kompatibel damit ist, dass m p* verursacht und p als Ursache ausgeschlossen wird, muss die These der kausalen Geschlossenheit hinzugezogen werden, um zu etablieren, dass m als Ursache von p* ausgeschlossen wird.Footnote 73 Es stellt sich nun die Frage, wie eine solche Asymmetrie eigentlich in Bezug auf das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung zustande kommt. Was sorgt dafür, dass die Annahme, dass m eine (hinreichende) Ursache für w ist, selbstwiderlegend ist, aber die Annahme, dass p eine (hinreichende) Ursache für w ist, nicht selbstwiderlegend ist?

Das Exklusionsprinzip spielt für diese Asymmetrie tatsächlich keine Rolle. Es ist, wie Kim schreibt, „neutral with respect to the mental-physical competition“Footnote 74. Die Asymmetrie ergibt sich daher nicht aus dem zweiten Schritt des Arguments aus dem Prinzip der basalen Verursachung. Das sieht man schon daran, dass die Kontraposition der Konklusion des zweiten Schritts („(6) Wenn p (hinreichende) Ursache von w ist, dann ist m nicht (hinreichende) Ursache von w“) lautet: Wenn m (hinreichende) Ursache für w ist, dann ist p nicht (hinreichende) Ursache für w. Die Asymmetrie muss also im ersten Schritt des Arguments zu finden sein.

Und hier ist sie zu finden: Die Asymmetrie zwischen m und p ergibt sich gewissermaßen aus der Asymmetrie des Prinzips der basalen Verursachung sowie der Asymmetrie der Relation der ontologischen Abhängigkeit. Das Prinzip der basalen Verursachung erlaubt nämlich, aus ‚m verursacht w‘ und ‚m ist ontologisch abhängig von p‘ zu schließen: ‚p verursacht w‘. Aber es erlaubt nicht, aus ‚p verursacht w‘ und ‚m ist ontologisch abhängig von p‘ zu schließen: ‚m verursacht w‘. Deswegen können wir im ersten Schritt des Arguments auch nicht ableiten: Wenn p w verursacht, dann verursacht auch m w. Zwar stünde diese These in Konflikt mit der These der Nicht-Identität und dem Exklusionsprinzip. Jedoch kann sie nicht auf Grundlage des Prinzips der basalen Verursachung begründet werden. Deshalb ist nur die Annahme, dass m eine (hinreichende) Ursache von w ist, selbstwiderlegend, während die Annahme, dass p eine (hinreichende) Ursache für w ist, konsistent bleibt.

Das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung nimmt eine Sonderrolle innerhalb der drei bisher diskutierten Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments ein. Denn es weicht aufgrund des Verzichts auf die These der kausalen Geschlossenheit sowie mit Blick auf die Konklusion, dass mentale Verursachung selbstwiderlegend ist, stärker von dem einfachen Exklusionsargument ab, als das Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung und das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung.

Eine Gemeinsamkeit mit den anderen Erweiterungen besteht hingegen darin, dass es nicht nur physischeeng (vermeintliche) Wirkungen mentaler Ereignisse betrifft, sondern alle (vermeintlichen) Wirkungen mentaler Ereignisse. Die drei Erweiterungen sind also verschiedene Möglichkeiten, die Limitierung des einfachen Exklusionsarguments zu vermeiden.

Eine zweite Gemeinsamkeit besteht darin, dass alle drei Argumente sich auf die These der ontologischen Abhängigkeit berufen. Sie sind also – im Gegensatz zum einfachen Exklusionsargument, das auch dualistische Positionen angreift – spezifisch auf den nicht-reduktiven Physikalismus gerichtet: Sie nehmen die Kernthesen des nicht-reduktiven Physikalismus als Ausgangspunkt, um (unter Hinzunahme weiter Prinzipien) aufzuzeigen, dass mentale Ereignisse keine Wirkungen haben.Footnote 75 Auf diese Weise leisten sie den für den ersten Schritt des Vorwurfs des Epiphänomenalismus zentralen Übergang vom nicht-reduktiven Physikalismus zum Epiphänomenalismus: Wenn der nicht-reduktive Physikalismus wahr ist, dann gibt es keine mentale Verursachung.

3.3.9 Das einfache Exklusionsprinzip und genuine Überdetermination

Eine weitere Gemeinsamkeit aller bis hierher diskutierten Exklusionsargumente besteht darin, dass sich alle Argumente auf das einfache Exklusionsprinzip berufen. Im Folgenden werde ich dieses Prinzip daher genauer in den Blick nehmen. In Abschnitt 3.3.1. habe ich das einfache Exklusionsprinzip wie folgt formuliert:

Das einfache Exklusionsprinzip: Wenn ein Ereignis eine hinreichende Ursache zu t hat, dann hat es darüber hinaus keine weitere Ursache zu t.

Schauen wir uns noch einmal die Funktion des Exklusionsprinzips in den bisher besprochenen Exklusionsargumenten an. Das Exklusionsprinzip kommt immer dann zur Anwendung, wenn wir zwei verschiedene Kandidaten für (hinreichende) Ursachen für ein gegebenes Ereignis haben: Im einfachen Exklusionsargument und im Argument aus dem Prinzip der Abwärtskausalität garantiert das Exklusionsprinzip, dass das physischeeng Ereignis p* nicht sowohl von der hinreichenden Ursache p als auch von dem mentalen Ereignis m verursacht wird. Im Argument aus dem Prinzip der Aufwärtskausalität sichert das Exklusionsprinzip, dass das höherstufige Ereignis h nicht sowohl eine hinreichende physischeeng Ursache als auch eine mentale Ursache hat. Im Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung stellt das Exklusionsprinzip sicher, dass ein beliebiges Ereignis w nicht sowohl von m als auch von p, der physischeneng Basis von m, verursacht wird. In allen Argumenten würde eine Ablehnung des Exklusionsprinzips dazu führen, dass die in Frage stehende Wirkung eine hinreichende physische Ursache und gleichzeitig eine zusätzliche mentale Ursache hat.

Eine Ablehnung des Exklusionsprinzips würde also in jedem dieser Fälle zu der Option führen, dass die Wirkungen mentaler Ereignisse in einem gewissen Sinne überdeterminiert sind. Sie würde zu einem Modell von mentaler Verursachung als Überdetermination führen (siehe Abbildung 3.8). Das einfache Exklusionsprinzip hat also in allen Exklusionsargumenten die Funktion, das Modell von mentaler Verursachung als Überdetermination als Rückzugsort nicht-reduktiver Physikalist*innen auszuschließen.

Abbildung 3.8
figure 8

Mentale Verursachung als Überdetermination

Was bedeutet es aber genauer, dass ein Ereignis überdeterminiert ist? Für die vorliegenden Zwecke können wir die folgende, allgemeine Definition von Überdetermination voraussetzen:

Überdetermination: Ein Ereignis w ist genau dann überdeterminiert, wenn gilt: w hat eine hinreichende Ursache zu t und darüber hinaus eine weitere Ursache zu t.Footnote 76

Es ist eindeutig, dass das Modell der mentalen Verursachung als Überdetermination impliziert, dass die Wirkungen mentaler Ereignisse in diesem Sinne überdeterminiert sind: w hat eine hinreichende physische Ursache p und darüber hinaus eine gleichzeitige mentale Ursache m.

Das einfache Exklusionsprinzip schließt das Modell der mentalen Verursachung als Überdetermination aus, indem es in uneingeschränkter Allgemeinheit ausschließt, dass ein Ereignis eine hinreichende Ursache und darüber hinaus eine zeitgleiche, zusätzliche Ursache hat. Damit schießt das einfache Exklusionsprinzip jedoch nach allgemeiner Auffassung über das Ziel hinaus. Denn es schließt nicht nur das Modell mentaler Verursachung als Überdetermination aus. Stattdessen schließt es jede Form von Überdetermination aus. Wenn das einfache Exklusionsprinzip also wahr ist, dann gibt es keine Überdetermination.

Dass dies eine sehr starke – vielleicht zu starke – Behauptung ist, sieht man an dem folgenden Beispiel:

Genuine Überdetermination – zwei Attentäter: Zwei Attentäter schießen zeitgleich und aus gleichem Abstand unabhängig voneinander auf ein Opfer, so dass ihre Kugeln zeitgleich eintreffen. Das Opfer stirbt. Jeder einzelne Schuss hätte aber auch in Abwesenheit des anderen Schusses zum Tod des Opfers geführt. In diesem Fall hat der Tod des Opfers zwei hinreichende Ursachen: Jeder der beiden Schüsse ist hinreichende Ursache für den Tod des Opfers. Der Tod des Opfers ist überdeterminiert.Footnote 77

Wenn das einfache Exklusionsprinzip wahr ist, sind solche Fälle von genuiner Überdetermination ebenso ausgeschlossen wie das Modell von mentaler Verursachung als Überdetermination. Genuine Überdetermination scheint aber nicht allgemein ausgeschlossen zu sein: Wirkungen sind zwar nicht im Regelfall überdeterminiert und Fälle von genuiner Überdetermination sind seltene Ausnahmen. Aber ein Prinzip, das die Existenz genuiner Überdetermination ganz allgemein ablehnt, scheint auf den ersten Blick nicht plausibel. Der Fall der zwei Attentäter ist also ein Gegenbeispiel gegen das einfache Exklusionsprinzip.

Nun ließe sich das einfache Exklusionsprinzip natürlich verteidigen, indem gezeigt wird, dass es dem ersten Anschein zum Trotz doch keine Fälle von genuiner Überdetermination gibt.

Es ließe sich etwa argumentieren, dass sich alle vermeintlichen Fälle genuiner Überdetermination bei genauerer Analyse als Fälle von gemeinschaftlicher Verursachung entpuppen: Keine der beiden Ursachen ist für sich genommen hinreichend für die Wirkung. Tatsächlich hätte der Schuss des ersten Attentäters in Abwesenheit des Schusses des zweiten Attentäters nämlich nicht genau diesen Tod des Opfers verursacht. Hätte nur ein Schuss stattgefunden, wäre das Opfer zwar auch gestorben. Jedoch wäre es auf eine andere Art und Weise gestorben und es hätte also ein anderes Ereignis stattgefunden. Nach diesem Ansatz garantieren nur beide Schüsse in Kombination, dass es zu diesem spezifischen Tod des Opfers kommt. Es liegen also gar nicht zwei hinreichende Ursachen für ein und dieselbe Wirkung vor, sondern zwei Teilursachen.Footnote 78

Alternativ könnte man dafür argumentieren, dass die richtige Analyse des Falls der zwei Attentäter die beiden Schüsse nicht jeweils einzeln als zwei hinreichende Ursachen klassifiziert, sondern nur die ‚Summe‘Footnote 79 der beiden Schüsse als eine einzige hinreichende Ursache. Entgegen dem ersten Anschein hat der Tod dann nicht zwei hinreichende Ursachen (den ersten Schuss und den zweiten Schuss), sondern nur eine einzige (die ‚Summe‘ aus dem ersten und zweiten Schuss). Allgemein sind (vermeintliche) Fälle von genuiner Überdetermination dann immer als Fälle von einfacher hinreichender Verursachung durch ein zusammengesetztes Ereignis zu interpretieren.Footnote 80

Wie vielversprechend diese Strategien zur Vermeidung von Fällen genuiner Überdetermination sind, sei hier dahingestellt. Wichtig ist an dieser Stelle ohnehin lediglich Folgendes: Wenn Exklusionsargumente unter Berufung auf das einfache Exklusionsprinzip formuliert werden, können sie zurückgewiesen werden, indem die prinzipielle Möglichkeit von Fällen von genuiner Überdetermination aufgezeigt wird. Nicht-reduktive Physikalist*innen können also alle bis hierher diskutierten Exklusionsargumente abwehren, indem sie für die Möglichkeit des Falls der zwei Attentäter argumentieren.Footnote 81 Dieser Umstand ist aus Sicht der Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus nicht wünschenswert. Und es ist auch nicht zu sehen, warum Kritiker*innen des nicht-reduktiven Physikalismus sich auf die Unmöglichkeit genuiner Überdetermination festzulegen hätten. Aus diesem Grund werden Exklusionsargumente für gewöhnlich nicht unter Voraussetzung des einfachen Exklusionsprinzips formuliert.

In weiten Teilen der Debatte hat sich stattdessen ein Exklusionsprinzip durchgesetzt, das eine explizite Ausnahmeklausel für Fälle von genuiner Überdetermination enthält:

Das übliche Exklusionsprinzip: Wenn ein Ereignis eine hinreichende Ursache zu t hat, dann hat es darüber hinaus keine weitere Ursache zu t – es sei denn, es handelt sich um einen Fall von genuiner Überdetermination.Footnote 82

Dieses Prinzip kann nun nicht mehr durch einen Verweis auf Fälle genuiner Überdetermination zurückgewiesen werden. Allerdings kann es auch für sich genommen nicht die Funktion übernehmen, die das einfache Exklusionsprinzip in den bisherigen Exklusionsargumenten übernommen hat. Wir können beispielsweise im einfachen Exklusionsargument nicht aufgrund des üblichen Exklusionsprinzips schließen, dass m keine Ursache für p* ist. Denn p* könnte genuin überdeterminiert sein. In diesem Fall wäre das übliche Exklusionsprinzip nicht auf p* anwendbar. Um zur gewünschten Konklusion zu gelangen, müssen wir uns also auf eine zusätzliche Annahme stützen: p* ist nicht genuin überdeterminiert. Entsprechend müssen auch die diskutierten Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments modifiziert werden, wenn sie sich statt auf das einfache Exklusionsprinzip auf das übliche Exklusionsprinzip beziehen: Es muss jeweils angenommen werden, dass die in Frage stehende vermeintliche Wirkung des mentalen Ereignisses nicht genuin überdeterminiert ist – dass sie also nicht im selben Sinne überdeterminiert ist, wie der Tod des Opfers im Fall der zwei Attentäter.

Diese Überlegung legt nahe, dass Exklusionsargumente, die sich auf das übliche Exklusionsprinzip stützen, die folgende, allgemeine Annahme voraussetzen:

Überdeterminationsverbot: Die Wirkungen mentaler Ereignisse sind nicht genuin überdeterminiert.Footnote 83

Die Idee hinter dieser Annahme ist dann, dass sich mentale Verursachung als Überdetermination, wie sie im Rahmen des nicht-reduktiven Physikalismus nahegelegt wird, bedeutend von der genuinen Überdetermination unterscheidet, die ihren Ausdruck im Beispiel der zwei Attentäter findet. Aus diesem Grund findet das übliche Exklusionsprinzip Anwendung auf vermeintliche Fälle von mentaler Verursachung als Überdetermination. Und unter dieser Voraussetzung schließt das übliche Exklusionsprinzip das Modell der mentalen Verursachung als Überdetermination aus.Footnote 84

Das übliche Exklusionsprinzip setzt also eine begriffliche Unterscheidung zwischen genuiner Überdetermination auf der einen Seite und nicht-genuiner Überdetermination auf der anderen Seite voraus. Genuine Überdetermination ist selten, aber (womöglich)Footnote 85 nicht komplett ausgeschlossen. Nicht-genuine Überdetermination ist hingegen aufgrund des üblichen Exklusionsprinzips allgemein ausgeschlossen.

In beiden Fällen haben wir eine hinreichende Ursache und gleichzeitig eine zusätzliche Ursache. Sowohl genuine als auch nicht-genuine Überdetermination sind also Fälle von Überdetermination nach der obigen Definition. Dies wirft die Frage auf, worin sich genuine Überdetermination von nicht-genuiner Überdetermination unterscheidet. Hierzu schreibt Kim Folgendes:

In standard cases of overdetermination, like two bullets hitting the victim’s heart at the same time, the short circuit and the overturned lantern causing a house fire, and so on, each overdetermining cause plays a distinct and distinctive causal role. The usual notion of overdetermination involves two or more separate and independent causal chains intersecting at a common effect. Because of Supervenience, however, that is not the kind of situation we have here. In this sense, this is not a case of genuine causal overdetermination, and Exclusion applies in a straightforward way.Footnote 86

In Fällen von genuiner Überdetermination haben wir es demnach mit zwei unabhängigen hinreichenden Ursachen zu tun, während in den Fällen von mentaler Verursachung als Überdetermination, die durch das übliche Exklusionsprinzip ausgeschlossen werden, die mentale Ursache von der hinreichenden physischen Ursache ontologisch abhängt: Genuine Überdetermination ist unabhängige Überdetermination. Nicht-genuine Überdetermination ist hingegen abhängige Überdetermination (siehe Abbildung 3.9 für eine Illustration der Unterscheidung).

Wenn dies der ausschlaggebende Unterschied ist, scheint es recht naheliegend, Exklusionsargumente auf einem Exklusionsprinzip aufzubauen, das sich direkt und ausschließlich gegen abhängige Überdetermination richtet. Mit einem solchen Exklusionsprinzip könnte man zudem auf ein zusätzliches Überdeterminationsverbot verzichten. Es bietet sich also an, das folgende Prinzip ins Zentrum von Exklusionsargumenten zu stellen:

Das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit: Wenn ein Ereignis u eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis w ist und ein Ereignis h von u ontologisch abhängt, dann ist Ereignis h keine (hinreichende) Ursache für Ereignis w.Footnote 87

Dieses Prinzip betrifft den Fall der zwei Attentäter ebenso wenig wie das übliche Exklusionsprinzip. Denn im Fall der zwei Attentäter stehen die beiden hinreichenden Ursachen gerade nicht in einer Relation der ontologischen Abhängigkeit. Der Fall der zwei Attentäter ist also kein Gegenbeispiel gegen das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit.

Auch das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit kann jedoch für sich genommen nicht die Funktion erfüllen, die das einfache Exklusionsprinzip im einfachen Exklusionsargument übernimmt. Denn im einfachen Exklusionsargument wird an keiner Stelle vorausgesetzt, dass das mentale Ereignis m von der (aufgrund der These der kausalen Geschlossenheit postulierten) hinreichenden physischen Ursache p ontologisch abhängt. Um das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit zur Anwendung zu bringen, muss man also die These der ontologischen Abhängigkeit hinzuziehen. Insbesondere muss man annehmen, dass die hinreichende physischeeng Ursache p von p* zugleich die physischeeng Basis von m ist. Man muss also annehmen, dass m von p, der hinreichenden Ursache für p*, ontologisch abhängig ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist das Exklusionsprinzip der ontologischen Abhängigkeit auf die relevante Situation anwendbar.

Auf diese alternative Modifikation des einfachen Exklusionsprinzips soll an dieser Stelle aber lediglich hingewiesen werden. In Teil 4 komme ich an einigen Stellen noch einmal auf den Status des Exklusionsprinzips der ontologischen Abhängigkeit in verschiedenen Theorien der Kausalität zu sprechen. Im Folgenden gehe ich aber zunächst von der verbreiteteren Modifikation aus, die im oben eingeführten üblichen Exklusionsprinzip und dem Überdeterminationsverbot besteht.

Abbildung 3.9
figure 9

Genuine, unabhängige Überdetermination und nicht-genuine, abhängige Überdetermination

Gegeben diese Unterscheidung schließt also das Exklusionsprinzip aus, dass mentale Verursachung nicht-genuine, abhängige Überdetermination involviert, während das Überdeterminationsverbot ausschließt, dass mentale Verursachung genuine, unabhängige Überdetermination involviert. Gemeinsam schließen die beiden Thesen aus, dass Wirkungen mentaler Ereignisse in irgendeinem Sinne überdeterminiert sind. Auf diese Weise erfüllen sie zusammengenommen die Funktion, die das einfache Exklusionsargument in den bisher dargestellten Exklusionsargumenten übernommen hat.

3.3.10 Die vier Exklusionsargumente – finale Versionen

Die dargestellten Exklusionsargumente sollten also so modifiziert werden, dass sie sich nicht länger auf das einfache Exklusionsargument beziehen, sondern stattdessen auf die Kombination aus dem üblichen Exklusionsprinzip und dem Überdeterminationsverbot. Es ergeben sich dann die folgenden Versionen der diskutierten Exklusionsargumente:

Das einfache Exklusionsargument

Es sei m ein mentales Ereignis. p und p* seien zwei physische Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das einfache Exklusionsargument wie folgt rekonstruieren:

  1. (1)

    p ist hinreichende Ursache für p* (motiviert durch die These der kausalen Geschlossenheit).

  2. (2)

    m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

  3. (3)

    Wenn p hinreichende Ursache für p* ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist und p* nicht genuin überdeterminiert ist, dann ist m nicht Ursache von p* (motiviert durch das übliche Exklusionsprinzip).

  4. (4)

    p* ist nicht genuin überdeterminiert (motiviert durch das Überdeterminationsverbot).

  5. (5)

    Also: m ist nicht Ursache von p* (aus 1, 2, 3, 4).

Erweiterung I: Das Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung

Es sei m ein mentales Ereignis. Es sei h ein höherstufiges Ereignis. p und p* seien zwei physischeeng Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung wie folgt rekonstruieren:

Schritt 1:

  1. (1)

    h ist ontologisch abhängig von p* (motiviert durch die These der ontologischen Abhängigkeit).

  2. (2)

    Wenn m Ursache von h ist und h ontologisch abhängig von p* ist, dann ist m Ursache von p* (motiviert durch das Prinzip der Abwärtsverursachung).

  3. (3)

    Also: Wenn m Ursache von h ist, dann ist m Ursache von p* (aus 1,2).

Schritt 2:

  1. (4)

    p ist hinreichende Ursache für p* (motiviert durch die These der kausalen Geschlossenheit).

  2. (5)

    m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

  3. (6)

    Wenn p hinreichende Ursache für p* ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist und p* nicht genuin überdeterminiert ist, dann ist m nicht Ursache von p* (motiviert durch das übliche Exklusionsprinzip).

  4. (7)

    p* ist nicht genuin überdeterminiert (motiviert durch das Überdeterminationsverbot).

  5. (8)

    Also: m ist nicht Ursache von p* (aus 4, 5, 6, 7).

  6. (9)

    Also: m ist nicht Ursache von h (aus 3, 7).

Erweiterung II: Das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung

Es sei m ein mentales Ereignis. Es sei h ein höherstufiges Ereignis. p und p* seien zwei physischeeng Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung wie folgt rekonstruieren:

Schritt 1:

  1. (1)

    h ist ontologisch abhängig von p* (motiviert durch die These der ontologischen Abhängigkeit).

  2. (2)

    p ist hinreichende Ursache von p* (motiviert durch die These der kausalen Geschlossenheit).

  3. (3)

    Wenn p hinreichende Ursache für p* ist und h ontologisch abhängig von p* ist, dann ist p hinreichende Ursache für h.

  4. (4)

    Also: p ist hinreichende Ursache für h (aus 1, 2, 3).

Schritt 2:

  1. (5)

    m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

  2. (6)

    Wenn p hinreichende Ursache von h ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist und h nicht genuin überdeterminiert ist, dann ist m nicht Ursache von h (motiviert durch das übliche Exklusionsprinzip).

  3. (7)

    h ist nicht genuin überdeterminiert (motiviert durch das Überdeterminationsverbot).

  4. (8)

    Also: m ist nicht Ursache von h (aus 4, 5, 6, 7).

Erweiterung III: Das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung

Es sei m ein mentales Ereignis. Es sei w ein beliebiges Ereignis. p und p* seien zwei physischeeng Ereignisse. Unter diesen Annahmen lässt sich das Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung wie folgt rekonstruieren:

Schritt 1:

  1. (1)

    m ist ontologisch abhängig von p (motiviert durch die These der ontologischen Abhängigkeit).

  2. (2)

    Wenn m (hinreichende) Ursache von w ist und m ontologisch abhängig von p ist, dann ist p (hinreichende) Ursache von w (motiviert durch die These der basalen Verursachung).

  3. (3)

    Also: Wenn m (hinreichende) Ursache von w ist, dann ist p (hinreichende) Ursache von w (aus 1, 2).

Schritt 2:

  1. (4)

    m ist nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch (motiviert durch die These der Nicht-Identität).

  2. (5)

    Wenn p hinreichende Ursache von w ist und m nicht mit p (oder einem Teil von p) identisch ist und w nicht genuin überdeterminiert ist, dann ist m nicht (hinreichende) Ursache von w (motiviert durch das übliche Exklusionsprinzip).

  3. (6)

    w ist nicht genuin überdeterminiert (motiviert durch das Überdeterminationsverbot).

  4. (7)

    Also: Wenn p (hinreichende) Ursache von w ist, dann ist m nicht (hinreichende) Ursache von w (aus 4, 5, 6).

  5. (8)

    Also: Wenn m (hinreichende) Ursache von w ist, dann ist m nicht (hinreichende) Ursache von w (aus 3, 7).

Wie an diesen Rekonstruktionen deutlich wird, macht der Übergang vom einfachen Exklusionsprinzip zur Kombination aus üblichem Exklusionsprinzip und Überdeterminationsverbot zwei kleine Änderungen in den Argumenten notwendig: Erstens muss die Prämisse, die sich auf ein Exklusionsprinzip beruft, jeweils so modifiziert werden, dass sie Fälle genuiner Überdetermination nicht betrifft. Zweitens muss eine zusätzliche Prämisse eingeführt werden, die besagt, dass die jeweils in Frage stehende vermeintliche Wirkung des mentalen Ereignisses nicht genuin überdeterminiert ist.

Die umliegende Struktur der vier Exklusionsargumente bleibt von diesen Modifikationen jedoch unberührt: Der Übergang vom einfachen Exklusionsprinzip zur Kombination aus üblichem Exklusionsprinzip und Überdeterminationsverbot macht keine Modifikationen der anderen Prämissen der Exklusionsargumente notwendig. Die Prämissen, die sich auf die These der kausalen Geschlossenheit oder auf eines der drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität berufen, bleiben unverändert.

Im Folgenden setze ich die gerade genannten finalen Versionen der vier Exklusionsargumente voraus. Wenn ich also vom ‚einfachen Exklusionsargument‘, vom ‚Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung‘, vom ‚Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung‘ und vom ‚Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung‘ spreche, meine ich immer die Versionen, die sich aus der Kombination aus dem üblichen Exklusionsprinzip und dem Überdeterminationsverbot ergeben.

3.3.11 Die vier Exklusionsargumente und der Vorwurf des Epiphänomenalismus

Betrachten wir zum Abschluss noch einmal, wie die vier Exklusionsargumente sich zum Vorwurf des Epiphänomenalismus verhalten. Wie eingangs erwähnt, besteht das Ziel von Exklusionsargumenten im Rahmen des Vorwurfs des Epiphänomenalismus darin, die folgende Prämisse argumentativ zu untermauern:

(EP1) Wenn der nicht-reduktive Physikalismus wahr ist, dann gibt es keine mentale Verursachung.

Um dieses Argumentationsziel zu erreichen, knüpfen Exklusionsargumente an die Kernthesen des nicht-reduktiven Physikalismus an: Mentale Ereignisse sind nicht identisch mit physischen Ereignissen. Jedoch sind mentale Ereignisse (wie auch alle anderen höherstufigen Ereignisse) ontologisch abhängig von physischen Ereignissen. Wenn Exklusionsargumente also nachweisen können, dass diese Kernthesen des nicht-reduktiven Physikalismus dazu führen, dass es keine mentale Verursachung gibt, erreichen sie ihr Argumentationsziel.

Die genannten Kernthesen des nicht-reduktiven Physikalismus implizieren jedoch nicht für sich genommen, dass es keine mentale Verursachung gibt. Die vier Exklusionsargumente, die ich in diesem Kapitel erläutert habe, berufen sich daher auf die eine oder andere Weise auf zusätzliche Annahmen über die kausale Struktur der Welt. Strenggenommen begründen die vier Exklusionsargumente also vorerst den folgenden Zusammenhang zwischen dem nicht-reduktiven Physikalismus und der Existenz mentaler Verursachung:

(EP1‘) Wenn der nicht-reduktive Physikalismus wahr ist und eine Reihe von zusätzlichen Thesen über die kausale Struktur der Welt ebenfalls wahr ist, dann gibt es keine mentale Verursachung.

Zu diesen zusätzlichen Thesen über die kausale Struktur der Welt, die nötig sind, um den nicht-reduktiven Physikalismus in den Epiphänomenalismus zu überführen, zählen die These der kausalen Geschlossenheit, das übliche Exklusionsprinzip, das Überdeterminationsverbot und die drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität. Wenn diese Thesen (oder eine geeignete Teilmenge dieser Thesen) also wahr sind, dann führt der nicht-reduktive Physikalismus unweigerlich in den Epiphänomenalismus.

Dies zeigt zugleich, wie nicht-reduktive Physikalist*innen, die an der Existenz mentaler Verursachung festhalten wollen, auf die vier Exklusionsargumente reagieren können: Sie müssen einige der Zusatzannahmen, die nötig sind, um den nicht-reduktiven Physikalismus in den Epiphänomenalismus zu überführen, zurückweisen. Das nächste Kapitel widmet sich nun den Aussichten, die Exklusionsargumente durch Zurückweisung eine der Zusatzannahmen abzuwehren.

3.4 Kausalistische Erwiderungen auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus

Die meisten nicht-reduktiven Physikalist*innen lehnen die erste Prämisse des Vorwurfs des Epiphänomenalismus ab. Sie argumentieren dafür, dass es auch dann mentale Verursachung geben kann, wenn der nicht-reduktive Physikalismus wahr ist. Solche kausalistischen Erwiderungen auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus stehen nun vor der Aufgabe, die in Abschnitt 3.3. entwickelten Exklusionsargumente zurückzuweisen. In diesem Kapitel behandle ich die Frage, wie Kausalist*innen diese Aufgabe erfüllen können und zu welchen Modellen mentaler Verursachung die verschiedenen Optionen zur Zurückweisung von Exklusionsargumenten führen.

Ich gehe dabei wie folgt vor: In Abschnitt 3.4.1. führe ich eine Unterscheidung zwischen kompatibilistischen und inkompatibilistischen Erwiderungen auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus ein: Die kompatibilistische Erwiderung besteht in einer Ablehnung des üblichen Exklusionsprinzips, während die inkompatibilistische Erwiderung in einer Ablehnung der drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität besteht. Die darauf folgenden drei Abschnitte beschäftigen sich mit der kompatibilistischen Erwiderung: In Abschnitt 3.4.2. gehe ich im Rahmen dieser Strategie auf den Umgang mit dem Überdeterminationsverbot ein. In Abschnitt 3.4.3. diskutiere und kritisiere ich einige Argumente für das übliche Exklusionsprinzip. Abschnitt 3.4.4. beschäftigt sich mit dem Bild mentaler Verursachung, das sich aus einer Ablehnung des üblichen Exklusionsprinzips ergibt. In Abschnitt 3.4.5. gehe ich schließlich auf die Aussichten einer inkompatibilistischen Erwiderung auf Exklusionsargumente ein.

3.4.1 Kompatibilismus und Inkompatibilismus

Es gibt zwei vielversprechende Strategien, die vier Exklusionsargumente zurückzuweisen: Die kompatibilistische Strategie und die inkompatibilistische Strategie. In diesem Abschnitt stelle ich knapp die Grundideen der beiden Strategien vor.Footnote 88

Die kompatibilistische Strategie besteht darin, die Kombination aus dem Überdeterminationsverbot und dem üblichen Exklusionsprinzip zurückzuweisen. Die Wirkungen mentaler Ereignisse können dann überdeterminiert sein. Die Strategie besteht also in einer Verteidigung des Modells mentaler Verursachung als (abhängiger) Überdetermination. Diese Strategie kann als ‚Kompatibilismus‘ bezeichnet werden: Denn im Kern besagt diese Strategie, dass es mit der Existenz mentaler Verursachung kompatibel ist, dass die Wirkungen mentaler Ereignisse bereits hinreichende physische Ursachen haben. Ein und dasselbe Ereignis kann eine hinreichende physische Ursache und darüber hinaus eine weitere mentale Ursache haben.

Das Überdeterminationsverbot und das übliche Exklusionsprinzip kommen in allen vier diskutierten Exklusionsargumenten zur Anwendung. Die kompatibilistische Strategie hat daher den Vorteil, dass sie auf einen Schlag alle Exklusionsargumente zurückweisen kann. Denn wenn die Kombination aus dem Überdeterminationsverbot und dem üblichen Exklusionsprinzip scheitert, dann scheitern alle Exklusionsargumente.

Insofern nur das Überdeterminationsverbot oder das übliche Exklusionsprinzip zurückgewiesen werden, aber die drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität akzeptiert werden, hat der Kompatibilismus die Konsequenz, dass jede Wirkung eines mentalen Ereignisses überdeterminiert ist. Verantwortlich hierfür sind sowohl die Kombination aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung und der These der kausalen Geschlossenheit als auch das Prinzip der basalen Verursachung: Wie im Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung deutlich wird, sollten die hinreichenden physischen Ursachen der physischen Basen höherstufiger Ereignisse auch als hinreichende Ursachen der zugehörigen höherstufigen Ereignisse gezählt werden. Aus diesem Grund hat nicht nur jedes physische Ereignis eine hinreichende physische Ursache, sondern auch jedes höherstufige Ereignis. Mentale Ereignisse können also ausschließlich Ereignisse verursachen, die bereits distinkte hinreichende Ursachen haben. Dasselbe folgt auch aus dem Prinzip der basalen Verursachung: Immer, wenn ein mentales Ereignis ein beliebiges anderes Ereignis verursacht, hat auch die physische Basis des mentalen Ereignisses einen Anspruch darauf, eine (hinreichende) Ursache zu sein. Es sind daher alle Wirkungen mentaler Ereignisse durch ein mentales Ereignis und die physische Basis des mentalen Ereignisses überdeterminiert.

Einige Verteidiger*innen des kausalistischen, nicht-reduktiven Physikalismus akzeptieren das Überdeterminationsverbot und das übliche Exklusionsprinzip jedoch (in einem gewissen SinneFootnote 89): Sie stimmen zu, dass mentale Ereignisse mit ihren physischen Basen um kausalen Einfluss konkurrieren. Jedoch argumentieren sie dafür, dass in allen relevanten Fällen die mentalen Ereignisse als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgehen. So schreibt etwa John Gibbons:

I think the mental does compete with the physical. I think that determinates compete with determinables, parts compete with wholes, what is realized competes with its realizer, and functional properties compete with the properties that play the roles. I’m not worried about this threat to nonreductive materialism or mental causation because I think that in the relevant cases, the mental properties win.Footnote 90

Diese Strategie zur Erwiderung auf Exklusionsargumente nenne ich ‚Inkompatibilismus‘. Inkompatibilist*innen akzeptieren (im Gegensatz zu Kompatibilist*innen) sowohl das Überdeterminationsverbot als auch das übliche Exklusionsprinzip. Sie lehnen jedoch eine geeignete Menge der anderen Zusatzannahmen über die kausale Struktur der Welt ab, die nötig sind, um den nicht-reduktiven Physikalismus in den Epiphänomenalismus zu überführen: Sie lehnen also die These der kausalen Geschlossenheit und/oder die drei Prinzipen der Verursachung im Stufenmodell der Realität ab.

Laut Inkompatibilist*innen sind die Wirkungen mentaler Ereignisse nicht überdeterminiert. Sie haben stattdessen nur mentale Ursachen, aber keine physischen Ursachen. Dies führt auf den ersten Blick zu einer stärkeren kausalen Autonomie mentaler Ereignisse: Mentale Ereignisse sind nicht ‚bloß‘ überdeterminierende Ursachen. Stattdessen haben sie Wirkungen, die nicht zugleich Wirkungen physischer Ereignisse sind.

In Abbildung 3.10 sind die Modelle mentaler Verursachung, die sich aus dem Kompatibilismus und dem Inkompatibilismus ergeben, illustriert.

Abbildung 3.10
figure 10

Kompatibilismus und Inkompatibilismus

3.4.2 Kompatibilismus, das Überdeterminationsverbot und genuine Überdetermination

Das Überdeterminationsverbot besagt, dass die Wirkungen mentaler Ereignisse nicht genuin überdeterminiert sind – das heißt, dass sie nicht im selben Sinne überdeterminiert sind, wie der Tod des Opfers im Fall der zwei Attentäter überdeterminiert ist. Es liegen nicht eine hinreichende Ursache und eine unabhängige weitere Ursache vor. Die Behauptung wird von Kompatibilist*innen üblicherweise akzeptiert. Und das aus gutem Grund: Denn wenn tatsächlich alle Wirkungen mentaler Ereignisse genuin überdeterminiert wären, wäre das höchst rätselhaft.

Fälle von genuiner Überdetermination involvieren einen großen Zufall oder eine im Hintergrund stehende gemeinsame Ursache. Im Falle der zwei Attentäter können die beiden Attentäter entweder bloß zufällig und unabhängig voneinander auf die Idee gekommen sein, einen Anschlag zu verüben. Es müssen weitere Zufälle hinzukommen, damit die beiden Attentäter ihre Anschläge exakt gleichzeitig verüben. Die Situation ist dann in der Regel sehr kontrafaktisch instabil: Schon eine kleine Ablenkung einer der beiden Attentäter hätte zum Beispiel dazu geführt, dass er ein wenig später schießt. Alternativ kann eine gemeinsame Ursache dafür vorliegen, dass die beiden Attentäter gleichzeitig schießen: Ein gemeinsamer Auftraggeber wollte beispielsweise sichergehen, dass das Opfer zu genau diesem Zeitpunkt stirbt und hat daher gleich zwei für ihre exakte Pünktlichkeit bekannte Attentäter engagiert. In diesem Falle ist die Situation kontrafaktisch stabiler, aber es stehen menschliche Planung und eine gemeinsame Ursache im Hintergrund.Footnote 91 Aus diesen Gründen ist genuine Überdetermination als allgemeines Modell mentaler Verursachung abzulehnen: Denn mentale Verursachung ist allgegenwärtig. Dass die mit genuiner Überdetermination verbundene Zufälligkeit oder Planung aber allgegenwärtig ist, scheint überaus unglaubwürdig. Eine Allgegenwärtigkeit von genuiner Überdetermination käme einem gigantischen kosmischen Zufall oder einer rätselhaften kosmischen Verschwörung gleich.Footnote 92

Diese Überlegungen zeigen, dass mentale Verursachung nicht nach dem Modell genuiner Überdetermination verstanden werden sollte. Sie sprechen jedoch nicht dagegen, mentale Verursachung nach dem Modell der abhängigen Verursachung aufzufassen. Denn das Modell der abhängigen Verursachung liefert eine Erklärung für das Zusammentreffen der beiden überdeterminierenden Ursachen gleich mit: Die beiden Ursachen treten regelmäßig zusammen auf, weil eine ontologische Abhängigkeitsbeziehung zwischen ihnen besteht. Die physische Ursache erzwingt die gleichzeitige mentale Ursache, weil die mentale Ursache von der physischen Ursache ontologisch abhängig ist. Es ist also kein bloßer Zufall, dass die beiden Ursachen regelmäßig zusammen auftreten. Und es ist keine Planung nötig, um zu garantieren, dass die beiden Ursachen regelmäßig zusammen auftreten.Footnote 93

Die Beziehung der ontologischen Abhängigkeit, die im Modell mentaler Verursachung als abhängiger Überdetermination zwischen der hinreichenden physischen Ursache und der mentalen Ursache besteht, führt zu weiteren Unterschieden zwischen der Art von Überdetermination, die laut Kompatibilist*innen in Fällen von mentaler Verursachung vorkommt und der genuinen Überdetermination, die im Fall der zwei Attentäter vorliegt. Insbesondere liegen – wie Karen Bennett argumentiertFootnote 94 – bestimmte kontrafaktische Zusammenhänge, die bei Fällen genuiner Überdetermination vorliegen, bei abhängiger Überdetermination plausiblerweise nicht vor.Bei genuiner Überdetermination liegt nämlich in der Regel folgendes kontrafaktisches Muster vor:

Wenn ein Ereignis w durch ein Ereignis u1 und ein unabhängiges Ereignis u2 genuin überdeterminiert ist, dann sind die folgenden beiden Konditionale nicht-leer und wahr:

  1. (a)

    Wenn u1 ohne u2 eingetreten wäre, dann wäre w noch immer eingetreten und

  2. (b)

    Wenn u2 ohne u1 eingetreten wäre, dann wäre w noch immer eingetreten.

Im Fall der zwei Attentäter wäre das Opfer auch dann gestorben, wenn Attentäter A geschossen hätte, ohne dass Attentäter B geschossen hätte. Und das Opfer wäre auch dann gestorben, wenn Attentäter B geschossen hätte, ohne dass Attentäter A geschossen hätte. Die beiden Konditionale sprechen dabei Möglichkeiten an, die klarerweise sinnvoll sind: Man kann sich leicht vorstellen, dass Attentäter A geschossen hätte, ohne dass Attentäter B schießt.

Dasselbe ist in Fällen von abhängiger Überdetermination nicht der Fall: Denn der modale Zusammenhang zwischen der physischen Basis eines mentalen Ereignisses und dem mentalen Ereignis, der mit der Relation der ontologischen Abhängigkeit einhergeht, hat Konsequenzen für die Auswertung der relevanten kontrafaktischen Konditionale. Wenn ein mentales Ereignis m von einer physischen Basis p ontologisch abhängt, dann erzwingt p m. Das heißt: Wenn p eintritt, muss m mit metaphysischer Notwendigkeit ebenfalls eintreten. Dieser Zusammenhang hat die Konsequenz, dass das kontrafaktische Konditional ‚Wenn p ohne m eingetreten wäre, dann wäre w noch immer eingetreten‘ ein unmögliches Antezedens hat: p kann nicht ohne m eintreten. Dann aber ist das Konditional nach einer verbreiteten KonventionFootnote 95 leer wahr.Footnote 96 Dies ist eine bedeutende Disanalogie zu Fällen genuiner Überdetermination, in denen die entsprechenden Konditionale nicht-leer wahr sind. Gewissermaßen ist die Frage ‚Was wäre passiert, wenn Attentäter A ohne Attentäter B geschossen hätte?‘ sinnvoll und hat die klare Antwort, dass das Opfer dann noch immer gestorben wäre. Die Frage ‚Was wäre passiert, wenn p ohne m eingetreten wäre?‘ ist hingegen nicht wirklich sinnvoll und hat keine klare Antwort.

Einige Kompatibilist*innen weisen solchen Disanalogien zwischen genuiner Überdetermination und abhängiger Überdetermination große Bedeutung zu. Bennett meint sogar, dass es die Hauptaufgabe von Kompatibilist*innen sei, Unterschiede zwischen genuiner Überdetermination und abhängiger Überdetermination ausfindig zu machen.Footnote 97 Solche Strategien haben nach meiner Auffassung jedoch bestenfalls eine eingeschränkte Überzeugungskraft. Denn sie zeigen zwar, dass die abhängige Überdetermination, die von Kompatibilist*innen für Fälle mentaler Verursachung beansprucht wird, sich von genuiner Überdetermination bedeutend unterscheidet. Sie zeigen daher auch, dass der Kompatibilismus nicht darauf festgelegt ist, dass die Wirkungen mentaler Ereignisse genuin überdeterminiert sind und sie daher nicht auf allgegenwärtige Zufälle oder kosmische Verschwörungen festgelegt sind. Was sie jedoch nicht zeigen, ist, dass das Modell mentaler Verursachung als abhängiger Überdetermination problemlos akzeptiert werden kann.Footnote 98 Hierfür müsste vielmehr das übliche Exklusionsprinzip zurückgewiesen werden.

3.4.3 Kompatibilismus und die Begründung des üblichen Exklusionsprinzips

Die Diskussion im letzten Abschnitt hat gezeigt, dass Kompatibilist*innen das Überdeterminationsverbot akzeptieren sollten: Die Wirkungen mentaler Ereignisse sind nicht genuin überdeterminiert. Kompatibilist*innen müssen sich entsprechend auf das übliche Exklusionsprinzip konzentrieren: Sie sollten argumentieren, dass das Modell mentaler Verursachung als abhängiger Überdetermination unproblematisch ist: Es spricht nichts dagegen, dass ein Ereignis eine hinreichende physische Ursache und darüber hinaus eine mentale Ursache hat, solange die mentale Ursache von der hinreichenden physischen Ursache ontologisch abhängt.

Diese Strategie halte ich für durchaus aussichtsreich. Denn letztlich gibt es keine wirklich schlagenden Argumente für das übliche Exklusionsprinzip. Um diese Ansicht zu plausibilisieren, gehe ich im Folgenden auf eine Reihe von verbreiteten Argumenten für das übliche Exklusionsprinzip ein.

Dem üblichen Exklusionsprinzip wird von einigen Autor*innen schlicht eine starke intuitive Kraft zugesprochen: Wenn ein Ereignis bereits eine hinreichende Ursache hat, ist einfach unmittelbar klar, dass es nicht eine weitere Ursache haben kann. Zwar mag es hier seltene Ausnahmen geben, die sich in Fällen genuiner Überdetermination zeigen. Diese Ausnahmen sprechen aber nicht gegen die allgemeine Intuition: Mehrere (hinreichende) Ursachen konkurrieren miteinander. Es ist nicht genug Platz für eine hinreichende physische Ursache und eine darüber hinausgehende, zusätzliche, mentale Ursache. Paradigmatisch hierfür zitiere ich Kevin Morris:

A second salient aspect of my view of the exclusion problem is simply that it has considerable intuitive force. […] Suppose I claim that the raising of my arm has a fully sufficient physical cause, a causal history that involves the contraction of muscles, the firing of neurons, complex physical interactions between my body and the environment, but never steps outside of the physical domain. It is appropriate to find it strange if I go on to assert that my beliefs, desires, and intentions also caused the raising of my arm, if my beliefs, desires, and intentions cannot be identified with some aspect of the physical cause. How can they be causes, one might ask, if there is a complete physical causal story for the raising of your [sic!] arm?Footnote 99

Selbst wenn dem üblichen Exklusionsprinzip eine starke intuitive Kraft zugestanden wird und die Aussage ‚Susis Armbewegung hat eine hinreichende neurologische Ursache und ihr Wunsch verursacht ebenfalls ihre Armbewegung‘ also kontraintuitiv oder ‚seltsam‘ ist, kann hieraus meiner Meinung nach keine hinreichende Motivation für die Akzeptanz des Exklusionsprinzips erwachsen.

Denn erstens scheint das übliche Exklusionsprinzip eine substantielle metaphysische Annahme zu sein. Abhängige Überdetermination ist nicht aus begrifflichen Gründen ausgeschlossen. Die Intuition, auf die sich Verteidiger*innen des Exklusionsprinzips beziehen, ist daher keine begriffliche oder semantische Intuition über die Bedeutung der Ausdrücke ‚Verursachung‘ oder ‚genuine Überdetermination‘. Vielmehr handelt es sich um eine Intuition über eine substantielle metaphysische These. Es ist aber fraglich, wieviel Bedeutung man Intuitionen bei der Beantwortung substantieller metaphysischer Fragen zugestehen sollte.

Zweitens führt die Anerkennung einer starken Intuition zugunsten des Exklusionsprinzips und der These, dass Intuitionen eine wichtige Rolle in der metaphysischen Theoriebildung spielen, zunächst lediglich dazu, dass die entsprechende Intuition in einer ‚Gesamtrechnung‘ der Plausibilität verschiedener theoretischer Optionen berücksichtigt werden sollte. Auch die anderen Annahmen und Prinzipien, die in die Exklusionsargumente einfließen, haben jedoch intuitive Kraft. Wer etwa am Ende die These der mentalen Verursachung oder die These der Nicht-Identität ablehnt, hat ebenso mit kontraintuitiven Konsequenzen der resultierenden metaphysischen Gesamtposition zu kämpfen. Der Verweis auf eine Intuition zugunsten des Exklusionsprinzips etabliert also bestenfalls, dass die Ablehnung des Exklusionsprinzips mit theoretischen Kosten verbunden ist. Ob die zu zahlenden Kosten aber zu hoch sind, bleibt eine offene Frage, die letztlich erst durch eine Abwägung verschiedener Alternativen beantwortet werden kannFootnote 100

Zudem gibt es durchaus auch Überlegungen, die dagegensprechen, dass das übliche Exklusionsprinzip durch eine starke Intuition gedeckt ist. Einige Kompatibilist*innen führen intuitive Gegenbeispiele gegen das übliche Exklusionsprinzip ins Feld. So schreibt etwa Stephen Yablo:

Remember Archimedes’ excited outburst on discovering the principle of displacement in his bath. Assuming that his shouting “Eureka!!” was causally sufficient for his cat’s startled flight, nobody would think that this disqualified his (simply) shouting from being causally relevant as well. And it would be incredible to treat Socrates’ drinking the poison as irrelevant to his death, on the ground that his guzzling it was causally sufficient.Footnote 101

Hier wird also ein Fall geschildert, der kein Fall genuiner Überdetermination ist, und dem dennoch mehr als eine (hinreichende) Ursache für ein Ereignis vorliegt: Archimedes Katze erschreckt sich. Hierfür liegen zwei (hinreichende) Ursachen vor: Erstens Archimedes’ ‚Heureka‘-Schrei und zweitens Archimedes Schrei. Dies sind nach Yablo zwei numerisch distinkte Ereignisse, die jedoch offenbar in einer Relation der ontologischen Abhängigkeit stehen: Der ‚Heureka‘-Schrei necessitiert den Schrei, ohne dass der Schrei andersherum den ‚Heureka‘-Schrei necessitiert. Yablo meint, dass eine Konkurrenzintuition hier gar nicht erst aufkommt: Natürlich stehe der ‚Heureka‘-Schrei nicht in einer Konkurrenz um kausalen Einfluss mit dem Schrei.

Wer diese Intuition teilt, muss das übliche Exklusionsprinzip als allgemeines Prinzip ablehnen: Wenn zwei Ereignisse in bestimmten, sehr engen metaphysischen Abhängigkeitsbeziehungen stehen, konkurrieren sie intuitiv gerade nicht um kausalen Einfluss. Es gibt daher Fälle, in denen zwei numerisch distinkte Ereignisse hinreichende Ursachen für eine Wirkung bilden, ohne dass diese Wirkung genuin überdeterminiert ist.

Natürlich gibt es einige Kommentator*innen, die Yablos Intuition nicht teilen und argumentieren, dass es sehr wohl eine Konkurrenz um kausalen Einfluss zwischen Archimedes’ ‚Heureka‘-Schrei und seinem Schrei gibt.Footnote 102 Was Yablos Berufung auf Intuition aber zeigt, ist meines Erachtens, dass die Intuitionen, die mit dem üblichen Exklusionsprinzip verbunden sind, keinesfalls eindeutig sind. Dies allein macht die Berufung auf Intuition von beiden Seiten letztlich problematisch: Weder die Befürworter*innen noch die Kritiker*innen des Exklusionsprinzips können sich auf eine klare und eindeutige Intuition berufen. Wie so oft kann die Berufung auf Intuition hier keine allgemein akzeptierte Entscheidung herbeiführen.

Eine Berufung auf Intuition zur Verteidigung des üblichen Exklusionsprinzips ist aber auch gar nicht notwendig, wenn starke Argumente für das übliche Exklusionsprinzip angeführt werden können. Zwei solcher Argumente möchte ich im Folgenden noch diskutieren: Erstens eine Berufung auf ein allgemeines Prinzip der Einfachheit und zweitens eine Berufung auf eine Auffassung von Verursachung als das Leisten kausaler Arbeit.

Das Prinzip der Einfachheit besagt grob gesprochen folgendes: Man soll nicht mehr Entitäten postulieren, als unbedingt nötig. Einfache ontologische Theorien, die mit weniger Entitäten auskommen, sind weniger einfachen Theorien ceteris paribus vorzuziehen. Wie lässt sich dieses Prinzip der Einfachheit auf die Situation abhängiger Überdetermination beziehen? Kim schreibt hierzu:

First, there is the good old principle of simplicity: we can make do with P as a cause of P*, so why bother with M?Footnote 103

Kim wendet das Prinzip der Einfachheit hier direkt auf eine vermeintliche Situation der abhängigen Überdetermination an: Die hinreichende physische Ursache p reicht bereits aus, um ohne Rest zu erklären, warum p* eintritt. Es ist daher nicht nötig, anzunehmen, dass auch das mentale Ereignis m, das von p ontologisch abhängt, p* verursacht. Das Prinzip der Einfachheit diktiert daher, auf diese unnötige Annahme zu verzichten: Wenn p* also bereits eine hinreichende Ursache hat, sollten wir keine weiteren Verursachungsrelationen mehr postulieren.Footnote 104

Liefert diese Überlegung ein überzeugendes Argument für das übliche Exklusionsprinzip? Ich sehe eine Reihe von Problemen:

Erstens macht es stutzig, dass die Argumentation auf den ersten Blick auch auf Fälle von genuiner Überdetermination anwendbar zu sein scheint: Wenn schon der Schuss des ersten Attentäters eine hinreichende Ursache für den Tod des Opfers ist, wieso sollten wir dann davon ausgehen, dass auch der Schuss des zweiten Attentäters eine Ursache ist? Schließlich benötigen wir diese Annahme nicht, um zu erklären, dass das Opfer gestorben ist. Sollten wir diese zweite Ursache also aus Einfachheitsgründen wegkürzen? Das ist nicht plausibel. Kim schuldet uns daher eine Erklärung, warum das Prinzip der Einfachheit diktiert, abhängige Überdeterminierer wegzukürzen, während unabhängige Überdeterminierer unberührt bleiben.

Eine mögliche Erklärung ist folgende: In Fällen von genuiner Überdetermination ist es möglich, die beiden Ursachen zu trennen und ihr Wirken in Isolation zu betrachten. Wir wissen aus unabhängigen Quellen, dass Schüsse wie der des zweiten Attentäters hinreichend für Tode wie dem des Opfers sind. Solche Schüsse kommen in anderen Kontexten auch alleine vor und verursachen Tode. Das scheint ein wichtiger Grund zu sein, warum in Fällen von genuiner Überdetermination beide Ereignisse als (hinreichende) Ursachen gezählt werden sollten. Dieser Grund steht jedoch in Fällen von abhängiger Überdetermination nicht zur Verfügung: Physische Basen mentaler Ereignisse kommen notwendigerweise nicht ohne die zugehörigen mentalen Ereignisse vor. Und mentale Ereignisse kommen nie ohne eine physische Basis vor. Die Idee ist also, dass mentale Ereignisse in Fällen von abhängiger Überdetermination immer überdeterminierend sind, während die hinreichenden Ursachen in Fällen von genuiner Überdetermination auch als nicht-überdeterminierende Ursachen auftreten.Footnote 105

Das Einfachheitsprinzip richtet sich, so ließe sich argumentieren, nur auf Ursachen, die immer überdeterminierend sind und lässt Fälle von genuiner Überdetermination deshalb unberührt. Wir benötigen m nicht, um zu erklären, dass p* eintritt, weil jedes Mal, wenn ein p*-ähnliches Ereignis auf ein m-ähnliches Ereignis folgt, auch eine hinreichende physische Ursache p vorliegt. Es ist dieser Umstand, der es erlaubt, m als Ursache von p* wegzukürzen.

Einfachheitsüberlegungen entwickeln daher erst Überzeugungskraft, wenn sie auf das Gesamtbild angewendet werden, das vom Modell der mentalen Verursachung als abhängiger Überdetermination impliziert wird. Kevin Morris schreibt hierzu:

An outlook that involves occurrences that are always “overdetermining causes” if they are causes at all plainly offends against parsimony, and other things being equal an outlook that does not posit occurrences that, while causes, are always causes of events that also have sufficient but distinct causes is to be preferred.Footnote 106

Hier wird das Prinzip der Einfachheit auf die These angewendet, dass mentale Ereignisse ausschließlich überdeterminierte Wirkungen haben. Wenn sich eine solche These vermeiden lässt, sollte sie vermieden werden. Denn eine Theorie, die ständig zwei Verursachungsrelationen postuliert, wo auch eine reichen würde, ist ceteris paribus weniger einfach als eine Theorie, die auf eine solche Annahme verzichtet.Footnote 107

Doch auch dieses Argument aus der Einfachheit kann nicht völlig überzeugen. Denn die Auswertung der Einfachheit von Theorien ist sehr umstritten:

Es ist zum einen nicht klar, an welchen explanatorischen Aufgaben die Einfachheit einer Theorie gemessen wird: Welche Dinge sollen eigentlich durch die Theorie erklärt werden? Und wozu genau ist die Annahme einer weiteren Verursachungsrelation zwischen m und p* überflüssig, wenn p* bereits eine hinreichende Ursache hat? Selbst wenn man zugesteht, dass man die Verursachungsrelation zwischen m und p* nicht annehmen muss, um das Auftreten von p* vollständig zu erklären, folgt hieraus nicht, dass die Annahme dieser Verursachungsrelation schlechthin explanatorisch irrelevant ist. Denn diese Annahme hat durchaus eine theoretische Funktion: Sie ermöglicht beispielsweise eine kausale Handlungstheorie.

Zum anderen ist unklar, wie genau die Postulierung bestimmter Entitäten in die Bewertung der Einfachheit einer Theorie einfließt – selbst wenn das explanatorische Ziel feststeht. Karen Bennett argumentiert etwa dafür, dass die Annahme zusätzlicher nicht-fundamentaler, höherstufiger Entitäten nicht gegen die Einfachheit einer Theorie ins Feld geführt werden sollte.Footnote 108 Denn die Existenz nicht-fundamentaler Entitäten ergibt sich einfach aus der Existenz fundamentaler Entitäten. Es handelt sich nicht wirklich um zusätzliche, neue Annahmen, die nicht bereits in Annahmen über die Existenz fundamentaler Entitäten implizit drinsteckte. Diese Überlegung hat Konsequenzen für die Postulierung der Verursachungsrelation zwischen m und p*: Denn die Annahme, dass m p* verursacht, spricht nur dann gegen die Einfachheit der resultierenden Theorie mentaler Verursachung, wenn diese Relation selbst fundamental ist und sich nicht aus anderen, fundamentalen Sachverhalten ergibt. Dies müssen kausalistische nicht-reduktive Physikalist*innen aber gar nicht behaupten.

Eine andere Begründung des üblichen Exklusionsprinzips beruft sich auf Überlegungen zur Metaphysik der Verursachung. Kim motiviert das Exklusionsprinzip an verschiedenen OrtenFootnote 109 unter Berufung auf den Begriff der kausalen Arbeit. Paradigmatisch hierfür ist seine folgende Frage:

Given that p has a physical cause p*, what causal work is left for m to contribute?Footnote 110

Was ist hier mit ‚kausaler Arbeit‘ gemeint?Footnote 111 Der Begriff ist leider sehr dunkel. An dieser Stelle genügt es, einige Metaphern anzuführen, die mit der Idee von kausaler Arbeit üblicherweise verknüpft werden: Wenn Ursachen kausale Arbeit leisten, dann übertragen sie irgendetwas auf ihre Wirkungen. Sie produzieren ihre Wirkungen und bringen sie hervor. Verursachung involviert dann – um die vielleicht dunkelste, aber auch verbreitetste Metapher in dieser Gruppe zu bemühen – ‚causal oomph‘.

Auch ist nicht ganz klar, wie die Auffassung von Verursachung als das Leisten kausaler Arbeit das übliche Exklusionsprinzip eigentlich motivieren soll. Sven Walter rekonstruiert eine mögliche Motivation wie folgt:

Sobald die ‚kausale Arbeit‘, die für das Auftreten einer Wirkung erforderlich ist, einmal von einer Eigenschaft verrichtet wurde, muss sie nicht nur nicht mehr von einer anderen Eigenschaft verrichtet werden, sie kann dann nicht mehr von einer anderen Eigenschaft verrichtet werden. ‚Kausale Arbeit‘ ist ganz einfach nichts, was in irgendeinem Sinne ‚doppelt‘ getan werden könnte – ob die fragliche Überdetermination systematisch oder koinzidentell ist, spielt dabei keine Rolle.Footnote 112

Hier ist die Idee also, dass es ein gewisses Maß an kausaler Arbeit gibt, das für die Hervorbringung einer Wirkung nötig ist. Zugleich ist es unmöglich, dass mehr kausale Arbeit verrichtet wird, als nötig ist, um eine Wirkung hervorzubringen. Da eine hinreichende Ursache bereits die volle Arbeit verrichtet, kann es keine zusätzliche Wirkung geben, die ebenfalls Arbeit verrichtet.

Diese Argumentation hat erstens das Problem, dass sie nicht das übliche sondern das einfache Exklusionsprinzip rechtfertigt. Wenn dies die richtige Auffassung von Verursachung und kausaler Arbeit ist, dann kann es allgemein keine Fälle von Überdetermination geben. Denn im Fall der zwei Attentäter würde auf den ersten Blick ebenfalls ‚doppelte‘ kausale Arbeit geleistet. Wenn dies aber nicht vorkommen kann, dann ist auch der Fall der zwei Attentäter nicht möglich. Entsprechend würde es für eine Zurückweisung des Exklusionsprinzips reichen, für die prinzipielle Möglichkeit genuiner Überdetermination zu argumentieren.

Zweitens beruht die Argumentation auf dem dunklen Begriff der kausalen Arbeit. Wenn dieser Begriff zudem präzisiert wird, passiert dies oft auf der Grundlage einer Theorie der Kausalität, die bereits für sich genommen gegen die Möglichkeit mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus spricht. Kim verweist an entsprechenden Stellen auf Phil Dowes Erhaltungsgrößentheorie der Kausalität, der zufolge Verursachung in dem Übertragen oder Erhalten von physikalischen Erhaltungsgrößen besteht.Footnote 113 Diese Theorie impliziert jedoch schon für sich genommen bereits einen umfassenden Reduktionismus in Bezug auf alle kausal effektiven Ereignisse.Footnote 114 Dies ist dialektisch für Verteidiger*innen von Exklusionsargumenten sehr ungünstig: Denn wenn das Exklusionsprinzip eine Theorie der Kausalität voraussetzt, die für sich genommen garantiert, dass es im nicht-reduktiven Physikalismus keine mentale Verursachung gibt, scheint das Exklusionsargument überflüssig zu werden.Footnote 115

Andrew Russo schlägt eine andere Begründung des Exklusionsprinzips vor, die ihren Ausgang von dem Begriff der kausalen Arbeit nimmt:

The idea that causation requires a “flow” or “transfer” of something between cause and effect suggests a picture of overdetermined bodily effects as receiving something from their neurophysiological cause and an additional something from their mental cause. It is this additional something which creates the problem: in order to explain why an overdetermined bodily effect has as much of that something as it has, we would have to make an essential appeal to an irreducible mental event; citing its neurophysiological antecedents would be explanatorily insufficient. Thus, systematic overdetermination involving productive causation would result in the systematic failure of a certain kind of physical explanation.Footnote 116

Hier wird nicht vorausgesetzt, dass kausale Arbeit prinzipiell nicht im Überfluss geleistet werden kann. Stattdessen ist die Idee, dass ein Überfluss an kausaler Arbeit eine Erklärung benötigen würde. Wenn die überschüssige kausale Arbeit von einer nicht-physischen Ursache geleistet wird, ließe sich keine physische Erklärung angeben. Es wäre nötig, auf eine nicht-physische Ursache zu verweisen, um die Wirkung vollständig zu erklären. Dies wiederum würde gegen die prinzipielle explanatorische Vollständigkeit der Physik und damit letztlich gegen die These der kausalen Geschlossenheit sprechen.Footnote 117

Diese Begründung spricht jedoch nicht für ein Exklusionsprinzip, das neutral gegenüber der Unterscheidung zwischen physischen und nicht-physischen Ereignissen ist. Denn solange die überschüssige kausale Arbeit von einer überdeterminierenden physischen Ursache geleistet wird, ist auch eine physische Erklärung möglich und die explanatorische Vollständigkeit der Physik gerät nicht in Gefahr.

Tatsächlich legt Russos Begründung nahe, dass nicht-physische Ereignisse im Allgemeinen keine kausale Arbeit für das Eintreten physischer Ereignisse leisten können – ganz gleich, ob ihre Wirkungen überdeterminiert sind oder nicht. Denn jede ‚Injektion‘ kausaler Arbeit vom Mentalen in das Physische würde zu einer Verletzung der explanatorischen Vollständigkeit der Physik und der These der kausalen Geschlossenheit führen. Zugleich würde sich ein so begründetes Exklusionsprinzip zunächst nur auf mental-physische Abwärtsverursachung und nicht auf mental-höherstufige Abwärtsverursachung oder mentale Intralevel-Verursachung anwenden lassen. Denn wenn mentale Ereignisse kausale Arbeit für andere mentale oder höherstufige Ereignisse leisten, spricht dies nicht direkt gegen die explanatorische Vollständigkeit der Physik.

Dies sorgt für zwei Probleme eines so begründeten Exklusionsprinzips im Kontext von Exklusionsargumenten: Erstens könnte ein so begründetes, nicht-neutrales Exklusionsprinzip allenfalls im einfachen Exklusionsargument und im Argument aus dem Prinzip der Abwärtsverursachung zur Anwendung kommen. Denn nur hier wird das Exklusionsprinzip ausschließlich auf physische Wirkungen angewendet. Im Argument aus dem Prinzip der Aufwärtsverursachung und im Argument aus dem Prinzip der basalen Verursachung wird hingegen ein Exklusionsprinzip benötigt, das sich auch auf nicht-physische Wirkungen anwenden lässt.

Zweitens macht auch diese Begründung das einfache Exklusionsargument überflüssig. Denn sie beruht darauf, dass Verursachung auf geeignete Weise mit kausaler Arbeit verknüpft ist und dass kausale Arbeit für physische Ereignisse nicht durch nicht-physische Ereignisse geleistet werden kann. Wenn das aber stimmt, braucht es kein Exklusionsargument mehr, um zu zeigen, dass mental-physische Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus nicht möglich ist.Footnote 118

Letztlich, so meine ich, kann keine der verbreiteten Begründungen des üblichen Exklusionsprinzips vollständig überzeugen. Die Ablehnung des üblichen Exklusionsprinzips stellt daher durchaus eine verfolgenswerte Option dar.

3.4.4 Kompatibilismus, das Ausmaß der Überdetermination und die Redundanz mentaler Ursachen

Welche Auffassung von mentaler Verursachung folgt aber aus einer Ablehnung des üblichen Exklusionsprinzips? Und handelt es sich dabei um eine insgesamt zufriedenstellende Auffassung von mentaler Verursachung?

Soweit die anderen Thesen über die kausale Struktur der Welt, die in die vier Exklusionsargumente einfließen, akzeptiert werden, hat der Kompatibilismus die Konsequenz, dass jede Wirkung eines mentalen Ereignisses auch eine hinreichende physische Ursache hat. Mentale Verursachung ist demnach immer überdeterminierende Verursachung: Zwar haben mentale Ereignisse Wirkungen. Sie haben jedoch in einem gewissen Sinne keine eigenständigen Wirkungen. Denn ihre Wirkungen sind immer auch Wirkungen gleichzeitig stattfindender physischer Ereignisse.

Dies mag unbefriedigend wirken. Es bleibt das ungute Gefühl, dass mentale Ursachen redundant sind. Sie verursachen nur, was auch ohne sie durch physische Ereignisse verursacht werden würde. Und wenn es gar keine mentalen Ereignisse gäbe, würde das letztlich keinen Unterschied für den Verlauf der Welt machen. Denn dann gäbe es noch immer die physischen Ursachen, die für denselben Verlauf der Welt sorgen würden.

Diesen Bedenken kann man auf zweierlei Weise entgegenkommen: Erstens kann man das Ausmaß an Überdetermination im Kompatibilismus abschwächen, indem man zusätzlich zum üblichen Exklusionsprinzip auch die drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität ablehnt. Insbesondere muss hierfür das Prinzip der Aufwärtsverursachung und das Prinzip der basalen Verursachung abgelehnt werden. Wenn diese Prinzipien abgelehnt werden, ist es möglich, dass die höherstufigen Wirkungen mentaler Ereignisse keine (hinreichenden) physischen Ursachen haben. Dann ist nicht jeder Fall von mentaler Verursachung ein Fall von Überdetermination. Stattdessen sind nur Fälle von mental-fundamentaler Abwärtsverursachung immer Fälle von Überdetermination.

Zweitens kann man dafür argumentieren, dass der Umstand, dass mentale Ereignisse von ihren physischen Basen ontologisch abhängen, dazu führt, dass man eben nicht sinnvoll behaupten kann, dass abhängig überdeterminierende mentale Ereignisse in einem problematischen Sinne redundant sind. Die kontrafaktischen Überlegungen, die die Behauptung der Redundanz auf den ersten Blick plausibel machen, sind nämlich nur im Falle von genuiner Überdetermination auf eine nicht-leere Weise wahr: Natürlich würde der Schuss von Attentäter A auch in Abwesenheit von Attentäter B zum Tod des Opfers führen (und andersherum). Aber es ist nicht auf dieselbe Weise wahr, dass die physische Basis von Susis Wunsch auch in Abwesenheit von Susis Wunsch dazu führen würde, dass Susis ihren Arm hebt. Denn während es eine völlig problemfreie und mögliche Situation gibt, in der nur ein Attentäter schießt, gibt es keine mögliche Situation, in der die Basis von Susis Wunsch ohne ihren Wunsch vorkommt. Auch an dieser Stelle sind also die Überlegungen zur Disanalogie zwischen genuiner Überdetermination und abhängiger Überdetermination relevant.

3.4.5 Inkompatibilismus

Dennoch ist es eine interessante Frage, ob kausalistische nicht-reduktive Physikalist*innen das übliche Exklusionsprinzip prinzipiell auch akzeptieren können. Ist die Existenz mentaler Verursachung im nicht-reduktiven Physikalismus also damit vereinbar, dass die Wirkungen mentaler Ereignisse nicht überdeterminiert sind?

Inkompatibilist*innen meinen, diese Frage bejahen zu können. Die Wirkungen mentaler Ereignisse haben ausschließlich mentale Ursachen, aber keine physischen Ursachen.Footnote 119 Und wie meine Darstellung von Exklusionsargumenten gezeigt hat, ist dies durchaus eine theoretische Möglichkeit. Denn die These der kausalen Geschlossenheit etabliert zunächst nur, dass physischeeng Ereignisse hinreichende physischeeng Ursachen haben. Zieht man nun das Überdeterminationsverbot und das übliche Exklusionsprinzip hinzu, kann durch das einfache Exklusionsargument gezeigt werden, dass mentale Ereignisse keine physischeneng Wirkungen haben. Aber dass mentale Ereignisse keine physischeneng Wirkungen haben, bedeutet nicht, dass sie gar keine Wirkungen haben. Mentale Ereignisse können insbesondere im Einklang mit der Konklusion des einfachen Exklusionsarguments behaviorale und mentale Wirkungen haben. Und diese Wirkungen mentaler Ereignisse müssen keine hinreichenden physischen Ursachen haben. Zumindest schreibt die These der kausalen Geschlossenheit für sich genommen nicht vor, dass behaviorale und mentale Ereignisse hinreichende physische Ursachen haben.

Erst die Erweiterungen des einfachen Exklusionsarguments schließen diese Lösung aus. Diese berufen sich aber neben dem Überdeterminationsverbot und dem einfachen Exklusionsprinzip auch auf die drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität. Es ist daher auf den ersten Blick eine theoretische Option, diese Erweiterungen nicht durch eine Ablehnung des üblichen Exklusionsprinzips, sondern durch eine Ablehnung der drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität zurückzuweisen. Wenn dies gelingt, können nicht-reduktive Physikalist*innen das übliche Exklusionsprinzip akzeptieren und zugleich an der Existenz mentaler Verursachung festhalten.

Inkompatibilist*innen müssen hierfür jedoch alle drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität ablehnen. Denn jedes der drei Prinzipien führt zu einem eigenständigen Exklusionsargument, das jeweils etabliert, dass mentale Ereignisse keinerlei Wirkungen haben. Es muss also jedes der drei Argumente zurückgewiesen werden. Und das bedeutet, alle drei Prinzipien der Verursachung im Stufenmodell der Realität zurückzuweisen.

Die Aussichten dieser Strategie können besser im Rahmen von konkreteren Annahmen über die Natur der Verursachungsrelation diskutiert werden. Später wird sich zeigen, dass der Inkompatibilismus nicht jede Version von Exklusionsprinzipien akzeptieren kann. Denn die Einsicht, dass höherstufige Ereignisse hinreichende physische Ursachen haben, ist auch im Inkompatibilismus kaum zu vermeiden. Inkompatibilist*innen können jedoch argumentieren, dass hieraus nicht folgt, dass höherstufige Ereignisse physische Ursachen simpliciter haben. Und dies erlaubt ihnen, Versionen des Exklusionsprinzips zu akzeptieren, die unter Bezug auf Verursachung simpliciter formuliert sind. Dabei setzt der Inkompatibilismus voraus, dass Ursachen proportional zu ihren Wirkungen sind: Ursachen enthalten weder zu viel überflüssiges Detail noch zu wenig notwendiges Material, um ihre Wirkungen hervorzubringen. Unter diesen Voraussetzungen können bestimmte Versionen der drei Prinzipien der Verursachung zurückgewiesen werden. Die genauere Diskussion dieser Punkte verschiebe ich jedoch auf Teil 4 dieser Arbeit.Footnote 120

3.5 Die Existenz mentaler Verursachung

Der Vorwurf des Epiphänomenalismus wird erst deshalb zu einem Problem für den nicht-reduktiven Physikalismus, weil die Existenz mentaler Verursachung als unhintergehbares Faktum vorausgesetzt wird. Der Epiphänomenalismus – der dieses scheinbar unhintergehbare Faktum abstreitet – hat in erster Linie die Rolle eines Schreckgespenstes. Wenn der nicht-reduktive Physikalismus daher den Epiphänomenalismus zur Konsequenz hat, gilt er als inakzeptabel. Paradigmatisch für diese Ansicht sind Jerry Fodors Kommentare zum Epiphänomenalismus:

An outbreak of epiphobia (epiphobia is the fear that one is turning into an epiphenomenalist) appears to have much of the philosophy of mind community in its grip. [Epiphobics] fear that the very successes of a physicalistic (and/or a computational) psychology will entail the causal inertness of the mental. Fearing this makes them unhappy.Footnote 121

[I]f it isn’t literally true that my wanting is causally responsible for my reaching, and my itching is causally responsible for my scratching, and my believing is causally responsible for my saying ... if none of that is literally true, then practically everything I believe about anything is false and it’s the end of the world.Footnote 122

Die ‚Epiphobie‘, die laut Fodor auch viele (nicht-reduktiv) physikalistischen Philosoph*innen befallen hat, ergibt sich dabei zunächst aus den Exklusionsargumenten. Die überspitzte Rede vom ‚Ende der Welt‘, das mit einer Akzeptanz des Epiphänomenalismus einhergehe, verweist auf die Zentralität, die die Existenz mentaler Verursachung innerhalb unseres vortheoretischen Überzeugungssystems einnimmt. Um sich die tatsächlichen Konsequenzen des Epiphänomenalismus aber vor Augen zu führen, ist es wichtig, einzelne Aspekte dieser Zentralität zu explizieren und möglicherweise zu hinterfragen. Was genau steht auf dem Spiel, wenn die Annahme mentaler Verursachung aufgegeben wird? Lassen sich die befürchteten Konsequenzen vermeiden?

Einige Autor*innen bestreiten, dass der Epiphänomenalismus um jeden Preis zu vermeiden ist. Sie behandeln den Epiphänomenalismus als ernstzunehmende theoretische Option, die zwar auf den ersten Blick unattraktiv wirken mag, sich aber bei genauerem Hinsehen als durchaus vertretbar erweist. In diesem Kapitel möchte ich die Aussichten dieser Option ausloten: Es geht also um die Frage, ob die Ablehnung der Annahme der Existenz mentaler Verursachung eine prinzipiell plausible Reaktion auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus darstellt.

Ich gehe dabei wie folgt vor: In den ersten drei Abschnitten diskutiere ich Überlegungen, die für die Existenz mentaler Verursachung sprechen und gehe dabei auch auf Erwiderungen von Seiten des Epiphänomenalismus ein. Abschnitt 3.5.1. geht dabei auf ein Argument ein, demzufolge kausal ineffektive Ereignisse schlicht nicht existieren, so dass die Existenz mentaler Ereignisse von der Existenz mentaler Verursachung abhängt. In Abschnitt 3.5.2. geht es um ein Argument, das die Existenz von Handlungen an die Existenz mentaler Verursachung knüpft. In Abschnitt 3.5.3. führe ich anknüpfend an die vorigen Überlegungen eine Unterscheidung zwischen einem radikalen und einem konservativen Epiphänomenalismus ein. In Abschnitt 3.5.4. schildere ich eine allgemeine Strategie zur Verteidigung eines konservativen Epiphänomenalismus.

3.5.1 Mentale Verursachung und die Existenz mentaler Ereignisse

Der Epiphänomenalismus besagt, dass es mentale Ereignisse zwar gibt, sie aber keinerlei Wirkungen haben. Die Theorie steht in einem direkten Konflikt mit einem allgemeinem Prinzip, das diktiert, nur solche Entitäten zu postulieren, die Wirkungen haben. Dieses Prinzip wird manchmal als ‚eleatisches Prinzip‘Footnote 123 oder als ‚Alexanders Diktum‘Footnote 124 bezeichnet. Wir können es für die vorliegenden Zwecke wie folgt formulieren:

Eleatisches Prinzip: Wenn ein Ereignis existiert, dann hat es Wirkungen.Footnote 125

Das eleatische Prinzip besagt gewissermaßen, dass Wirksamkeit die Eintrittskarte zur Realität ist. Epiphänomenalist*innen müssen das eleatische Prinzip ablehnen. Denn im Epiphänomenalismus gibt es vollkommen wirkungslose Ereignisse. Zudem unterminiert dieses Prinzip die Unterscheidung zwischen Epiphänomenalismus und eliminativem Physikalismus: Die Wirkungslosigkeit mentaler Ereignisse kommt ihrer Elimination gleich. Es ist nicht möglich, zugleich die Wirkungslosigkeit und die Existenz mentaler Ereignisse zu verteidigen.

Zudem ergibt sich aus dem eleatischen Prinzip ein einfaches Argument für die Existenz mentaler Verursachung:

Das Argument aus dem eleatischen Prinzip

  1. (1)

    Wenn es keine mentale Verursachung gibt, dann gibt es keine mentalen Ereignisse.

  2. (2)

    Es gibt mentale Ereignisse.

  3. (3)

    Also: Es gibt mentale Verursachung.

Offenbar müssen Epiphänomenalist*innen Prämisse (1) dieses Arguments mitsamt des eleatischen Prinzips, auf dem diese Prämisse beruht, zurückweisen. Wie steht es also um die Plausibilität des eleatischen Prinzips?

Das verbreitetste Argument für das eleatische Prinzip ist ein epistemisches Argument. Jens Harbecke etwa motiviert das eleatische Prinzip wie folgt:

The intuitive idea behind this principle is that there lies a severe problem in the introduction of entities into ontology that have nothing to do with what goes on causally in that ontology and that are not detectable in any way (if something can be detected, or perceived, then it at least causes certain perceptions). If such things as causally non-efficacious entities existed, there would be no way of knowing that they did.Footnote 126

Die Idee ist hier also, dass unser epistemischer Zugang zu Entitäten davon abhängig ist, dass diese Entitäten einen kausalen Einfluss auf uns ausüben. Wir können zum Beispiel nur dann Kenntnis von der Existenz von Tischen erlangen, wenn Tische Wahrnehmungen von Tischen und Überzeugungen über Tische verursachen. Übertragen auf mentale Ereignisse bedeutet das: Wenn mentale Ereignisse keine Wirkungen haben, können wir nicht wissen, dass es sie gibt. Wir haben dann auch keinen Grund, ihre Existenz zu postulieren.

Es ist jedoch fraglich, ob sich diese Überlegung problemlos auf das Wissen über die eigenen mentalen Zustände übertragen lässt. Man kann ohne weiteres zugestehen, dass Wissen über äußere Gegenstände wie Tische impliziert, dass diese Gegenstände kausal wirksam sind. Im Epiphänomenalismus geht es jedoch um mentale Zustände. Und es scheint nicht plausibel, dass man nur dann Wissen von den eigenen mentalen Zuständen haben kann, wenn diese Wahrnehmungen oder Überzeugungen – also weitere mentale Zustände – verursachen. Dies würde ohnehin wenig erklären. Denn es würde sich nun die Frage stellen, wie wir Wissen von diesen weiteren mentalen Zuständen haben können. Diese müssten daher wiederum weitere mentale Zustände verursachen usw. Es scheint hier ein Regress zu drohen. Es ließe sich auf das epistemische Argument für das eleatische Prinzip also erwidern, dass der epistemische Zugang zu den eigenen mentalen Zuständen nicht – wie im Falle von Wahrnehmungswissen – kausal vermittelt ist. Wir können daher auch Wissen von den eigenen mentalen Zuständen haben, ohne dass sie kausal wirksam sind.Footnote 127

Diese Erwiderung beruht auf einer epistemischen Sonderrolle mentaler Ereignisse. Sie kann daher im gegebenen Kontext nicht vollständig überzeugen. Denn die Exklusionsargumente, die den hier diskutierten Epiphänomenalismus motivieren, sind generalisierbar. Im Erfolgsfall zeigen sie nicht nur, dass mentale Ereignisse keine Wirkungen haben, sondern sie zeigen, dass höherstufige Ereignisse im Allgemeinen keine Wirkungen haben.Footnote 128 Die eben besprochene Erwiderung würde jedoch nur dazu berechtigen, die Existenz wirkungsloser mentaler Ereignisse zu postulieren. Insofern Epiphänomenalist*innen unter dem Einfluss der Exklusionsargumente aber einen allgemeinen Epiphänomenalismus über höherstufige Ereignisse vertreten wollen, müssten sie zum Beispiel auch die Existenz wirkungsloser biologischer oder neurologischer Ereignisse postulieren. Diese ist aber nach allem bis hierher Gesagten weiterhin ausgeschlossen. Wenn zum Beispiel biologische Ereignisse keine entsprechenden Wahrnehmungen oder Überzeugungen verursachen, haben wir keinen epistemischen Zugang zu ihnen und daher keinen Grund, ihre Existenz zu postulieren.

Eine allgemeinere Strategie zur Zurückweisung des epistemischen Arguments für das eleatische Prinzip besteht in einer prinzipiellen Zurückweisung der Annahme, dass wir nur Wissen von Ereignissen haben können, die in kausalem Kontakt mit uns stehen. Diese Annahme sollte nicht nur in Bezug auf mentale Ereignisse, sondern in Bezug auf zumindest alle höherstufigen Ereignisse zurückgewiesen werden.

Eine Frage, die Epiphänomenalist*innen hier aufwerfen können, ist, warum ausschließlich kausaler Kontakt einen epistemischen Zugang erlauben sollte. Selbst wenn biologische Ereignisse nicht selbst Überzeugungen verursachen, haben sie ja doch physische Basen, die Überzeugungen verursachen. Und dies führt dazu, dass wir zuverlässig Überzeugungen über biologische Ereignisse entwickeln, wenn biologische Ereignisse stattfinden. Warum sollte dies nicht für einen epistemischen Zugang zur Existenz biologischer Ereignisse ausreichen?

Diese (an dieser Stelle bloß angedeutete) Erwiderung ist eine Instanz einer allgemeinen Strategie zur Verteidigung des Epiphänomenalismus: Gegner*innen des Epiphänomenalismus behaupten, dass eine kausale Verbindung notwendig in einem bestimmten theoretischen Kontext ist: In diesem Fall soll eine kausale Verbindung notwendig sein, um einen epistemischen Zugang zur Existenz eines biologischen Ereignisses zu haben. Epiphänomenalist*innen können antworten, dass eine solche kausale Verbindung nicht notwendig ist. Stattdessen reicht eine nicht-kausale Verbindung, die sich aus der kausalen Verbindung zwischen der physischen Basis des in Frage stehenden Ereignisses und einem anderen Ereignis ergibt. In diesem Falle ließe sich etwa argumentieren, dass der Fakt, dass die Basis des biologischen Ereignisses entsprechende Überzeugungen verursacht, dazu führt, dass es eine stabile Verbindung zwischen dem Stattfinden biologischer Ereignisse und entsprechenden Überzeugungen gibt und dass dies für unseren epistemischen Zugang zu biologischen Ereignissen ausreicht.

3.5.2 Mentale Verursachung und die Existenz von Handlungen

Ein weiteres Argument für die Existenz mentaler Verursachung (und somit gegen den Epiphänomenalismus) beruft sich auf eine Verbindung zwischen der Existenz mentaler Verursachung und der Existenz von Handlungen. Wir können dieses Argument wie folgt rekonstruieren:

Das Argument aus der Existenz von Handlungen

  1. (AH-1)

    Wenn es keine mentale Verursachung gibt, dann gibt es keine Handlungen.

  2. (AH-2)

    Es gibt Handlungen.

  3. (AH-K)

    Also: Es gibt mentale Verursachung.

Die Grundidee dieses Arguments ist, dass der Epiphänomenalismus falsch sein muss, weil er die absurde Konsequenz hat, dass niemand jemals eine Handlung ausführt. Diese Konsequenz würde unser gesamtes Menschenbild ins Wanken bringen. Denn wenn niemand jemals eine Handlung ausführt, ist auch niemand jemals für irgendetwas moralisch verantwortlich. Wir könnten niemals berechtigterweise eine Person für ihre Handlungen loben oder kritisieren. Schlimmer noch: Unsere gesamte Interpretation des Verhaltens anderer Menschen wäre falsch. Susi hebt nicht ihre Hand, um die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich zu lenken. Stattdessen hebt sich ihre Hand, und Susis vorhergehender Wunsch hat mit dieser Körperbewegung eigentlich nichts zu tun. Diese Überlegung macht durchaus plausibel, dass der Epiphänomenalismus, wie Fodor sagt, mit einem ‚Ende der Welt‘ einhergehen würde.Footnote 129

Eine wichtige Motivation für Prämisse (AH-1) ist die kausale Handlungstheorie. Diese besagt grob gesprochen, dass Handlungen Ereignisse mit einer besonderen kausalen Geschichte sind: Handlungen sind genau jene Ereignisse, die von rationalisierenden mentalen Zuständen verursacht werden. Susis Handbewegung ist beispielsweise deshalb als Handlung zu zählen, weil sie von einem Wunsch und einer Überzeugung verursacht wurde, die es rational machen, die Hand zu heben. Susi will die Aufmerksamkeit der Dozentin auf sich lenken und glaubt, dass das Armheben ein geeignetes Mittel dafür ist, dieses Ziel zu erreichen. Dieses rationalisierende Paar aus Überzeugung und Wunsch verursacht, dass Susi ihre Hand hebt. Hierdurch sind Handlungen von anderen Körperbewegungen unterschieden. Wenn Susi niest, gibt es kein passendes Paar aus Überzeugung und Wunsch, das die zugehörige Körperbewegung zugleich verursacht und sie rational erscheinen lässt. Deshalb handelt es sich auch nicht um eine Handlung.

Die Wahrheit von Prämisse (AH-1) des Arguments aus der Existenz von Handlungen folgt unmittelbar aus der kausalen Handlungstheorie. Wenn es keine mentale Verursachung gibt, dann gibt es keine Ereignisse, die durch rationalisierende mentale Zustände verursacht werden. Entsprechend gibt es dann auch keine Handlungen. Der Epiphänomenalismus zwingt daher, wie es scheint, zur Abkehr von der kausalen Handlungstheorie.

Auch hier können Epiphänomenalist*innen jedoch die Frage aufwerfen, warum nur eine kausale Verbindung zwischen mentalen Ereignissen und behavioralen Ereignissen eine zufriedenstellende Bestimmung des Handlungsbegriffs erlauben sollte. Warum sollten Handlungen nicht dadurch von bloßen Körperbewegungen unterschieden sein, dass sie von den physischen Basen rationalisierender mentaler Ereignisse verursacht werden? Denn wieder ergibt sich aus der kausalen Verbindung zwischen den Basen der relevanten mentalen Ereignisse und den behavioralen Ereignissen auch eine enge Verbindung zwischen den mentalen Ereignissen selbst und den behavioralen Ereignissen: So lässt sich plausibel argumentieren, dass behaviorale Ereignisse unter den Voraussetzungen des nicht-reduktiven Physikalismus von mentalen Ereignissen kontrafaktisch abhängen. Wenn dies aber so ist, lässt sich eventuell eine kontrafaktische Handlungstheorie als Ersatz für eine kausale Handlungstheorie verteidigen. Wieder können Epiphänomenalist*innen also argumentieren, dass die theoretische Arbeit, die laut Kausalist*innen nur von der Verursachungsrelation geleistet werden kann, im Rahmen eines Epiphänomenalismus von einer nicht-kausalen Ersatzrelation übernommen werden kann. Der Epiphänomenalismus hätte dann keinen Nachteil gegenüber dem Kausalismus.

3.5.3 Radikaler und konservativer Epiphänomenalismus

Eine Reihe von Einwänden gegen den Epiphänomenalismus haben eine gemeinsame Struktur: Es wird zunächst argumentiert, dass der Epiphänomenalismus eine bestimmte, scheinbar absurde Konsequenz hat. Es wird dann behauptet, dass diese absurde Konsequenz abgelehnt werden sollte. Daraus folgt, dass der Epiphänomenalismus falsch ist. Diese allgemeine Struktur kann wie folgt festgehalten werden:

Argument gegen den Epiphänomenalismus

(1) Wenn es keine mentale Verursachung gibt, dann folgt die absurde Konsequenz a.

(2) Die absurde Konsequenz a ist falsch.

(3) Also: Es gibt mentale Verursachung.

Für ‚a‘ kann nun etwa eingesetzt werden: ‚Es gibt keine mentale Ereignisse‘, ‚Wir haben kein Wissen von unseren eigenen mentalen Zuständen‘, ‚Es gibt keine Handlungen‘, ‚Es gibt keine mentale Verantwortlichkeit‘ usw.

Diese Rekonstruktion macht noch einmal deutlich, dass es prinzipiell zwei verschiedene Weisen gibt, den Epiphänomenalismus gegen solcherart Einwände zu schützen: Auf der einen Seite gibt es die konservative Reaktion: Es wird bestritten, dass der Epiphänomenalismus eine solche Konsequenz tatsächlich hat. Auf der anderen Seite gibt es die radikale Reaktion: Es wird die (scheinbar) absurde Konsequenz in Kauf genommen. Im Falle des Arguments aus der Existenz von Handlungen besteht die konservative Reaktion darin, die Verbindung zwischen Handlungen und mentaler Verursachung zu bestreiten. Die radikale Reaktion auf das Argument aus der Existenz von Handlungen würde hingegen darin bestehen, die Existenz von Handlungen ganz einfach abzustreiten und hieraus die Konsequenz zu ziehen, dass unsere alltäglichen Erklärungen des Verhaltens tatsächlich durchgehend falsch sind und tatsächlich niemand jemals für etwas moralisch verantwortlich ist. Diese Option wird selten in all ihrer Radikalität gewählt.Footnote 130

Man kann entsprechend eine (grobe und graduelle) Unterscheidung zwischen konservativen und radikalen Versionen des Epiphänomenalismus ziehen. Die allermeisten Epiphänomenalist*innen sind tendenziell konservative Epiphänomenalist*innen: Sie meinen, dass der Epiphänomenalismus keine radikalen Konsequenzen für unser vortheoretisches Menschen- und Weltbild hat.Footnote 131 Im Prinzip wäre aber auch ein radikaler Epiphänomenalismus denkbar: Eine Position, die den Epiphänomenalismus mitsamt all der radikalen Konsequenzen für unser Menschen- und Weltbild in voller Schärfe akzeptiert.

Zugleich wird klar, dass Fodors Bedenken vom ‚Ende der Welt‘ den Epiphänomenalismus letztlich nur dann treffen kann, wenn ein konservativer Epiphänomenalismus nicht möglich ist. Denn ein konservativer Epiphänomenalismus ist gerade dadurch ausgezeichnet, dass er das ‚Ende der Welt‘ vermeidet. Solange also ein konservativer Epiphänomenalismus doch verteidigt werden kann, ist eine ‚Epiphobie‘ eigentlich nicht angebracht. Der Epiphänomenalismus ist dann nichts, wovor man sich fürchten müsste.

Um Fodors Metapher der Epiphobie weiterzuführen, kann man diesen Punkt auch wie folgt fassen: Ängste können auf mindestens zweierlei Weisen irrational sein. Einerseits kann eine Angst irrational sein, weil der Gegenstand der Angst nicht einzutreten droht. Ein Beispiel wäre die Angst der Figur Majestix aus den Asterix-Comics davor, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt. Zwar wäre es schlimm, wenn einem der Himmel auf den Kopf fallen würde. Das aber ist nichts, was einzutreten droht und daher nichts, wovor man sich fürchten müsste. Andererseits kann eine Angst irrational sein, weil der Gegenstand der Angst harmlos ist. Ein Beispiel wäre hier die Angst einer Person, die sich für einen Vampir hält und daher Angst vor dem Sonnenaufgang hat. Der Sonnenaufgang wird unvermeidlich eintreten, aber zieht keinerlei Schäden mit sich. Er ist daher ebenfalls nichts, wovor man sich fürchten müsste.

Kausalist*innen meinen typischerweise, dass die Epiphobie mit Majestix‘ Angst davor, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt, vergleichbar ist. Der Epiphänomenalismus ist der Sache nach fürchtenswert. Jedoch gibt es – auch aus Sicht des nicht-reduktiven Physikalismus – keine guten Gründe, an ihn zu glauben. Konservative Epiphänomenalist*innen würden die Epiphobie eher mit der Angst vor dem Sonnenaufgang vergleichen. Der Epiphänomenalismus folgt tatsächlich aus dem nicht-reduktiven Physikalismus. Allerdings folgen aus dem Epiphänomenalismus keine schrecklichen Konsequenzen. Radikale Epiphänomenalist*innen schließlich würden die Epiphobie gerade nicht für irrational halten. Denn der Epiphänomenalismus ist zugleich wahr und wahrhaft schrecklich. Er ist dann eine unangenehme Wahrheit, mit der zu leben wir lernen müssen.

3.5.4 Die Strategie der Ersatzrelation und die Metaphysik der Verursachung

Verteidigungen des konservativen Epiphänomenalismus folgen einem gemeinsamen Muster: Auch, wenn mentale Ereignisse nicht im Wortsinne behaviorale Ereignisse verursachen, gibt es dennoch enge Verbindungen zwischen mentalen Ereignissen und behavioralen Ereignissen. Denn behaviorale Ereignisse werden zwar nicht durch die mentalen Ereignisse selbst verursacht. Sie werden jedoch durch die physischen Basen der mentalen Ereignisse verursacht. Und das wiederum führt dazu, dass es nomologische oder kontrafaktische Verbindungen zwischen mentalen und behavioralen Ereignissen gibt. Diese nomologischen oder kontrafaktischen Verbindungen können nun quasi für die Kausalrelation einspringen und alle Funktionen übernehmen, die laut den Gegner*innen des Epiphänomenalismus durch die Kausalrelation übernommen wird.

Die Verteidigung des konservativen Epiphänomenalismus beruht also auf der Annahme, dass es eine geeignete Ersatzrelation gibt, die die vermeintliche theoretische Arbeit der Kausalrelation übernehmen kann. Gegeben, dass sich eine solche Ersatzrelation finden lässt, kann die Annahme, dass es mentale Verursachung gibt, guten Gewissens aufgegeben werden.

In Bezug auf unser Beispiel heißt dies folgendes: Zwar verursacht Susis Wunsch nicht selbst, dass Susi ihren Arm hebt. Jedoch ist Susis Wunsch ontologisch abhängig von einem physischen Ereignis, das verursacht, dass sie ihren Arm hebt. Dies führt dazu, dass ähnliche Armbewegung regelmäßig auf ähnliche Wünsche folgen, und dass Susi nicht ihren Arm gehoben hätte, wenn sie nicht einen entsprechenden Wunsch gehabt hätte. Insofern solche regelmäßigen Abfolgen oder kontrafaktischen Verbindungen keine kausalen Verbindungen implizieren, ist all dies mit dem Epiphänomenalismus kompatibel. Und insofern solche nomologischen oder kontrafaktischen Verbindungen eine Vermeidung der vermeintlichen absurden Konsequenzen des Epiphänomenalismus erlauben, kann der Epiphänomenalismus gegen die erwähnten Einwände verteidigt werden.

Ein Kandidat für eine solche Ersatzrelation ist wie gesagt – geeignet qualifizierte – kontrafaktische Abhängigkeit. Man betrachte etwa die folgenden beiden Zitate:

[T]he objections against epiphenomenalism seem to be based on the widely shared assumption that physical events like behaviour do not only follow regularly upon mental events, but that their occurrence depends on the occurrence of the latter (‘he wouldn’t have cried if he hadn’t felt pain’). Here the proponent of epiphenomenalism can call attention to the fact that she can happily admit these kinds of dependencies, which are, furthermore, also part of her explanation of the possibility of knowledge of mental states.Footnote 132

It is generally recognized that counterfactual dependence is weaker than causal dependence. What is not generally recognized is that this fact undermines intuitive arguments against epiphenomenalism, for the relevant intuitions may be about counterfactual, rather than causal, dependence.Footnote 133

Die Strategie, sich auf kontrafaktische Abhängigkeit als Ersatzrelation zu berufen, hat zwei wichtige Voraussetzungen:

Erstens muss sich (geeignet qualifizierte) kontrafaktische Abhängigkeit dafür eignen, den Epiphänomenalismus von seinen vermeintlichen, absurden Konsequenzen zu trennen. Im Kontext des Arguments aus der Existenz von Handlungen heißt das mindestens, dass die kontrafaktische Abhängigkeit behavioraler Ereignisse von passenden mentalen Ereignissen eine geeignete Grundlage für die Unterscheidung zwischen Handlungen und bloßen Ereignissen darstellt. Die Funktion, die in der kausalen Handlungstheorie von der Kausalrelation übernommen wird, kann dann von der Relation der (geeignet qualifizierten) kontrafaktischen Abhängigkeit als Ersatzrelation übernommen werden.

Zweitens muss kontrafaktische Abhängigkeit aber auch von der Kausalrelation getrennt werden. Denn anderenfalls wäre die resultierende Position eben keine Version des Epiphänomenalismus, sondern eine Version des Kausalismus. Epiphänomenalist*innen werden daher gewissermaßen dazu gedrängt, eine Theorie der Kausalität zu vertreten, der zufolge Verursachung nicht bloß in – geeignet qualifizierter – kontrafaktischer Abhängigkeit besteht. Allgemein gilt: Je mehr von einer ‚genuinen‘ Kausalrelation verlangt ist, desto mehr Raum bleibt Epiphänomenalist*innen, sich auf eine nicht-kausale Ersatzrelation zu beziehen. Wenn beispielsweise kontrafaktische Abhängigkeit zwischen gänzlich distinkten zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignissen – anders als typische Vertreter*innen kontrafaktischer Theorien behaupten – nicht hinreichend für Kausalität ist, dann ist eben diese Relation eine mögliche nicht-kausale Ersatzrelation, auf die sich (konservative) Epiphänomenalist*innen zur Verteidigung ihrer Position berufen können. In einem gewissen Sinne machen anspruchsvolle Kausalbegriffe die Aufgabe für konservative Epiphänomenalist*innen daher leichter.

Es bleibt also, die folgenden Punkte festzuhalten:

Erstens: Der Epiphänomenalismus und der Kausalismus sind oft nicht so weit voneinander entfernt, wie man denken könnte. Wenn etwa Epiphänomenalist*innen auch geeignet qualifizierte Beziehungen kontrafaktischer Abhängigkeit zwischen mentalen Ereignissen und ihren (bloß) vermeintlichen Wirkungen akzeptieren dürfen und auf dieser Grundlage Argumente gegen den Epiphänomenalismus zurückweisen können, dann unterscheidet sich ihre Position kaum noch von der Position von manchen erklärten Kausalist*innen, die sich ebenfalls auf (geeignet qualifizierte) Beziehungen kontrafaktischer Abhängigkeit berufen und hieraus aber Kausalbehauptungen folgern.Footnote 134 Die Entscheidung, ob man eine kausalistische oder eine epiphänomenalistische Erwiderung auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus vertritt, wird in diesem Fall unter Umständen zu einer bloß terminologischen Entscheidung: Wer meint, dass geeignet qualifizierte kontrafaktische Abhängigkeit Kausalität impliziert, und die Existenz mentaler Verursachung auf dieser Grundlage verteidigt, ist Kausalist*in. Wer hingegen meint, dass Kausalität nicht aus (qualifizierter) kontrafaktischer Abhängigkeit folgt, aber den konservativen Epiphänomenalismus auf Basis kontrafaktischer Abhängigkeiten verteidigt, ist Epiphänomenalist*in. Beide Positionen sind aber in ihren substantiellen Annahmen identisch: In beiden Fällen bestehen bestimmte Beziehungen kontrafaktischer Abhängigkeit zwischen behavioralen und mentalen Ereignissen. Und in beiden Fällen sind es diese kontrafaktischen Abhängigkeiten, die absurde Konsequenzen des nicht-reduktiven Physikalismus verhindern.

Zweitens: Die Nähe mancher Versionen des Kausalismus zu manchen Versionen des Epiphänomenalismus bedeutet nicht unbedingt, dass diese Versionen des Kausalismus um jeden Preis zu vermeiden sind. Worauf es eigentlich ankommt, ist, bestimmte absurde Konsequenzen des nicht-reduktiven Physikalismus zu vermeiden. Insofern dies sowohl konservativen Versionen des Epiphänomenalismus als auch dem Kausalismus gelingt, sind die beiden Erwiderungen auf den Vorwurf des Epiphänomenalismus auf einer Stufe. Es gibt unter dieser Voraussetzung keinen prinzipiellen Grund, den Kausalismus dem Epiphänomenalismus vorzuziehen.