Stärkere gerichtete Bewegungen der Luft werden als Wind bezeichnet. Sie entstehen durch Unterschiede des Luftdrucks in der Erdatmosphäre, wobei die Luft durch die Druckgradientkraft von Gebieten mit hohem Druck in Richtung des tiefen Drucks beschleunigt wird. Durch die Erdrotation wirkt die Corioliskraft, welche die Luft auf der Nordhalbkugel zusätzlich nach rechts relativ zur Strömungsrichtung ablenkt, sodass der großskalige Wind parallel zu Bereichen mit gleichem Druck weht. Der großskalige Wind stellt sich oberhalb der planetaren Grenzschicht ab etwa 1,5 bis 2 km Höhe ein, wo sich Druckgradientkraft und Corioliskraft im Gleichgewicht befinden und es keinen Einfluss der Bodeneigenschaften gibt. Der Großteil Europas befindet sich in den mittleren Breiten, wo im Mittel der Druck von Süden nach Norden hin abnimmt. Damit liegen weite Teile Europas und speziell Deutschland in einem Bereich, in dem der mittlere Wind aus Westen kommt. Die Stärke der Westwinde über Europa wird vor allem durch den Druckunterschied zwischen den niederen und höheren Breiten über dem östlichen Nordatlantik bestimmt: Je stärker der Druckunterschied zwischen Azorenhoch und Islandtief ist, desto stärker ist der großskalige Wind. Der Druckunterschied zwischen subtropischen und subpolaren Luftmassen ist im Winter am größten, weshalb der großskalige Wind im Winter in der Regel stärker ist als im Sommer.

Der lokale Wind kann sich durch den Einfluss von Bodeneigenschaften, Höhenstrukturen, atmosphärischen Bedingungen und lokalen Gegebenheiten stark vom großskaligen Wind unterscheiden. Dabei sind Böen – also kurzfristige Abweichungen vom Mittelwind – von besonderer Bedeutung, da sie deutlich höhere Geschwindigkeiten als der mittlere Wind aufweisen. Böen können beispielsweise auftreten, wenn Luftströmungen aus größeren Höhen, die meist höhere Windgeschwindigkeiten besitzen als bodennahe Luftströmungen, durch atmosphärische Turbulenzen Richtung Erdboden transportiert werden.

Die stärksten Winde und Böen in Nord- und Zentraleuropa treten in Verbindung mit Zyklonen der mittleren Breiten auf – Tiefdruckwirbel mit einem Durchmesser von bis zu einigen Tausend Kilometern. Damit verbundene Winde werden ab einer Stärke von mindestens 9 Beaufort (ca. 75 km/h) als Sturm bezeichnet. Im Zentrum von Zyklonen herrschen typischerweise tiefe Werte des Luftdrucks von 970 bis 1000 hPa, in manchen Extremfällen können diese auch auf weniger als 920 hPa fallen. Aufgrund der oben genannten Kräfte kann es zu einer starken Bewegung von Luftmassen mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zyklonenzentrum kommen. Somit beeinflussen Zyklonen maßgeblich die Winde in den mittleren Breiten und tragen zudem in erheblichem Maße zu den Witterungs- und klimatischen Bedingungen in Europa bei. Zum einen sind sie für den Transport von Feuchte und Wärme nach Europa verantwortlich und bestimmen somit das Klima in Deutschland. Zum anderen sind Zyklonen für einen Großteil von extremen Wetterereignissen wie Starkniederschlägen (Kap. 7), Sturmböen und Überflutungen (Kap. 10) bzw. Sturmfluten (Kap. 9) in den mittleren Breiten verantwortlich (Ulbrich et al. 2009; Schwierz et al. 2010), die somit auch in Deutschland zu erheblichen Schäden führen können. Für Deutschland ist im gegenwärtigen Klima im Mittel alle 20 Jahre mit Sturmschäden von der Größenordnung des sehr schadenintensiven Jahres 1990 zu rechnen (Walz und Leckebusch 2019). Ein prominentes Beispiel für einen besonders schadensträchtigen Sturm ist Kyrill (Fink et al. 2009), der zwischen dem 17. und 19.01.2007 über Mitteleuropa Dutzende Todesopfer forderte sowie erhebliche Forst- und Gebäudeschäden verursachte. Weitere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind die Stürme Xynthia (Februar 2010), Christian (Oktober 2013), Xaver (Dezember 2013), Friederike (Januar 2018) und Sabine (Februar 2020).

Zyklonen entstehen in Regionen mit hohen Temperaturunterschieden (Temperaturgradienten), indem sie Energie, die durch die Hebung von Luftpaketen aufgebaut wird (z. B. durch Erwärmung), in Bewegungsenergie in Form von Wind umwandeln. Diese ausgeprägten Temperaturgradienten können zum einen durch die unterschiedlich starke solare Erwärmung niedriger und hoher Breiten entstehen, oder sie bilden sich aufgrund der unterschiedlich starken Erwärmung von Land- und Meeresoberflächen. Die günstigsten Bedingungen für das Entstehen und die weitere Entwicklung von Zyklonen herrschen über dem Nordatlantik – besonders über dem westlichen Nordatlantik in der Nähe von Neufundland, wo die beiden genannten Effekte zur Bildung von Temperaturgradienten in der Regel gegeben sind. Die sich entwickelnden Zyklonen wandern anschließend mit der westlichen Grundströmung nach Europa, wo sie meistens Richtung Britische Inseln und Skandinavien weiterziehen. Gemessen an der Gesamtzahl treffen vergleichsweise wenige Zyklonen auf das westeuropäische Festland. Ihre Zugbahnen werden dabei stark von den oben genannten Druckunterschieden über dem Nordatlantik beeinflusst. Zum Beispiel werden im Falle eines stark ausgeprägten Azorenhochs und ebensolchen Islandtiefs Zyklonen hauptsächlich Richtung Skandinavien abgelenkt, während sie bei einem schwach ausgeprägten Azorenhoch und Islandtief auch weiter südlich auf das europäische Festland treffen können (Pinto et al. 2009). Der Bereich über dem Nordatlantik, in dem vermehrt Zyklonen entstehen und sich Richtung Europa bewegen, wird auch nordatlantischer storm track genannt (Hoskins und Valdes 1990). Der Begriff steht in diesem Zusammenhang für die mittleren Zugbahnen von Tiefdruckgebieten. Der storm track bildet daher ein geeignetes Maß zur Bewertung der Auswirkung des Klimawandels auf die für Europa und Deutschland relevanten Zyklonen. So geht eine mögliche Verlagerung des storm track in den vergangenen Jahrzehnten und in einem zukünftigen Klima mit veränderten Zugbahnen der Zyklonen und somit veränderten klimatischen Bedingungen und bodennahen Winden über Deutschland einher.

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene objektive Verfahren zur Identifizierung von Zyklonen sowie deren Zugbahnen in Reanalysen und globalen Klimamodellen (global climate models) entwickelt. Dabei hat sich gezeigt, dass sich die Ergebnisse dieser Verfahren stark unterscheiden können. So ist die Identifizierung von Zyklonen nicht nur sensitiv gegenüber der Wahl des Verfahrens an sich, sondern auch gegenüber den Eingangsdaten, auf die das Verfahren angewendet wird (Raible et al. 2008; Ulbrich et al. 2009; Neu et al. 2013). Diese Unsicherheiten sollten bei der Bewertung von Zukunftsszenarien berücksichtigt werden.

1 Gegenwärtiges Klima und beobachtete Trends

Regional unterschiedliche Windgeschwindigkeiten prägen das gegenwärtige Klima in Deutschland. Im klimatologischen Mittel ist der Wind im küstennahen Bereich am stärksten. Mit zunehmendem Abstand von der Küste ist ein deutlicher Rückgang der mittleren Windgeschwindigkeit zu verzeichnen. Ausnahmen bilden die höheren Lagen wie z. B. der Nordrand der Alpen oder die Mittelgebirge, wo im Durchschnitt höhere Windgeschwindigkeiten auftreten. Im Gegensatz dazu herrschen in Tallagen – etwa im Rheintal – niedrigere mittlere Windgeschwindigkeiten vor.

Die mit starken Zyklonen verbundenen Böengeschwindigkeiten zeigen ein ähnliches Muster wie der mittlere Wind, mit hohen Werten in Küstennähe, vor allem entlang der Nordsee-Küste, und einer Abnahme landeinwärts (Abb. 8.1; Jung und Schindler 2019). In Tallagen sind die Böengeschwindigkeiten besonders niedrig, so z. B. im Rhein- oder Donautal. Eine besonders heterogene Verteilung der Wind- und Böengeschwindigkeit ist in Gebieten mit komplexen Höhenstrukturen zu finden, etwa im Schwarzwald und in den Alpen.

Abb. 8.1
figure 1

(Aus Jung und Schindler 2019)

Mittlere Böengeschwindigkeit der stärksten 98 Winterstürme in Deutschland zwischen 1981 und 2018 in Metern pro Sekunde.

Die Windverteilung in Deutschland, speziell das Nord-Süd-Gefälle der Wind- und Böengeschwindigkeiten, ist entscheidend von der Stärke und den Zugbahnen der vom Nordatlantik kommenden Zyklonen geprägt (Abb. 8.2). Während die Mehrzahl von ihnen über den Bereich der Nordsee zieht und somit für starke Winde in den Küstenregionen sorgt, wird der Süden Deutschlands seltener von starken Zyklonen getroffen.

Abb. 8.2
figure 2

(Pinto et al. 2009)

Flächengewichtete Dichte der Zyklonenzugbahnen von starken Zyklonen für den Zeitraum 1958–1998, abgeleitet aus den stärksten 10 % aller Zyklonen. Die Isolinien geben an, an wie vielen Tagen pro Winter Zyklonen an entsprechender Stelle auftreten.

Da der storm track stark von den Temperaturgradienten im Nordatlantikbereich abhängt, ist zu erwarten, dass der Klimawandel zu einer Veränderung des storm track und somit der Zyklonenaktivität führt, was sich wiederum auf die Windverhältnisse über Deutschland auswirkt. Studien zu historischen Trends dieser Aktivität liefern jedoch unterschiedliche Aussagen (für eine Literaturübersicht: Ulbrich et al. 2009 oder Feser et al. 2015). Die meisten Studien, die auf Reanalysen für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts beruhen, zeigen eine generelle Zunahme der nordatlantischen Storm-track-Aktivität (Chang und Fu 2002; Hu et al. 2004). Die Reanalysen zeigen dabei in ihrer zeitlichen Variabilität eine große Übereinstimmung (z. B. Wang et al. 2016), insbesondere seit der Einführung von Satellitendaten. Damit übereinstimmend lässt sich ein Anstieg der Anzahl von starken Zyklonen über dem östlichen Nordatlantik und der südlichen Nordsee nach 1958 feststellen (Weisse et al. 2005). Für Europa wiederum ergeben sich heterogene Trends in Bezug auf die beobachtete Anzahl an Zyklonen: So stellte Trigo (2006) für den Zeitraum von 1958 bis 2002 eine Zunahme der Zyklonenanzahl über Nordeuropa fest, aber eine Abnahme über Mittel- und Südeuropa. In einigen Studien wird für Zeiträume seit dem 19. Jahrhundert ebenfalls eine Zunahme der Zyklonenanzahl über dem Nordatlantik identifiziert (z. B. Wang et al. 2009, 2011), während Hanna et al. (2008) einen Rückgang feststellen.

Neuere Studien, die vermehrt auf Daten aus dem 21. Jahrhundert zurückgreifen, deuten darauf hin, dass sich der Trend zu stärkerer Storm-track-Aktivität und zu einer Zunahme der Zyklonen seit dem Ende des 20. Jahrhunderts abgeschwächt oder sogar umgekehrt hat. So wurde etwa für den nordatlantischen storm track im Winter eine Abschwächung während der letzten Jahrzehnte beobachtet. Dies ist auf höhere Temperaturen über dem nordöstlichen Nordamerika zurückzuführen (Wang et al. 2017). Ein Vergleich verschiedener Reanalysen und Radiosondendaten in Bezug auf Trends der Wintersturmzugbahnen zwischen 1959 und 2010 ergab eine nur geringe Zunahme des nordatlantischen storm track (Chang und Yau 2016). Alexandersson et al. (2000) und Krueger et al. (2019) konnten zeigen, dass der positive Trend seit den 1950er-Jahren und die Abschwächung zum Ende des 20. Jahrhunderts auch in Stationsdaten erkennbar sind. Diese Stationsmessungen ermöglichen ebenfalls eine Abschätzung des großskaligen Windes und haben zudem den Vorteil, dass sie viel weiter in die Vergangenheit zurückreichen als Reanalysen. Die Betrachtung solcher Stationsmessungen weist allerdings auch darauf hin, dass diese Schwankungen innerhalb der natürlichen Variabilität des Sturmklimas liegen.

Aktuell wird an sogenannten Attributionsstudien (Kap. 28) zu einzelnen Stürmen geforscht. So wurde unter anderem der Zusammenhang der Stürme Eleanor und Friederike aus dem Jahr 2018 mit dem Klimawandel untersucht (Vautard et al. 2019). Beobachtungen zeigen einen abnehmenden Trend der Windgeschwindigkeiten für solch starke Stürme, während regionale Klimamodelle diesen Trend nicht widerspiegeln. Es wird geschlussfolgert, dass bisher eine Zunahme der Oberflächenrauigkeit infolge dichterer Bebauung in der Umgebung von Messstationen und nicht der anthropogene Klimawandel den größten Einfluss auf diese Entwicklung hat.

Der aktuelle Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC 2021) weist auf eine niedrige Zuverlässigkeit von Trends der Sturmanzahl und -intensität hin. Die Ursachen dafür sind stark ausgeprägte Schwankungen auf Zeitskalen von Jahren bis Jahrzehnten sowie eine zeitlich und räumlich uneinheitliche Datenlage von Reanalysen, besonders in der Zeit vor Einführung der Satelliten. Feser et al. (2015) haben die Ergebnisse von Studien zusammengefasst, die sich ausschließlich mit Stürmen über dem Nordatlantik und Europa befassen, und sind zu folgendem Schluss gekommen: Während Studien, die auf Daten aus Stationsmessungen der vergangenen gut 140 Jahre basieren, für Mitteleuropa und die Nordsee häufig eine multidekadische Variabilität der Sturmaktivität, aber keinen Langzeittrend zeigen, weisen Reanalysen ab Mitte des 20. Jahrhunderts oft auf einen positiven Trend hin. Ein Grund für diese teils widersprüchlichen Aussagen liegt vor allem in den unterschiedlichen Zeiträumen, die bei diesen Studien verwendet werden. Krueger et al. (2019) haben aus Druckbeobachtungen der letzten gut 140 Jahre Windgeschwindigkeiten über dem östlichen Nordatlantik abgeleitet. Ihre Ergebnisse zeigen nach einer hohen Sturmaktivität Ende des 19. Jahrhunderts einen allmählichen Rückgang zu niedrigerer Sturmaktivität in den 1960er-Jahren. Danach folgt ein Anstieg bis zu den 1990ern mit hoher Sturmaktivität, die vergleichbar zum späten 19. Jahrhundert ist. In den jüngsten Jahren werden wieder durchschnittliche Werte erreicht. Ähnliche Ergebnisse können auch Befort et al. (2016) aus hundertjährigen Reanalysen ableiten. Feser et al. (2021) bestätigen diese Resultate für aktuelle Reanalysen und druckbasierte Beobachtungen für die letzten Jahrzehnte. Weitere wichtige Faktoren für die genannten Unsicherheiten sind dabei auch die verschiedenen Verfahren zur Quantifizierung der Zyklonenaktivität und die verwendeten unterschiedlichen Datensätze (Raible et al. 2008; Neu et al. 2013). Zudem liegt ein weiteres wichtiges Problem in dem begrenzten Zeitraum von ungefähr 50 Jahren, für den flächendeckende Beobachtungen vorliegen (Abschn. 3.2.3). So ist es schwierig festzustellen, ob eine beobachtete Änderung in diesem Zeitraum einem langzeitlichen Trend entspricht oder auf Zeitskalen von einzelnen oder mehreren Dekaden innerhalb der natürlichen Variabilität liegt, die für die Zyklonenaktivität sehr ausgeprägt ist (Donat et al. 2011b; Krueger et al. 2013; Wang et al. 2011). Die geringere Dichte von Beobachtungsdaten vor den 1960er-Jahren trägt zusätzlich zu diesen Unsicherheiten bei. So unterscheiden sich etwa die beiden Reanalysedatensätze ERA20C und 20CR für das letzte Jahrhundert stark bei den langfristigen Trends der Windgeschwindigkeit (Wohland et al. 2019). Wie oben erwähnt, sind jedoch sehr lange Beobachtungsreihen erforderlich, um verlässliche Aussagen über die tatsächliche Veränderung des Sturmklimas über Deutschland treffen zu können (Bärring und von Storch 2004; Matulla et al. 2008). Entsprechend kann für Deutschland ebenfalls kein klarer Trend der Zyklonenaktivität gefunden werden, da auch hier die zwischenjährlichen und dekadischen Schwankungen weitaus stärker sind als ein möglicher langzeitlicher Trend (Bett et al. 2017). Zu diesem Ergebnis kommen auch Krieger et al. (2020), die die Sturmtätigkeit über der Deutschen Bucht zwischen 1897 und 2018 mithilfe von aus Druckbeobachtungen abgeleiteten Windgeschwindigkeiten untersuchen. Es zeigt sich eine starke multidekadische Variabilität, mit einem Anstieg von den 1960er-Jahren bis in die 1990er- und einem anschließenden Abfall bis in die 2000er-Jahre hinein (Abb. 8.3).

Abb. 8.3
figure 3

(Krieger et al. 2020)

Karte von Stationen der Deutschen Bucht, an denen Druckmessungen des großskaligen Windes, berechnet über die gezeigten Winddreiecke, eingingen (links), und (rechts) standardisierte jährliche 95. Perzentile des aus Druckbeobachtungen abgeleiteten Windes über der Deutschen Bucht von 1897–2018. Die rote schmale Linie zeigt das Mittel über alle 18 Dreiecke, die rote gestrichelte Linie zeitlich geglättete Werte und die blauen Punkte zeigen Werte für einzelne Dreiecke.

Die oben genannten Schlussfolgerungen bezüglich der Unsicherheit der beobachteten Zyklonenaktivität innerhalb der letzten Jahrzehnte gelten auch für die beobachteten Windverhältnisse über Europa und Deutschland (IPCC AR6). So weisen beispielsweise Beobachtungen für Europa auf eine generelle Abnahme der bodennahen Windgeschwindigkeiten für die letzten vier Dekaden hin (Tian et al. 2019). Wang et al. (2011) hingegen zeigen für die Nordsee und die Alpen eine Zunahme für das Auftreten starker Winde bis Ende des 20. Jahrhunderts. Allerdings hat sich dieser positive Trend über der Nordsee seit Mitte der 1990er-Jahre wieder umgekehrt und auf durchschnittliche Werte eingependelt. Der Sturmmonitor (Hereon-Sturmmonitor 2022), der Informationen zu aktuellen Sturmereignissen und zur Sturmaktivität der letzten Jahrzehnte in Norddeutschland liefert, bestätigt diesen Sachverhalt. Insgesamt ist somit für Deutschland in Bezug auf Zyklonen und Winde kein eindeutiger historischer Langzeittrend zu finden (Hofherr und Kunz 2010). Dies steht im Einklang mit Studien, die sich mit dem Windstauklima über der Nordsee – also der Veränderung des Wasserspiegels durch Windeinfluss – und den damit verbundenen Sturmfluten befassen (Kap. 9). Auch das Windstauklima zeigt ausgeprägte dekadische Schwankungen, aber keinen erkennbaren historischen Trend (Abschn. 9.1.2).

2 Trends im zukünftigen Klima

Das World Climate Research Programme hat die sogenannten Coupled Model Intercomparison Projects (CMIP) ins Leben gerufen, um eine umfassende Evaluierung von verschiedenen Klimamodellen und Klimaprojektionen zu ermöglichen. Eine Vielzahl der Modelle vergangener CMIP-Projekte (CMIP3, CMIP5 und CMIP6) simuliert für die Nordhemisphäre im Mittel eine Verschiebung der Zyklonenzugbahnen bzw. des storm track nach Norden bis Ende des 21. Jahrhunderts (Yin 2005; Gastineau und Soden 2009; Harvey et al. 2012; Harvey et al. 2020). Hierbei ist hervorzuheben, dass die aktuellsten CMIP6-Modelle deutlich geringere Abweichungen im Vergleich mit Reanalysedaten für das heutige Klima aufweisen, als dies in CMIP3/CMIP5 der Fall ist (Harvey et al. 2020; Oudar et al. 2020). Während es kaum grundlegende Änderungen zwischen den CMIPs gibt, nimmt die Stärke des Klimaänderungssignals in CMIP6 in Vergleich zu CMIP5 deutlich zu, was auf eine höhere Klimasensitivität der neueren Modelle zurückzuführen ist (Kap. 2). Des Weiteren herrscht eine gute Übereinstimmung bezüglich einer generellen Abnahme der Anzahl aller Zyklonen im globalen Mittel (Catto et al. 2019). Große Unsicherheiten gibt es dagegen im Hinblick auf mögliche regionale Änderungen der Zyklonenaktivität (Ulbrich et al. 2009; Zappa et al. 2013) sowie den damit verbundenen zukünftigen Trends der regionalen Charakteristika von Windböen und Böen. Diese Unsicherheiten basieren hauptsächlich auf einer von Klimamodellen unterschiedlich projizierten Veränderung der Temperaturgradienten zwischen den Subtropen und der Polarregion in der oberen und unteren Troposphäre, also jenem Teil der Atmosphäre, der je nach Klimazone bis in eine Höhe von ungefähr 8 bis 15 km reicht (Harvey et al. 2014). Zusätzlich beeinflussen lokale, nur schwer vorhersagbare Prozesse die regionale Änderung der Storm-track-Aktivität (Kirtman et al. 2013). In einigen Studien wird beispielsweise ein Einfluss des Meereisrückgangs auf die Zyklonenaktivität nachgewiesen (Bader et al. 2011; Deser et al. 2010; Screen et al. 2018). Für Zyklonen über dem Nordatlantik spielen vermutlich Änderungen in der Ozeanzirkulation eine wichtige Rolle, die in den verschiedenen Klimamodellen teils sehr unterschiedlich wiedergegeben werden (Woollings et al. 2012). Darüber hinaus spielen auch die Änderungen der Strahlungseigenschaften der Wolken eine wichtige Rolle (Bony et al. 2015; Ceppi und Shepherd 2017; Albern et al. 2019).

Einige Klimaprojektionen anhand des CMIP3-Ensembles deuten auf eine Ausdehnung des nordatlantischen storm track nach Osten hin und damit auf eine Verschiebung der Zyklonenzugbahnen in Richtung Europa (Bengtsson et al. 2006, 2009; Catto et al. 2011; Pinto et al. 2007b; Ulbrich et al. 2008). Auch in den CMIP5-Modellen zeigt sich eine solche Verschiebung Richtung Europa, die hier jedoch schwächer ausgeprägt ist (Harvey et al. 2012; Zappa et al. 2013). In einer ersten Analyse des CMIP6-Ensembles zeigt sich ebenfalls eine Verschiebung in Richtung Europa, deren Ausprägung wieder stärker ist und der von CMIP3 ähnelt (Harvey et al. 2020). Des Weiteren ist anzunehmen, dass in einer wärmeren Atmosphäre mehr verfügbare latente Wärme durch den Phasenübergang von Wasserdampf zu Flüssigwasser freigesetzt wird, was bessere Wachstumsbedingungen für starke Zyklonen und somit auch potenziell stärkere Stürme zur Folge hat (Pinto et al. 2009; Fink et al. 2012; Hawcroft et al. 2018). Eine Erhöhung der Sturmaktivität über Westeuropa wäre die Folge (Pinto et al. 2009; Donat et al. 2010; McDonald 2011; Catto et al. 2019). Dies stimmt mit kürzeren Wiederkehrperioden von starken Zyklonen über der Nordsee und Westeuropa bis zum Jahr 2100 überein, wie sie Della-Marta und Pinto (2009) gefunden haben. Ein anderer Ansatz, um die regionalen Auswirkungen der globalen Erwärmungen auf die Sturmaktivität im Nordatlantik zu untersuchen, wird in Barcikowska et al. (2018) beschrieben. Regionale Simulationen für Erwärmungsszenarien von 1.5 °C und 2 °C weisen auf eine Zunahme der Niederschlagsintensität und Sturmaktivität in Nordeuropa hin, wobei eine Analyse der Daten zeigt, dass Änderungen erst nach Überschreitung der 1,5 °C-Erwärmung zu erwarten sind. Insgesamt zeigt der größte Teil der Studien, die sich mit der Sturmaktivität befassen, eine Zunahme der Intensität und Anzahl von Stürmen über Mitteleuropa und der Nordsee bis zum Ende des 21. Jahrhunderts (für eine Literaturübersicht: Feser et al. 2015).

Studien mit globalen und regionalen Modellen mit Fokus auf Deutschland stimmen darin überein, dass es durch die Zunahme starker Zyklonen zu einer Häufung von Starkwindereignissen kommt. So simulieren einige globale CMIP3-Klimamodelle für das Ende des 21. Jahrhunderts stärkere maximale tägliche Windgeschwindigkeiten über Nordwesteuropa, der Nordsee und Deutschland (Pinto et al. 2007a; Donat et al. 2010) oder auch mehr Starkwindereignisse über Nordeuropa (Gastineau und Soden 2009). Studien auf Basis von CMIP5-Klimamodellen kommen zu dem Schluss, dass die Anzahl von Starkwindereignissen im Zusammenhang mit Zyklonen über Mitteleuropa steigen kann (Zappa et al. 2013). Regionale Klimamodelle (RCMs) liefern einige übereinstimmende Ergebnisse vor allem für den nördlichen Bereich Zentraleuropas (Beniston et al. 2007; Rockel und Woth 2007; Fink et al. 2009; Rauthe et al. 2010; Hueging et al. 2013; Tobin et al. 2015; Barcikowska et al. 2018; Moemken et al. 2018). So identifizieren Rockel und Woth (2007) anhand eines Ensembles von Regionalmodellsimulationen für den Zeitraum zwischen 2071 und 2100 eine Zunahme der täglichen maximalen Windgeschwindigkeiten in Mitteleuropa im Winter, während im Herbst eine Abnahme festzustellen ist. Ein negativer Trend bis zum Ende des 21. Jahrhunderts für die höchsten Wind- bzw. Böengeschwindigkeiten über Deutschland findet sich in verschiedenen hochaufgelösten Modellen auch für den Sommer (Bengtsson et al. 2009; Hueging et al. 2013; Walter et al. 2006; Tobin et al. 2015; Moemken et al. 2018). Der Sechste Sachstandsbericht des IPCC (IPCC AR6) kommt zu der Schlussfolgerung, dass es zu einer leichten Zunahme sowohl in der Häufigkeit als auch in der Stärke von Zyklonen, Stürmen, und Starkwinden über Nord-, West-, und Mitteleuropa für Erwärmungsszenarien von 2 °C und mehr kommen wird (Ruosteenoja et al. 2019; Vautard et al. 2019). In den meisten Klimamodellen für Nord- und Mitteleuropa wird eine Zunahme des Windes und somit des Windenergieertrags im Winter erwartet (Hueging et al. 2013), wobei sich die Stärke dieser Zunahme in den verschiedenen Klimamodellen deutlich unterscheiden kann (Reyers et al. 2016; Moemken et al. 2018).

Abb. 8.4. zeigt die für das Ende des 21. Jahrhunderts projizierte Veränderung des bodennahen Windes (in 10 m Höhe) für Mitteleuropa nach Moemken et al. (2018) anhand eines regionalen Klimamodellensembles (CMIP5-Antrieb). Im Jahresdurchschnitt (Abb. 8.4a) sind für Deutschland im Ensemblemittel nur geringfügige Veränderungen zu erwarten (±3 %). Im Winter, und analog zu den oben beschriebenen Veränderungen, ist im Ensemblemittel ein leichter Anstieg der Windgeschwindigkeiten über Mitteleuropa zu erwarten (Abb. 8.4b), auch wenn nicht alle Modelle übereinstimmen (nicht gezeigt). In alpinen Bereichen sind die projizierten Abweichungen aufgrund des stark gegliederten Geländes teilweise etwas höher. Im Gegensatz dazu wird für den Sommer (Abb. 8.4c) ein stärkerer und konsistenter Rückgang der Windgeschwindigkeit projiziert. Dies betrifft vor allem Mittel- und Süddeutschland, mit Veränderung von bis zu -6 %. In Teilen der Schweiz und Österreich ist der Rückgang im Hochgebirge sogar noch stärker.

Abb. 8.4
figure 4

Veränderungen des Windes in 10 m Höhe für a ganzjährig, b Winterhalbjahr, c Sommerhalbjahr anhand eines Ensembles von regionalen Klimaprojektionen für 2071–2100 (RCP8.5) im Vergleich zum Referenzzeitraum (1971–2000) in Europa. (Adaptiert aus Moemken et al. 2018, Abb. 6)

Die Projektionen für den jährlichen Windenergieertrag abgeleitet aus dem Wind in 100 m Höhe über Deutschland variieren hingegen je nach Modell zwischen einer Ab- und Zunahme von bis zu 10 % (Tobin et al. 2015). Moemken et al. (2018) weisen zudem darauf hin, dass ein häufigeres Auftreten von niedrigen Windgeschwindigkeiten (unter 3 m/s in 100 m Höhe) zu erwarten ist, bei denen keine Windenergieproduktion stattfindet, sogenannten Dunkelflauten. Das bedeutet eine höhere Volatilität der Windenergieproduktion, was die Energiebranche vor eine zusätzliche Herausforderung stellt (z. B. Elsner et al. 2016; Weber et al. 2019).

Für Deutschland zeigen die meisten Regionalisierungen insgesamt einen generellen Anstieg der Böengeschwindigkeit im Norden und Nordwesten sowie an der Nord- und Ostseeküste (Walter et al. 2006; Rauthe et al. 2010; Pinto et al. 2010). Die projizierte Zunahme von Starkwindereignissen und Böengeschwindigkeiten, vor allem im Winter, hätte einen Anstieg der potenziellen Gebäudeschäden im Zusammenhang mit Winterstürmen über Mitteleuropa zur Folge (Schwierz et al. 2010; Donat et al. 2011a; Pinto et al. 2012; Held et al. 2013; Prahl et al. 2015). Für eine detaillierte Analyse der ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels sei hier auf Kap. 24 verwiesen.

3 Kurz gesagt

In Beobachtungen der vergangenen Jahrzehnte und in Klimaprojektionen für das zukünftige Klima wird eine starke zwischenjährliche bis multidekadische Variabilität der Zyklonenaktivität über dem Nordatlantik festgestellt. Unsicherheit herrscht dagegen über einen langzeitlichen Trend der Zyklonenanzahl und -intensitäten, vor allem in Regionen des europäischen Festlands. So zeigt sich in Reanalysedaten für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eine ausgeprägte dekadische Variabilität der Zyklonenaktivität über dem östlichen Nordatlantik, Europa, Deutschland und der Nordsee. Druckmessungen an Stationen über Nordeuropa und Deutschland belegen eine starke derartige Variabilität sogar für einen noch längeren Zeitraum. Ein langzeitlicher Trend kann jedoch nicht identifiziert werden. Dasselbe gilt für die Windverhältnisse über Deutschland in den vergangenen 50 Jahren.

Für das zukünftige Klima ist eine Verschiebung des nordatlantischen storm track in Richtung Europa wahrscheinlich, was jedoch nicht durch eine Zunahme der Gesamtzahl aller Zyklonen, sondern durch ein häufigeres Auftreten starker Zyklonen bedingt ist. Die Wiederkehrperiode starker Zyklonen über der Nordsee und Westeuropa wird sich demnach verkürzen, während es bis 2100 allgemein weniger Zyklonen geben wird. Daher ist es wahrscheinlich, dass bereits ab Mitte des 21. Jahrhunderts mehr Starkwindereignisse und starke Böen über der Nordsee und Nordwestdeutschland auftreten werden. Diese werden vor allem im Winter zunehmen, während es im Sommer eher zu einer Abnahme kommen wird. Für andere Regionen in Deutschland sind Aussagen über zukünftige Klimatrends in Bezug auf den Wind unsicher; es werden aber nur geringe Änderungen im Vergleich zum gegenwärtigen Klima erwartet.