Die Schlüsselwörter in der Überschrift dieses Kapitels sind für sich genommen einfach. Aber die Begriffe beziehen sich dennoch auf komplexe und vielschichtige, zum Teil kontrovers diskutierte Konzepte, die es zu definieren und zu systematisieren gilt. Folglich werden diese Begriffe im ersten Teil des Kapitels näher beleuchtet, um u. a. deutlich zu machen, wie sie im Risikoansatz des Weltklimarats (IPCC) genutzt und abgegrenzt wurden. Dabei spielt auch die Weiterentwicklung des Risikoansatzes bzw. dessen konzeptionelle Verknüpfung mit Fragen der Anpassung an den Klimawandel eine Rolle. Auch die Frage, was unter Unsicherheit und Bandbreiten möglicher Entwicklungen des Klimas und sogenannter sozioökonomischer Entwicklungspfade zu verstehen ist, wird thematisiert. In dieser Hinsicht geht dieses Kapitel besonders auf die Diskussion im internationalen Raum (z. B. IPCC) und dessen Relevanz für den Diskurs in Deutschland ein. Insgesamt wird dabei deutlich, dass bisherige Untersuchungsmethoden zu Risiken im Kontext des Klimawandels und darauf aufbauende Entscheidungsprozesse so weiterentwickelt werden müssen, dass einer eher engen Betrachtung von direkten Klimaauswirkungen und Klimagefahren heute eine breitere Perspektive auf Risiken und Anpassungsmöglichkeiten im Kontext des Klimawandels gegenübergestellt wird.

1 Die Risikoperspektive

Betrachtet man die Berichte des Weltklimarats wie beispielsweise den Fünften und Sechsten Sachstandsbericht – insbesondere der Arbeitsgruppen II – (IPCC 2014a, 2022) sowie den IPCC Spezialbericht SROCC (IPCC 2019), so zeigt sich, dass den übergreifenden und komplexen Risiken, die nicht allein auf den Klimawandel zurückzuführen sind, dem Umgang mit Unsicherheiten sowie der Frage von Anpassungsoptionen eine wesentlich stärkere Aufmerksamkeit gewidmet wird als zuvor im Vierten Sachstandsbericht (IPCC 2007). Warum aber rücken in den letzten Jahren übergreifende Risiken besonders in den Blickpunkt? Weshalb werden die Begriffe Klimagefahren, Exposition, Verwundbarkeit (Vulnerabilität) und Risiko sowie Anpassung deutlich voneinander unterschieden? Zudem ist zu prüfen, welche neuen Erkenntnisse es bezüglich der Frage gibt, wie mit Unsicherheiten und Komplexität im Rahmen der Klimaanpassungsforschung und Klimarisikoforschung umgegangen werden kann (Kap. 29). Trotz wesentlicher Erweiterungen bestehender Daten zum Klimawandel und zur Klimavariabilität werden Unsicherheiten in Bezug auf die Auswirkungen und Risiken des Klimawandels selbst bei verbesserter Datenlage und wissenschaftlichem Fortschritt auch weiterhin bestehen bleiben. Daher sind der Umgang mit Unsicherheiten und die Bewertung von potenziellen Auswirkungen und Risiken im Kontext des Klimawandels Kernthemen eines gesellschaftlichen Umgangs mit dem Klimawandel, der auch zu thematisieren hat, wie die Einsichten und Erkenntnisse der Wissenschaft in einen demokratischen Prozess der Entscheidungsbildung einfließen (können) (Kap. 30 und 36). Im Kontext von Verwundbarkeit und Risiko spielen sog. adaptive Strategien eine zunehmende Rolle, d. h., es geht um die Entwicklung von Strategien, wie auch Anpassungsmaßnahmen selber flexibel und anpassungsfähig gegenüber Klimaänderungen ausgestaltet werden kann. Zudem sind adaptive Strategien solche, die Synergien zwischen Zielen des Klimaschutzes, der Klimaanpassung sowie der Nachhaltigkeit stärken. Demzufolge lässt sich die Eignung von Anpassungs- und Risikominderungsstrategien nicht alleine anhand der Daten zu Klimagefahren beantworten.

1.1 Risiken und mögliche Anpassungsstrategien: von zwei Seiten her denken

Eine Kernerkenntnis der neueren IPCC-Berichte (AR 6, AR5, IPCC SREX) sowie u. a. auch der aktuellen IPCC-Sonderberichte wie SROCC (IPCC 2019) liegt u. a. darin, dass die Chancen und Risiken im Kontext des Klimawandels und entsprechende Strategien zur Anpassung komplexer Systeme von zwei Seiten her definiert und analysiert werden müssen: einerseits aus der Perspektive des Klimawandels und andererseits aus der Perspektive der gesellschaftlichen Entwicklung bzw. der Veränderung sogenannter sozial-ökologischer Systeme (IPCC 2012, 2014b, 2022). Risiken wie auch Kosten und Nutzen von unterschiedlichen Anpassungsstrategien und -maßnahmen (etwa Küstenschutzmaßnahmen gegen Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten oder Frühwarnsysteme gegenüber Hitzestress) können sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, welche Szenarien zur Entwicklung gesellschaftlicher und räumlicher Prozesse diesen Analysen zugrunde liegen. Beispielsweise können je nach demografischem und wirtschaftlichem Szenario unterschiedliche Werte hinter dem Deich entstehen („starkes Wachstum“ oder „geringes Wachstum“), und damit kann auch der jeweilige zukünftige Nutzen einer Anpassungsmaßnahme oder Strategie deutlich höher oder geringer ausfallen. Während in der Konzeption des „Risiko-Propellers“ (Abb. 25.1), die Darstellung der Zusammenhänge zwischen den Determinanten des Risikos – Gefahr, Exposition und Verwundbarkeit – im Mittelpunkt stand sowie deren Modifikation durch den Klimawandel einerseits und gesellschaftliche Prozesse andererseits, skizzieren die aktuellen IPCC-Spezialberichte wie der IPCC-SROCC Bericht (IPCC 2019), wie diese Risikokonzeption auch stärker mit Fragen der Anpassung zu verknüpfen ist. Anpassungsstrategien setzen dabei mit unterschiedlichen Instrumenten an den zentralen drei Komponenten des Risikos an. Bisher verlaufen in Teilen die wissenschaftlichen Diskurse zum Thema Risiko und Verwundbarkeit einerseits und der Anpassung an den Klimawandel andererseits recht parallel zueinander, teilweise ohne klare konzeptionelle und empirische Verknüpfungen.

Trotzdem erscheint es gerade besonders wichtig, diese Diskurse konzeptionell, methodisch und bezogen auf empirische Daten und Analysen stärker zu verknüpfen. Beispielsweise sind Strategien zur Anpassung an den Klimawandel und Risikomanagementansätze gegenüber ausgewählten Klimagefahren (Dürren, Hochwasser, Starkregen, Hitzestress, etc.) auf Daten und Szenarien über den Klimawandel und den gesellschaftlichen Wandel zu beziehen, dies schließt u. a. Szenarien zu Landnutzungsveränderungen ein. So können sich je nach Szenario sehr unterschiedliche Auswirkungen beispielsweise durch eine Hitzewelle ergeben, z. B. hinsichtlich der Zahl älterer Menschen, der demografischen Komponente von Szenarien. Tendenziell könnte ein höherer Nutzen für ein Hitzefrühwarnsystem bestehen, wenn es zukünftig deutlich mehr Menschen gibt, die potenziell besonders anfällig gegenüber Hitzestress sind und daher gewarnt werden müssen.

Der Ansatz, die Kausalität von Risiken im Kontext des Klimawandels von zwei Seiten zu beleuchten, erstens dem Klimawandel und der Klimavariabilität und zweitens vonseiten des gesellschaftlichen Wandels, bietet daher einen neuen Problem- und Lösungszugang, in dem übergreifende Risiken als Schnittstellenproblem zwischen Umweltwandel und gesellschaftlichem Wandel begriffen werden. Auch die stärkere Verknüpfung des Anpassungsdiskurses an die Determinanten des Risikos – wie die Exposition, die jeweiligen Klimagefahren und die Verwundbarkeit – erscheint sinnvoll, weil damit ein besserer Überblick geschaffen wird, ob und inwieweit Anpassungsmaßnahmen und -strategien primär auf eine bestimmte Determinante fokussiert sind (z. B. die Expositionsreduktion), ob die Anpassung auf mehrere Determinanten gleichzeitig wirkt oder ob es für ein bestimmte Determinante kostengünstigere und effektivere Lösungen gibt.

In dieser Hinsicht ist auch die gesonderte Betrachtung der räumlichen und zeitlichen Exposition von Menschen und Ökosystemen oder Infrastrukturen gegenüber dem Klimawandel von Bedeutung, da vielfach zwischen der Exposition und der Verwundbarkeit deutliche Unterschiede bestehen. So sind nicht alle Menschen oder Infrastrukturen, die einer Klimagefahr räumlich ausgesetzt sind, auch gleich vulnerabel. Die Prädisposition, physische oder materielle und immaterielle Schäden durch eine Klimagefahr zu erleiden, ist unterschiedlich. Beispielsweise bezogen auf den Hitzestress sind Unterschiede für verschiedene Altersgruppen oder Menschen mit Vorerkrankungen festzustellen. Auch die aktuelle COVID-19-Pandemie gezeigt, dass zahlreiche Menschen zwar ähnlich exponiert sein können, die Wahrscheinlichkeit allerdings eines schweren Verlaufs der Krankheit sich aber davon noch einmal unterscheidet. Die konzeptionelle Differenzierung zwischen Exposition und Verwundbarkeit und Gefahren ist auch für das Risikomanagement und Anpassungsstrategien von Bedeutung (s. auch nachfolgende Kapitel).

Anpassungs- und Risikominderungsmaßnahmen im Kontext des Klimawandels sind allerdings noch mit einer Besonderheit behaftet. So sind den Möglichkeiten der Reduzierung der Exposition und der Verwundbarkeit gegenüber einem stetig steigenden Klimawandel deutliche Grenzen gesetzt. D. h. neben Anpassungsmaßnahmen sind auch Maßnahmen zur CO2-Minderung unabdingbar, damit der Klimawandel und die damit aller Wahrscheinlichkeit nach verbundenen Extremereignisse in einem Rahmen bleiben, an den sich überhaupt noch anpassen lässt.

Das Rahmenkonzept des Weltklimarats (IPCC 2014a, 2022), das sich stark auf den IPCC-Spezialbericht SREX bezieht (IPCC 2012), verdeutlicht in dieser Hinsicht, dass die gesellschaftliche Verwundbarkeit sowie diejenige von sozial-ökologischen Systemen ein wesentlicher Ausgangspunkt für Anpassungsstrategien ist, um mittel- oder langfristig mit veränderten Umwelten leben zu können. Andererseits wird eine Anpassung von Systemen wie Infrastrukturen oder Städten oder auch Ökosystemen mit der Zunahme des Klimawandels und der Steigerung der Intensität von Extremwetterereignissen deutlich schwieriger. Folglich sind nur in einer bestimmten Bandbreite von Klima- und Umweltveränderungen Anpassungsstrategien denkbar, und die Möglichkeiten, Risiken zu mindern, fallen bei einer Vier- oder Sechs-Grad-plus-Welt oft deutlich geringer aus als in einer Zwei-Grad-Welt. Darüber hinaus treten zunehmende Kaskaden- und Kopplungsprozesse in den Fokus der Risiko- und Vulnerabilitätsbetrachtung (Simpson et al. 2021), d. h., neben direkten Auswirkungen des Klimawandels auf Menschen, Infrastrukturen oder Ökosysteme werden Wirkungskaskaden stärker betrachtet. So kann der Ausfall von (kritischen) Infrastrukturen durch Klimagefahren erhebliche weitere Wirkungskaskaden (Kap. 23) auf Menschen und Ökosysteme implizieren (siehe u. a. Schmitt 2020). Diese Grenzen der Anpassung werden in der Grafik des IPCC (AR 5) aus dem Europa-Kapitel deutlich (Abb. 25.2).

Abb. 25.1
figure 1

Der Lösungsraum. Kernkonzepte des Weltklimarates (IPCC), welche die wichtigsten Determinanten von Risiken und zentrale Überlegungen zum Risikomanagement im Zusammenhang mit dem Klimawandel darstellen. (IPCC-Sonderbericht zu Ozean und Kryosphäre: Collins et al. 2019, Übersetzung: GERICS/Donecker)

Abb. 25.2
figure 2

Schlüsselrisiken durch den Klimawandel und das Potenzial zur Verringerung der Risiken durch Anpassung und Minderung in Europa. Jedes Schlüsselrisiko wird als sehr gering bis sehr hoch beschrieben für die drei Zeiträume: Gegenwart, kurzfristig (hier untersucht für 2030–2040) und langfristig (hier untersucht für 2080–2100). Kurzfristig unterscheiden sich die projizierten globalen mittleren Temperaturanstiege in den verschiedenen Emissionsszenarien nicht wesentlich. Langfristig werden die Risikolevels für zwei Szenarien des Anstiegs der globalen mittleren Temperatur dargestellt (2 und 4 °C über dem vorindustriellen Niveau). Diese Szenarien illustrieren das Potenzial von Minderung und Anpassung, die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken zu verringern. Klimatische Antriebskräfte von Folgen werden durch Symbole bildlich dargestellt. (Kovats et al. 2014)

Aktuelle Arbeiten im Kontext der Vulnerabilitäts- und Anpassungsforschung zielen u. a. darauf ab, den Szenarien zum Klimawandel auch gesellschaftliche Szenarien gegenüberzustellen (O’Neill et al. 2015). Für den Klimawandel werden insbesondere RCP-Szenarien genutzt. Demgegenüber wird in SSP-Szenarien (shared socio-economic pathways), die für Fragen der Anpassung und der Transformation unter verschiedenen Mitigationsszenarien entwickelt werden, stärkeres Gewicht auf Probleme der Armut, der Wohlstandsentwicklung oder der Demografie gelegt, da diese Faktoren Aussagen zur Anfälligkeit von Gesellschaften gegenüber den Einwirkungen des Klimawandels erlauben (van Ruijven et al. 2014). Diese SSP-Szenarien haben das Ziel, relevante Veränderungen und unterschiedliche künftige Zustände von Gesellschaften bzw. gesellschaftliche Bedingungen abzubilden, z. B. Armut, Urbanisierung, demografischer Aufbau oder Wirtschaftskraft (O’Neill et al. 2015; van Ruijven et al. 2014), die für die Frage der zukünftigen Exposition, Verwundbarkeit und Anpassungsnotwendigkeiten von Bedeutung sind.

Unbeschadet dessen ist es eine wichtige wissenschaftliche Aufgabe, zukünftige Risiken nicht allein über ein enges Gefahrenverständnis (Hochwasser, Hitzestress oder Dürre) zu definieren, bei dem primär die Eintrittswahrscheinlichkeiten eines physischen Ereignisses sowie dessen Verbindung zum Klimawandel im Vordergrund stehen. Vielmehr sind Risiken stärker als bisher im Kontext von zukünftigen möglichen Entwicklungspfaden der Umwelt bzw. des Klimas und der Gesellschaft zu verstehen, die als Grundlage für die Entwicklung von Anpassungsstrategien dienen sollten. Dementsprechend beruhen beispielsweise auch die Bestimmung von Schlüsselrisiken und die Einschätzung von Anpassungspotenzialen, wie sie sich in Abb. 25.2 wiederfinden, auf einem stark interdisziplinär gestalteten Prozess. Hier fließt Fachwissen aus unterschiedlichen Disziplinen wie den Natur-, Ingenieurs- und Sozialwissenschaften ein. Eine Schwierigkeit bleibt allerdings vielfach die Bestimmbarkeit der Eintrittswahrscheinlichkeit von Gefahren und der Intensität von deren Wirkungen, weil sich aus der Integration sozioökonomischer Entwicklungspfade Möglichkeitsräume auftun, die die Ungewissheit vergrößern (Kap. 5 und 30). Anhand solcher Unsicherheiten wird auch die normative Dimension von Entscheidungsprozessen klar, die auf wissenschaftlichen Einsichten fußen. So ist die Frage, welches Gewicht welchen Risiken unter gegebenen Unsicherheiten beigemessen wird, nicht allein wissenschaftlich bestimmbar, sondern muss Gegenstand eines umfassenden Risikomanagements sein (Kap. 29).

Klimafolgen werden in zahlreichen Studien meist für einzelne Sektoren (z. B. Landwirtschaft Kap. 18, Wasserhaushalt Kap. 16) oder Elemente menschlicher Systeme (z. B. Infrastruktur Kap. 23, Verkehr Kap. 32) präsentiert. Eine solche sektorale Betrachtung liefert wichtige Informationen für die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen und Erstellung von Vulnerabilitätsanalysen; allerdings zeigt sich zunehmend, dass eine sektorübergreifende Perspektive notwendig ist, um Kaskaden von Klimawirkungen einschätzen zu können (Abschn. 25.3.1), mögliche Spannungen und Konflikte zwischen Anpassungsstrategien unterschiedlicher Sektoren zu erkennen und im Rahmen von Anpassungsstrategien und -programmen zu mindern. Wechselwirkungen zwischen Sektoren gehören zu den Prozessen, die wissenschaftlich bislang unzulänglich abgebildet sind. Dazu gehören z. B.:

  • die Wasserverfügbarkeit für landwirtschaftliche Bewässerung,

  • Wechselwirkungen zwischen klimatischen und sozioökonomischen Veränderungen

  • Kumulative Effekte durch Überlagerung von Veränderungen in mehreren Sektoren (hotspots),

  • Fernwirkungen, z. B. durch Handel oder Migration,

  • indirekte Effekte mit nur teilweiser Attribution zu Klimawandel wie Verteilungseffekte oder Konflikte,

  • Kipppunkte wie nichtlineare Ernteeinbußen oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts.

Die Forschung hierzu bedarf weiterer raum- und kontextspezifischer Analysen, um beispielsweise sogenannte Kipppunkte von sozial-ökologischen Systemen auf kleinräumiger Ebene besser zu erkennen und verstehen zu können. Diese Kipppunkte könnten wichtige Ansatzpunkte für gezielte Anpassungsprogramme sein.

1.2 Vom IPCC-SREX-Spezialbericht zum Sechsten IPCC-Sachstandsbericht

Seit 2012 der IPCC-Spezialbericht SREX (Managing the risk of extreme events and disasters to advance climate change adaptation) verabschiedet wurde, wird bei der Beurteilung möglicher Auswirkungen des Klimawandels und der Entwicklung von Anpassungsstrategien stärkeres Gewicht darauf gelegt, zwischen den verschiedenen Komponenten zu differenzieren, die Risiken im Kontext des Klimawandels ausmachen. Dabei wird besonders auf folgende Komponenten geschaut: Gefahren, Exposition und Verwundbarkeit (IPCC 2012, 2014a, 2022). In diesem Zusammenhang kommt eine übergreifende Risikoperspektive zum Tragen, wie sie die Risiko- und Umweltforschung schon länger nutzt (UNDRO 1980; UN/ISDRFootnote 1 2004; IPCC 2012; Birkmann 2013). Dabei wird eine systemische Betrachtung von Wirkungszusammenhängen zwischen Klimaänderungen, gesellschaftlichen Veränderungen und dem Bereich von Rückkopplungsprozessen, u. a. bezogen auf die konkreten Auswirkungen des Klimawandels und möglicher Rückwirkungen auf die Umwelt und Gesellschaft, vorgenommen. Das Verständnis von Verwundbarkeit basiert – im Vergleich zu vorherigen IPCC-Sachstandsberichten (IPCC 2001, 2007) – auf der Annahme, dass verschiedene Menschen oder Bevölkerungsgruppen, Ökosysteme oder auch Infrastrukturen oder Städte unterschiedlich verwundbar gegenüber den Einwirkungen des Klimawandels sind. Die Verwundbarkeit wird dabei in eine Komponente der Anfälligkeit bzw. Sensitivität sowie eine zweite Komponente der Reaktions- und Anpassungskapazitäten differenziert. Folglich geht es nicht nur darum zu prüfen, wie physische Klimaveränderungen auf verwundbare Systeme treffen, sondern ebenso um die Erfassung und Bewertung von Kapazitäten, die unterschiedliche Systeme haben um mit den direkten und indirekten sowie kurz- und langfristigen Folgen des Klimawandels umzugehen, einschließlich der Grenzen der Anpassung. Damit wird deutlich: Risiken, die im Kontext des Klimawandels entstehen, basieren nicht allein darauf, dass es den Klimawandel als solchen gibt und dass er physische Prozesse wie z. B. klimawandelbedingte Veränderungen der Temperatur- und Niederschlagsmuster beeinflusst. Vielmehr kann sich ein Risiko im Kontext der Veränderung des Klimas erst durch die Verknüpfung mit exponierten und verwundbaren Gesellschaften, Städten, Infrastrukturen oder Ökosystemen entwickeln (Abb. 25.1). Diese Zusammenhänge wurden in früheren IPCC-Berichten bereits unter dem Aspekt der Verwundbarkeit betrachtet. In dieser Hinsicht unterscheidet das neue Konzept allerdings eindeutig zwischen der Verwundbarkeit eines Systems oder einer Gesellschaft einerseits und der auf das System einwirkenden Gefahr andererseits, etwa Temperaturerhöhung, Hochwasser, Hitzestress usw. Beide Prozesse – a) die Veränderungen des Klimas sowie b) die gesellschaftlichen Veränderungen – sind gemeinsam zu betrachten, um im Rahmen von Anpassungsstrategien an den Klimawandel sowie des Risikomanagements hinreichende Handlungsbedarfe und Strategien ableiten zu können. Erst wenn Anpassungsstrategien und Risikominderungsansätze die mit den verschiedenen Antriebskräften verbundenen Risiken abschwächen, sind nachhaltige Entwicklungspfade denkbar. Auch werden jetzt „zusammengesetzte“ (compound events) und nacheinander, also sequenziell, auftretende Gefahren (sequential), wie Überflutung nach Dürre miteingeschlossen (IPCC 2012). Darüber hinaus lassen sich mit dem Risikoansatz konzeptionell unterschiedliche Anpassungsstrategien in Bezug auf ihren Fokus oder Beitrag zur Risikominderung systematisieren (Abb. 25.2). Hier ist u. a. die Priorität Nr. 4 des Sendai-Rahmenprogramms zur Risikominderung (UNDRR 2015) zu erwähnen (Build back better in recovery and rehabilitation). So sind Umsiedlungsprogramme von Menschen aus besonders exponierten Lagen, z. B. tiefliegenden Küstenzonen, primär mit einer Reduktion der Exposition gegenüber Klimagefahren wie Meeresspiegelanstieg und Stürmen verbunden. Ob und inwieweit die Umsiedlung die Verwundbarkeit mindern kann, hängt u. a. von der Art und den Unterstützungsangeboten im Rahmen des Umsiedlungsprozesses und des Eingliederungsprozesses in die neue Umgebung ab. Führt die Umsiedlung zu einer weiteren Schwächung von Lebenssicherungsstrategien, zu Arbeitslosigkeit und stärkerer Armut, kann dies sogar zur Erhöhung der Verwundbarkeit beitragen (Greiving et al. 2018a; Lauer et al. 2021).

Ein weiteres Beispiel für komplexe Risiken, die aus der Interaktion zwischen Klima- und gesellschaftlichem Wandel resultieren, sind die im Zusammenhang mit dem Klimawandel steigenden Hitzerisiken. Risiken in diesem Zusammenhang – beispielsweise 2003 in ganz Europa oder 2013 in England – ergaben sich nicht allein deswegen, weil die Temperaturen stiegen und damit Hitzestress ausgelöst wurde, sondern auch, weil gegenüber den Einwirkungen solcher Hitzephänomene anfällige Gruppen einen größeren Bevölkerungsanteil ausmachten (Fouillet et al. 2006). Seit 2003 sind allerdings viele Maßnahmen in Kraft getreten, die die gefährdeten Bevölkerungsgruppen schützen, und damit hat sich die Verwundbarkeit für Hitzetoten in Europa deutlich verringert (z. B. Achebak et al. 2019). Anpassungsstrategien sind daher nicht allein an der Veränderung der Klimaparameter auszurichten. Sie müssen auch die vielschichtigen Interaktionen zwischen gesellschaftlichem (z. B. demografischem) Wandel, Verwundbarkeit und dem anthropogenen Klimawandel sowie der Klimavariabilität fokussieren (IPCC 2012).

2 Artikel 2 der Klimarahmenkonventionen

Das grundlegende Mandat einer wissenschaftlich getragenen Erörterung der Klimarisiken ist politisch gesetzt: Es gilt, gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Für die Arbeit des Weltklimarats, vor allem der Arbeitsgruppe II, ist insbesondere Artikel 2 der Klimarahmenkonvention eine zentrale Grundlage. Darin gilt es als Kernziel, die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Stand zu halten, der es erlaubt, gefährliche anthropogene Interaktionen und Störungen mit dem Klimasystem zu vermeiden. Im Pariser Klimaabkommen (UN 2015) wurden gefährliche anthropogene Interaktionen und Störungen in detaillierte Ziele für eine Minderung der Treibhausgasemissionen übersetzt. Um das Kernziel der Klimarahmenkonvention zu erreichen, sollte vermieden werden, dass sich die weltweite Durchschnittstemperatur um mehr als zwei Grad erhöht, und wenn möglich unter 1,5 Grad im Vergleich zu der vorindustriellen Periode bleibt (Artikel 2, Abschn. 1a des Pariser Abkommens). Darüber hinaus wurde klar, dass manche durch den Klimawandel verursachten Verluste und Schäden mittels Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen nicht vermieden werden können. Diese Verluste und Schäden wurden somit anerkannt und jetzt explizit im Pariser Abkommen und damit in der Klimarahmenkonvention aufgenommen (Artikel 8) und sollten entsprechend adressiert werden. In den internationalen Klimaverhandlungen bilden jetzt also loss & damage neben Klimaschutz und -anpassung eine dritte Säule (Mechler et al. 2019) und es werden Wege gesucht, Länder die solche Verluste und Schäden erleiden, mit Finanzen und Versicherungen sowie durch eine Verbesserung des Know-how zu unterstützen.

Klimarahmenkonvention

„Das Endziel dieses Übereinkommens und aller damit zusammenhängenden Rechtsinstrumente, welche die Konferenz der Vertragsparteien beschließt, ist es, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Ein solches Niveau sollte innerhalb eines Zeitraums erreicht werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann.“ (UN 1992; Übersetzung: Lexikon der Nachhaltigkeit)

In dieser Hinsicht betont der Sechste Sachstandsbericht des IPCC, insbesondere der Beitrag der Arbeitsgruppe II (IPCC 2022), dass die identifizierten Schlüsselrisiken ein Werkzeug dafür sind, der Frage näherzukommen, was eine „gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems“ bzw. – anders übersetzt – eine „gefährliche anthropogene Einmischung in das Klimasystem“ eigentlich ist.

Diese Schlüsselrisiken ergeben sich aus der Interaktion zwischen Gefahren im Kontext des klimatischen Wandels, der Verwundbarkeit sowie der Exposition von Gesellschaften und Systemen. Was also ist „eine gefährliche anthropogene Einmischung“ oder „Störung des Klimasystems“?

In diesem Zusammenhang spielen auch Zeithorizonte eine wichtige Rolle, etwa für Anpassungsprozesse von Ökosystemen oder die Sicherung der Nahrungsmittelsicherheit, sowie eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, die mit dem Ziel der Nachhaltigkeit vereinbar ist. Dabei geht es um die Frage, wie viel Zeit die verschiedenen Systeme haben, um sich an Klimaveränderungen anzupassen oder darauf vorzubereiten. Diese Aspekte zeigen bereits, dass das neue Risikokonzept im Fünften Sachstandsbericht hier möglicherweise neue Blickwinkel eröffnet.

3 Schlüsselrisiken

Bei der Auswahl und Priorisierung von Risiken, die der Fünfte und Sechste IPCC-Sachstandsbericht als Schüsselrisiken ausweisen, kommen Auswahlkriterien zum Einsatz, die ein breiteres Risikoverständnis untermauern. Als Kriterien wurden unter anderem herangezogen (IPCC 2022, eigene Übersetzung):

  1. a)

    Ausmaß der negativen Konsequenzen: Das Ausmaß umfasst die Verbreitung, den Umfang des betroffenen Systems und das Ausmaß der Folgen. Hinzu kommt eine mögliche Irreversibilität der Folgen sowie das Potenzial für Kipppunkte im System und für kaskadierende Effekte über die Grenze des Systems hinaus.

  2. b)

    Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Risikos und des Zeitpunkts, z. B. die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gefahrenereignis eintritt, auf verwundbare Gruppen trifft und auf diese einwirkt.

  3. c)

    Zeitliche Merkmale des Risikos: Risiken, die früher eintreten oder schneller zunehmen, stellen größere Herausforderungen an die natürlichen und gesellschaftlichen Anpassungsmöglichkeiten. Ein beständiges Risiko (aufgrund der Beständigkeit der Gefahr, der Exposition und der Verwundbarkeit) kann auch eine größere Bedrohung darstellen als ein vorübergehendes Risiko, das z. B. von einem kurzfristigen Anstieg der Verwundbarkeit verursacht wird.

  4. d)

    Begrenzte Möglichkeiten, ein Gefahrenereignis oder einen Trend wie den Temperaturanstieg im Kontext des Klimawandels sowie Charakteristika der Verwundbarkeit zu mindern. Dies sind Risiken, die von Ökosystemen und Gesellschaft nur begrenzt beeinflusst oder umgekehrt werden können.

Insgesamt weisen diese Kriterien auf ein deutlich breiteres Risikoverständnis hin, das über die Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Gefahrenereignisses hinausgeht.

Gleichwohl bleibt es angesichts des Möglichkeitsraums, der sich aus der Kombination veränderter klimatischer und sozioökonomischer Bedingungen ergibt, eine Herausforderung, die Kriterien in ihrer Magnitude und Eintrittswahrscheinlichkeit zu bestimmen bzw. sie im Einzelfall anzuwenden. Risiken und Entwicklungspfade können räumlich und zeitlich sehr differenziert auftreten. Diese Tücken des neuen IPCC-Ansatzes könnten daher vor allem auf der regionalen und lokalen Ebene zum Tragen kommen, wenn es darum geht, über konkrete Anpassungsmaßnahmen und damit das Gewicht von Anpassung als Abwägungsbelang unter hohen Unsicherheiten zu entscheiden (Kap. 30).

3.1 Beispiele für Schlüsselrisiken

Des Weiteren beschreibt der Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC 2022) Schlüsselrisiken vielfach als komplexe Interaktion zwischen vulnerablen Menschen und Lebenssicherungsstrategien einerseits sowie hoher Exposition und hoher potenzieller Gefahreneinwirkung andererseits. Als sogenannte „repräsentative“ Schlüsselrisiken wurden folgende acht Risiken identifiziert:

  1. A)

    Risiken für tiefliegende Küstengebiete: Risiken von Tod, Verletzung und Gesundheitsschädigung sowie Zerstörung oder erheblicher Beeinträchtigung von Lebenssicherungsstrategien der Menschen und Ökosysteme in niedrig liegenden Küstenzonen sowie in Small Island Developing States aufgrund von Stürmen, Küstenüberschwemmungen und Meeresspiegelanstieg sowie der Erwärmung und Versauerung der Meere.

  2. B)

    Risiken für Ökosysteme: Umwandlung von terrestrischen sowie Meeres-und Küstenökosystemen, einschließlich Veränderungen der Struktur und Funktionsweise und Verlust der biologischen Vielfalt.

  3. C)

    Risiken für kritische Infrastrukturen und Netzwerke: Systemische Risiken aufgrund von Extremereignissen, die zum Zusammenbruch der Infrastruktur und der Netzwerke für kritische Güter und Dienstleistungen führen.

  4. D)

    Risiko für den Lebensstandard: Wirtschaftliche Auswirkungen auf allen Ebenen, einschließlich der Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt, auf Armut und Lebensgrundlagen sowie die verschärfenden Auswirkungen auf die sozioökonomische Ungleichheit zwischen und innerhalb von Ländern.

  5. E)

    Risiko für die menschliche Gesundheit: Menschliche Mortalität und Morbidität, einschließlich hitzebedingter Auswirkungen und durch Vektoren und vom Wasser übertragene Krankheiten.

  6. F)

    Risiko für die Ernährungssicherheit: Ernährungsunsicherheit und Zusammenbruch der Nahrungsmittelsysteme aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels auf die Land- und Meeresressourcen.

  7. G)

    Risiko für die Wasserversorgung: Risiko durch wasserbedingte Gefahren (Überschwemmungen und Dürren) und Verschlechterung der Wasserqualität für Industrie, Trinkwasserversorgung und Bewässerung. Schwerpunkt sind Wasserknappheit, wasserbezogene Katastrophen und Risiken für indigene und traditionelle Kulturen und Lebensweisen.

  8. H)

    Risiken für den Frieden und für die menschliche Mobilität: Risiken für den Frieden innerhalb einer Gesellschaft und zwischen Gesellschaften durch bewaffnete Konflikte sowie Risiken für die Mobilität von Menschen mit geringem Einkommen innerhalb von Staatsgrenzen und über Staatsgrenzen hinweg.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Abschätzung von Risiken neben den physischen Veränderungen des Klimas und sogenannten klimawandelbeeinflussten Gefahren auch gerade die Verwundbarkeit von Menschen, Lebenssicherungs- und Produktionssystemen und Infrastrukturen umfasst. Dies spiegelt sich z. B. im repräsentativen Schlüsselrisiko G wider, in dem es nicht allein um die Frage der Verfügbarkeit von Trinkwasser oder Wasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft im Kontext des Klimawandels geht, sondern um Fragen des unzureichenden Zugangs, der eben auch durch gesellschaftliche Faktoren und Aushandlungsprozesse determiniert ist.

Zudem weist auch das Beispiel der „systemischen Risiken“ (Schlüsselrisiko C) darauf hin, dass indirekte Wirkungskaskaden im Kontext des Klimawandels erhebliche Risiken implizieren können und die enorme Abhängigkeit von Gesellschaften in Industrieländern von den Leistungen kritischer Infrastrukturen für Grunddaseinsfunktionen des Lebens diese Risiken noch verschärfen kann (s. auch Kap. 23). Da Kaskadeneffekte auch außerhalb gefahrenexponierter Gebiete auftreten und dort andere Infrastruktursektoren betreffen können, von deren Ausfall weitere indirekte Wirkungen ausgehen, stößt das Risikokonzept hier an seine Grenzen, da dieses eigentlich das räumlich-zeitliche Aufeinandertreffen von Gefährdung, Exposition und Verwundbarkeit voraussetzt. Risikoanalysen sollten daher um die Analyse systemischer Kritikalität ergänzt werden (Kruse et al. 2021; Greiving et al. 2021).

Anhand des Beispiels und der konkreten Berücksichtigung von Fragen der Gefahr, der Exposition und Verwundbarkeit im Rahmen des Risikoansatzes im planerischen Hochwasserschutz auf Bundesebene wird deutlich, dass die Anwendung des erweiterten Risikoansatzes auf internationaler Ebene auch für konkrete Politik- und Planungsansätze auf der nationalstaatlichen Ebene und für ausgewählte Handlungsfelder, wie den vorbeugenden Hochwasserschutz, konkretisiert und nutzbar gemacht werden kann. Dies erfordert eine systemweite Perspektive und begründet u. a. die bundes- bzw. europaweite Ausrichtung des sog. Bundesraumordnungsplan Hochwasserschutz gemäß § 17 Abs. 2 RaumordnungsgesetzFootnote 2. Der bundesweite Plan (BMI 2021)

  • harmonisiert raumplanerische Standards bundesweit für bessere länderübergreifende Steuerung und Koordinierung beim Hochwasserschutz,

  • legt vor allem aber erstmals in Deutschland einen risikobasierten Ansatz zugrunde (planerische Berücksichtigung der unterschiedlichen Gefährdungsintensität, Exposition und Verwundbarkeit der verschiedenen Raumnutzungen)

  • und fokussiert auf den Schutz besonders kritischer und gefährdungsanfälliger Infrastrukturen von nationaler/europäischer Bedeutung und führt daher den Gedanken der spezifischen Schutzwürdigkeit in das deutsche Planungssystem ein.

Die internationale Diskussion um Schlüsselrisiken verdeutlicht, dass es sich beim Thema Verwundbarkeit nicht nur um eindimensionale ökonomische Schadenspotenziale, sondern um multidimensionale Verwundbarkeiten handelt, die neben Fragen der Armut oder des Alters von Menschen auch Fragen fehlerhafter und unzureichender Governance-Strukturen umfassen (Abb. 25.3). Folglich ist auch die sogenannte institutionelle Dimension von Verwundbarkeit zu ermitteln (vgl. IPCC 2014a).

Abb. 25.3
figure 3

Eine Auswahl der Gefahren, Schlüsselvulnerabilitäten und -risiken, die im Bericht der Arbeitsgruppe II des IPCC für den Fünften Sachstandsbericht identifiziert wurden. Die Beispiele verdeutlichen die Komplexität der Risiken, die durch die interagierenden klimatischen Gefahren, Expositionen und vielfältige Verwundbarkeiten hervorgerufen werden. Risiken entstehen, wenn erhöhtes Gefahrenpotenzial mit sozialen, institutionellen, ökonomischen und umweltbezogenen Vulnerabilitäten zusammenkommt und auch die Exposition hoch ist, wie durch die Symbole dargestellt. (IPCC 2014c, eigene Übersetzung)

4 Bandbreiten und Unsicherheiten

Unsicherheiten sowie mögliche Bandbreiten potenzieller Entwicklungen, die mit der Modellierung von Prozessen im Erdsystem und auch mit der Frage zukünftiger Expositionsmuster und Verwundbarkeiten von Gesellschaften oder Ökosystemen verknüpft sind, stellen eine signifikante Herausforderung für Planungs- und Entscheidungsprozesse dar. Neben normativen Aspekten, die bei der Bewertung von Anpassungsstrategien auftreten, ist auch die Planung und Umsetzung ausgewählter Anpassungs- und Transformationspfade Teil einer öffentlichen Entscheidungsbildung, die nicht allein auf Expertenwissen zurückgreifen kann (Kap. 39).

Entscheidungstheoretische Perspektive

Die deskriptive Entscheidungstheorie differenziert bei Entscheidungssituationen wie folgt entlang des Grades der Sicherheit bzw. Unsicherheit über gegenwärtige und künftige Umweltzustände (Laux 2007):

  • Entscheidungen unter Sicherheit: Die eintretende Situation bzw. Rechtsfolge für eine bestimmte Handlung ist bekannt (deterministisches Entscheidungsmodell, z. B. Grundlage der Straßenverkehrsordnung).

  • Entscheidungen unter Risiko: Wahrscheinlichkeit für möglicherweise eintretende Umweltsituationen und deren Folgen ist bekannt (klassischer Hochwasserschutz).

  • Entscheidungen unter Ungewissheit: Möglicherweise eintretende Umweltsituationen sind bekannt, allerdings nicht deren Eintrittswahrscheinlichkeiten und genauen Konsequenzen (Klimawandel). Diese Entscheidungssituation wird teilweise auch als „Entscheidungen unter Unsicherheit“ (Kap. 29) bezeichnet.

  • Wahre Unbestimmtheit: Keine Grundlage zur Beschreibung von Entwicklungsmöglichkeiten (z. B. bei den möglichen Folgen gänzlich neuer Technologien).

Risikokalkulationen beziehen sich in aller Regel auf die Gegenwart, während sich Aussagen zum Klimawandel auf Zeitabschnitte in der teilweise recht fernen Zukunft beziehen. In der probabilistischen Risikokalkulation wird eine Frequenz-Magnitude-Funktion oftmals aus Zeitreihen abgeleitet, die vielfach auf statischen Auswertungen von Beobachtungen aus der Vergangenheit oder Modellsimulationen beruhen. In dieser Hinsicht können Ansätze des Managements von Folgen des heutigen Klimas – oder gegenwärtiger Wetterereignisse – nach Laux (2007) als „Entscheidungen unter Risiko“ bezeichnet werden.

Unsicherheit aufgrund unvollständigen Wissens kann über die Untersuchung der Systeme reduziert werden. Dabei kann die natürliche Variabilität der Umwelt nicht reduziert, aber in der Risikoabschätzung quantifiziert werden (Wahrscheinlichkeit und Konsequenz). Beim Klimawandel sind die Prozesszusammenhänge zwar überwiegend bekannt, die Wahrscheinlichkeit und Folgen aber nicht sicher bestimmbar. Dies geht neben den Quellen der Unsicherheiten, die einer computergestützten Modellierung inhärent sind, auch auf die Ungewissheit über die sozioökonomischen Entwicklungen bzw. den Input der Klimamodelle zurück und lässt sich prinzipiell nicht immer weiter auflösen.

Entscheidungen unter Risiko (Kap. 29) sind in das Konzept der planerischen Entscheidung einzuordnen (Greiving 2002, S. 74; Faßbender 2012, S. 86). Dabei besitzen die Fachleuchte für Planung und die Entscheidungspersonen einen Spielraum bei der Auswahl einer Analysemethode und Bewertung der Ergebnisse für formelle Verfahren (Kap. 30). Das Gewicht des Belanges ergibt sich bei Risikoanalysen, d. h. bei Entscheidungen unter Unsicherheit, aus der Kombination von Eintrittswahrscheinlichkeit und Konsequenz bestimmter Ereignisse. In der Begründung für oder gegen eine bestimmte Anpassungsmaßnahme ist dann transparent darzulegen, welche fachlichen Daten und Prognosen herangezogen wurden und welche methodische Herangehensweise verwendet wird. Der Konsistenz der methodischen Herangehensweise kommt große Bedeutung für die Rechtssicherheit solcher Planungen zu. Dies gilt auch für Klimafolgenanalysen.

Demgegenüber bietet sich im Kontext des Umgangs mit Ungewissheiten bzw. des Umgangs mit zukünftigen Folgen des Klimawandels in der Praxis der Rückgriff auf das Vorsorgeprinzip an, das zum Tragen kommt, wenn ein Schutzgut Schaden nehmen kann („Besorgnispotenzial“). Für die Beurteilung eines Besorgnispotenzials ist auch die Sensitivität bzw. Verwundbarkeit zu betrachten, weil sich erst aus der Verschneidung von Klimasignal und Sensitivität bzw. Verwundbarkeit beurteilen lässt, ob eine erhebliche Betroffenheit vorliegt. Hierbei wird oftmals auf Wahrscheinlichkeitsangaben verzichtet und stattdessen ein plausibler worst case als Abwägungsgrundlage herangezogen. Das Dilemma ist aber auch hier die Bestimmbarkeit der Betroffenheit, weil die Begründung von Maßnahmen über das Vorsorgeprinzip auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit ist.

Eine wesentliche Schlussfolgerung besteht daher darin, dass Ungewissheit im Klimawandel prinzipiell zwar reduzierbar ist, beispielsweise über eine breitere Verfügbarmachtung von Wissen (Young 2002, 2010) und die Weiterentwicklung von Methoden, auch zur Klimaprojektionen, dass alle diese Ansätze jedoch auch die Komplexität vergrößern und dadurch Entscheidungen und Bewertungen tendenziell erschweren.

Gerade weil sich diese Ungewissheiten nicht vollständig beseitigen lassen, müssen Entscheidungsträgerinnen und -träger lernen, mit Ungewissheit in Planungs- und Entscheidungsprozessen umzugehen. Daher ist es wichtig, durch die Wissenschaft auch zu vermitteln, dass bei Verwendung des Risikokonzepts im Kontext der Klimafolgenbewertung und Anpassungsdiskussion keine Entscheidungen vorweggenommen werden, sondern hier ebenfalls weitere Abwägungen und Bewertungen im Rahmen der sog. „Einschätzungsprärogative“ des Plangebers erforderlich sind, die allerdings auf wissenschaftlich fundierten Informationen und Befunden aufbauen müssen (Greiving et al. 2018b).

5 Kurz gesagt

In dem Risikoansatz des Weltklimarats wird zwischen den zentralen Komponenten unterschieden, die Risiken im Kontext des Klimawandels ausmachen. Das Risikokonzept wird vom Vulnerabilitätskonzept unterschieden. Es rücken die Begriffe Gefahren, Exposition und Verwundbarkeit in den Fokus. Dieses Verständnis baut darauf auf, dass Menschen, Ökosysteme oder Infrastrukturen und Städte unterschiedlich verwundbar gegenüber dem Klimawandel sind. Die Höhe von Klimaschäden hängt dementsprechend nicht nur von der Stärke des Klimasignals, sondern auch von sozioökonomischen Entwicklungspfaden ab. So sollten auch Chancen und Risiken für Anpassungsprozesse von zwei Seiten her gedacht werden: aus der Perspektive des Klimawandels und aus der Perspektive der gesellschaftlichen Entwicklung. Allerdings wird Anpassung mit der Zunahme des Klimawandels deutlich schwieriger, und nur in einer bestimmten Bandbreite von Klima- und Umweltveränderungen sind Anpassungsstrategien möglich. Darüber hinaus bietet die neue umfassendere Konzeptualisierung von Risiken im Kontext des Klimawandels über die Gefahren, Exposition und Verwundbarkeit auch die Möglichkeit der stärkeren Verknüpfung des Risikodiskurses mit dem Anpassungsdiskurs. So lassen sich Anpassungsmaßnahme u. a. anhand der Wirkungen auf die drei zentralen Risikodeterminanten systematisieren. Unbeschadet dessen sind aber auch mit den neuen Konzeptionen und Ansätzen unterschiedliche Dimensionen der Unsicherheit verbunden. Neben Unsicherheiten im Kontext von physischen Umweltveränderungen sind auch Unsicherheiten mit sozialen Entwicklungen und möglichen Zukunftsszenarien verbunden und so muss die Gesellschaft mit Ungewissheit in Planungs- und Entscheidungsprozessen umgehen. Dabei sind Konzepte adaptiver Planung und Anpassung sowie der Resilienzbildung diskutierte und erfolgsversprechende Ansatzpunkte.