Tourismus meint einerseits ein Verhalten, also die Tätigkeit des Verreisens, andererseits das Angebot, das diese Tätigkeit möglich oder attraktiv macht. Aus beiden Perspektiven, Nachfrage und Angebot, ist Tourismus für Deutschland von großer Bedeutung: Die Reisetätigkeit der Deutschen ist im internationalen Vergleich bemerkenswert groß, und Regionen und Orte in Deutschland sind für viele ein touristisches Ziel. Zum Angebotsaspekt gehören nicht nur die Destinationen inklusive der vielfältigen Angebote und Anbietergruppen vor Ort, sondern auch die Bereiche Verkehr, Reiseveranstaltung und Reisevermittlung.

Für den Tourismus haben Klima und Wetter eine große Relevanz als Angebotsfaktor wie auch als Treiber des Verhaltens der Reisenden (Matzarakis 2006; Scott et al. 2012; Lohmann und Hübner 2013; Pröbstl-Haider et al. 2020; Bausch et al. 2021). Klimatische Faktoren sind demnach sowohl Bestandteil des touristischen Produkts als auch limitierende Faktoren des Tourismus und Steuergrößen für die touristische Nachfrage. Sie sind außerdem in vielen Fällen ursächlich für die positive gesundheitliche Wirkung von Urlaubs- und Kuraufenthalten (Hoefert 1993; DHV 2011). Insofern liegt es auf der Hand, dass dieser Sektor vom Klimawandel betroffen sein wird. Der Tourismus ist aber auch ein Faktor, der seinerseits einen erheblichen Einfluss auf das Klima und den Klimawandel hat (Gössling et al. 2017).

Tourismus hat in Deutschland eine große soziale und wirtschaftliche Bedeutung. Aktuelle Forschungsprojekte untersuchen die Wechselbeziehungen von Tourismus und Klimawandel sowie die zu erwartenden Folgen des Klimawandels für den Tourismus (Bausch et al. 2021). Die Folgen für die touristische Nachfrage insgesamt sind angesichts der vielen Möglichkeiten, die die Touristen haben (Multioptionalität) (Lohmann et al. 2020), und wegen des sich daraus ergebenden großen Spielraums für mögliche Anpassungen (beispielsweise in der Wahl der Destination oder des Reisezeitpunkts) nicht einfach zu beschreiben.

1 Tourismus in Deutschland – Überblick und Bedeutung

Die touristische Nachfrage der Deutschen bei Reisen mit Übernachtungen besteht aus verschiedenen Segmenten (Tab. 22.1), die sich aus dem Anlass der Reise (Urlaubs-, Geschäfts- oder sonstige Reisen), der Reisedauer (Kurzreisen mit 2–4 Tagen Dauer, Reisen mit 5-tägiger oder längerer Dauer) oder dem Reiseziel (Inland oder Ausland) ergeben.

Tab. 22.1 Touristische Nachfrage. Volumendaten

Hinzu kommen als Nachfragende Gäste aus dem Ausland, die Reisen nach Deutschland unternehmen. Im Jahr 2019 gab es rund 90 Mio. Übernachtungen von Ausländern in gewerblichen Unterkünften in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2020).

Die touristische Nachfrage ist für Deutschland schon rein quantitativ sehr groß und damit in mancher Hinsicht bedeutsam, u. a. unter gesellschaftlicher, ökologischer und wirtschaftlicher Perspektive. Das Segment der Urlaubsreisen hat dabei insgesamt die größte Bedeutung. Anders als bei beruflichen und sonstigen Reisen spielen bei Urlaubsreisen Klima- und Wetteraspekte eine sehr wichtige Rolle. Wir beschränken uns hier deswegen auf diesen Sektor des Tourismus. Voraussetzung für eine Nachfrage nach Urlaubsreisen ist, dass Menschen reisen können, also z. B. Zeit und Geld dafür übrig haben, und dass sie reisen wollen (Lohmann 2009; Lohmann und Beer 2013). Auch diese Basisvoraussetzungen können ggf. durch Klimawandelfolgen beeinflusst werden.

In den durch die Coronapandemie geprägten Jahren 2020 und 2021 war der Umfang des Tourismus deutlich geringer. Allerdings ist ein Wiederanwachsen der Nachfrage auf das bisherige Niveau in der ersten Hälfte der 20er-Jahre zu erwarten (Lohmann et al. 2020). Für die Reisenden steht der persönliche Nutzen im Vordergrund, also z. B. Erholung, Gesundheit, Lernen, neue Erfahrungen oder Stärkung sozialer Beziehungen (Lohmann 2017). Tourismus hat seine bedeutende Stellung in der Gesellschaft, weil man den Urlaubsreisen positive Effekte auf Individuum und Gesellschaft unterstellt. Aus der Bilanz der persönlichen Effekte ergibt sich der gesellschaftliche Nutzen des Tourismus (Lohmann 2019). Diese Funktionen, die die soziale und psychische Bedeutung des Tourismus betonen, sind auch unter Klimawandelaspekten relevant.

Der Nachfrage steht das touristische Angebot gegenüber. In erster Linie sind das die Reiseziele oder Destinationen, also geografisch vom Heimatort des Reisenden getrennte Räume. Dazu gehören: landschaftliche Gegebenheiten wie Wälder, Strand oder Berge, kulturelle Gegebenheiten wie historische Bauten, die oft die Attraktivität eines Ziels bestimmen und Grundlage für Aktivitäten sind, und spezifische touristische Einrichtungen, die dem Gast den Aufenthalt möglich oder angenehm machen, z. B. Hotels, Restaurants, Skilifte, Boots- oder Strandkorbvermietungen. Auch die Bereiche Transport, Reiseveranstaltung und Reisevermittlung zählen zum touristischen Angebot in Deutschland. Alle diese Angebote werden von Deutschen und Ausländern genutzt. Die vielfältige Tourismusbranche hat eine wichtige Rolle als Arbeitgeber. Vor allem in ländlichen, strukturschwachen Gebieten gibt es oft nur wenige Alternativen zu Arbeitsplätzen im Tourismus (Merlin 2017). Die Politik im weitesten Sinn begleitet den Tourismus und versucht, ihn zu lenken. Tourismus ist sowohl angebots- als auch nachfrageseitig recht heterogen. Akteure, Determinanten und Strukturen sind vielfältig und in einem globalen Zusammenhang zu sehen. Bezüge zum Klimawandel lassen sich dabei an sehr vielen Stellen finden (Matzarakis 2010). Tatsächlich wird der Klimawandel zu den ganz großen Herausforderungen des globalen Tourismus gerechnet: Einerseits müssen den Klimawandel befördernde Effekte reduziert werden, andererseits sind Anpassungsleistungen zu erbringen (von Bergner und Lohmann 2014).

2 Klimarelevanz des Tourismus – Tourismusrelevanz des Klimas

Im Prozess des Klimawandels ist Tourismus sowohl Betroffener als auch Treiber (Arent et al. 2014; Kovats et al. 2014). Die Treiberrolle ergibt sich vor allem aus den mit der Reisetätigkeit verbundenen Treibhausgasemissionen, die für die Klimaänderungen (mit-)verantwortlich gemacht werden: Der Tourismus hat rund 8 % der globalen CO2-Emissionen bzw. 5 % aller CO2-Äquivalentemissionen zu verantworten (Lenzen et al. 2018). Der Löwenanteil von 50 % dieser tourismusbedingten Treibhausgasemissionen entfällt auf den Transport, darunter 16 % auf den Flugverkehr. Die andere Hälfte verteilt sich u. a. auf Essen und Trinken (18 %), Serviceleistungen (8 %) und Beherbergung (6 %) (Pröbstl-Haider et al. 2020, S. 199).

Eine naheliegende Lösung wäre, zur Reduzierung der Emissionen auf touristische Aktivitäten ganz zu verzichten oder den Transportanteil im Tourismus drastisch zu verringern. Eine solche Strategie erscheint für Deutschland zumindest kurz- und mittelfristig wenig wahrscheinlich. Die Vorteile touristischer Aktivität für Anbietende und Reisende sind so vielfältig, dass sie die wahrgenommenen Risiken des Klimawandels übertreffen. So konzentrieren sich die Bemühungen eher auf Anpassungsstrategien (Umweltbundesamt 2020a) und auf eine umweltfreundlichere Gestaltung der touristischen Angebote (Umweltbundesamt 2020b).

Klima und Wetter sind zentrale Faktoren des touristischen Angebots, vor allem in den Destinationen des Urlaubstourismus. Sie sind gleichzeitig Triebfeder der touristischen Nachfrage (Matzarakis 2006; Denstadli et al. 2011). Ob eine beliebige Region zur touristischen Destination werden kann, ergibt sich aus ihrer potenziellen Anziehungskraft wie etwa der landschaftlichen Schönheit oder Sehenswürdigkeiten, der touristischen Ausstattung mit beispielsweise Hotels und ihrer Erreichbarkeit (Lohmann und Beer 2013). Angenehmes Klima und verlässlich gutes Wetter gehören zu den Erfolgsfaktoren vieler Ferienregionen. Die naturräumlichen Gegebenheiten sind Hauptbestandanteil der Attraktivität. Klima und Wetter können außerdem die Erreichbarkeit einer Destination beeinflussen und schließlich eine bestimmte Ausstattung zweckmäßig oder nötig machen, um die Vorteile des Wetters auszunutzen oder die Nachteile zu minimieren.

Nachfrageseitig spielen bei der Reiseentscheidung Wetter- und Klimaimages eine wichtige Rolle, also die Vorstellungen, die der potenzielle Reisende vom Wetter in den möglichen Reisezielen zu verschiedenen Jahreszeiten hat (Lohmann und Hübner 2013). Sie werden in Bezug gesetzt zu Urlaubsmotiven, persönlichen Wetterpräferenzen (Lohmann 2003) oder geplanten Aktivitäten. So beeinflussen Klimaparameter die Wahl des Reiseziels und des Reisezeitpunkts, aber auch weitere Teilentscheidungen wie etwa die Entscheidung für eine bestimmte Unterkunftsform (Matzarakis 2006, 2010). Am Reiseziel ist das Wetter eine wichtige Rahmenbedingung, die die Wahl der Aktivitäten beeinflusst, aber auch die Reisezufriedenheit und die Wiederkehrbereitschaft (Scott et al. 2009).

3 Touristisch relevante Klimawandelfolgen

Grundsätzlich sind touristische Nachfrage und touristisches Angebot auch in Bezug auf die Klimawandelfolgen getrennt zu betrachten. Dabei ist die räumliche Struktur und zeitliche Dynamik des zukünftigen Klimawandels zu berücksichtigen.

Räumlich sind für den Tourismus der Klimawandel und dessen Folgen nicht nur in Deutschland relevant, sondern in der ganzen Welt. Zeitlich sind die erwarteten Veränderungen in Klimaparametern in mittelfristiger Zukunft (2031 bis 2060) zumindest innerhalb Deutschlands noch moderat, in fernerer Zukunft (2071 bis 2100) oft drastisch (Pröbstl-Haider et al. 2020, 19 ff.).

Lohmann und Kierchhoff (1999) identifizieren die Schnittstellen, an denen der Klimawandel auf das System Tourismus wirken kann (Abb. 22.1; Gössling et al. 2012). Der Tourismus ist demnach betroffen von direkten Wetteränderungen (z. B. Hitze, Schnee), aber auch von deren Auswirkungen auf Natur und Landschaft in den Reisedestinationen und am Wohnort der potenziellen Touristen. Hinzu kommen die Wirkungen des Klimawandels auf Gesellschaft und Wirtschaft („soziales Konstrukt Klima“, vgl. Stehr und von Storch 1995; Lohmann und Kierchhoff 1999; Lohmann 2001; Matzarakis 2010). Schließlich wirken auf den Tourismus in einer bestimmten Destination X auch die sich aus dem Klimawandel ergebenden Änderungen in anderen Destinationen, die zu einer Positionsverschiebung hinsichtlich verschiedener Parameter (z. B. Eignung für Ferien im Sommer) führen können.

Abb. 22.1
figure 1

(Verändert nach Lohmann und Kierchhoff 1999)

Schnittstellen zwischen Klimawandel und Tourismus in einer Destination.

Effekte des Klimawandels bei der touristischen Nachfrage werden oft nur als Folge der Veränderungen in den Destinationen gesehen. Sie sind aber vielfältiger. Sie umfassen zunächst mögliche Änderungen in den Voraussetzungen (Lohmann und Beer 2013) der Teilnahme am Tourismus (u. a. finanzielle Ressourcen, Zeit, Gesundheit, Reisefreiheit), dabei aber auch die Motivation zum Reisen (z. B. durch Klimabedingungen am Wohnort). Ferner sind Änderungen im Reiseverhalten in zeitlicher und räumlicher Hinsicht möglich, auch eine Anpassung in den Urlaubsaktivitäten an neue Möglichkeiten. Schließlich gehört dazu auch der Versuch, angesichts des Klimawandels klimaschonend zu reisen.

Analysen zum bisherigen Nachfrageverhalten haben bislang keine belastbare Beziehung zwischen Klimawandel und Destinationswahl gefunden. Im Projekt „Klimafolgen für den Tourismus“ (Bausch et. al. 2021) wurde erstmals systematisch die Entwicklung der Übernachtungszahlen in deutschen Reisegebieten über einen längeren Zeitraum (2006–2017) den Veränderungen klimatischer Parameter gegenübergestellt. Ein statistisch auffälliger Zusammenhang wurde dabei nicht gefunden.

Die Untersuchung von Schmücker et al. (2019) zu Aspekten der Nachhaltigkeit im touristischen Konsumentenverhalten in Deutschland kommt zu dem Schluss, dass sich deutsche Urlaubsreisende wenig nachhaltig verhalten. Die Einstellung der Bevölkerung gegenüber Nachhaltigkeit bei Urlaubsreisen ist demgegenüber deutlich positiver, bei leicht steigender Tendenz in den vergangenen Jahren. Es zeigt sich eine recht große Lücke zwischen Einstellung und Verhalten. Aktuell wäre es schon ein „Gewinn“ für das Klima, wenn das jährliche Wachstum bei besonders klimaschädlichen touristischen Verhaltensweisen beendet würde.

4 Klimawandel und touristisches Angebot

Im Hinblick auf mögliche Folgen der Klimaänderungen für den Tourismus steht das touristische Angebot in den Destinationen im Vordergrund. Zum einen kann der Klimawandel das Tourismusangebot direkt über das Wetter verändern. Zum anderen beeinflusst er indirekt das Angebot über die Infrastruktur des Tourismus, etwa wenn Stürme Gebäude zerstören, Land verloren geht oder die Wattfläche abnimmt. Außerdem können sozioökonomische Klimafolgen das Angebot verändern, z. B. wenn die Anbietenden auf Klimawandelphänomene mit vermehrten Indoorangeboten für schlechte Witterung reagieren. All dies kann sich wiederum auf die Nachfrage auswirken.

Eine Vorausschau zu den in deutschen Reisegebieten zu erwartenden Veränderungen von Wetter- und Klimaparametern über die Zeit liefert das Onlineinformationsportal „Klimawandel und Tourismus“ des UmweltbundesamtesFootnote 1. Die regionalen Unterschiede hinsichtlich der touristischen Relevanz einzelner Parameter und deren Ausprägung sind schon national erheblich, erst recht gilt das im globalen Maßstab. Klimatische Bedingungen und deren Wandel beeinflussen also das touristische Angebot. Dies beginnt bei einzelnen Extremereignissen wie Überschwemmungen oder Hitzewellen, kann aber auch so weit gehen, dass die Folgen der klimatischen Änderungen einzelne Tourismusarten in bestimmten Gegenden in Zukunft unmöglich machen, z. B. den Skitourismus in niedrig gelegenen Gebieten, oder Destinationen komplett auslöschen wie etwa Inselstaaten im Pazifik (Scott et al. 2009; Matzarakis 2010). Somit wandelt sich das touristische Angebot in den Destinationen, und es ergeben sich neue Konstellationen in den grundlegenden Aspekten Attraktivität, Ausstattung und Erreichbarkeit.

5 Konkrete Beispiele für Deutschland

5.1 Küsten

Die Küsten zählen zu den bevorzugten Reisezielen in Deutschland. Urlauber und Tagesausflügler besuchen Nord- und Ostsee, weil sie dort ein für sie attraktives Angebot finden. Zu den Attraktivitätsfaktoren gehören u. a. Meer, Strand, Landschaft sowie Klima und Wetter. Diese werden durch den Klimawandel in unterschiedlichem Maße verändert (Umweltbundesamt 2020c). Modellierungen von verschiedenen klimatischen Größen geben Einblicke in mögliche klimatische Entwicklungen, z. B. im Nordseegebiet. Diese umfassen auch spezielle Küstenthemen, etwa die Sturmtätigkeit, den Anstieg des Meeresspiegels sowie die Veränderungen der Tidedynamik und des Seegangs (Kap. 9). Die lokale Klimaentwicklung, etwa im Gebiet der Nordsee, ist vor allem von Änderungen in der großräumigen atmosphärischen Zirkulation im europäischen sowie atlantischen Raum abhängig. Ausschlaggebend hierfür ist im Nordseeraum vor allem die nordatlantische Oszillation (NAO), die für das Hervorrufen von Klimaanomalien in der nördlichen Hemisphäre bekannt ist (Weisse und Rosenthal 2003). Für die Ostseeküste hat das Norddeutsche Klimabüro regionale Klimaszenarien in der Praxis zusammengefasst (2011). Für den Tourismus in den deutschen Küstenregionen werden aufgrund steigender Wasser- und Lufttemperaturen sowie geringerer Niederschläge in mittelfristiger Perspektive eher Vor- als Nachteile erwartet (Schmücker 2014). Für den Strand- und Badetourismus an den Küsten und an Badeseen sowie für Aktivitäten wie Wandern und Radfahren ergeben sich Möglichkeiten zur Saisonverlängerung (Bausch et al. 2021; Matzarakis und Tinz 2014). Gründe dafür sind der Anstieg der Lufttemperatur, die Zunahme der Tage mit thermischer Behaglichkeit, die Abnahme der Kältebelastung und schließlich auch der Anstieg der Wassertemperatur.

Unter solchen Bedingungen steigt wahrscheinlich die touristische Nachfrage. Das ist verständlich, da sich dann eine Wettersituation ergibt, die dem optimalen Urlaubswetter näherkommt als das jetzige Küstenwetter (Lohmann 2003). So ist zu erwarten, dass sich die Nachfrage nicht nur im Umfang, sondern auch in ihrer Struktur (d. h. es kommen möglicherweise neue Zielgruppen, etwa bisherige Mittelmeerurlauber) ändern wird (Lohmann und Kierchhoff 1999; Heinrichs und Bartels 2011; Matzarakis und Tinz 2014).

Andererseits sind auch für den Tourismus abträgliche Folgen zu erwarten, wie etwa Vermehrung von Bakterien in wärmerem Wasser oder Veränderungen der Küstenlinie mit Strandverlusten und Strandverunreinigungen infolge von Stürmen (Umweltbundesamt 2020a). Zunehmende Extremwetterereignisse können es auch den Anbietenden erschweren, das touristische Angebot aufrechtzuerhalten. Kostensteigerungen und Attraktivitätsverluste könnten als Folge auftreten.

5.2 Mittel- und Hochgebirgsregionen

Unter Klimawandelbedingungen werden sich auch in den Gebirgen Wetter, Natur und Landschaft weiter verändern. Dies kann sich auf den Sommer- wie auf den Wintertourismus auswirken. Im Schwarzwald etwa wird die Sommersaison künftig deutlich eher beginnen und sich bis weit in den Herbst erstrecken. Die Zunahme der Lufttemperatur ist in dieser Region etwas stärker ausgeprägt als in den Küstenregionen. Grundsätzlich ist im Mittel- wie im Hochgebirge mit einer Verlängerung der Sommersaison zu rechnen (Bausch et al. 2021; Matzarakis und Tinz 2014). Andererseits birgt auch in Gebirgsregionen der Klimawandel Gefahren: Im Hochgebirge ist z. B. durch die vertikale Verschiebung von Gletscher- und Permafrostzonen mit vermehrtem Steinfall (Kap. 12) und einer Destabilisierung der Wegenetze für Wander- und Bergtourismus sowie von technischer Infrastruktur wie Liftanlagen und entsprechenden Sicherheitsrisiken für Besucher zu rechnen (Agrawala 2007; Mourey und Ravanel 2017). Zudem wird die Vorhersage für Schönwetterperioden schwieriger und für einige Routen haben sich bereits die Angebotszeiträume auf den Herbst, das Frühjahr oder sogar den Winter verschoben. Hier wird künftig zunehmend Flexibilität der Touranbietenden, aber auch der Nachfragenden notwendig werden (Mourey et al. 2020). Wintersport wird wegen Schneemangels in niedrigen und mittleren Lagen nur sehr selten möglich sein. Nicht nur für die Mittelgebirge, sondern selbst für den bayerischen Alpenraum sind die langfristigen Aussichten für den Skitourismus eher düster (Schmücker et al. 2019).

Die resultierenden wirtschaftlichen Einbußen können vom Sommertourismus nicht kompensiert werden (Müller und Weber 2007). Aufgrund der inzwischen praktisch flächendeckenden künstlichen Beschneiung in alpinen Skiressorts ist für diese mittlerweile weniger der Grad der natürlichen als vielmehr der technischen Schneesicherheit entscheidend, also die Frage der Beschneibarkeit. Wie die natürliche Schneesicherheit wird auch die Beschneibarkeit von klimatischen Umgebungsparametern wie Lufttemperatur und Luftfeuchte bestimmt (Schmidt et al. 2012). Die Beschneiung hat ihrerseits aber wieder Umwelt- und Klimawirkungen, die durchaus kritisch gesehen werden können.

Kurzfristige klimatologische Extremereignisse wie Stürme, Starkniederschläge, sommerliche Hitzewellen und winterliche Warmperioden lassen für den Tourismus in den Alpen große Probleme erwarten. Die große ökonomische Abhängigkeit des alpinen Tourismussektors von lokalen Klimaparametern macht diesen infolge des Klimawandels zum Hotspot gesellschaftlicher Herausforderungen (Becken und Hay 2007; Pröbstl-Haider et al. 2020).

5.3 Anpassungsstrategien

Allgemein gilt, dass das Ausmaß der Klimarisiken in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ganz wesentlich durch den Menschen beeinflussbar erscheint (Olefs et al. 2020). Kurzfristig sind deswegen weniger jene Maßnahmen dringend, die den Tourismus für den Klimawandel fit machen (Anpassung), als solche, die zur Reduzierung des langfristigen Klimawandels beitragen (Mitigation).

Insgesamt zeichnen sich für die nächsten drei Jahrzehnte weder für die deutschen Küstenregionen noch für die Mittelgebirge Auswirkungen des Klimawandels ab, die Tourismus unmöglich machen würden. Entsprechend stehen bei den touristischen Anbietenden Strategien sowohl in Richtung Klimaschutz als auch Anpassung im Vordergrund, ein Rückzug aus dem Tourismus wird kaum thematisiert. Unter dem Schlagwort des „nachhaltigen Tourismus“ wird ergänzend versucht, den Tourismus in den Destinationen ressourcenschonend und klimaverträglich zu gestalten und die Touristen zur Wahl entsprechender Verhaltensoptionen zu bringen.

Spezifische Ansätze zur regionalen Anpassungen an den Klimawandel wurden z. B. im Rahmen des KUNTIKUM-Projekts entwickelt (Bartels et al. 2009). Hierbei wurde für verwundbare Regionen – die Nordsee als Küstenregion und den Schwarzwald als Mittelgebirgsregion – ein „Tourismus-Klimafahrplan“ für Tourismusdestinationen erarbeitet. Für den Wintertourismus haben Bausch et al. (2016) exemplarisch Anpassungsstrategien abgeleitet und skizziert. Im Jahr 2021 startete das Wirtschaftsministerium Niedersachsen vor dem Hintergrund des Klimawandels eine umfassende Verwundbarkeitsanalyse für den TourismusFootnote 2, ebenfalls mit dem Ziel einer angemessenen Anpassung. Bei der Reaktion auf den Klimawandel wie auch beim Ziel der Nachhaltigkeit im Tourismus insgesamt geht es nicht allein um die Umsetzung einzelner Maßnahmen, sondern um das engagierte Betreiben eines längerfristigen Prozesses, für den es eine verantwortliche Koordination geben muss. Destinationsmanagementorganisationen können hier eine Schlüsselrolle spielen (Umweltbundesamt 2020a; Bausch et al. 2021).

6 Kurz gesagt

Der Klimawandel und seine direkten und indirekten Folgen können die zukünftige Entwicklung von Angebot und Nachfrage im Tourismus langfristig erheblich beeinflussen. Dabei ist der Klimawandel aber nur einer von vielen Faktoren, die auf die Zukunft des Tourismus wirken. Touristisch relevante klimatische Veränderungen werden in den sensiblen Regionen wie Küsten und Gebirgen bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts zwar deutlich wahrnehmbar, im Rahmen der mittleren Verhältnisse aber nicht sehr stark sein. Allerdings werden in diesen Regionen vermehrt klimatische Extremereignisse auftreten. Zum Ende des 21. Jahrhunderts werden die touristisch relevanten klimatischen Veränderungen jedoch drastischer sein. Ein erheblicher Einfluss auf den Tourismus resultiert auch aus dem sozialen Konstrukt Klima, also aus der Wahrnehmung und Bewertung des Klimawandels in Gesellschaft und Wirtschaft als Bedrohung oder auch als Chance und die sich daraus ergebenden Reaktionen. Vor diesem Hintergrund sind auch die Bemühungen zu sehen, den ökologischen Fußabdruck des Reisens zu verringern, etwa im Bereich des Transports.

Die möglichen Effekte des Klimawandels auf die touristische Nachfrage sind langfristig groß. Sie werden vor allem die Zielgebietsentscheidungen und den Reisezeitpunkt betreffen. In den Jahren bis 2030 sind aber eher schleichende Veränderungen ohne prägnante Effekte zu erwarten. Mittel- und langfristig begünstigen Klimawandelfolgen bei den Reisedestinationen in Europa eine Entwicklung von „Süd nach Nord“ (etwa zur Vermeidung unbekömmlicher Sommerhitze in der Mittelmeerregion), von „fern nach nah“ (etwa aufgrund von ökologisch begründeter Kostensteigerungen beim Flugverkehr), von „billig zu teuer“ (wegen klimatisch begründeter Kostensteigerungen für die Aufrechterhaltung touristischer Infrastruktur) und von „Schnee zu Grün“ (weitgehender Wegfall von Schneesport im Winter). Für die Anbietenden, vor allem die Zielgebiete, sind langfristig Anpassungsstrategien wichtig. Diese Anpassungen orientieren sich an orts- oder regionsspezifischen Klimaherausforderungen und sind eher allgemein als tourismusspezifisch. Allerdings sollten in Tourismusregionen die Belange des Tourismus bei den Anpassungsmaßnahmen Berücksichtigung finden. Diese Strategien müssen jeweils „individuell“ sein, da sie nicht nur durch den erwarteten bzw. eingetretenen physikalischen Klimawandel getrieben werden, sondern auch durch dessen Bewertung in der Region, die jeweiligen spezifischen Zielsetzungen für den Tourismus und die unterschiedlichen Ressourcen, die für eine Anpassung zur Verfügung stehen.