Bereits im Jahr 2009 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO 2009) den Klimawandel als bedeutende und weiterhin zunehmende Bedrohung für die Gesundheit eingestuft, obwohl multikausale Zusammenhänge konkrete Aussagen und Prognosen zu den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels erschweren. Der Weltklimarat weist im aktuellen Sechsten Sachstandsbericht (IPCC 2022) erneut darauf hin, dass klimatische Veränderungen in zunehmendem Maße zu einer wachsenden Zahl negativer Gesundheitsfolgen (einschließlich übertragbarer und nicht übertragbarer Krankheiten) führen. Der Lancet Countdown 2020 (Watts et al. 2020), eine internationale Kooperation zum globalen Monitoring der Folgen des Klimawandels für die Gesundheit, weist in seinem aktuellen Report auch nochmals eindringlich auf die negativen Folgen klimatischer Veränderungen für die Gesundheit hin. Es wird zudem verdeutlicht, dass bisherige Veränderungen bereits zu erheblichen Verschiebungen der sozialen und ökologischen Determinanten von Gesundheit geführt haben und sich dieser Trend noch fortsetzen wird. In diesem Kapitel betrachten wir die direkten und indirekten gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland und die jeweils spezifischen Anpassungsmaßnahmen.

1 Überblick

Die multikausalen Zusammenhänge erschweren konkrete Aussagen und Prognosen zu den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels. Trotzdem kann ein Einfluss klimatischer Veränderungen auf die Gesundheit der Menschen in Deutschland als sehr wahrscheinlich angesehen werden. Gefährdet sind dabei insbesondere vulnerable Gruppen wie Kinder oder ältere Menschen. Um die Folgen klimatischer Veränderungen auf die Gesundheit zu minimieren, sind Maßnahmen zur Klimawandelanpassung und -vermeidung notwendig. Dabei gibt es spezifische Anpassungsmaßnahmen, z. B. im Bereich der Prävention von Hitzetoten oder UV-Schäden. Darüber hinaus führt die Stärkung von Gesundheitssystemen im Allgemeinen zu einer höheren Widerstandskraft von Gesellschaften gegenüber klimabedingten Gesundheitsrisiken. Bemerkenswert ist, dass Maßnahmen der Klima- und Gesundheitspolitik auch synergistisch wirken können, so etwa die Förderung von aktivem Transport (z. B. Fahrradfahren). Solche Maßnahmen können nur in einer intersektoralen Zusammenarbeit entwickelt und evaluiert werden.

2 Direkte Auswirkungen

2.1 Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch thermische Belastung

Die Häufigkeit von Hitzewellen, mehrtägigen Perioden mit ungewöhnlich hoher thermischer Belastung (Kap. 6), hat in den vergangenen Jahren in Deutschland zugenommen, wie entsprechende Episoden in den Jahren 1994, 2003, 2006, 2010, 2015, 2018 und 2019 belegen (Coumou und Robinson 2013; Schär und Jendritzky 2004; Seneviratne et al. 2014). Auch künftig muss mit einer Zunahme an Hitzetagen und Hitzewellen gerechnet werden (IPCC 2012, 2013), möglicherweise mit einer Vervierfachung schon bis 2040 (Rahmstorf und Coumou 2011; Coumou und Robinson 2013). Bei Hitzewellen kommt es zu einer erhöhten Krankheitslast (Michelozzi et al. 2009; Scherber et al. 2013a, b) sowie zu gesteigerten Sterberaten (Koppe et al. 2004). Während der dreiwöchigen Hitzewelle im Sommer 1994 verstarben im überwiegend ländlich geprägten Brandenburg 10 bis 50 %, in einigen Bezirken Berlins sogar 50 bis 70 % mehr Menschen als in dieser Jahreszeit sonst üblich (Gabriel und Endlicher 2011). 2003 verstarben während der sommerlichen Hitzewellen in zwölf europäischen Ländern schätzungsweise 70.000 Menschen zusätzlich, was als eine der größten europäischen „Naturkatastrophen“ anzusehen wäre (Robine et al. 2008). Der Nachweis einer hitzebedingten Übersterblichkeit wurde während dieser Hitzewelle für Baden-Württemberg erbracht (Abb. 14.1). Wenn auch von 2005, sind die Aussagen dieser grundsätzlichen Arbeit weiterhin aktuell.

Abb. 14.1
figure 1

Hitzewellen im Jahr 2003 in Baden-Württemberg (grau) und Abweichungen der täglichen Mortalitätsraten zwischen März und September vom Erwartungswert in %; die Vorverlegung des Sterbezeitpunkts – und der sich daran anschließende leichte Rückgang der Sterblichkeit – wird als harvesting effect bezeichnet. (Koppe und Jendritzky 2005)

Erhöhte Sterblichkeitsraten während Wetterlagen mit extrem hohen Temperaturen können aber auch für ganz Deutschland nachgewiesen werden (Koppe 2005; Heudorf und Meyer 2005; Schneider et al. 2009). Nach dem Robert Koch-Institut dürften sich die hitzebedingten Todesfälle in Deutschland in den Sommern 2003 auf 7600, 2006 auf 6200 und 2015 auf 6100 Fälle belaufen haben (an der Heiden et al. 2020). Im Sommer 2018 starben allein in Berlin etwa 490 Menschen zusätzlich aufgrund der Hitzeeinwirkung, in Hessen wurden die hitzebedingten Todesfälle dieses Sommers auf ca. 740 geschätzt. In den besonders gefährdeten Altersgruppen der 75- bis 84-Jährigen betrug die hitzebedingte Mortalität etwa 60/100.000 und bei den über 84-Jährigen etwa 300/100.000 Einwohner (an der Heiden et al. 2020). In einer im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichen Modellierung schätzen die Autoren die Anzahl der Hitzetoten über 65 Jahren im Jahr 2018 allein in Deutschland auf rund 20.200 noch vor den USA mit knapp 19.000! Als Gründe werden sowohl die Zunahme der Hitzetage infolge des Klimawandels als auch die alternde Bevölkerung genannt. Nur in den weltweit bevölkerungsreichsten Ländern China und Indien sollen die Zahlen noch höher gelegen haben. Zu erwähnen ist, dass die Zahlen methodisch auf einem globalen Modellierungsansatz basieren und auf die nationale Ebene heruntergebrochen wurden.

Die Zunahme der hitzebedingten Mortalität ist ein weltweites Phänomen. In den vergangenen 20 Jahren ist die mit Hitze verbundene Mortalität bei Menschen über 65 Jahren um 53,7 % gestiegen, wobei Europa besonders betroffen ist (Abb. 14.2). Diese Größenordnung hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung. In Europa entsprachen 2018 die mortalitätsbedingten monetären Kosten der hitzebedingten Sterblichkeit ca. 1,2 % des europäischen Bruttoinlandsprodukts (Watts et al. 2020).

Abb. 14.2
figure 2

Globale Zunahme der jährlichen hitzebedingten Mortalität in den letzten 20 Jahren bei Menschen über 65 Jahren (Watts et al. 2020, verändert); die senkrechten Balken beschreiben die Bandbreite der Hitzebelastungs-Reaktions-Beziehung

Aber nicht nur die Sterblichkeit ist erhöht, auch die Aufnahme von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Atmungssystems in Kliniken ist gesteigert, wie Scherber (2014) an Morbiditätsanalysen während Hitzewellen in den Jahren 1994 bis 2010 in Berlin nachweisen konnte. In Frankfurt am Main konnte eine Steigerung der Morbidität 2014 bis 2018 etwa durch die Zunahme der Rettungsdiensteinsätze wegen hitzeassoziierter Erkrankungen um +198 % festgestellt werden (Steul et al. 2019).

Die thermischen Umweltbedingungen werden allerdings nicht nur durch die Temperatur der Umgebungsluft, sondern auch durch Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Strahlungsverhältnisse gesteuert. Entsprechende Daten werden in thermischen Indizes berücksichtigt und in Modellen, z. B. vom Deutschen Wetterdienst (Gefühlte Temperatur; GT) oder international (Universal Thermal Climate Index; UTCI), verwendet (Jendritzky et al. 2009). Die thermische Belastung wird dabei nach Kältereiz und Wärmebelastung unterschieden (Deussen 2007; Menne und Matthies 2009).

Der Wärmehaushalt des Menschen ist im Körperinneren auf eine gleichbleibende Temperatur von etwa 37 °C ausgerichtet (entspricht dem Temperaturkomfortbereich). Mit zunehmender Wärme- oder Kältebelastung steigen die Anforderungen an das Herz-Kreislauf-System, den Bewegungsapparat und die Atmung, was in einer Zunahme der Erkrankungs- und Sterberaten resultiert. Studien zeigen, dass bei Hitzestress besonders Säuglinge, Kleinkinder, ältere und kranke Menschen gefährdet sind, bei denen das Thermoregulationssystem nur eingeschränkt funktionsfähig ist bzw. mangelndes Durstempfinden zu einer ungenügenden Flüssigkeitsaufnahme und damit zur Dehydratation führt (D’Ippoliti et al. 2010; Bouchama et al. 2007; Eis et al. 2010). Zudem sind Personen, die Arbeitsschutzkleidung tragen, eine geringe Fitness oder Übergewicht haben, regelmäßig Alkohol, Drogen oder bestimmte Medikamente einnehmen, verstärkt hitzegefährdet (Koppe et al. 2004). Insgesamt gesehen variiert der thermische Komfortbereich jedoch auch nach geografischer Lage, Jahreszeit und individueller Akklimatisation (physiologische Anpassungsfähigkeit des Körpers an die Umgebung) (Parsons 2003).

Wechselwirkungen

Die gesundheitlichen Risiken von thermischen Belastungen können durch eine verringerte Luftgüte bei erhöhten Konzentrationen von Stickoxiden, Ozon und Feinstaub verstärkt werden (Abb. 14.3 und Abschn. 14.3.1; Burkart et al. 2013; Ren et al. 2006, 2008; Roberts 2004). Dieser Zusammenhang ist insbesondere für die städtische Bevölkerung von Bedeutung. Menschen in Städten sind zudem eher gefährdet als Menschen auf dem Land, da Städte abends und nachts bis zu 10 °C wärmer als ihre Umgebung sein können (Kap. 21). Warme, „tropische“ Nächte mit Temperaturen über 20 °C kommen in diesen „städtischen Wärmeinseln“ häufiger vor und erschweren die notwendige nächtliche Erholung. In der europaweiten EuroHEAT-Studie zu den Auswirkungen von Hitzewellen auf die Mortalität in Großstädten wurden während Hitzewellen Werte der Übersterblichkeit zwischen 7,6 und 33,6 %, in extremen Einzelfällen auch über 50 % gefunden (D’Ippoliti et al. 2010).

Abb. 14.3
figure 3

Wirkung kombinierter Effekte von hohen gefühlten Temperaturen und Ozonkonzentrationen auf die Mortalität in Berlin, Zeitraum 1998–2010. Temperatur und Ozonkonzentration beziehen sich jeweils auf Zweitagesmittel. (Burkart et al. 2013)

Anpassungsmaßnahmen

Aus den dargelegten Sachverhalten ergibt sich die dringliche Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen. So hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehrfach aktualisierte Gesundheitshinweise zur Prävention hitzebedingter Gesundheitsschäden für unterschiedliche Zielgruppen veröffentlicht (Matthies et al. 2008; Menne et al. 2008; Menne und Matthies 2009; WHO 2009). Inzwischen hat auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (heute: Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit publiziert (Umweltbundesamt 2008; Bundesministerium für Umwelt 2017). WHO und BMU unterscheiden dabei mehrere Kernelemente. Zu den Kernelementen der Vorsorge während einer akuten Hitzeperiode zählen dabei die Nutzung des Hitzewarnsystems des Deutschen Wetterdienstes, die besondere Beachtung der Risikogruppen und die Reduzierung von Hitze in Innenräumen. Die Risikogruppen umfassen ältere, isoliert lebende oder pflegebedürftige Menschen sowie Personen mit schweren gesundheitlichen Einschränkungen, etwa durch die bereits erwähnten Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Auch Patienten mit neurologischen, chronischen und psychiatrischen Erkrankungen, Menschen mit Demenz, Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder sind betroffen. Weitere Risikofaktoren sind anstrengende körperliche Tätigkeit, geringe Fitness, Übergewicht, Alkohol- und Drogenmissbrauch und das Wohnen in überwärmten Räumen, beispielsweise schlecht isolierte Dachgeschosse. Das derzeitige Hitze-Gesundheits-Warnsystem ist allerdings noch sehr unvollkommen und bedarf insbesondere in seiner Auswirkung „auf der letzten Meile“ hin zum Hausarzt, den Pflegediensten oder dem betagten Mitbürger weiterer Verbesserungen. Ein Kernelement in einem mittleren Zeithorizont wäre beispielsweise die Vorbereitung der Gesundheits- und Sozialsysteme auf die zusätzlichen Belastungen in Hitzesommern. Im Langzeithorizont schließlich müssen unsere Städte so (um-)gebaut werden, dass in ihnen nicht nur die Emission von Treibhausgasen so rasch und so weit wie möglich eingeschränkt, sondern auch durch Stadtplanung und Bauwesen – etwa durch eingebrachte grüne und blaue Infrastruktur – eine Anpassung an die schon nicht mehr zu verhindernden Folgen des Klimawandels erreicht wird (Koppe et al. 2004; Endlicher 2012). Auch sind die Handlungsempfehlungen (Trinkpläne in Alten- und Pflegeheimen) und Instrumente (z. B. Hitzewarnsystem) zur Reduzierung der Folgen von Extremereignissen immer wieder hinsichtlich ihrer Effektivität zu evaluieren (Augustin et al. 2011). Das Bewusstsein über die gesundheitlichen Gefahren, die im Klimawandel zunehmen, ist immer noch zu gering ausgebildet und bedarf dringend einer weiteren Verbesserung.

2.2 Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch UV-Strahlung

Die ultraviolette (UV-)Strahlung hat aufgrund ihrer strahlungsphysikalischen Eigenschaften einen bedeutenden Einfluss auf den menschlichen Körper. Beim Durchgang durch die Atmosphäre wird die Intensität der UV-Strahlung aufgrund von Streuung und Absorption geschwächt. Vor allem die stratosphärische Ozonschicht in einer Höhe von etwa 20 km (mittlere Breiten) sorgt dafür, dass wellenlängenabhängig Teile der UV-Strahlung herausgefiltert werden. Anzumerken ist, dass das stratosphärische Ozon vom bodennahen Ozon (Abschn. 14.3.1) hinsichtlich Entstehung und Wirkung zu unterscheiden ist. Stark von der Ozonschichtdicke abhängig ist die biologisch besonders wirksame UVB-Strahlung, die aufgrund ihrer krebserregenden (karzinogenen) Wirkung als Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Hautkrebserkrankungen angesehen wird (Greinert et al. 2008). Neben der Ozonschicht wird die UV-Strahlung beim Durchgang durch die Atmosphäre von weiteren Faktoren beeinflusst, insbesondere von der Bewölkung. Sowohl die Bewölkung als auch das stratosphärische Ozon (Ozonchemie und -dynamik) unterliegen dem Einfluss klimatischer Gegebenheiten und sind damit auch sensitiv gegenüber klimatischen Veränderungen.

Der verstärkte Eintrag ozonzerstörender Substanzen in der Stratosphäre (Stichwort „Ozonloch“), vor allem von Fluorchlorkohlenwasserstoffen, hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass die natürliche, vor der UV-Strahlung schützende Ozonschicht in der Stratosphäre geschädigt wurde. Damit einhergehend zeigte sich eine merkliche Zunahme von Hautkrebserkrankungen in der Bevölkerung (Breitbart et al. 2012), die nach Greinert et al. (2008) neben Verhaltensaspekten auch auf die sich erhöhende UV-Strahlung zurückzuführen ist. Hautkrebs ist inzwischen mit 275.595 Neuerkrankungen pro Jahr (2017) die häufigste Krebserkrankung in Deutschland (Katalinic 2020).

Neben Hautkrebs ist der Graue Star (Katarakt) eine der wesentlichen Folgeerscheinungen einer erhöhten UV-Exposition des Menschen (Shoham et al. 2008). Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die UVB-Strahlung die Vitamin-D-Produktion im Körper anregt und damit bei richtiger Dosierung auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit hat, da beispielsweise das Risiko reduziert wird, an Osteoporose zu erkranken oder einen Herzinfarkt zu bekommen (Norval et al. 2011).

Internationale Abkommen – u. a. das Montrealer Protokoll von 1994 – zur Reglementierung des Eintrags ozonzerstörender Substanzen zeigen mittlerweile Wirkung, sodass etwa bis Mitte des Jahrhunderts mit einer Regeneration der Ozonschicht gerechnet werden kann (Bekki und Bodeker 2010). Noch nicht vollends geklärt ist der Einfluss des Klimawandels auf den Ozonhaushalt sowie auf jene Faktoren (z. B. Bewölkung), welche die UV-Strahlung zusätzlich beeinflussen. Prognosen zur zukünftigen UV-Strahlung und zu den Folgeerscheinungen für die Gesundheit sind jedoch komplex, mit Unsicherheiten behaftet und zudem von Region zu Region unterschiedlich, da mit Hinblick auf die Ozonregeneration von unterschiedlichen regionalen Veränderungen ausgegangen werden kann. Bais et al. prognostizieren einen Rückgang der UV-Strahlung über der Arktis, also einer Erholung der Ozonschicht, von bis zu 40 % (Bais et al. 2015). In anderen Regionen, etwa in den mittleren oder nördlichen Breitengraden kann damit einhergehend von einer Reduzierung der UV-Strahlung von 5 bis 15 % ausgegangen werden (Bais et al. 2019). Allerdings erschwert insbesondere die Bewölkung aufgrund ihrer hohen räumlichen und zeitlichen Variabilität eine Prognose der UV-Strahlung. So ist denkbar, dass die bisherigen Veränderungen der bodennahen UV-Strahlung in den mittleren Breiten vor allem auch durch die Veränderung der Bewölkung hervorgerufen werden (Bais et al. 2018) und weniger durch globale Veränderungen des Ozonhaushaltes. Mit Hinblick auf die Bewölkung ist indirekt auch die Sonnenscheindauer von Bedeutung. Diese hat sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland erhöht hat (Deutscher Wetterdienst 2019), was in der Regel mit einem Anstieg der Tagessummen der UV-Bestrahlungsstärke einhergeht. Untersuchungen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) konnten diese Korrelation an der Messstation Dortmund insbesondere für die Jahre 2003 und 2018 zeigen (Baldermann und Lorenz 2019).

Darüber hinaus werden vermutlich lokale, temporäre Extremereignisse wie die sogenannten Ozonniedrigereignisse an Bedeutung gewinnen. Dabei handelt es sich um lokal begrenzte ozonarme Luftmassen, die aus den polaren Regionen bis nach Mitteleuropa vordringen können und mit teilweise sehr hohen UV-Strahlungswerten einhergehen (Schwarz et al. 2016). Sie treten insbesondere im Frühjahr auf, also zu einer Zeit, zu der die Haut besonders empfindlich gegenüber UV-Strahlung ist. Während der vergangenen Jahrzehnte wurde eine Häufigkeitszunahme dieser etwa drei bis fünf Tage dauernden Ereignisse ausgemacht (Rieder et al. 2010), die möglicherweise durch die globale Erwärmung begünstigt wird (v. Hobe et al. 2013).

Expositionsverhalten

Unabhängig von einer (klimatisch bedingten) Veränderung der UV-Strahlung zeigen Studien (Bharath und Turner 2009; Dobbinson et al. 2008; Ilyas 2007), dass klimatische Veränderungen das menschliche Expositionsverhalten gegenüber UV-Strahlung, wie z. B. durch einen vermehrten Aufenthalt im Freien, beeinflussen können. Sonnenreiche Tage mit Temperaturen im thermischen Komfortbereich führen zu einer deutlich erhöhten UV-Exposition, weil Menschen beispielsweise mehr im Garten arbeiten oder sich im Schwimmbad aufhalten (Knuschke et al. 2007). Eisinga et al. (2011) haben in einer Studie den täglichen Fernsehkonsum im Zeitraum von 1996 und 2005 in den Niederlanden ausgewertet. Es ergab sich bei einer Tagesmitteltemperatur von 20 °C ein, im Vergleich zu 10 °C, um bis zu 18 min geringerer Fernsehkonsum der Studienteilnehmer, d. h., auch hier zeigt sich der Zusammenhang zwischen der Temperatur bzw. dem Wetter und einem Aufenthalt im Freien. Hill und Boulter (1996) konnten zudem zeigen, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines Sonnenbrandes verdoppelt, wenn die Umgebungstemperatur im Bereich von 19 °C bis 27 °C liegt, verglichen mit niedrigeren oder höheren Temperaturen. Versuche mit Mäusen haben darüber hinaus verdeutlicht, dass die Umgebungstemperatur die karzinogene Wirkung der UV-Strahlung beeinflusst (van der Leun und de Gruijl 2002) und erhöhen kann (van der Leun et al. 2008). Nach van der Leun und de Gruijl (2002) lassen sich die Ergebnisse annäherungsweise auch auf Menschen übertragen. Diese Erkenntnis um den Zusammenhang zwischen den äußeren (thermischen) Bedingungen und der UV-Expositionswahrscheinlichkeit ist im Kontext klimatischer Veränderungen von Bedeutung, wird in Studien aber oftmals vernachlässigt. Es muss jedoch erwähnt werden, dass der Zusammenhang zwischen einer erhöhten UV-Expositionswahrscheinlichkeit und Temperatur primär innerhalb des thermischen Komfortbereichs besteht. Nimmt die Temperatur ab oder steigt sie weiter an, stellt sich für die Menschen ein thermischer Diskomfort ein und es wird entweder der Schatten oder das Warme aufgesucht und damit eine UV-Exposition vermieden.

Hinsichtlich der Prognose zur Veränderung UV-assoziierter Erkrankungen unter einem sich wandelnden Klima ist ein Defizit an quantitativen Studien festzustellen. Kelfkens et al. (2002) haben die veränderte Hautkrebshäufigkeit unter dem Klimawandel für Europa modelliert. Die Ergebnisse zeigen, dass die durch den Klimawandel zusätzlich auftretenden Hautkrebsfälle in Mitteleuropa noch mehrere Jahrzehnte zunehmen werden. Norval et al. (2011) prognostizieren für die Vereinigten Staaten von Amerika einen Anstieg des Grauen Stars bis zum Jahr 2050 um 1,3 bis 6,9 %.

Anpassungsmaßnahmen

Um den negativen Einfluss der UV-Strahlung auf die Gesundheit zu minimieren, wurden Instrumente wie der UV-Index (BfS 2018) entwickelt. Studien zur Evaluierung solcher Anpassungsmaßnahmen verdeutlichen jedoch, dass die Maßnahmen bzw. ihre Kommunikation bislang noch Defizite aufweisen. So zeigt sich, dass der UV-Index in der Bevölkerung noch relativ unbekannt ist und wenn bekannt, dann oftmals nicht richtig interpretiert werden kann (Capellaro 2015; Wiedemann et al. 2009). Daher sollte einer guten Kommunikation zielgruppenspezifischer Anpassungsmaßnahmen zukünftig verstärkt Beachtung geschenkt werden.

2.3 Extremwetterereignisse und Gesundheit

Der Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarats sagt für Zentral- und Westeuropa eine Zunahme von Extremwetterereignissen, insbesondere von Hitzewellen, Überflutungen, Starkregen und Flusshochwasser sowie von Dürreperioden voraus (IPCC 2022). Extremereignisse dieser Art können Auswirkungen auf die Gesundheit haben, die mit einer Gefahr für Leib und Leben, etwa durch Unfälle und dadurch hervorgerufene Verletzungen oder Ertrinken, verbunden ist. Darüber hinaus kann die Verunreinigung von Trinkwasser das Auftreten von Infektionserkrankungen begünstigen und eine geschädigte Infrastruktur den Zugang zum Trinkwasser und zur medizinischen Versorgung erschweren (Curtis et al. 2017). Zudem kann Feuchtigkeit in Gebäuden längerfristig zu Schimmelbildung und als Folge davon, zu Atemwegserkrankungen führen. Besonders zu beachten sind auch die psychischen Folgen von Extremwettereignissen. Die Ereignisse an sich oder auch der Verlust enger Bezugspersonen und von Hab und Gut können zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen und weitere psychische Krankheitsbilder wie Depressionen oder Angststörungen begünstigen (Cianconi et al. 2020; Fontalba-Navas et al. 2017).

3 Indirekte Auswirkungen

3.1 Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe

Luftverunreinigungen beeinträchtigen die Gesundheit des Menschen. Sie gelten nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Auslöser für nichtübertragbare Krankheiten, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Anthropogenes Wirken and Handeln verursacht Luftverschmutzung. Die Emission von Treibhausgasen ist wesentliche Ursache der globalen Klimaerwärmung, die Umwelt und Gesundheit nachhaltig negativ beeinflusst (Li et al. 2017; Chen et al. 2018). Der Anstieg der mittleren Lufttemperatur verändert die atmosphärische Zirkulation, das kurzzeitige Wetter- und Witterungsgeschehen wie auch langfristig das Klima. Änderungen atmosphärischer Transport- und Durchmischungsprozesse nehmen Einfluss auf physikalisch-chemische Prozesse und auf den Zustand der Luftqualität. Über die letzten zwei Dekaden wurde festgestellt, dass lufthygienisch relevante Extremwetterereignisse vor allem während der Sommerhalbjahre in Europa, aber auch in Deutschland zugenommen und sich verstärkt haben. Hierzu zählen insbesondere Perioden extremer Hitze mit gleichzeitig erhöhten Luftschadstoffkonzentrationen, die gesundheitliche Effekte auslösen können (Vandentorren und Empereur-Bissonnet 2005; Analitis et al. 2014; Kap. 13). Trocken-heiße Witterung mit intensiver Sonneneinstrahlung verstärkt die Bildung des bodennahen Luftschadstoffs Ozon (Mücke 2014, Abb. 14.4). Zudem kann sich die Belastung durch Feinstaub (PM10) erhöhen, dessen Emissionen sowohl aus anthropogen und natürlichen Quellen stammen können. Der anthropogene Anteil wird durch Verbrennungsprozesse der Industrie und des Verkehrs emittiert. Natürliche Prozesse wie Vegetationsbrände (Kislitsin et al. 2005) und die Windverfrachtung staubtrockenen Bodens während langanhaltender sommerlicher Trockenheit, wie im Dürresommer 2018 (Umweltbundesamt 2019), können eine erhebliche Zusatzbelastung der Gesamtfeinstaubemission sein. Darüber hinaus können die Einzelkomponenten eines Luftschadstoffgemisches die Allergenität und Wirkung von natürlichen, biologischen Luftbeimengungen, wie zum Beispiel Pollen, verändern und eine Quelle für zusätzliche gesundheitliche Belastungen sein bzw. Symptome bei Allergikern verschlimmern (Carlsten und Melen 2012; D’Amato et al. 2018). Mittels Flusszytometrie konnte anhand von Feinstaubproben (PM10) nachgewiesen werden, dass das klinisch relevante Allergen der Birke (Bet v1) an PM10 anhaftet und während der Birkenpollensaison die PM10-Partikel einen signifikant höheren Bet v1-Anteil enthalten als in der Nachpollensaison (Süring et al. 2016). Die Interaktion zwischen Feinstaub und allergenen Pollen erzeugt allergenhaltige Aerosole, die tief in die Lunge eindringen und bei sensibilisierten Personen Asthma auslösen können (Behrendt und Becker 2001; Beck et al. 2013).

Ozon und Feinstaub (PM10/2.5) sind besonders gesundheitsrelevante Luftschadstoffe während trocken-heißer sommerlicher Hochdruckwetterlagen. Ergebnisse gesundheitsbezogener Studien weisen auf die Evidenz des Einflusses von Luftschadstoffen bei gleichzeitig auftretender Hitze hin, dies betrifft vor allem Menschen in städtischen Ballungsräumen (Bell et al. 2004; Noyes et al. 2009; Stieb et al. 2009; Kap. 13). Die expositionsabhängige Ausprägung gesundheitlicher Wirkungen (parallele Einzelwirkung vs. synergistisch-additive Kombinationseffekte auf Morbidität und Mortalität) kann wegen der Effektmodifikation und des Zusammenwirkens der Einzelfaktoren untereinander derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden und bedarf weiterer Studien (Noyes et al. 2009; Li et al. 2017 Infobox).

Abb. 14.4
figure 4

(Quellen: Umweltbundesamt 2020, Deutscher Wetterdienst 2020)

Gemittelte Anzahl der Tage pro Jahr in Deutschland zwischen 2000 und 2019, an denen die Acht-Stunden-Mittelwerte von Ozon den gesundheitsbezogenen Zielwert von 120 µg/m3 überschritten (gerundeter Mittelwert über alle Stationen der ländlichen bzw. städtischen Kategorie) und gleichzeitig ein Lufttemperaturmaximum von 30 °C oder mehr auftrat (Gebietsmittel sog. „heißer Tag“). Fett gedruckte Jahreszahlen: sehr heiße Sommer der Jahre 2003, 2006, 2015, 2018 und 2019.

Im Nachgang des extremen Hitzesommers 2003 wurde u. a. im europaweiten Projekt EuroHeat belegt, dass der Effekt von Hitzetagen auf die Mortalität durch erhöhte Konzentrationen von Ozon und Feinstaub (PM10) verstärkt wird (D’Ippoliti et al. 2010). Dieser Kombinationseffekt trifft insbesondere für die Risikogruppe der älteren Menschen mit geschwächter Konstitution und eingeschränkter Thermoregulation, Kleinkinder sowie chronisch kranken Personen zu (WHO 2009). Dass die lokale Luftverschmutzung durch Ozon und PM10 in Verbindung mit heißer Witterung ein synergistisches Wirkungspotenzial hat, wodurch ggf. die Gesamtmortalität gesteigert wird, untersuchten Burkart et al. (2013) für Lissabon und Berlin. Eine Analyse von stationären Patientenaufnahmen (Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und Sterbefällen in Krankenhäusern in Berlin-Brandenburg im Zeitraum 1994 bis 2010 ergab eine statistisch signifikant positive Korrelation mittlerer Konzentrationen von Ozon und Feinstaub mit erhöhter Lufttemperatur sowie einen Anstieg des relativen Mortalitätsrisikos ausgelöst durch starke Wärmebelastung (Scherber 2014).

Studien zum Kombinationseffekt von Lufttemperatur und unterschiedlichen Konzentrationsniveaus von Luftschadstoffen zeigen, dass der Einfluss der Temperatur auf die Mortalität in Gebieten mit niedriger bis mittlerer Luftschadstoffbelastung stärker ist als der der Luftschadstoffe (Krstic 2011). Doch stellten Katsouyanni et al. (2001) auch fest, dass eine hohe Lufttemperatur den ungünstigen Einfluss von Schadstoffen auf die Gesundheit verstärkt: In einer warmen Klimaregion bewirkt ein Feinstaubanstieg von 10 μg/m3 eine Zunahme der Gesamtmortalität um 0,8 %, hingegen beträgt die Zunahme in kühlerem Klima nur 0,3 %.

Eine stärkere Luftschadstoffwirkung bei hoher Lufttemperatur wirkt sich zum einen besonders auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die dadurch bedingte Sterblichkeit aus, also z. B. Herzinfarkte (Choi et al. 2007; Lin und Liao 2009; Ren et al. 2009). Zum anderen werden Erkrankungen der Atemwege wie Asthma (Hanna et al. 2011; Lavigne et al. 2012), chronisch-obstruktive Atemwegserkrankungen (Yang und Chen 2007) und Lungenentzündungen (Chiu et al. 2009) begünstigt. Dies wird u. a. damit begründet, dass sich die Menschen in der warmen Jahreszeit mehr im Freien aufhalten und deshalb auch gegenüber Luftschadstoffen wie Ozon verstärkt exponiert sind (Barnett et al. 2005; Stieb et al. 2009).

Eine Trennung bzw. Zuordnung der Einflüsse verschiedener Umweltfaktoren auf die Gesundheit ist nach wie vor komplex und mit Unsicherheiten behaftet. Zwar wurde für einzelne Faktoren, wie Ozon und Feinstaub, nachgewiesen, dass Gesundheitseffekte evident sind, jedoch nicht für die Kombinationsbetrachtung. Das bedeutet, dass die zwischen den Einflussfaktoren Lufttemperatur (auch Hitze), Luftschadstoffen und Aeroallergenen bestehenden Wechselwirkungen mit Hinblick auf ihre Wirkung auf die Gesundheit bislang nur wenig verstanden, aber auch nicht auszuschließen sind.

Abb. 14.5
figure 5

(Quelle: Augustin und Andrees 2020, verändert nach Eis et al. 2010)

Die Unsicherheiten bei der Projektion zukünftiger klimabedingter Gesundheitsrisiken nehmen von links nach rechts zu.

Anpassungsmaßnahmen

Um durch Luftschadstoffe hervorgerufene gesundheitliche Belastungen zu vermeiden, sollte die Bevölkerung auf längere körperliche Anstrengungen zu Zeiten hoher Konzentrationen verzichten, dies gilt insbesondere für gesundheitlich vorbelastete Risikopersonen zum Beispiel während der Mittags- und Nachmittagsstunden bei erhöhter Ozonkonzentrationen. Aus Sicht des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sollten Umwelt-, Klima- und Luftreinhaltepolitik verstärkt für die Einhaltung der Obergrenzen der Luftschadstoffkonzentrationswerte dauerhaft Sorge tragen. Einem unkontrollierten Anstieg des Energieverbrauchs und damit einhergehender Emissionen – etwa von Ozonvorläufersubstanzen, wie sie im Sommer vermehrt in Klimaanlagen eingesetzt werden – ist vorzubeugen.

Aus Anpassungsperspektive ist es wichtig, dass effektive Warnsysteme installiert sind, um die lokale Bevölkerung rechtzeitig zu informieren und vor materiellen und immateriellen Schäden zu bewahren. Zudem muss die kritische Infrastruktur, vor allem die des Gesundheitswesens, geschützt werden. Präventive Maßnahmen, wie beispielsweise die weitere Versiegelung von Flächen zu verhindern, können dazu beitragen (Kap. 10).

Herausforderungen bei der Projektion zukünftiger klimabedingter Gesundheitsrisiken

Bisher gibt es noch einen Mangel an quantitativen und prognostischen Studien zu den Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf die Gesundheit. Eine Ursache hierfür ist vor allem die Berücksichtigung des Menschen als Individuum in seiner Komplexität. Die Gesundheit des Menschen ist schon auf individueller Ebene von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, beispielsweise Alter, Geschlecht, genetische Prädisposition, Ernährung, Lebensstil, Gesundheitsverhalten und Gesundheitsbewusstsein. Die Bedeutung dieser Faktoren für die Gesundheit konnten Yusuf et al. (2004) aufzeigen. Zusätzlich wird die Gesundheit auch von gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst (z. B. soziales Umfeld, Veränderungen von Bildungs-, Gesundheits- und Ernährungssystemen und Mobilitätsinfrastruktur). Bei der Abschätzung zukünftiger klimawandelbedingter Auswirkungen auf die Gesundheit sind darüber hinaus noch mögliche Anpassungsmechanismen auf individueller (z. B. physische Anpassung, Verhalten) und gesellschaftlicher Ebene (z. B. Hitzeaktionspläne) zu berücksichtigen.

All diese Faktoren unterliegen einer räumlichen, zeitlichen sowie oftmals verhaltensbedingten Veränderung und sind bei der Prognose des Einflusses klimatischer Veränderungen auf die Gesundheit eine bedeutende Quelle der Unsicherheit (Abb. 14.5). So ist mit Hinblick auf die Modellierung der Expositions-Effekt-Beziehungen beispielsweise die Wirkung von Hitze auf den Menschen stark abhängig von seinem Alter (und damit physiologischem Zustand), seinem Gesundheitsbewusstsein (gegenüber thermischen Belastungen) und damit Verhalten (Durchführung von Anpassungsmaßnahmen) oder auch seinem sozialen Umfeld (z. B. Familie, Nachbarschaft) und Aufenthaltsort. Erschwerend kommt hinzu, dass die die Gesundheit beeinflussenden Faktoren meistens nicht alleine, sondern in Kombination (z. B. Hitze und Luftschadstoffe) wirken und sich ihr negativer Einfluss auf die Gesundheit damit nochmals verstärken kann.

Diesen komplexen Herausforderungen und den damit verbundenen Unsicherheiten (Abb. 14.1) sollte vor allem mit einer weiter verstärkten interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen den Natur-, Sozial- und Gesundheitswissenschaften (inklusive Medizin) begegnet werden. Darüber hinaus sollte der Zugang zu gesundheitsspezifischen Langzeitdaten vereinfacht werden, um eine verbesserte Datengrundlage zur Abschätzung langfristiger Veränderungen zu erhalten.

3.2 Pollenflug und Allergien

Weltweit leiden 10 bis 40 % der Bevölkerung an Allergien (Pawankar et al. 2013). In Deutschland sind laut einer Studie des Robert Koch-Instituts 30 % der Bevölkerung von Allergien betroffen, wobei 14,8 % der erwachsenen Bevölkerung unter Heuschnupfen leiden (Langen et al. 2013). Der Klimawandel hat u. a. Auswirkungen auf allergene Pflanzen und kann zu einer Veränderung der Pollensaison, Erhöhung der Pollenmenge sowie Pollenallergenität führen und die Verbreitung von invasiven Arten begünstigen. All diese Faktoren beeinflussen die Allergieentstehung und können massivere allergische Erkrankungen hervorrufen (D’Amato et al. 2020). Der Beginn der Pollensaison wird maßgeblich von der Pflanzenphänologie bestimmt. Da phänologische Frühjahrsphasen überwiegend temperaturgesteuert sind, hat der Klimawandel in den vergangenen drei Jahrzehnten zu deutlichen Veränderungen in Deutschland geführt (Menzel und Estrella 2001; Chmielewski 2007). Wie europaweite Studien zeigen, haben sich Frühjahrsphasen durchschnittlich um etwa zwei Wochen verfrüht (Menzel et al. 2006, 2020a, b; Kap. 16). Aufgrund der milderen Witterung im Frühjahr startet die Pollensaison heute bereits merklich früher (Werchan et al. 2018), kann aber, wie bei den Birken, auch früher enden (Bergmann et al. 2020). Daraus resultiert eine längere Dauer der Pollensaison (Ziska et al. 2019), vor allem für Gräser (Fernandez Rodriguez et al. 2012) und andere krautige Pflanzen, welche durch einen höheren CO2-Gehalt der Atmosphäre besonders profitieren (Wayne et al. 2002).

Pollenmenge und -allergenität

Faktoren, die sehr wahrscheinlich auch zu häufigeren, schwereren allergischen Erkrankungen und neuen Sensibilisierungen führen, sind die gestiegene Pollenproduktion sowie die Pollenkonzentration in der Luft in den vergangenen Jahrzehnten. Als Ursachen werden die Temperaturzunahme sowie die erhöhte atmosphärische CO2-Konzentration genannt (Beggs 2004). Ziello et al. (2012) dokumentieren eine generelle Zunahme der gesamten Pollenkonzentration auch in Deutschland: Von 584 Zeitreihen waren 21 % statistisch signifikanten Veränderungen unterworfen, 65 % davon zeigten wiederum einen Anstieg der Pollenkonzentrationen. Experimente in Klimakammern (Ziska und Caulfield 2000) oder entlang eines Stadt-Land-Gradienten (Ziska et al. 2003) bestätigten, dass höhere CO2-Werte zu einer verstärkten Pollenproduktion der Ambrosia führen. Für einige Arten könnten sich hohe Temperaturen und Schadstoffe in Städten jedoch auch negativ auswirken (Jochner et al. 2013): So war etwa die Pollenproduktion der Birke (Betula pendula Roth) in München gegenüber dem ländlichen Umland verringert.

Aber auch die lokalen meteorologischen Gegebenheiten sind von Bedeutung: So war etwa während der Dürreperiode im Jahr 2003 eine deutlich geringere atmosphärische Pollenkonzentration von Beifuß, Ampfer und Brennnessel in der Südschweiz zu beobachten (Gehrig 2006). Andererseits sind beispielsweise Gewitter mit einer abrupten Allergenfreisetzung verbunden, die zur Ausprägung des sogenannten Gewitterasthmas beitragen kann (D’Amato et al. 2020). Damialis et al. (2020) zeigen einen synchronen Verlauf von hohen Pollen- und Sporenkonzentration und Gewitterereignissen sowie einen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und Asthmafällen in Bayern.

Neuere Studien auch für Deutschland zeigen, dass Pollentransport vor oder nach der Hauptpollensaison lokale Konzentrationen und die Länge der Pollensaison maßgeblich beeinflussen kann (Ghasemifard et al. 2020; Menzel et al. 2021). Grünlandnutzung und Bewirtschaftung (z. B. Schnittzeitpunkte) haben einen starken Einfluss auf die Gräserpollenkonzentrationen (Menzel 2019).

Pollenallergene sind spezifische Proteine, die bei bestimmten Menschen zu einer immunologischen Überreaktion führen (Huynen et al. 2003). Ob die jüngst zu beobachtende Temperaturerhöhung eine Veränderung der Allergenität mit sich bringt, ist noch nicht abschließend geklärt. Europäische Studien belegen, dass das Hauptallergen der Birke (Bet v 1) verstärkt bei höheren Temperaturen gebildet wird (Hjelmroos et al. 1995; Ahlholm et al. 1998). Im Gegensatz dazu waren der Allergengehalt von Ambrosia (Ziska et al. 2003) sowie des Weißen Gänsefußes (Chenopodium alba, Guedes et al. 2009) in Städten – also unter wärmeren Bedingungen – reduziert.

In Gebieten mit starker Luftverschmutzung reagieren Pollen mit Luftschadstoffen wie Ozon und Feinstaub, was die Allergenität der Pollen erhöht (Beck et al. 2013; D’Amato et al. 2010). So erzeugt z. B. die Interaktion zwischen Feinstaub und Pollen allergenhaltige Aerosole, die aufgrund ihrer Größe tief in die Lunge eindringen und bei sensibilisierten Personen Asthma auslösen können (Behrendt und Becker 2001). Zusätzlich begünstigen Dieselrußpartikel die Entstehung von Allergien (Fujieda et al. 1998).

Invasive Arten

Freigesetzte Pollen von invasiven Arten, wie vor allem der Ambrosia artemisiifolia L. (Ambrosia, Beifußblättriges Traubenkraut), verlängern die Zeit mit Pollenflug bis in den Herbst hinein, womit fast ganzjährig allergene Pollen in der Luft zu finden sind. Die ursprünglich in Nordamerika beheimatete Ambrosia wächst seit den 1980er-Jahren in größeren Beständen in Teilen Südeuropas (Zink et al. 2012). Sie gedeiht in Deutschland unter anderem im Rheintal, Südhessen und Berlin (Otto et al. 2008) und weist im Jahr 2020 die größten Bestände in Brandenburg (> 2000 Standorte, Freie Universität Berlin 2020) und Bayern (> 500 Standorte, Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege 2020) auf. Aufgrund ihrer ausgeprägten Wärmebedürftigkeit wird sich die Art mit steigenden Temperaturen sehr wahrscheinlich weiter ausbreiten. Städte als Wärmeinseln (Kap. 21) können dabei das Vorkommen dieser invasiven Art ebenfalls begünstigen. Ambrosiapollen werden als hochallergen eingestuft (Eis et al. 2010). Eine höhere Exposition gegenüber Ambrosiapollen wird zwangsläufig auch zu einer höheren Sensibilisierung in der Bevölkerung führen (Buters et al. 2015). Dies trifft nicht nur auf Ambrosia zu, sondern auch auf andere invasive/exotische allergieauslösenden Pflanzenarten, etwa der Olive (Höflich et al. 2016), sodass deren Neuanpflanzungen auch unter dem Gesichtspunkt der Gesundheit entschieden werden sollten.

Anpassungsmaßnahmen

Ein wichtiges und gleichzeitig einfaches Instrumentarium zur Reduktion allergener Pollen ist die Stadtplanung (Bergmann et al. 2012). Durch die Auswahl von geeigneten Baumarten für die Begrünung von Straßenzügen, öffentlichen Plätzen und Parkanlagen kann die Pollenkonzentration allergologisch relevanter Arten maßgeblich gesteuert werden (Jochner-Oette et al. 2018).

Die Kontrolle von kontaminierten Gütern wie z. B. Vogelfutter trägt zur Reduktion der weiteren Ausbreitung von Ambrosia bei. Ferner verringert eine Bekämpfung mit entsprechender Kontrolle der invasiven Pflanze durch Ausreißen und Mahd die Pollenkonzentration. In Deutschland existiert keine Meldepflicht für Ambrosiavorkommen, jedoch kann das Vorkommen, vor allem von größeren Beständen mit mehr als 100 Einzelpflanzen regionalen Meldestellen übermittelt werden. Eine verpflichtende Meldung nach dem Vorbild der Schweiz könnte das Vorkommen drastisch dezimieren.

3.3 Infektionserkrankungen

Das Auftreten vieler Infektionserkrankungen ist u. a. von klimatischen Bedingungen abhängig, denn veränderte Temperaturen, Niederschlagsmuster und häufigere Extremwetterereignisse können sich auf die Vermehrung und Verbreitung von Krankheitserregern und deren Überträger (Vektoren) auswirken. Eine deutschlandspezifische Perspektive ist hierbei nicht ausreichend, da Tourismus, Migration und Warentransport dazu führen, dass sich Krankheitserreger leicht über Ländergrenzen hinweg ausbreiten. Hier werden nur Erkrankungen angesprochen, bei denen es deutliche Hinweise gibt, dass sie durch den Klimawandel in Deutschland und/oder Europa vermehrt auftreten werden.

Durch Nahrungsmittel oder Wasser übertragene Erkrankungen

Durch Nahrungsmittel verursachte Magen-Darm-Infektionen werden in Deutschland vor allem durch die Erreger Campylobacter und Salmonella Typhi ausgelöst und treten gehäuft im Frühjahr und im Sommer auf. Obwohl diese Infektionen temperaturabhängig sind, ist eine deutliche Steigerung der Fallzahlen durch den Klimawandel aufgrund von guten Hygienestandards in europäischen Ländern wie Deutschland eher nicht zu erwarten (Kovats et al. 2004; Lake 2017). Krankheitserreger können auch durch Trinkwasser und Badegewässer oder bei Überschwemmungen auf den Menschen übertragen werden (Bezirtzoglou et al. 2011). In Europa beobachtete Verunreinigung von Trinkwasser mit E.coli oder Cryptosporidien durch Starkregenereignisse o. ä. (Boudou et al. 2020) wurden in Deutschland bisher nicht dokumentiert. In den vergangenen Jahren wurden jedoch vermehrt Vibrioneninfektionen in der Ostsee registriert, die zu Wundinfektionen, Durchfallerkrankungen und in Einzelfällen bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem auch zu Todesfällen geführt haben (Gyraite et al. 2019; Metelmann et al. 2020). Auch die bei steigenden Wassertemperaturen oft sprunghafte Vermehrung von Cyanobakterien (= Blaualgen, daher Algenblüte) in Binnenseen oder Küstengewässern birgt Gesundheitsrisiken, da teilweise Toxine freigesetzt werden, die z. B. zu Hautreizungen führen können (Stark et al. 2009). Insgesamt ist der Klimawandel ein wichtiger Treiber für umweltbedingte Infektionserkrankungen in Europa (Semenza et al. 2016a, b).

Durch Vektoren übertragene Erkrankungen

„Vektoren“ sind in unserem Zusammenhang Überträger von Krankheitserregern, die Infektionskrankheiten auslösen. Tropische Infektionserkrankungen treten in Deutschland bisher fast ausschließlich auf, wenn infizierte Personen aus dem Ausland nach Deutschland einreisen (Jansen et al. 2008). Die Gefahr von autochthonen Infektionen – also einer Ansteckung innerhalb Deutschlands – setzt voraus, dass der Krankheitserreger und der passende Vektor hierzulande vorkommen und dass es ausreichend warm für die Erregerentwicklung im Vektor ist. Diese beiden Bedingungen werden durch steigende Durchschnittstemperaturen begünstigt (Hemmer et al. 2007).

In Deutschland sind die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) die bedeutendsten Vektorerkrankungen, denn sie werden durch die in Deutschland etablierten Zecken wie den gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) übertragen. Zecken, die den Borreliose-Erreger Borrelia burgdorferi übertragen, kommen im ganzen Bundesgebiet vor, FSME-Virus übertragende Zecken eher im Süden (Robert Koch-Institut 2013). Grundsätzlich begünstigt der zu erwartende Temperaturanstieg die Populationsdichte der Zecken sowie deren Ausbreitung nach Norden und in die Höhenzüge hinein. Zudem werden eine frühere Zeckenaktivität und damit eine verlängerte Zeckensaison erwartet (Süss et al. 2008). Des Weiteren wurden in Deutschland zuletzt vereinzelt tropische Zeckenarten wie Hyalomma registriert, welche neben den in den Ixodes-Arten üblichen Krankheitserregern tropische Erkrankungen wie das Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber übertragen können (Chitimia-Dobler et al. 2019). Diese potenziell tödliche Erkrankung kommt bereits gehäuft in der Türkei und vereinzelt in Spanien vor (GERICS 2020). Bisher zeigen sich in Deutschland jedoch keine eindeutigen Trends in den Fallzahlen meldepflichtiger Erkrankungen wie FSME. Doch auch wenn der Klimawandel das Zeckenvorkommen in der beschriebenen Weise begünstigt, sind Infektionsraten in der Bevölkerung von vielen weiteren Faktoren abhängig, z. B. vom Anteil geimpfter Personen (bei FSME), von der Landnutzung und vom Freizeitverhalten der Menschen. In diesen Bereichen liegt auch das Potenzial für Anpassungsmaßnahmen (Lindgren und Jaenson 2006).

Für invasive Mückenarten, die tropische Erkrankungen übertragen, verbessern sich durch die klimatischen Veränderungen die Bedingungen. So sind bereits einzelne Populationen der Tigermücke, Aedes albopictus, insbesondere im Südwesten Deutschlands vorzufinden und eine Etablierung wird erwartet (Thomas et al. 2018a, b). Durch solche Populationen kam es in den vergangenen Jahren bereits zu örtlich begrenzten autochthonen Ausbrüchen von Dengue-Fieber in Europa (Tomasello und Schlagenhauf 2013). Für Deutschland wird aufgrund des zu erwartenden Verbreitungsgebiets der Tigermücke und soziogeografischen Gegebenheiten damit gerechnet, dass die Verbreitung von Dengue-, Zika- und Chikungunya-Viren insbesondere in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westphalen und Südhessen relevant wird (Thomas et al. 2018a, b). Auch das West-Nil-Fieber wurde in den vergangenen Jahren in zunehmenden Einzelfällen in Europa und auch in Deutschland übertragen, wobei hier auch die Übertragung durch infizierte Vögel eine Rolle spielt (ECDC 2020). Was Malaria angeht, bleibt festzuhalten, dass diese bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa verbreitet war, sie jedoch durch die Trockenlegung von Brutgebieten, Mückenbekämpfung und verbesserte Gesundheitsversorgung ausgerottet wurde (Dalitz 2005). Unter Fortführung dieser Maßnahmen ist eine Wiederausbreitung der Malaria bis 2050 in Deutschland daher unwahrscheinlich (Holy et al. 2011).

Die Leishmaniose (Erreger: Leishmania infantum) ist eine in mediterranen Ländern etablierte Erkrankung, die Geschwüre der Haut und Organschäden hervorruft. Der eigentliche Vektor der Leishmanien ist die Sandfliege (Phlebotomus spp.). Autochthone, d. h. in Deutschland originär entstandene Fälle der Leishmaniose traten bisher so gut wie nicht auf, da die Temperaturen für die Etablierung von Sandfliegen und Leishmanien bisher zu niedrig sind. Unter Zuhilfenahme von Klimaprojektionen konnte jedoch gezeigt werden, dass im Zuge des Klimawandels die autochthone Übertragung von Leishmaniose bis Ende des Jahrhunderts in einigen Regionen Deutschlands wahrscheinlicher wird, so zum Beispiel in der Kölner Bucht oder dem Rheingraben (Fischer et al. 2010). Tab. 14.1 gibt eine vereinfachte Übersicht über wesentliche klimasensible Infektionskrankheiten für Deutschland, häufige Erreger oder Vektoren und eine Einschätzung zum Gesundheitsrisiko je nach Zeitrahmen und Klimaprojektion.

Tab. 14.1 Übersicht über wesentliche klimasensible Infektionskrankheiten, ihre Erreger, den Übertragungsweg (ggf. Vektor) und eine Einschätzung der Zunahme des Risikos je nach Zeitrahmen und Ausmaß der globalen Erwärmung (+2 °C bis +4 °C)

Anpassungsmaßnahmen

Zum Schutz vor Infektionskrankheiten könnte das bisher passive Meldesystem durch ein aktives Warnsystem ergänzt werden, in dem Daten aus Epidemiologie, Veterinärmedizin und Ökologie integriert werden. Auch sind Maßnahmen der Vektorkontrolle, insbesondere bei invasiven Mückenarten sowie die Aufklärung der Menschen bezüglich gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen wichtig, z. B. in Bezug auf Schutz vor Zeckenbissen. Durch die Schulung von medizinischem Personal sollte das Bewusstsein für bisher in Deutschland nicht oder kaum auftretende Infektionskrankheiten erhöht und deren rasche Diagnose und Behandlung gewährleistet werden (Panic und Ford 2013). In einer globalisierten Welt ist das Infektionsgeschehen in anderen Ländern auch für Deutschland relevant. Deswegen sollte Deutschland sich im eigenen Land und anderswo für eine Stärkung der gesundheitlichen Basisversorgung einsetzen (Menne et al. 2008).

4 Synergien von Klima- und Gesundheitsschutz

Auch wenn dieses Kapitel vornehmlich den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit und spezifischen Anpassungsmaßnahmen gewidmet ist, so soll hier noch auf wichtige Zusammenhänge von Gesundheit und Klima, in diesem Fall besonders Klimaschutz, eingegangen werden.

Klima- und Gesundheitspolitik sowie Gesundheitsverhalten können synergistisch wirken und sogenannte Win-win-Situationen oder health co-benefits von Klimaschutzmaßnahmen erzeugen. Nur eine kurze Liste von Beispielen für solche Effekte in Deutschland sei hier wiedergegeben:

Mobilität: Fahrradfahren und andere Formen des aktiven Transports vermeiden nicht nur CO2-Emissionen, sondern reduzieren auch das Herz-Kreislauf-Risiko (Woodcock et al. 2009).

Energie: Verminderte Treibhausgasemissionen durch verminderten Kfz-Verkehr, Energieeinsparungen und saubere Energiegewinnung verringern insbesondere in Städten die gesundheitlichen Risiken durch Luftverschmutzung (Markandya et al. 2009).

Gebäude: Eine Steigerung der Energieeffizienz durch gute Gebäudeisolierung kann die Anzahl von Krankheits- und Sterbefällen durch Hitze und Kälte reduzieren (Wilkinson et al. 2009).

Städtebau: Städtebauliche Maßnahmen wie der Ausbau städtischer Grünflächen bewirken eine CO2-Reduktion in der Luft und verringern durch kühlere Luft und Schatten (Kap. 21) das Risiko hitzebedingter Gesundheitsschäden (UN-HABITAT und EcoPlan International 2011).

Ernährung: Etwa 66 % der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland – insbesondere Methan – werden durch Viehzucht verursacht (Umweltbundesamt 2022). Eine Ernährung mit einem hohen Anteil gesättigter Fettsäuren aus tierischen Produkten bringt ein höheres Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit sich als eine Ernährung mit ungesättigten Fettsäuren aus pflanzlichen Produkten (Siri-Tarino et al. 2015). Zudem erhöht ein starker Konsum von verarbeiteten Fleisch- und Wurstwaren sowie der Konsum von rotem Fleisch das Risiko für die Entwicklung von Darmkrebs (Behrens et al. 2018; Boada et al. 2016). Eine Verringerung des Konsums tierischer Produkte und eine damit einhergehende Verringerung des Viehbestands kann somit dem Klima- und Gesundheitsschutz zuträglich sein (Friel et al. 2009).

Eine Förderung dieser und ähnlicher Maßnahmen würde dem Klima- und dem Gesundheitsschutz gleichermaßen gerecht.

Klimaresiliente und nachhaltige Gesundheitssysteme

Der deutsche Gesundheitssektor ist für etwa 6 bis 7 % der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich (Pichler et al. 2019). Diese entstehen zu etwa einem Drittel durch Emissionen aus Heizung und Energieverbrauch von Gesundheitseinrichtungen und zu etwa zwei Dritteln durch vor- und nachgelagerte Prozesse (HCWH 2019). Diese Prozesse beinhalten beispielsweise die Produktion von Pharmazeutika und Medizinprodukten, die Mobilität von Patienten und Mitarbeitern oder die Entsorgung von Abfall. Nach dem ärztlichen Prinzip, vor allem nicht zu schaden („primum non nocere“), ist auch der Gesundheitssektor dazu aufgerufen, bei gleichbleibender Versorgungsqualität seine Treibhausgasemissionen zu minimieren. Der britische nationale Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) hat sich bereits das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2040 gesetzt (NHS 2020).

Zudem veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation bereits 2015 ein Rahmenwerk für klimaresiliente Gesundheitssysteme, welches 2020 um den Aspekt der Nachhaltigkeit ergänzt wurde (WHO 2020). Klimaresiliente Gesundheitssysteme sollen trotz sich verändernder und steigender klimabedingter Belastungen weiter ihrer Grundfunktion nachkommen und ihre Leistung sogar verbessern können (WHO 2015). Dazu ist vorgesehen, dass Gesundheitssysteme einerseits ihre Kapazitäten im Katastrophenfall ausbauen und klimawandel- und nachhaltigkeitsspezifische Aspekte berücksichtigen. Die WHO fasst dazu zehn Punkte zusammen, zu denen beispielsweise die politische Verpflichtung und effektive Steuerung zum Aufbau von Klimaresilienz, die Integration des Klimawandels in die Aus- und Weiterbildung von Gesundheitspersonal, die multidisziplinäre Forschung zum Thema Gesundheit und Klimawandel und die Entwicklung und Nutzung klimaresilienter und nachhaltiger Produkte, Technologien und Infrastruktur zählt.

Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels wurden in diesem Kapitel ausführlich dargestellt und werden Länder im globalen Süden noch stärker betreffen als Deutschland (Patz et al. 2007). Um diesen Auswirkungen zu begegnen, gilt es also, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, die auch gesundheitliche co-benefits mit sich bringen, und Gesundheitssysteme klimaresilient und nachhaltig zu gestalten.

5 Kurz gesagt

Die WHO hat 2009 den Klimawandel als bedeutende und weiterhin zunehmende Bedrohung für die Gesundheit eingestuft. Auf die potenziellen Gefahren, die klimatische Veränderungen für die Gesundheit bedeuten können, wurde zuletzt durch den Lancet Countdown 2020 (Watts et al. 2020) hingewiesen. Dies gilt auch für Deutschland. Direkte Auswirkungen, die wir in Deutschland beobachten, sind beispielsweise eine steigende Anzahl von warmen Tagen und Hitzewellen, die vor allem chronisch Kranke und alte Menschen belasten. Zudem wirken sich Wetterphänomene auf Erreger und Überträger von Infektionskrankheiten, Pollenflug sowie Luftschadstoffe aus und beeinflussen dadurch indirekt die Gesundheit. Beispiele hierfür sind eine verlängerte Pollensaison mit verstärkter Belastung von Allergikern und die steigende Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Infektionserkrankungen auftreten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass klimatische Veränderungen verstärkt auch zur psychischen Belastung führen können (z. B. durch Extremereignisse) und das (Freizeit-)Verhalten der Menschen beeinflussen, die sich z. B. mehr im Freien aufhalten werden. Dadurch bedingt kann es zu einer erhöhten Exposition gegenüber UV-Strahlung, Vektoren wie Zecken oder auch Luftschadstoffen kommen, was die Gesundheit nochmals beeinträchtigen würde.

Klima- und Gesundheitspolitik weisen erhebliche Synergien auf. Diese müssen genutzt werden, um sowohl klimatische Veränderungen insgesamt als auch deren Folgen für die Gesundheit zu minimieren. Solche Maßnahmen zur Vermeidung sowie Anpassung an den Klimawandel sollten in intersektoraler Zusammenarbeit entwickelt und evaluiert werden.