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Transzendenz von Raum und Zeit im Romanzero

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Heinrich Heines „Romanzero“

Part of the book series: Heine-Studien ((HEINEST))

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Zusammenfassung

Im Gegensatz zum historischen Denken ist das mythische Denken nicht an die lineare Abfolge von Raum und Zeit gebunden. Dies macht sich auch im Romanzero anhand des scheinbar mühelosen Nebeneinanders verschiedenster Zeiten und Räume bemerkbar. Das Kapitel untersucht dies an exemplarischen Beispielen und Motiven, bspw. dem Tanz oder Wiedergängern, Untoten und Gespenstern, die in einer Art Zwischenraum zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten existieren. Mythisches Denken macht auf diese Weise Grenzen durchlässig. Was dem so denkenden Menschen aber nun Orientierung in der Welt gibt, verleiht dem menschlichen Leben im Romanzero aber indes keine Ordnung und gibt ihm keine Sicherheit. Der Blick in Vergangenheit und Zukunft macht das Unvertraute nicht vertraut, er zerstört vielmehr jede Hoffnung auf Besserung. Trost liefert allerhöchstens der Kunstgenuss, wobei anzumerken bleibt, dass auch die Dichtung im Romanzero temporär gedacht wird: auch sie also gibt keine dauerhafte Sicherheit.

Doch durch jahrelangen Umgang

Mit den Todten, nahm ich an

Der Verstorbenen Manieren

Und geheime Seltsamkeiten.

(Vitzliputzli, DHA 3.1, 58, V. 65–68)

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Notes

  1. 1.

    Hübner 2001, S. 107.

  2. 2.

    Höhn 2004, S. 141.

  3. 3.

    Winkler 1995, S. 19.

  4. 4.

    White 1986, S. 106.

  5. 5.

    Vgl. Lévi-Strauss 1967, S. 253.

  6. 6.

    Vgl. Abschn. 2.1.1.

  7. 7.

    Vgl. DHA 3.2, 562.

  8. 8.

    Memphis war nur bis Ende des 3. Jahrtausends Hauptstadt des ägyptischen Reiches.

  9. 9.

    Vgl. V. 105–108: An dem obern Tafelende, / Dort, wo heute Don Henrico / Fröhlich bechert mit der Blume / Castilian’scher Ritterschaft – Beachtenswert ist auch hier wieder das Motiv der Blume bzw. des Blühens, das in Verbindung mit Adel und Ritterschaft seit der frühen Historie Schelm von Bergen mit Willkürherrschaft und Tod verbunden ist.

  10. 10.

    DHA 3.2, 751.

  11. 11.

    Landwehr 2001, S. 197.

  12. 12.

    Denn auch der genannte Ort, das mittelspanische Segovia, war zwar Sitz von kastilischen Königen, widerspricht als Handlungsort allerdings den von Heine selbst genannten Quellen. Dort wird Sevilla als Ort der Ermordung Don Fredregos angegeben. Vgl. DHA 3.2, 751.

  13. 13.

    Vgl. dazu Abschn. 4.3.

  14. 14.

    September 1493 bis Juni 1496.

  15. 15.

    Kolumbus wird im Vitzliputzli als großer Mann bezeichnet: „Nach dem Christoval Kolumbus, / Nennt er jetzt Fernando Cortez / Als den zweiten großen Mann“ (DHA 3.1, 59, V. 13–15).

  16. 16.

    Steegers 2006, S. 24.

  17. 17.

    Zum Motiv der Venus im Vitzliputzli s. Steegers 2006, S. 27–30, das Kapitel Die Geburt der Venus.

  18. 18.

    DHA 3.2, 713.

  19. 19.

    Winkler 2016, S. 211.

  20. 20.

    Vgl. Winkler 2016, S. 212.

  21. 21.

    Winkler 2016, S. 213.

  22. 22.

    Burkert 1997, S. 91.

  23. 23.

    Cassirer 1964, S. 82.

  24. 24.

    Winkler 2016, S. 216.

  25. 25.

    Und damit strukturell an das Benutzen der Volksliedstrophe in Waldeinsamkeit erinnert, die auch nur Hülle war.

  26. 26.

    Wie dies eventuell Historien wie Rhampsenit oder König David nahelegen mochten.

  27. 27.

    Vgl. hierzu auch das Lazarus-Gedicht Sie erlischt, wo sich das lyrische Ich nach dem Verlöschen der Öllampe in der Dunkelheit verliert (Abschn. 2.2.1). Das Motiv des Sich-Verlierens ist also mehrmals im Romanzero angelegt.

  28. 28.

    Kontrafaktisch zwar, aber das spielt für die Erzählweise des Romanzero nur eine, wenn überhaupt, untergeordnete Rolle.

  29. 29.

    Vgl. DHA 3.1, 171, V. 413–416.

  30. 30.

    Mattheis 2001, S. 54–55.

  31. 31.

    Assmann 52005, S. 56–57.

  32. 32.

    Assmann 52005, S. 57. Vgl. auch das Kap. 2. Ritus und Fest als primäre Organisationsform des kulturellen Gedächtnisses in Assmann 52005, S. 56–59.

  33. 33.

    Wösner 2001, S. 166. S. auch Henrichs 1996, S. 21: „In der archaischen Gesellschaft standen die Welt des Mythos und die soziale Wirklichkeit der Poliskultur in einem bedeutsamen Wechselverhältnis; erst der mythische Bezug gab dem Alltäglichen Festcharakter. Die Tanzlieder behandelten meist mythische Themen, die paradigmatische Bedeutung hatten und den kultischen Tanz in die übergreifenden Strukturen des Mythos einbanden.“

  34. 34.

    Vgl. hierzu etwa auch den Ausruf des Königs, besonders V. 49–52.

  35. 35.

    Vgl. Abschn. 2.1.1.

  36. 36.

    Inwiefern wirklich eine Verwechslung vorlag bzw. ob die Herzogin die Identität des Schelms hätte erkennen müssen, s. Abschn. 2.1.1.

  37. 37.

    Assmann 52005, S. 59.

  38. 38.

    Guy 1984, S. 95.

  39. 39.

    Schon im Atta Troll dient der Tanz als Mittel zum ‚Aus-der-Haut-Springen‘: Hochtanz, wo der Stral der Gnade Das Talent entbehrlich machte, Und vor Seeligkeit die Seele Aus der Haut zu springen sucht! (DHA 4, 31, V. 69–72) Vgl. zu diesem Motiv Yongqiang 2015, S. 181–192.

  40. 40.

    Mann 1936, S. 496.

  41. 41.

    Cassirer 1964, S. 51.

  42. 42.

    Cassirer 1964, S. 285.

  43. 43.

    Park-Shims 2008, S. 191.

  44. 44.

    Vgl. DHA 3.1, 143, V. 41–48 sowie Abschn. 2.3.2 dieser Arbeit.

  45. 45.

    2. Mose 32, 17–22.

  46. 46.

    Vgl. hierzu Gebhard 1956, S. 67.

  47. 47.

    Vgl. etwa die Ausführungen Gebhards (1956), S. 65–66, die naheliegenderweise im Kalb auch immer den Gott Mammon sieht.

  48. 48.

    Mann 1944, S. 869. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass Thomas Mann sich bei der Beschreibung des Tanzes um das Goldene Kalb ganz explizit auf das Heine-Gedicht bezieht. Vgl. hierzu: Hansen 1975, S. 258–259.

  49. 49.

    So die berühmt gewordene Beschreibung Hegels in der Phänomenologie des Geistes (Hegel 1807, S. 39).

  50. 50.

    Vgl. Angehrn 1996, S. 155.

  51. 51.

    Vgl. etwa Rhampsenit, Schelm von Bergen oder Pfalzgräfin Jutta.

  52. 52.

    Das Dionysische ist gerade nicht ein Heraustreten aus jeder Ordnung, es ist Teil einer Ordnung, insofern ihm das Apollinische gegenübersteht. Ein solcher Gegenpol zur Auflösung fehlt im Romanzero.

  53. 53.

    Vgl. auch Assmann 52005, S. 33: „Die ursprünglichste Form, gewissermaßen die Ur-Erfahrung jenes Bruchs zwischen Gestern und Heute, in der sich die Entscheidung zwischen Verschwinden und Bewahren stellt, ist der Tod.“

  54. 54.

    Hübner 2001, S. 107.

  55. 55.

    Assmann 52005, S. 61.

  56. 56.

    Vgl. hierzu etwa Hinck 2000, S. 90: „Die ‚Historie‘ Marie Antoinette ist bezogen auf die politischen Verhältnisse um 1850; sie läßt sich verstehen als Protest gegen das Erbe des Ancien régime in den restaurativen Monarchien Deutschlands.“

  57. 57.

    DHA 3.2, 605.

  58. 58.

    Dass grundsätzlich ein spöttischer Tonfall herrscht, ist natürlich nicht abzustreiten, wie etwa die vorletzte Strophe zeigt: „Die Oberhofmeisterin steht dabey, / Sie fächert die Brust, die weiße, / Und in Ermanglung eines Kopfs / Lächelt sie mit dem Steiße.“ (V. 53–56).

  59. 59.

    Vgl. Liedtke 2004, S. 18.

  60. 60.

    Hinck 31978, S. 57.

  61. 61.

    Vgl. hierzu auch Landwehr 2001, S. 153. Landwehr bietet darüber hinaus eine historisierende Deutung des Gedichts an, die vor allem den Ort des Geschehens, den „Pavillon de Flor’“ (V. 5), in den Blick nimmt (vgl. Landwehr 2001, S. 154–159).

  62. 62.

    Bodi 1973, S. 240. Vgl. dazu auch Liedtke 2004, S. 18–19.

  63. 63.

    Anglade 1989, S. 310.

  64. 64.

    Anglade deutet das Gedicht als Reaktion auf den hannoveranischen Verfassungskonflikt 1837, der mit der Entlassung der ‚Göttinger Sieben‘ endet. Die sieben ertränkten Ritter symbolisieren dabei die sieben entlassenen Professoren. Vgl. Anglade 1989, S. 316–344.

  65. 65.

    Lieberwirth 1971, S. 1009.

  66. 66.

    Nicht unerwähnt bleiben soll auch, dass die Ritter durch das Ertränken auch in eine tierische Sphäre überführt werden. Ertränkt werden auch sprichwörtlich Ratten, die als Ungeziefer und Krankheitserreger schlechthin geltenden Tiere. Im antiken Rom existierte darüber hinaus noch die besonders demütigende Todesstrafe des Säckens, in dem der Verurteilte zusammen mit einem Tier (Hund, Hahn, Katze, Affe) in einem Sack ertränkt wurde. (Vgl. von Hentig 1954, S. 305)

  67. 67.

    Vgl. Albertus Magnus. Von den Geheimnissen der Weiber in Des Knaben Wunderhorn (von Arnim/Brentano 1808, S. 225–230).

  68. 68.

    Anglade 1989, S. 311. Etwas unglücklich scheint mir an dieser Stelle der Rekurs auf „willkürliche“ Gewalt. Die Gewalt ist ja nicht willkürlich, sie wird von Jutta ausschließlich gegen Ritter angewandt, die ihr die Treue geschworen. Das macht sie ungerecht und unmoralisch – aber eben sehr zielgerichtet.

  69. 69.

    Höhn 2004, S. 144. Das ist insofern nicht ganz korrekt, denn am Ende des Gedichts ist der Tod des Königs zwar besiegelt, aber er lebt eben noch. – Vgl. zum Gottesgnadentum bei Heine auch Landwehr 2001, S. 170–171. Zum Henkermotiv bei Heine (allerdings überraschenderweise ohne Bezugnahme auf Schelm von Bergen) siehe von Matt 1994, S. 149–158.

  70. 70.

    Sittig 2011, S. 177.

  71. 71.

    Sittig 2011, S. 177.

  72. 72.

    Abels 1973, S. 99. Abels kommt (ebd.) zu dem Schluss, Heine auf Seiten der Revolutionäre zu verorten, „denen die Hinrichtung der Könige ein nicht zu hoher Preis für die Errungenschaften der Revolution ist.“.

  73. 73.

    Höhn 2004, S. 144–145.

  74. 74.

    Zur Übernahme des Schlafliedmotivs und zur Variation der drei verwendeten Schlaflieder siehe Hinck 1972, S. 290–293.

  75. 75.

    Zur Struktur und zum Spiel mit den verschiedenen Tempi s. Bayerdörfer 1972/3.

  76. 76.

    Sittig 2011, S. 178.

  77. 77.

    Der Titel Carl I. zeigt, dass der Versuch des Einlullens nicht fruchten wird, die historische Wirklichkeit der Hinrichtung Carls lässt sich nicht leugnen. Anders sähe dies aus, hätte Heine sich, wie in der ersten Handschrift, für den in dieser Hinsicht neutralen Titel Das Wiegenlied entschieden. So aber ist der Protagonist nicht Sinnbild für einen beliebigen Herrscher, sondern trägt die individuellen Züge Karls I., dessen Schicksal feststeht. Vgl. hierzu DHA 3.2, 593–594.

  78. 78.

    Zum Begriff des Köhlerglaubens und dessen Verbreitung Mitte des 19. Jahrhunderts vgl. Bayerdörfer 1972/3, S. 446–447.

  79. 79.

    Ansonsten spricht der König von sich in der ersten Person Singular und das Köhlerkind direkt mit „du“ an.

  80. 80.

    Von Matt 1994, S. 149.

  81. 81.

    Daneben handelt es sich hierbei leicht erkennbar um eine Anspielung auf die Klage Gretchens in Faust I: „Meine Ruh ist hin, / Mein Herz ist schwer; / […] Wo ich ihn nicht hab’, / Ist mir das Grab, / Die ganze Welt / Ist mir vergällt.“ Goethe 1808, S. 170.

  82. 82.

    Auch der Stall findet mehrmals Erwähnung: „Es blöken im Stalle die Schaafe –“ (V. 6 und 34) –, bzw. wird durch den Refrain „Eyapopeya, was raschelt im Stroh?“ in jeder Liedstrophe leitmotivisch aufgerufen. Auch Walter Hinck spricht dem Gedicht am Ende jeden Sinn von Naivität ab, den man durch die Anklänge an Kinderliedern zunächst vermuten könnte und betont den politischen Charakter des Gedichts: „Wenn die Kinderliedverse – in der Schlußstrophe – zum erstenmal in ununterbrochener Folge zusammen erscheinen, wenn die verstreuten Elemente des Wiegenlieds endlich vereint sind, haben sie zugleich ihren ganzen naiven Sinn eingebüßt. Nicht nur die bildliche Wendung Das Kätzchen ist tot, auch ihr Komplement die Mäuschen sind froh ist nun metaphorisch festgelegt. Im Grunde haben wir hier sogar eine Metapher ‚in der Potenz‘, in der zweiten Dimension. ‚Mäuschen‘ steht als Metapher für die Köhlerkinder, ‚Köhlerkinder‘ wiederum ist eine Synekdoche, ist Bild für das ‚Volk‘. Diese doppelschichtige Metapher bestimmt die ‚Historie‘ zum politischen Gedicht. Es geht Heine nicht um die geschichtliche Faktizität, sondern um die Aktualisierbarkeit des historischen Ereignisses.“ (Hinck 1972, S. 296–297)

  83. 83.

    Vordergründig nicht aus politischen, vielmehr aus religiösen Gründen. Heine wurde schlichtweg Blasphemie vorgeworfen. Vgl. DHA 3.2, 650 sowie Landwehr 2001, S. 46. Der Vorwurf der Blasphemie scheint noch in Untersuchungen Mitte des 20. Jahrhunderts durch, etwa bei Gebhard (Gebhard 1956, S. 80–83).

  84. 84.

    In der Vulgata: „Miserere mei, Deus, secundum magnam misericordiam tuam.

  85. 85.

    Vgl. Greinz 1894, S. 28.

  86. 86.

    DHA 3.2, 651.

  87. 87.

    DHA 3.2, 651.

  88. 88.

    Und auch wenn man dem Kommentar folgt und Heine das Keuschheitsgelübde ins Lächerliche zieht: Die Konsequenzen des Bruchs des Gelübdes bleiben ja nur allzu real.

  89. 89.

    Heine überlässt hier nichts dem Zufall. So endet etwa V. 35 – „Und er sprach: Vermaledeit“ – entgegen der eigentlichen Romanzenstrophe mit einer männlichen Kadenz. Das aber korreliert mit dem Fluchwort und „verstärkt den Kontrast zwischen dem sanft weinenden und dem verdammenden Jesus.“ (Gebhard 1956, S. 82)

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Ritzen, P. (2023). Transzendenz von Raum und Zeit im Romanzero. In: Heinrich Heines „Romanzero“. Heine-Studien. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66641-8_4

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