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FormalPara Kernaussagen

Zwischen November 2020 und April 2021 wurde im Rahmen der bundesweit repräsentativen Studie „Hohes Alter in Deutschland“ eine schriftliche Befragung von mehr als 10.000 Personen ab 80 Jahren zu deren Lebenssituation und Lebensqualität durchgeführt. Hiervon beantworteten 3233 Personen bis Dezember 2021 in einem zusätzlichen telefonischen Interview weitergehende Inhalte, unter anderem war ein kognitives Screening Teil der telefonischen Interviews. Dieser siebte Kurzbericht aus der deutschlandweiten Repräsentativbefragung stellt dar, wie hochaltrige Menschen mit Demenz wohnen und versorgt werden und beschreibt ihre subjektive Lebensqualität während der Pandemie.

18,1 % der Ab-80-Jährigen werden als demenzerkrankt eingestuft. 24,9 % haben eine leichte kognitive Beeinträchtigung und 57,0 % keine Einschränkungen in der Kognition.

69,6 % der hochaltrigen Menschen mit Demenz leben in Privathaushalten, 18,6 % in Pflegeinrichtungen. Neuere Versorgungskonzepte wie Wohnpflegegruppen (1,3 %) oder ambulant betreute Wohn- und Hausgemeinschaften (0,4 %) werden noch nicht stark genutzt. 37,8 % der Menschen mit Demenz in Privathaushalten erhalten weder private Pflege noch professionelle Pflege.

Menschen mit Demenz erleben positive Emotionen, allerdings seltener als Menschen ohne Einschränkungen der Kognition.

Menschen mit Demenz zeigen deutlich mehr Symptome einer Depression als Menschen ohne kognitive Einschränkung (1,9 vs. 1,1 Symptome). Dieser Unterscheid ist in Pflegeheimen noch einmal verstärkt (2,7 vs. 1,4 Symptome).

Kognitive Beeinträchtigungen haben einen deutlichen Effekt auf die Lebenszufriedenheit. Menschen mit Demenz bewerten ihre Lebenszufriedenheit mit 6,5 geringer als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (durchschnittlich 7,1) oder Menschen ohne Einschränkungen der Kognition (durchschnittlich 7,6).

Menschen mit Demenz erleben weniger Autonomie als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung oder Menschen ohne Einschränkungen der Kognition. Der Unterschied zwischen Menschen mit Demenz und Menschen ohne Einschränkungen der Kognition ist in der Heimbevölkerung (2,0 vs. 3,2) größer als in Privathaushalten (3,2 vs. 3,6).

Einleitung

Auch im hohen Alter bestimmen kognitive Fähigkeiten die Möglichkeit zu Selbstständigkeit (z. B. beim Einkaufen und Zubereiten von Speisen) und gesellschaftlicher Teilhabe (z. B. für die Teilnahme an Gesprächen). Eine Gruppe von Erkrankungen, die eine Einschränkung der Kognition nach sich ziehen, sind Demenzerkrankungen, unter denen die Alzheimererkrankung die häufigste ist. In Deutschland sind in der Gruppe der Ab-80-Jährigen ca. 1 Million Menschen an einer Demenz erkrankt (eigene Berechnung auf Basis von Alzheimer Yearbook, 2019). In diesem Kurzbericht zur Lebenslage der Ab-80-Jährigen in Deutschland wird daher die Lebenssituation von Menschen mit Demenz fokussiert.

Demenzerkrankungen

In der zehnten Version der internationalen statistischen Klassifikation der Erkrankungen und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) werden Demenzerkrankungen definiert als

„ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.“ (Weltgesundheitsorganisation 2022).

Für die Diagnose einer Demenz nach ICD-X müssen Störungen des Gedächtnisses, des Denkvermögens und der emotionalen Kontrolle über einen Zeitraum von 6 Monaten vorliegen. Die Störungen dürfen nicht durch andere Erkrankungen hervorgerufen sein (Mahlberg und Gutzmann 2009).

Der beschriebene Symptomkomplex kann durch verschiedene Erkrankungen ausgelöst werden. Auf einer ersten Ebene werden primäre und sekundäre Demenzerkrankungen unterschieden. Primären Demenzerkrankungen liegen hirnorganische Schädigungen zu Grunde, die auf eine Erkrankung des Gehirns selbst zurückgeführt werden können und in der Regel nicht reversibel sind (Doblhammer et al. 2012; Engel 2012). Die häufigsten primären Demenzerkankungen sind die Alzheimer Demenz, die vaskuläre Demenz, Demenz bei Parkinson und Lewy-Körperchen Krankheit und die Frontotemporale Demenz (vgl. Abb. 1). Bei sekundären Demenzformen treten kognitive Symptome in Folge von anderen Erkrankungen oder Verletzungen auf, die nicht primär das Gehirn betreffen (Doblhammer et al. 2012). Sie können reversibel sein, wenn die zu Grunde liegende Erkrankung geheilt werden kann (zum Beispiel Mangelernährung). Die Bestimmung von Demenzformen und sukzessive Schätzungen zu ihrer Häufigkeit werden durch häufiges Auftreten von gemischten Formen eingeschränkt. Abb. 1 zeigt eine mögliche Verteilung der Häufigkeit der einzelnen primären Demenzerkrankungen.

Abb. 1
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Häufigkeit von Demenztypen. (Angaben nach Mahlberg, Gutzmann 2012, eigene Darstellung)

Risikofaktoren von Demenzerkrankungen

Bedeutendster Risikofaktor für Demenzerkrankungen ist das Alter (Abbott 2011). In der Gruppe der 80–84-Jährigen beträgt die Prävalenz von Demenzerkrankungen ca. 12 %, bei den Ab-90-Jährigen sind es bereits 41 %. Aus der geschlechtsabhängigen Darstellung der Prävalenzen (vgl. Tab. 1) geht zudem hervor, dass Frauen häufiger an Demenz erkranken als Männer.

Tab. 1 Prävalenz von Demenzerkrankungen bei Ab-80-Jährigen. (Eigene Berechnungen auf Basis von Alzheimer Europe 2019)

Im Zuge des demografischen Wandels wird daher von einer Zunahme der Menschen mit Demenz auf ca. 1,8 Millionen im Jahr 2025 und auf ca. 2,7 Millionen im Jahr 2050 ausgegangen (Alzheimer Europe 2019), bzw. 1,2 Millionen (2025) und 2,1 Millionen (2050) bei den Ab-80-Jährigen. Ein weiterer Risikofaktor für Demenzerkrankungen ist eine geringe Bildung (Anstey et al. 2019). Neben den demografischen Einflussfaktoren haben auch der Lebensstil (u. a. Ernährung, körperliche Aktivität, Rauchverhalten, Alkoholkonsum), die Gesundheit (Diabetes, Depressivität, Body-Mass-Index, Cholesterinspiegel), Medikamente und Umweltfaktoren einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit an einer Demenz zu erkranken (ebd.). In Ostdeutschland sind mehr Menschen von einer Demenz betroffen als in Westdeutschland (Doblhammer et al. 2012).

Verlauf von Demenzerkrankungen und Versorgung von Menschen mit Demenz

Die beschriebenen kognitiven Beeinträchtigungen wie auch die Veränderungen des Verhaltens, der emotionalen Kontrolle und der Motivation verstärken sich im Verlauf der Erkrankung – bei der Alzheimer Demenz in der Regel langsam und kontinuierlich, bei der vaskulären Demenz verläuft die Zunahme oftmals in Krankheitsschüben. Zu Beginn der Erkrankungen sind die Erkrankten noch in vielen Tätigkeiten selbstständig – Unterstützung benötigen sie bei komplexen Aktivitäten, wie dem Führen des Bankkontos oder dem Durchführen von Reisen – auch die Fahrtauglichkeit kann noch gegeben sein. Im mittleren Stadium der Erkrankung benötigen die Betroffenen auch bei einfachen Tätigkeiten des Alltags Unterstützung, sie können zur Zeit und zum Ort desorientiert sein, die Fahrtauglichkeit ist nicht mehr gegeben. Das Stadium der schweren Demenz ist von vollständiger Pflegebedürftigkeit gekennzeichnet, die Erkrankten sind bettlägerig und eine sprachliche Verständigung mit ihnen gelingt in der Regel nicht mehr (Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. 2019a).

Vielen Demenzerkrankungen geht ein Stadium der leichten kognitiven Beeinträchtigung (mild cognitive impairment: MCI) voraus, in dem subjektiv leichte kognitive Schwierigkeiten bestehen, die aber nicht zu einer Einschränkung in alltagspraktischen Tätigkeiten führen. Die leichte kognitive Beeinträchtigung ist weder ein zwingendes Vorstadium zur Demenz, noch führt jede leichte kognitive Beeinträchtigung zu einer Demenz: bei ca. 38 % der Personen bildet sich die leichte kognitive Beeinträchtigung zurück (Roberts et al. 2014).

Mit dem beschriebenen Abbau von Alltagskompetenzen gehen Hilfebedarfe einher, die von anderen Personen gedeckt werden. Hierfür relevante Akteursgruppen der individuellen Versorgungsarrangements sind professionell Pflegende, qualifizierte Freiwillige und pflegende Angehörige (Bubolz-Lutz und Kricheldorff 2006), letztere übernehmen den größten Anteil von Pflege und Unterstützung (Kutzleben et al. 2017). Ohne das Engagement pflegender Angehöriger wäre die häusliche Versorgung von Menschen mit Demenz oftmals nicht möglich (Kutzleben et al. 2017). In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von alternativen und innovativen Wohn- und Versorgungskonzepten entstanden, die speziell auf Bedürfnisse von Menschen mit Demenz ausgerichtet sind (Kricheldorff und Aner 2021), z. B. Wohnpflegegruppen, ambulant betreute Haus- oder Wohngemeinschaften. Dennoch ist zum Ende der Demenz der Umzug in ein voll-stationäres Pflegesetting nach wie vor die Regel, 57,1 % der Menschen mit Demenz sterben im Pflegeheim (Dasch und Lenz 2021).

Mit der Demenz einher gehen psychiatrische Symptome, wie Angst und Einsamkeit (Gutzmann und Zank 2005), die ein negatives Erleben der Erkrankung nahelegen. Auch wenn eine Therapie der zu Grunde liegenden Erkrankungen in der Regel nicht möglich ist, haben sich eine Reihe von Therapieoptionen als wirksam für diese psychiatrischen Begleitsymptome der Demenz erwiesen. Dies trifft vor allem auf psychosoziale Interventionen zu, die das emotionale Wohlbefinden stützen, Verhaltenssymptome mildern und auch zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit im Alltag beitragen (Kurz 2013). Ebenso bedeutend erscheint die Nähe zu Bezugspersonen, die den Menschen mit Demenz emotionalen Halt bieten kann (Engel 2012).

Möglichkeiten zur Nutzung psychosozialer Angebote werden durch die Coronapandemie beeinflusst (Geyer et al. 2020), Pflegeheime reagierten auf die Pandemie mit Zugangsbeschränkungen (Schulz-Nieswandt 2020). Eine Analyse der Lebensqualität von Menschen mit Demenz während der Pandemie erscheint daher notwendig.

Ziel

Auf Grundlage der im Projekt „Hohes Alter in Deutschland“ D80+ erhobenen Daten nimmt dieser Bericht daher eine Analyse der Lebensqualität und der Versorgung von hochaltrigen Menschen mit Demenz in Deutschland im Vergleich zu kognitiv wenig beeinträchtigten und kognitiv nicht beeinträchtigten Menschen vor.

Methodik

Datengrundlage für diesen Bericht ist die Studie D80+ „Hohes Alter in Deutschland“. In diesem Bericht werden Auskünfte aus den Telefoninterviews (n = 3233) wie auch Teile der schriftlichen Befragung dieser Teilnehmenden verwendet. 82,9 % (n = 2681) der Interviews wurden mit den Zielpersonen selbst durchgeführt. 17,1 % der Personen sind durch Stellvertreterinterviews repräsentiert (n = 522).

Messung von kognitiver Leistungsfähigkeit

Für die Klassifizierung von Kognition wurden in der Stichprobe zwei verschiedene kognitive Screenings eingesetzt. In den Interviews, die mit der Zielperson selbst durchgeführt wurden, wurde eine adaptierte Version des DemTect (Kalbe et al. 2004) durchgeführt. Der DemTect ist ein kognitives Screening das eine Klassifizierung in die drei Gruppen „Menschen mit Demenz“ (0–8 Punkte), „Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung“ (9–12 Punkte) und „kognitiv nicht beeinträchtigte Menschen“ (13–18 Punkte) zulässt. Menschen mit Demenz werden mit dem DemTect zu 94,1 % (Sensitivität) als demenzerkrankt eingestuft. Gesunde werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 91,4 % (Spezifität) als gesund klassifiziert. Der DemTect besteht aus fünf Untertests: Wortliste lernen, Zahlen umwandeln, semantische Wortflüssigkeit, Zahlenfolge rückwärts und verzögerter Abruf der Wortliste. Bis auf den Test zur Zahlenumwandlung konnten in D80+ alle Tests telefonisch durchgeführt werden. Anhand der Vorgängerstudie NRW80+ wurde eine neue Auswertungsmetrik für die vier verbleibenden Tests entwickelt, mit der eine Klassifikation in die genannten drei diagnostischen Kategorien auch in D80+ ermöglicht wurde. Für Demenzerkrankungen liegt die Spezifität dieses neuen Verfahrens bei 96 % und die Sensitivität beträgt 68 %.

In den Interviews, die mit Stellvertretern geführt worden sind, wurde die Global Deterioration Scale (Reisberg et al. 1982) erhoben. Hier können Angehörige die Schwere von kognitiven Defiziten in 7 Stufen bewerten. Die GDS-Skala erlaubt ebenfalls eine Überführung in die drei Kategorien „Menschen mit Demenz“ (vier bis sieben Punkte), „Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung“ (drei Punkte) und „kognitiv nicht beeinträchtigte Menschen“ (ein bis zwei Punkte) (Reisberg et al. 2011).

Wohnformen

Die Befragten wurden zudem gebeten Angaben zu ihrer Wohnsituation zu machen. Auf die Frage „Wie wohnen Sie?“ konnten die Antworten „In einer privaten Wohnung/einem privaten Haus“, „In einem Altenheim/einer Pflegeeinrichtung“, „In einer Wohnpflegegruppe“, „In einem Mehrgenerationenhaus“, „In einer Seniorenresidenz“, „In einem Altenwohnheim/einer Wohnanlage mit betreutem Wohnungen“ und „In einer ambulant betreuten Haus- oder Wohngemeinschaft“ gegeben werden. Für Vergleiche wurde zudem eine binäre Variable mit den Kategorien Privathaushalt und Heim erstellt, die neben Fragebogenantworten auch Angaben der Einwohnermeldeämter nutzt.

Indikatoren von Lebensqualität

Als Indikatoren von Lebensqualität der Menschen mit Demenz werden vier Konstrukte analysiert. Wohlbefinden und Depressivität stellen gemeinsam die affektive Komponente von Lebensqualität dar. Das Konzept der Lebenszufriedenheit zielt auf die Bewertung des eigenen Lebens ab. Autonomie thematisiert die Möglichkeit das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und thematisiert damit auch Möglichkeiten der gelingenden Lebensführung.

Wohlbefinden wird durch die fünf positiven Items des Positive and Negative Affect Schedule (Watson et al. 1988) erfragt. Die Befragten können in fünf Kategorien (zwischen „nie“ und „immer“) die Häufigkeit von positiven Emotionen (begeistert, aufmerksam, freudig erregt oder erwartungsvoll, angeregt und entschlossen) beschreiben. Der Mittelwert der fünf Items wird berichtet, mögliche Werte liegen zwischen eins und fünf. Depressivität wird mit der Kurzversion der „Depression-im-Alter-Skala“ dargestellt (Heidenblut und Zank 2014, 2020). Hier kann das Auftreten von vier Symptomen einer Depression mit „Ja“ oder „Nein“ angegeben werden. Die Anzahl der „Ja“-Angaben wird in diesem Bericht dargestellt. Lebenszufriedenheit wird mit der Frage „Alles in allem, wie zufrieden sind sie gegenwärtig mit Ihrem Leben?“ gemessen. Die Frage kann in Zahlen von 0 (ganz und gar unzufrieden) bis 10 (Ganz und gar zufrieden) beantwortet werden. Abschließend wird noch die Autonomie der Teilnehmer dargestellt, die mit der Frage „Gestalten Sie ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen?“ erfragt wurde. Mögliche Werte liegen zwischen eins („Trifft gar nicht zu“) und vier („Trifft genau zu“).

Ergebnisse

Die Ergebnisse dieses Berichtes basieren auf den Daten des zusätzlichen telefonischen Interviews mit folgenden Fallzahlen für die dargestellten Subgruppen hochaltriger Menschen in Deutschland: Männer (n = 1226, 37,9 %), Frauen (n = 2007, 62,1 %); 80–84 Jahre (n = 1909, 59,1 %), 85–89 Jahre (n = 870, 26,9 %), 90 Jahre und älter (n = 454, 14,0 %); Bildung hoch (n = 570, 18,2 %), mittel (n = 1840, 58,8 %), niedrig (n = 720, 23,0 %); Privathaushalt (n = 2906, 89,9 %), Heim (n = 327, 10,1 %); einkommensstark (n = 296, 11,2 %), mittleres Einkommen (n = 1779, 67,7 %), einkommensschwach (n = 555, 21,1 %); altersadäquate Kognition (n = 1695, 57,0 %), leichte kognitive Beeinträchtigung (n = 739, 24,9 %), Verdacht auf beginnende Demenz (n = 539, 18,1 %).

18,1 % der Hochaltrigen haben eine Demenzerkrankung, 24,9 % eine milde kognitive Beeinträchtigung. Die Mehrheit der Hochaltrigen (57,0 %) hat keine Einschränkungen der Kognition.

Nach der Einteilung durch die adaptierte Version des DemTect und der GDS-Skala werden 18,1 % der D80+ Stichprobe als demenzerkrankt eingestuft, 24,9 % haben eine leichte kognitive Beeinträchtigung und 57,0 % keine Einschränkungen in der Kognition (vgl. Abb. 2). Die Prävalenz von 18,1 % entspricht in etwa der erwarteten Prävalenz von 19,2 %. Die Einbindung von Menschen mit Demenz in die Stichprobe war damit erfolgreich.

Abb. 2
figure 2

Häufigkeit von Demenzerkrankungen in D80+

Häufigkeit von kognitiven Einschränkungen in den Strukturvariablen

Der Einschluss von Menschen mit Demenz in die D80+ Stichprobe ist gut gelungen. In den Strukturvariablen, Alter, Geschlecht, Bildung, Region und Wohnformen zeigen sich erwartete Effekte. Lediglich bei den ab 90-jährigen Frauen muss von einer Unterrepräsentanz in der Stichprobe ausgegangen werden.

Wird die Häufigkeit von kognitiven Einschränkungen differenziert nach Alters- und Geschlechtsgruppen der D80+ Stichprobe dargestellt, zeigt sich zunächst der erwartete Alterseffekt mit einer Zunahme der Prävalenz von Demenzerkrankungen in den älteren Altersgruppen. Der erwartete Einfluss des Geschlechts zeigt sich in der Stichprobe nicht. In allen Altersgruppen liegt die Prävalenz in der Stichprobe bei den Männern höher und bei den Frauen niedriger als erwartet. Deutliche Abweichungen treten bei den Männern im Alter von 85–89 Jahren und den Frauen ab einem Alter von 90 Jahren auf. Bei den ab 90-jährigen Frauen beträgt die Demenzprävalenz 29 %, was deutlich unter dem erwarteten Wert von 44 % liegt. Die Rekrutierung von Frauen ab 90 Jahren mit Demenz in die Stichprobe ist damit nicht gut gelungen. Zudem ist ersichtlich, dass in den Altersgruppen bis 89 Jahren die gesunden Teilnehmer die größte Gruppe sind. Bei den 80–89-Jährigen ist ein Altern ohne kognitive Erkrankungen die Norm (vgl. Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Kognition in Alters- und Geschlechtsgruppen

In der Differenzierung nach Bildungsabschlüssen zeigt sich bei Menschen mit hohem Bildungsniveau eine deutlich geringere Prävalenz von Demenzerkrankungen. Nur 7 % der Menschen mit hohem Bildungsabschluss haben eine Demenzerkrankung, von den Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss sind es 28 % (vgl. Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Kognition und Bildung

In Westdeutschland ist die Prävalenz von Demenzerkrankungen und leichter kognitiver Beeinträchtigung minimal geringer als in Ostdeutschland. Auch dieser Effekt entspricht den erwarteten Ergebnissen. Eine Verzerrung der Stichprobe hinsichtlich der Region kann nicht gefunden werden (vgl. Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Kognition in Ost- und Westdeutschland

Die Aufschlüsselung nach Wohnform, zeigt, dass in der Heimbevölkerung Demenzerkrankungen überwiegen. 55 % der hochaltrigen Heimbevölkerung werden als demenzerkrankt eingestuft, weitere 30 % haben eine leichte kognitive Einschränkung. In Privathaushalten ist die Mehrheit der Bevölkerung kognitiv gesund (62 %) (vgl. Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Kognition nach Wohnform

Wohnform und Versorgung kognitiv beeinträchtigter und kognitiv nicht beeinträchtigter Menschen

Die Mehrheit (69,6 %) der hochaltrigen Menschen mit Demenz lebt in Privathaushalten. Neuere Versorgungsformen werden von den Ab-80-jährigen Menschen mit Demenz nur selten genutzt. 37,8 % der Menschen mit Demenz in Privathaushalten erhalten weder private Pflege noch professionelle Unterstützung.

Der folgende Absatz thematisiert die Versorgungsform der hochaltrigen Menschen mit Demenz in Deutschland. Der Datensatz wird hierfür auf die Personen beschränkt, die als demenzerkrankt klassifiziert wurden. Die Mehrheit (69,6 %) der hochaltrigen Menschen mit Demenz lebt in Privathaushalten. Weitere 18,6 % der hochaltrigen Menschen mit Demenz leben in einem Altenheim. 11,7 % wohnen in weiteren Wohnmodellen, von denen Mehrgenerationenhäuser (5,6 %) die häufigsten sind. Alternative Wohnkonzepte wie Wohnpflegegruppen oder ambulant betreute Hausgemeinschaften werden in der Breite häufig noch nicht genutzt. Sie kommen bei weniger als 2 % der hochaltrigen Menschen mit Demenz vor (vgl. Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Wohnformen von hochaltrigen Menschen mit Demenz

Die Menschen mit Demenz, die in Privathaushalten leben, wurden zudem gefragt, ob sie einen ambulanten Pflegedienst oder eine Tagespflege nutzen. 7,6 % der befragten Menschen mit Demenz geben an, einen ambulanten Pflegedienst und keine Tagespflege zu nutzen, 2,9 % nutzen nur eine Tagespflege, weitere 3,4 % nutzen beide Angebote. 60,8 % dieser befragten Menschen mit Demenz geben an, weder einen ambulanten Pflegedienst noch eine Tagespflege zu nutzen. In dieser Frage waren 25,3 % der Antworten aufgrund fehlender Angaben nicht nutzbar (vgl. Abb. 8). 39,4 % der befragten Menschen mit Demenz in Privathaushalten geben an, von Angehörigen Unterstützung zu erhalten. Werden die beiden Angaben zusammenausgewertet, zeigt sich, dass 37,8 % der Menschen mit Demenz in Privathaushalten weder von Angehörigen gepflegt werden noch eine Tagespflege oder Unterstützung von einem ambulanten Pflegedienst erhalten. 44,2 % der Menschen mit Demenz in Privathaushalten leben alleine, 45,1 % leben in einem Zweipersonenhaushalt.

Abb. 8
figure 8

Versorgung von Menschen mit Demenz in Privathaushalten

Subjektive Lebensqualität und Kognition

In allen dargestellten Indikatoren bewerten Menschen mit Demenz, die in Privathaushalten leben, ihre Lebensqualität etwas schlechter als Menschen ohne Demenz. In der Heimbevölkerung vergrößern sich diese Unterschiede zwischen Menschen mit Demenz und BewohnerInnen ohne Einschränkung der Kognition.

Abschließend werden nun vier Indikatoren subjektiver Lebensqualität dargestellt, die aufzeigen wie es Menschen mit Demenz in der Pandemie geht. Zum Vergleich werden auch die Gruppen „Menschen ohne Einschränkungen der Kognition“ und „Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung“ dargestellt, die auch im zehnten Bericht zur Studie D80+ „Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden“ differenziert werden.

Wohlbefinden

Menschen mit Demenz erleben positive Emotionen, allerdings seltener als Menschen ohne Einschränkungen der Kognition.

Einschränkungen in der Kognition haben einen Effekt auf die Häufigkeit von Wohlbefinden. Menschen ohne Einschränkung der Kognition erleben Wohlbefinden am häufigsten (Mittelwert 3,3). Je stärker die Einschränkung der Kognition, desto geringer ist das Wohlbefinden (Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung: 3,1, Menschen mit Demenz: 2,8) (vgl. Abb. 9). Wohlbefinden erleben hochaltrige Menschen mit Demenz, die in Privathaushalten leben wie auch hochaltrige Menschen mit Demenz in Pflegeheimen. Letzere erleben jedoch signifikant weniger positive Emotionen wie Freude und Begeisterung als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung und kognitiv normal Alternde (vgl. Abb. 10).

Abb. 9
figure 9

Wohlbefinden und Kognition

Abb. 10
figure 10

Wohlbefinden und Kognition differenziert nach Wohnform

Depressivität

Menschen mit Demenz zeigen deutlich mehr Symptome einer Depression als Menschen ohne kognitive Einschränkung (1,9 vs. 1,1 Symptome). Dieser Unterscheid ist in Pflegeheimen noch einmal verstärkt (2,7 vs. 1,4 Symptome).

Symptome einer Depression treten in allen drei Gruppen auf. Menschen mit Demenz erleben deutlich mehr der vier erfragten depressive Symptome (Mittelwert 1,9) als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (Mittelwert 1,4) oder kognitiv nicht beeinträchtigte Menschen (Mittelwert 1,1) (vgl. Abb. 11). Menschen mit Demenz, die in Privathaushalten leben, haben durchschnittlich 1,6 depressive Symptome, was eine durchschnittliche Zunahme von 0,5 Symptomen gegenüber der Gruppe kognitiv gesunder Personen bedeutet. In Pflegeheimen lebende Menschen mit Demenz haben durchschnittlich 2,7 depressive Symptome. Der Unterschied zu anderen Gruppen ist hier deutlich größer (vgl. Abb. 12).

Abb. 11
figure 11

Depressivität und Kognition

Abb. 12
figure 12

Depressivität und Kognition differenziert nach Wohnform

Zusammenfassend zeigt sich in den affektorientierten Konstrukten, dass Menschen mit Demenz deutlich mehr negative und geringfügig weniger positive Emotionen erleben als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung oder Menschen ohne Beeinträchtigung der Kognition.

Lebenszufriedenheit

Kognitive Beeinträchtigungen haben einen deutlichen Effekt auf die Lebenszufriedenheit. Menschen mit Demenz bewerten ihre Lebenszufriedenheit mit 6,5 geringer als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (Mittelwert 7,1) oder Menschen ohne Einschränkungen der Kognition (Mittelwert 7,6).

In der Bewertung des eigenen Lebens zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Auf der Skala von eins bis zehn bewerten Menschen mit Demenz ihre Lebenszufriedenheit mit durchschnittlich 6,5 deutlich geringer als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (durchschnittlich 7,1) und Menschen ohne Einschränkungen der Kognition (Mittelwert 7,6) (vgl. Abb. 13). In der Unterscheidung nach Wohnform werden größere Unterschiede sichtbar. Menschen mit Demenz, die in Privathaushalten leben, bewerten ihre Lebenszufriedenheit mit durchschnittlich 6,9 etwas geringer als Menschen ohne Einschränkungen der Kognition in Privathaushalten, die sie im Durschnitt mit 7,6 bewerten. Deutlichere Unterschiede nach Kognition treten in der Heimbevölkerung auf. Menschen ohne Einschränkungen der Kognition bewerten ihre Lebenszufriedenheit mit 6,9, Menschen mit leichter kognitiver Einschränkung mit 4,9 und Menschen mit Demenz mit 5,7 (vgl. Abb. 14).

Abb. 13
figure 13

Lebenszufriedenheit und Kognition

Abb. 14
figure 14

Lebenszufriedenheit und Kognition differenziert nach Wohnform

Autonomie

Menschen mit Demenz erleben weniger Autonomie als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung oder Menschen ohne Einschränkungen der Kognition. Der Unterschied zwischen Menschen mit Demenz und Menschen ohne Einschränkungen der Kognition ist in der Heimbevölkerung (2,0 vs. 3,2) größer als in Privathaushalten (3,2 vs. 3,6).

In der Bewertung der Autonomie unterscheiden sich Menschen mit Demenz von Menschen ohne Einschränkungen der Kognition und Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung. Menschen mit Demenz bewerten ihre Autonomie auf der 4-stufigen Skala mit durchschnittlich 2,8, deutlich geringer als Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (durchschnittlich 3,4) und Menschen ohne Einschränkungen der Kognition (durchschnittlich 3,6) (Vgl. Abb. 15). Die Differenzierung nach Wohnform zeigt, dass diese Unterschiede bei Menschen die in Privathaushalten wohnen geringer sind als in der Heimbevölkerung. Die Frage, ob sie ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten können, wird von Menschen mit Demenz in Privathaushalten eher bejaht. Auf der Skala von eins bis vier erreichen sie einen Mittelwert von 3,2, wobei 3 der Antwort „eher ja“ entspricht. Sie bewerten ihre Autonomie damit leicht geringer als andere Menschen. In der Heimbevölkerung wird die Frage eher verneint (Mittelwert 2,0), es bestehen deutliche Unterschiede bei den Menschen mit Demenz zu Menschen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (Mittelwert 2,7) und Menschen ohne kognitive Einschränkungen (Mittelwert 3,2) (vgl. Abb. 16).

Abb. 15
figure 15

Autonomie und Kognition

Abb. 16
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Autonomie und Kognition differenziert nach Wohnform

Fazit

Die Ergebnisse der Studie „Hohes Alter in Deutschland“ D80+ geben Aufschluss über die Bedarfslage von hochaltrigen Menschen mit Demenz in Deutschland. Die zu Grunde liegenden schriftlichen wie telefonischen Befragungen wurden 2021 während der Coronapandemie durchgeführt, die Ergebnisse sind daher vor dem Hintergrund der Pandemie zu interpretieren.

Insgesamt 18,1 % der Hochaltrigen werden als demenzerkrankt eingestuft, bei 57,0 % wird von keiner Erkrankung der Kognition ausgegangen. Die Mehrheit der Hochaltrigen ist damit nicht von einem krankheitsbedingten Abfall kognitiver Fähigkeiten betroffen. Der Anteil der Menschen mit Demenz an den Hochaltrigen ist dennoch quantitativ substanziell und, aufgrund der Schwere der Erkrankung für das alltägliche Leben und Befinden der Betroffenen, von erheblicher Bedeutung. Der Einschluss von Menschen mit Demenz in eine repräsentative Hochaltrigenstudie ist daher notwendig. Aus der Bevölkerungsstruktur ist eine Prävalenz von 19,2 % zu erwarten. Die Prävalenz in dieser Stichprobe von 18,1 % ist mit diesem Wert vergleichbar, der Einschluss von Menschen mit Demenz in die Stichprobe war damit erfolgreich.

Die Differenzierung der Prävalenz nach Alter, Bildung, Wohngegend und Wohnform zeigte erwartbare Effekte. In höheren Altersgruppen, bei Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen, Personen, die in Ostdeutschland leben oder in der Heimbevölkerung gibt es einen größeren Anteil von Menschen mit Demenz. Gegenüber der Literatur besteht eine kleine Diskrepanz bezüglich der geschlechtsspezifischen Prävalenz. Bei Frauen wird eine höhere Prävalenz erwartet, in der D80+ Stichprobe ist dies nur bei den 85–89-Jährigen der Fall. In der Teilstichprobe der Menschen mit Demenz sind Frauen daher leicht unterrepräsentiert.

Die Mehrheit der Demenzerkrankten lebt nicht in professionellen Pflegesettings, sondern in Privathaushalten. 37,8 % von ihnen werden weder von Angehörigen gepflegt noch nutzen sie professionelle Unterstützung in Form eines ambulanten Pflegediensts oder einer Tagespflege. Die Ergebnisse der Studie weisen damit darauf hin, dass viele Menschen mit Demenz nicht dem gesellschaftlichen Stigma der schwer pflegebedürftigen und betreuungspflichtigen Personen entsprechen. Auch ein „alleine leben“ ist zu Beginn der Erkrankung möglich, die vertraute Wohnumgebung kann Menschen mit Demenz zusätzlichen Schutz und Halt geben (Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. 2019b). Dennoch kann ein Alleinleben auch kritisch sein, wenn die Versorgung der Menschen nicht sichergestellt ist. Alleinlebende Menschen mit Demenz benötigen für ein Leben in Sicherheit adäquate medizinische Behandlung und professionelle Pflege zu Hause (Eichler et al. 2016). Dies kann besonders bei mangelnder Krankheitseinsicht gefährdet sein (Stechl 2006). Weiterhin gilt es, Menschen mit Demenz die ihnen gewohnten Formen gesellschaftlicher Teilhabe so lange zu ermöglichen, wie sie möglich und erwünscht sind.

Kognitive Einschränkungen ziehen Einschränkungen in der Bewertung der eigenen Lebensqualität nach sich. Menschen mit Demenz erleben weniger Wohlbefinden, mehr Depressivität, eine geringere Lebenszufriedenheit und eine geringere Autonomie als Personen ohne kognitive Einschränkungen. 18,6 % der Menschen mit Demenz leben in Pflegeeinrichtungen. In allen untersuchten Indikatoren von Lebensqualität bewerten Menschen mit Demenz ihre Lebensqualität in Pflegeheimen schlechter als Menschen ohne Einschränkungen der Kognition. Zwar wird positiver Affekt in Pflegeheimen einem vergleichbaren Ausmaß erlebt, negative Emotionen und Einschränkungen der Autonomie werden von Menschen mit Demenz aber wesentlich häufiger erlebt.

Alternative Versorgungsformen werden von den Ab-80-jährigen Menschen mit Demenz noch nicht in der Breite genutzt. Wohnpflegegruppen (1,3 %) und ambulante betreute Hausgemeinschaften (0,4 %) werden von insgesamt 1,7 % der hochaltrigen Menschen mit Demenz genutzt. Gründe hierfür können eine geringe Nachfrage der Angebote, ein mangelndes Platzangebot, Nutzungsbarrieren oder eine Unterrepräsentanz dieser Versorgungsform in der vorliegenden Stichprobe sein. Ähnliche Werte, die zusätzlich auf deutliche Unterschiede zwischen der gewünschten Versorgungsform und der tatsächlichen hinweisen, wurden bereits berichtet (Klie et al. 2017). Nicht nur im Kontext der neuen Versorgungsformen ist das Nutzungsverhalten von Menschen mit Demenz und pflegenden Angehörigen nicht gut erforscht. Motivationale Prozesse der Akteure vor der Übernahme von Pflegeverantwortung und während des Pflegeprozesses wie auch die Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten sind von der Forschung noch nicht gut verstanden. Entsprechend muss die Versorgungsforschung gefördert werden.

Politische Implikationen

Insgesamt weisen die hier vorgestellten Analysen auf vier Bedarfsfelder hin:

  1. 1.

    Gesellschaftliche Partizipation von Menschen mit Demenz ermöglichen.

  2. 2.

    Häusliche Pflege stärken und einen Verbleib in der vertrauten Wohnumgebung ermöglichen.

  3. 3.

    Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz in Pflegeheimen entwickeln und etablieren.

  4. 4.

    Versorgungsforschung stärken.

In der Erstellung einer Nationalen Demenzstrategie (Bundesministerium für Familie et al. 2020) hat der Gesetzgeber bereits auf Bedarfe von Menschen mit Demenz reagiert. Im Folgenden wird dargestellt, in welcher Weise die in dieser Studie dargestellten Bedarfslagen von Menschen mit Demenz in der Nationalen Demenzstrategie aufgegriffen werden.

Das erste Bedarfsfeld, die Ermöglichung von gesellschaftlicher Partizipation wird in dem ersten Handlungsfeld der Nationalen Demenzstrategie „Strukturen zur gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Demenz an ihrem Lebensort aus- und aufbauen“ thematisiert und aufgegriffen. Unter anderem werden Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Menschen mit Demenz, zur Ermöglichung von Mobilität von Menschen mit Demenz oder zur Gestaltung von Sozialräumen für Menschen mit Demenz (ebd.) genannt und mir konkreten Zielen verknüpft.

Das zweite Bedarfsfeld wird in der Nationalen Demenzstrategie (ebd.) ebenfalls weitgehend thematisiert. Dies geschieht unter anderem, indem Angebote der Beratung und Begleitung für Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen verbessert werden, Schulungsangebote für Angehörige aus- und aufgebaut werden, Zugänge zu aufsuchender Beratung von pflegenden Angehörigen ausgebaut werden und die ambulante Pflege gefördert wird.

Auch das dritte Bedarfsfeld zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz in Pflegeheimen wird in der Nationalen Demenzstrategie direkt thematisiert. Maßnahmen die eine „Demenzsensible Gestaltung und Organisation vollstationärer Pflegeeinrichtungen fördern“ werden ebenso gefordert wie Qualifikationen für Mitarbeitende in der Pflege und alle Beschäftigten in der Pflege mit Kontakt zu Menschen mit Demenz.

Das vierte Bedarfsfeld zur Stärkung der Versorgungsforschung wird im abschließendem Kap. „Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit und subjektive Gesundheit im hohen Alter“ „Exzellente Forschung zu Demenz fördern“ der nationalen Demenzstrategie aufgegriffen und in dem Ziel bis 2024 „einen umfassenden Überblick über verschiedene Settings in der Versorgung von Menschen mit Demenz in Deutschland erstellen, Handlungsempfehlungen für die Überwindung von Barrieren der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten erarbeiten und Versorgungskonzepte entwickeln“ (S. 130, ebd.) ausgedrückt. Eine besondere Schwierigkeit in der Umsetzung der entwickelten Handlungsempfehlungen wird darin bestehen, Angebote für Pflegende und Gepflegte zu entwickeln, die sich häufig noch nicht als Pflegende und Gepflegte verstehen.

Limitationen

Als methodische Limitationen dieses Kurzberichts ist zunächst die Klassifizierung der Menschen mit Demenz über ein kognitives Screening zu nennen. Zwar hat dieses Screening eine gute diagnostische Qualität, sie kann eine komplette Demenzdiagnostik, die ein u. a. langes kognitives Assessment und bildgebende Verfahren benötigt, nicht ohne Qualitätseinbußen ersetzen. Insbesondere sind falsch-positive Klassifizierungen möglich.

Im Spätstadium der Erkrankung können Menschen mit Demenz nicht mehr selbst an der Befragung teilnehmen. Der Einschluss von Menschen mit Demenz durch Stellvertreterinterviews stellt zunächst einen Qualitätsgewinn für die Repräsentativität dieser Studie dar (Kaspar et al. o. J.) und ermöglicht erstmalig den Einschluss von Menschen mit fortgeschrittener Demenz in die Studie. Dennoch treten im Perspektivwechsel zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung Fehlinterpretationen auf (Bradford et al. 2013; Claes et al. 2012).

Abschließend sei darauf verwiesen, dass dieser Bericht und die empfohlenen Implikationen nicht alle Bedarfe für Menschen mit Demenz aufzeigen können. Relevante Themenbereiche können zu spezifisch sein, um im Rahmen dieser Hochaltrigenstudie erfragt zu werden (z. B. Menschen mit Demenz im Krankenhaus), Fallzahlen können für tiefergehende Analysen zu gering sein (z. B. Demenz bei Migration) und Perspektiven von für Menschen mit Demenz relevanten Gruppen wie pflegenden Angehörigen wurden im Rahmen dieses Kurzberichts nicht thematisiert.