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FormalPara Kernaussagen

Zwischen November 2020 und April 2021 wurde im Rahmen der bundesweiten Studie „Hohes Alter in Deutschland“ eine schriftliche Befragung von mehr als 10.000 Personen ab 80 Jahren zu deren Lebenssituation und Lebensqualität durchgeführt. Dieser vierte Kurzbericht aus der deutschlandweiten Repräsentativbefragung stellt dar, wie stark hochaltrige Menschen in Deutschland von Einsamkeitsgefühlen betroffen sind und welches Risiko- und Schutzfaktoren für subjektiv erlebte Einsamkeit sind.

Auch unter dem Eindruck der Coronapandemie sind 87,9 % aller Hochaltrigen nicht einsam. Der Anteil einsamer sehr alter Menschen liegt zum Befragungszeitpunkt mit 12,1 % allerdings doppelt so hoch wie für den Zeitraum vor der Pandemie berichtet. Besonders weitverbreitet ist Einsamkeit dabei bei sehr alten Menschen, die in der Pandemie starke Veränderungen im Bereich privater Kontakte berichten.

Einsamkeit nimmt über Altersgruppen in der späten Lebensphase zu. 22,1 % der Personen im Alter von 90 Jahren oder älter, aber nur 8,7 % der Personen im Alter von 80–84 Jahren, beschreiben sich als einsam.

Frauen sind mehr als doppelt so häufig von Einsamkeit im Alter betroffen wie Männer. Der Anteil einsamer Frauen ab 80 Jahren beträgt 15,0 %, während nur 7,4 % der Männer einsam sind. Für die höhere Rate von Einsamkeit kann vor allem der geringere Anteil von Partnerschaften bei hochaltrigen Frauen verantwortlich gemacht werden.

Jeder dritte hochaltrige Mensch in einem Heim beschreibt sich als einsam. Der Anteil einsamer älterer Menschen in Heimen beträgt 35,2 %, während er in Privathaushalten 9,5 % beträgt.

Einsamkeitsgefühle sind bei älteren Menschen in Partnerschaften besonders selten. Ältere Menschen ohne Partner:in sind ungefähr fünfmal so häufig einsam wie verheiratete oder in Partnerschaft lebende ältere Menschen (3,9 % versus 18,6 %). Partnerschaft erklärt nicht nur die beobachteten Geschlechtsunterschiede; Partnerlosigkeit stellt insbesondere bei jüngeren Hochaltrigen einen Risikofaktor für Einsamkeit dar.

Ein großes soziales Netzwerk schützt vor Einsamkeit im Alter. Knapp 15 % der sehr alten Menschen mit weniger als vier bedeutsamen Personen in ihrem sozialen Netzwerk sind einsam. Umfasst das persönliche Netzwerk dagegen 9 Personen oder mehr, beschreiben sich nur 8,1 % der Personen als einsam. Diese Schutzfunktion scheint für Männer und Frauen, Personen unterschiedlichen Alters, oder Menschen in Privathaushalten und Heimen gleichermaßen zu gelten.

Eine schlechtere subjektive Gesundheit stellt ein Einsamkeitsrisiko im Alter dar. Ältere Menschen mit (sehr) gutem subjektiven Gesundheitsstatus sind nur zu 6,7 % einsam, in der Gruppe der Älteren mit (sehr) schlechter subjektiver Gesundheit sind es 20,8 %. Sich auch im hohen Alter gesund zu fühlen, schützt Männer und Frauen, Personen unterschiedlichen Alters, oder Menschen in Privathaushalten und Heimen gleichermaßen vor Einsamkeit.

Hohe Bildung ist ein Schutzfaktor vor Einsamkeit im sehr hohen Alter, von dem Frauen jedoch in geringerem Ausmaß profitieren. In der Gruppe älterer Menschen mit niedriger formaler Bildung sind 17,2 % von Einsamkeit betroffen, während nur 7,5 % der Älteren mit hoher Bildung einsam sind. In der Gruppe hoch gebildeter Älterer beträgt der Anteil einsamer Frauen 12,9 %, während lediglich 3,7 % aller Männer mit hoher Bildung einsam sind.

Einleitung

Ein Gefühl der Einsamkeit kann in allen Lebensphasen und Altersgruppen auftreten. Darunter zu verstehen ist das subjektive Fehlen von sozialen Kontakten und von Bezugspersonen (Perlman und Peplau 1982; Qualter et al. 2015). Ein Gefühl der Einsamkeit kann unabhängig von der tatsächlichen sozialen Eingebundenheit entstehen und wird sowohl von sozial isolierten als auch von sozial stark eingebundenen Personen berichtet. Wenige bzw. seltene soziale Kontakte und das Alleinleben stellen dabei allerdings Risikofaktoren für Einsamkeit dar. Umgekehrt gilt ebenfalls, dass einsame Menschen auch häufiger sozial isoliert sind bzw. sich isolieren (Böger und Huxhold 2018). Einsamkeit kann Betroffene stark belasten und zudem erhebliche Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden haben (Hawkley und Cacioppo 2010).

In allen Altersgruppen hat die Einsamkeit insbesondere während des Lockdowns zugenommen (Entringer et al. 2020; Huxhold und Tesch-Römer 2021). Die Zunahme war jedoch zumindest im ersten Lockdown bei jungen Menschen unter 30 stärker als bei älteren. Außerdem stieg der Anteil einsamer Frauen stärker als der Anteil einsamer Männer (ibid). Es kann angenommen werden, dass Einsamkeitsgefühle in der Pandemie sowohl durch die eigene Erkrankung und Erkrankungen oder gar Verluste im sozialen Umfeld mitbestimmt sind als auch durch allgemeinere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wie Kontaktbeschränkungen, Abstandsregeln oder Maskenpflicht.

Der vorliegende Bericht fokussiert auf das Alter, das Geschlecht und den Wohnort als drei zentrale Gruppierungsvariablen der Sozialberichterstattung. Darüber hinaus werden in Anlehnung an ein von Tesch-Römer und Huxhold (2019) vorgeschlagenes Einsamkeitsmodell individuelle Schutz- und Risikofaktoren für das Einsamkeitserleben betrachtet. Dabei wird eine hohe soziale Integration (Partnerschaft, größeres Netzwerk) als Schutzfaktor, eine geringe soziale Integration (keine Partnerschaft, kleineres Netzwerk) dagegen als Risikofaktor betrachtet. Als Merkmale der Ressourcenausstattung werden dagegen das Bildungsniveau und die subjektive Gesundheit berücksichtigt. Etwaige Alters-, Geschlechts- und Wohnsituation-Unterschiede können danach zumindest zum Teil durch Faktoren der sozialen Integration und der Ressourcenlage „aufgelöst“ (erklärt) werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Modell der Einflussfaktoren für und der Konsequenzen aus Einsamkeit. (Tesch-Römer und Huxhold 2019, angepasste Darstellung mit Hervorhebung der für diesen Bericht fokussierten Modellkomponenten)

Einsamkeit sehr alter Menschen nach demografischen Merkmalen

Eine Zunahme der Einsamkeit im sehr hohen Lebensalter wird diskutiert und teilweise auch empirisch beobachtet (Huxhold und Engstler 2019; Mund et al. 2020). Es wird meist von einem u-förmigen Zusammenhang ausgegangen, demzufolge junge Erwachsene und Hochaltrige ab einem Alter von über 80 bzw. 85 Jahren häufiger einsam sind als Erwachsene im mittleren Alter (Dykstra 2009). Für Deutschland zeigen die Daten des Deutschen Alterssurveys (DEAS), dass Einsamkeit im hohen Alter seit den 1990er-Jahren abgenommen hat und je nach Erhebungsjahr im mittleren Alter sogar häufiger ist als im hohen Alter. Die Analysen des DEAS beziehen jedoch nur sehr begrenzt auch hochaltrige Personen über 80 bzw. 85 Jahren ein (Böger et al. 2017). Sowohl aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) als auch aus der Studie Lebensqualität und Wohlbefinden hochaltriger Menschen in NRW (NRW80+) wurden Ergebnisse zur Häufigkeit von Einsamkeit speziell in der Altersgruppe über 80 Jahren berichtet. Im SOEP wird der Anteil von Personen, die zumindest häufig einsam sind, mit 5,0 % und in der NRW80+-Studie mit 6,1 % angegeben (Luhmann und Bücker 2019; Woopen et al. 2018). Die Prävalenz von Einsamkeit variiert je nach Definition und Erhebungsinstrument (Mund et al. 2020).

Zwischen den Geschlechtern lassen sich nur geringe Unterschiede in der Häufigkeit, einsam zu sein, feststellen (Maes et al. 2019). Insbesondere für das hohe Alter sind jedoch auch geschlechtsspezifische Risikofaktoren für Einsamkeit bekannt, die je nach Kontext und Lebensumständen zu Unterschieden zwischen Männern und Frauen führen können. So sind Frauen häufiger verwitwet, sodass partnerschaftliche Kontakte seltener sind. Partnerschaft und partnerschaftliche Wohnkonstellationen wurden ihrerseits als protektive Faktoren der Einsamkeit im sehr hohen Alter identifiziert (Schmitz et al. 2021). Frauen übernehmen außerdem häufiger Pflegerollen, was häufige Kontakte außerhalb der Pflege erschwert und im Ergebnis ihre Einsamkeit im hohen Alter erhöhen kann. Umgekehrt haben Frauen größere soziale Netzwerke und pflegen Kontakte stärker, wodurch sie auch weniger einsam sein können (Pinquart und Sörensen 2001).

Für Personen in Heimen werden sehr hohe Prävalenzen von Einsamkeit berichtet. Eine Meta-Analyse kam zu dem Ergebnis, dass im Mittel 60 % der Heimbewohner:innen teilweise oder sehr einsam sind (Gardiner et al. 2020). Verschiedene Gründe werden angeführt, um die Einsamkeit unter Heimbewohner:innen zu erklären. So kann fehlende soziale Einbindung und mangelnde informelle Unterstützung ein Grund sein, dass Personen in ein Heim umziehen müssen oder auch wollen. Andererseits kann eine schlechte gesundheitliche Lage der Faktor sein, der sowohl für die Heimunterbringung als auch für fehlende soziale Kontakte ursächlich ist – ohne, dass die Heimunterbringung selbst Einfluss auf die erhöhte Einsamkeit nehmen würde (ibid, Pinquart und Sörensen 2001).

Schutz- und Risikofaktoren

Es finden sich Belege, dass Personen mit höherer formaler Bildung seltener von Einsamkeit betroffen sind als Personen mit geringerer formaler Bildung (Böger et al. 2017; Pinquart und Sörensen 2001). Erklärungen hierfür sind, dass Personen mit höherer Bildung mehr soziale Kontakte pflegen und vielfältigeren sozialen Aktivitäten nachgehen (ibid.). Dabei erscheint die Befundlage jedoch nicht einheitlich. So zitieren Bücker, Lembcke und Hinz (2019a) auch Studien, die diesen Zusammenhang nicht bestätigen oder sogar widerlegen. Für den deutschen Kontext berichten auch Daten des Sozioökonomischen Panels 2013 einen signifikanten bivariaten negativen Zusammenhang zwischen Bildungsjahren und dem Einsamkeitsniveau, d. h. mehr Bildungsjahre gehen demzufolge mit einem geringeren Einsamkeitsniveau einher. In für Kontakthäufigkeit, Netzwerkgröße und subjektive Gesundheit kontrollierten multivariaten Vorhersagemodellen konnte hingegen kein eigenständiger Erklärungsbeitrag von Bildungsjahren auf das Einsamkeitsniveau von Menschen ab 81 Jahren bestätigt werden.

Einige Studien berichten einen engen Zusammenhang zwischen Gesundheit und Einsamkeit. Das gilt vergleichsweise konsistent für verschiedene Facetten der Gesundheit, wie beispielsweise den subjektiv erlebten Gesundheitsstatus und funktionalen Status (Prieto-Flores et al. 2011) sowie die Anzahl von Erkrankungen (Multimorbidität, Ferreira-Alves et al. 2014), kognitiven Beeinträchtigungen bzw. Vitalität (Cohen-Mansfield et al. 2009) oder psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen (v.a. Depression, Lasgaard et al. 2016). Gesundheitseinbußen, die insbesondere im sog. vierten Lebensalter ein Teil der Lebensrealitäten vieler hochaltriger Menschen sind, reduzieren die Möglichkeiten, am sozialen Leben teilzuhaben, indem sie beispielsweise zur Aufgabe von Freizeitaktivitäten, zu einer Fokussierung auf wenige – für die unterstützte Lebensführung wichtige – Personen, oder zu einer ungünstigeren ökonomischen Situation beitragen. Das Verhältnis von Einsamkeit und Gesundheit ist dabei reziprok, sodass Einsamkeit und soziale Isolation mit Verschlechterungen der körperlichen und seelischen Gesundheit einhergehen (s. Übersichtsarbeit Krasko und Kirchdörfer 2019). Insbesondere im sehr hohen Lebensalter scheinen die Folgen von Einsamkeit jedoch geringer auszufallen als in früheren Lebensphasen (Böger und Huxhold 2018; Holt-Lunstad et al. 2015), was auf eine möglicherweise besonders hohe Resilienz der bis ins hohe Lebensalter überlebenden Personen hinweist.

Fehlende oder nicht den persönlichen Vorstellungen entsprechende Partnerschaften stellen über den gesamten Lebensverlauf Risikofaktoren für Einsamkeitserleben dar. Bücker, Lembcke und Hinz (2019a) fanden in ihrer Literaturübersicht zu Einsamkeit in der Hochaltrigkeit, dass verwitwete alte Menschen in bisherigen Studien häufiger einsam waren, während Ehe vor Einsamkeit schützt. Mit Daten des Sozio-ökonomischen Panels konnten die Autorinnen für das Alterssegment 81 Jahre und älter in multivariaten Vorhersagemodellen nur den Effekt von Verwitwung auf Einsamkeit bestätigen, während für ledige und geschiedene Personen im Vergleich zu verpartnerten Hochaltrigen keine gesteigerte Einsamkeit nachgewiesen werden konnte. Schmitz et al. 2021 berichteten aus einer repräsentativen Studie hochaltriger Menschen in NRW höhere Einsamkeit bei Personen, die nicht mit ihren Partnern zusammenleben (sog. Living-apart-together LAT) im Vergleich zu gemeinsam wohnenden Partnern. Wenngleich Verwitwung, Partnerverlust oder Veränderungen im Zusammenleben mit Partnern in der Altersgruppe der Über-80-Jährigen häufige und erwartbare Lebensereignisse sind, soll für diesen Bericht davon ausgegangen werden, dass die Determinanten von Partnerschaft auch im hohen Alter multifaktoriell sind und (Nicht-)Partnerschaft Ausdruck von sowohl unfreiwilligen als auch gewählten Beziehungsereignissen sein kann.

Auch eine gute Einbindung in ein soziales Netzwerk wurde als Schutzfaktor vor Einsamkeit im Alter beschrieben (Schmitz et al. 2021; Zebhauser et al. 2015). Maße des sozialen Netzwerks berücksichtigen in der Regel sowohl quantitative Kontakte (soziale Isolation) als auch Aspekte der Beziehungsqualität (Bezugssystem). Pinquart und Sörensen (2001) berichten in einer Meta-Analyse stärkere Effekte der Qualität sozialer Beziehungen gegenüber der Größe des sozialen Netzwerkes auf Einsamkeit im Alter. Die Erfassung des sozialen Netzwerkes in der Studie D80+ richtet sich auf subjektiv bedeutsame Personen und bietet sich darum in besonderer Weise an, um Unterschiede in der erlebten Einsamkeit in Abhängigkeit von einem Mangel an relevanten Interaktionspartnern und Interaktionen zurückzuführen (Schmitz et al. 2021).

Ziel

Auf Grundlage der im Projekt „Hohes Alter in Deutschland“ D80+ erhobenen Daten nimmt dieser Bericht eine ausführliche Analyse des Einsamkeitsempfindens der hochaltrigen Bevölkerung in Deutschland vor. Die grundsätzlichen Fragestellungen lauten: (a) Gibt es im hohen Alter Alters-, Geschlechts- und Wohnortunterschiede in der Einsamkeit? und (b) Sind Schutz- und Risikofaktoren für diese Einsamkeitsunterschiede verantwortlich?

Da die Befragung während der Coronapandemie stattgefunden hat, bilden die Ergebnisse auch den Einfluss des Pandemie-Geschehens und der Eindämmungsmaßnahmen auf das Einsamkeitserleben ab.

Eine im Jahr 2019 vom BMFSFJ geförderte Bestandsaufnahme zum Einsamkeitserleben im sehr hohen Alter stellt mit Blick auf mögliche Förderbedarfe in dieser Gruppe abschließend die pointierte Frage, ob vor dem Hintergrund der bei Hundertjährigen im Vergleich zu älteren Erwachsenen gefundenen deutlich geringeren Einsamkeitsbelastung überhaupt spezifische Interventionen für das hohe Alter sinnvoll seien, oder sich Interventionen zur Vermeidung von Einsamkeit nicht besser auf jüngere Altersgruppen richten sollten (Luhmann und Bücker 2019, S. 50). Der vorliegende Beitrag kann wegen der ausschließlichen Fokussierung auf Personen ab 80 Jahren kaum zu einer solchen Abwägung beitragen, soll aber Gruppen sehr alter Menschen identifizieren, die – nicht zuletzt aufgrund ungünstiger sozialer und persönlicher Ressourcenlagen – in besonderem Maße von Einsamkeitsgefühlen betroffen sind.

Methodik

Einsamkeit wurde in der Studie mit einer direkten Frage nach der Häufigkeit des subjektiven Einsamkeitsempfindens erhoben („Wie oft haben Sie sich in der letzten Woche einsam gefühlt?“) und konnte mit den vier Kategorien „Nie oder fast nie“, „Manchmal“, „Meistens“ oder „Immer oder fast immer“ beantwortet werden (s. auch Abb. 2). Für die Untersuchung möglicher Schutz- und Risikofaktoren der Einsamkeit im sehr hohen Alter werden Personen, die die Antwortkategorien „Meistens“ und „Immer oder fast immer“ gewählt haben als einsam eingestuft. Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass insbesondere anhaltende Einsamkeit als Belastung für Wohlbefinden und Gesundheit angesehen wird.

Abb. 2
figure 2

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen in der hochaltrigen Allgemeinbevölkerung

Teilgruppen sehr alter Menschen unterscheiden sich z. T. deutlich mit Blick auf ihre sozialen und persönlichen Ressourcen zur Verwirklichung einer angemessenen gesellschaftlichen Teilhabe und Vermeidung von sozialer Isolation und Einsamkeitsgefühlen. In Anhang 2 sind die nach Alter, Geschlecht und Wohnort differenzierten Gruppen bezüglich grundlegender sozialer (Partnerschaft, soziales Netzwerk) und persönlicher Schutz- bzw. Risikofaktoren von Einsamkeit (Bildung, Gesundheit) charakterisiert. Eine detaillierte Diskussion von Bedingungsfaktoren für diese Merkmale selbst ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berichtes, sondern wird in weiteren Kurzberichten aus dem Projekt D80+ geleistet (Zimmermann et al. 2022; Wenner et al. 2022).

Der vorliegende Bericht beschreibt den Anteil einsamer älterer Menschen in Abhängigkeit von diesen spezifischen Ressourcenlagen und mit dem Fokus auf spezifische Kombinationen von Risiken oder protektiven Faktoren.

Ergebnisse

Die Ergebnisse dieses Berichtes basieren auf folgenden Fallzahlen für die dargestellten Subgruppen hochaltriger Menschen in Deutschland: Männer (n = 3932, 37,9 %), Frauen (n = 6440, 62,1 %); 80–84 Jahre (n = 6123, 59 %), 85–89 Jahre (n = 2.793, 26,9 %), 90 Jahre und älter (n = 1456, 14,1 %); Bildung hoch (n = 1682, 16,8 %), mittel (n = 5935, 59,2 %), niedrig (n = 2402, 24,0 %); Privathaushalt (n = 9324, 89,9 %), Heim (n = 1048, 10,1 %); West (n = 8095, 78 %), Ost (n = 2277, 22 %).

Häufigkeit subjektiver Einsamkeitsgefühle in der Coronapandemie

Übersicht

87,9 % der hochaltrigen Menschen in Deutschland fühlen sich (fast) nie oder nur manchmal einsam.

In der Pandemie fühlen sich 12,1 % der Menschen ab 80 Jahren meistens oder (fast) immer einsam. Damit liegt der Anteil ungefähr doppelt so hoch wie für die Zeit vor Corona geschätzt.

Hochaltrige Menschen, die durch die Pandemie starke Veränderungen in privaten Kontakten erfahren haben, berichten auch häufiger von Einsamkeitsgefühlen. Für alleinlebende Menschen und Personen in Heimen stellt die Coronapandemie einen besonderen Risikofaktor für Einsamkeit dar.

Nur 2,9 % der Befragten machten keine Angaben dazu, ob bzw. wie häufig sie einsam sind. Knapp die Hälfte (46,4 %) der befragten Hochaltrigen gab an, sich nie oder fast nie einsam zu fühlen (Abb. 2). Weitere 41,4 % geben an, dass sie sich manchmal einsam fühlen. Allerdings berichten 9,0 % der Befragten, dass sie sich meistens und 3,1 % sogar immer bzw. fast immer einsam fühlen. Damit können 12,1 % der befragten Hochaltrigen als einsam eingestuft werden, wohingegen die übrigen über 87,9 % als nicht einsam gelten können. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl von 5.936.434 hochaltrigen Menschen zum Ende 2020 (destatis, 2021) beträgt die absolute Anzahl einsamer Menschen ab 80 Jahren in Deutschland etwas mehr als 718.300 Personen.

Die Auswirkungen der Coronapandemie auf private Kontakte werden von Hochaltrigen in Deutschland unterschiedlich stark wahrgenommen (vgl. D80+ Kurzbericht 1, Hansen et al. 2021). Unter den Heimbewohner:innen war der Anteil derer, die sehr starke Einschränkungen in den privaten Kontakten erfahren haben, mit 28,7 % deutlich größer als in der Gesamtbevölkerung (10,1 %, ohne Abbildung). In dieser Gruppe der Personen in Heimen und mit sehr starken wahrgenommenen Einschränkungen während der Covid19-Pandemie liegt die Einsamkeit bei 63,2 %. Personen in Alten- und Pflegeheimen, die in der Befragung daneben häufiger auch von besonderen Schutzmaßnahmen wie Kontaktverboten berichten, waren somit zu fast zwei Dritteln einsam. Allerdings zeigt eine differenzierte Betrachtung, dass auch außerhalb der Heime Einsamkeit häufiger ist bei Befragten, die durch die Pandemie starke bis sehr starke Einschränkungen ihrer privaten Kontakte erfahren haben. Von den Alleinlebenden, die sehr starke Einschränkungen ihrer privaten Kontakte wahrgenommen haben, sind 34,4 % einsam und unter Personen in Mehrpersonenhaushalten sind es immerhin noch 19,4 %. Gleichzeitig sind Personen, die überhaupt keine Veränderungen durch die Coronapandemie berichten, etwas häufiger einsam als solche mit mäßigen oder moderaten Veränderungen in privaten Kontakten. Dieser Befund verweist auf eine möglicherweise langfristig unzureichende soziale Eingebundenheit insbesondere von Teilen der Alleinlebenden und in Heimen lebenden Älteren.

Alter

Übersicht

Einsamkeit nimmt über Altersgruppen in der späten Lebensphase zu. Im Alter von 90 Jahren oder älter beschreiben sich 22,1 % als einsam.

Ältere Menschen mit einem großen sozialen Netzwerk sind seltener von Einsamkeit betroffen. Dies gilt vergleichbar stark für alle Altersgruppen.

Altersunterschiede im Einsamkeitsrisiko zeigen sich sowohl bei verpartnerten als auch partnerlosen älteren Menschen. Das Einsamkeitsniveau ist in der Gruppe der Partnerlosen für alle Altersgruppen höher.

Gute Gesundheit im Alter geht mit einem geringeren Einsamkeitsrisiko einher. Das gilt gleichermaßen für 80-Jährige und Personen im höchsten Alter (90+).

Das Risiko, einsam zu sein, ist nicht in allen Teilgruppen sehr alter Menschen gleich. Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass der Anteil subjektiver Einsamkeit mit dem Alter signifikant ansteigt (Abb. 3). In der Altersgruppe der 80–84-Jährigen sind 8,7 % einsam und der Anteil steigt auf 14,5 % bei den 85–89-Jährigen und auf 22,1 % bei Personen im Alter von 90 Jahren und älter.

Abb. 3
figure 3

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Altersgruppen

Im hohen Lebensalter (noch) eine Partnerschaft zu führen, reduziert das Einsamkeitsrisiko in allen betrachteten Altersgruppen (Abb. 4). Der Trend, dass auch nach dem achtzigsten Lebensjahr von Personen in älteren Altersgruppen mehr Einsamkeitserleben berichtet wird, kann – wenngleich auch auf geringerem Niveau – jedoch auch in der Gruppe verpartnerter Personen beobachtet werden. Zwischen Lebensalter und Partnerschaft besteht hinsichtlich des Einsamkeitsrisikos darüber hinaus ein signifikanter Interaktionseffekt (Wald Chi2 = 6,45, df = 2, p = 0,040): In der Gruppe der verpartnerten Personen sind Altersgruppenunterschiede in der Einsamkeit stärker ausgeprägt als in der Gruppe älterer Menschen ohne Partner:in.

Abb. 4
figure 4

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Altersgruppen und Partnerschaft

Nicht nur die Partnerschaft, sondern auch ein großes soziales Netzwerk gehen mit einem geringeren Risiko einher, im hohen Alter einsam zu sein (s. Anhang 1). Befragte mit einem großen Netzwerk (9+ Personen/oberstes Drittel) sind zu 8,1 % einsam. Sowohl in der Gruppe mit mittelgroßem (4–8 Personen) als auch mit kleinem (0–3 Personen/unteres Drittel) Netzwerk liegt der Anteil höher (13,5 % und 14,9 %). Eine differenzierte Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Lebensalter, Netzwerkgröße und Einsamkeit zeigt, dass ein größeres soziales Netzwerk unabhängig vom Lebensalter das Einsamkeitsrisiko signifikant reduziert (Abb. 5). Dabei zeigen sich protektive Effekte vor allem bei sehr vielen Netzwerkpartnern, während Unterschiede zwischen kleinen und mittelgroßen Netzwerken innerhalb der Altersgruppen weniger stark ausfallen und in der Gruppe der ältesten Menschen (90+) die meiste Einsamkeit nicht bei kleinen, sondern bei mittelgroßen Netzwerken beobachtet wird.

Abb. 5
figure 5

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Altersgruppen und Netzwerkgröße

Hohe Bildung und gute Gesundheit stellen Schutzfaktoren für die Einsamkeit im hohen Lebensalter dar (s. Anhang 1). In der Gruppe von Menschen mit niedriger Bildung beträgt das Einsamkeitsrisiko jenseits des 80. Lebensjahres 17,2 %, während es in der Gruppe von Älteren mit hoher Bildung nur 7,5 % beträgt. In allen Bildungsgruppen können deutliche Altersgruppenunterschiede beobachtet werden, wenngleich auch auf unterschiedlichem Niveau (Abb. 6). Deskriptiv scheint hohe Bildung bei den ältesten Menschen (90+) stärker vor Einsamkeit zu schützen als dies bei jüngeren Altersgruppen der Fall ist. Statistisch lässt sich jedoch kein signifikanter Interaktionseffekt nachweisen, sodass der Schutzeffekt von Bildung als über verschiedene Altersgruppen hinweg vergleichbar gelten muss.

Abb. 6
figure 6

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Altersgruppen und Bildung

Jeder fünfte ältere Mensch, der seine Gesundheit subjektiv als schlecht bewertet, ist einsam, während dieser Anteil in der Gruppe von älteren Menschen mit subjektiv guter Gesundheit lediglich 6,7 % beträgt (s. Anhang 1). Doch auch bei Kontrolle von aktueller Gesundheit als möglichem Schutzfaktor vor Einsamkeit lassen sich weiterhin substanzielle Altersunterschiede in den Einsamkeitsraten erkennen (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Altersgruppen und Gesundheit

Geschlecht

Übersicht

Sehr alte Frauen sind häufiger von Einsamkeit betroffen als ältere Männer. Dieser Unterschied kann jedoch nahezu vollständig dadurch erklärt werden, dass hochaltrige Frauen seltener in Partnerschaften leben.

In der Gruppe hoch gebildeter älterer Männer ist die Einsamkeit besonders gering und der relative Unterschied zum Einsamkeitsrisiko hochgebildeter Frauen besonders ausgeprägt. Hochaltrige Frauen profitieren mit Blick auf Einsamkeitsgefühle danach von besserer Bildung etwas weniger als hochaltrige Männer.

Der Anteil einsamer Menschen ist in der Gruppe hochaltriger Frauen signifikant höher als in der Gruppe gleichaltriger Männer (15,0 % versus 7,4 %). Damit sind hochaltrige Frauen doppelt so häufig von Einsamkeit betroffen als hochaltrige Männer. Um diesen Befund einordnen zu können, müssen die z. T. historisch und biografisch bedingten und vielfach deutlich ungünstigeren Ressourcenlagen und Schutzfaktoren für heute lebende sehr alte Frauen berücksichtigt werden (s. Anhang 2).

Befragte, die in einer Partnerschaft (verheiratet oder unverheiratet) sind, geben nur zu 3,9 % an, einsam zu sein, während dieser Anteil bei Befragten ohne Partner:in bei 18,6 % liegt (s. Anhang 1). Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die in Abb. 8 beobachteten Geschlechterunterschiede weiter qualifizieren. Bei einem Vergleich verpartnerter Männer und Frauen zeigen sich nur noch kleine und nicht signifikante Unterschiede (s. Abb. 9). Gleiches gilt auch für einen Vergleich der Geschlechter innerhalb der Gruppe ohne Partnerschaft. Der große Unterschied zwischen Männern und Frauen ist daher auch dadurch zu erklären, dass Frauen im hohen Alter häufiger ohne Partner:in leben.

Abb. 8
figure 8

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Geschlecht

Abb. 9
figure 9

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Geschlecht und Partnerschaft

Der deutliche Geschlechtsunterschied in der Einsamkeit (d. h. jeweils annähernd eine doppelt so hohe Prävalenz von Einsamkeit bei Frauen) bleibt unverändert bestehen, wenn man Gruppen mit unterschiedlich großen sozialen Netzwerken betrachtet (Abb. 10). Insbesondere sehr große Netzwerke sind dabei sowohl für ältere Männer als auch Frauen gleichermaßen mit einer geringeren Häufigkeit von Einsamkeit verknüpft. Ein Interaktionseffekt im Sinne stärkerer protektiver Effekte von größeren Netzwerken bei Frauen oder Männern kann nicht nachgewiesen werden.

Abb. 10
figure 10

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Geschlecht und Netzwerkgröße

Im Bereich der persönlichen Schutzfaktoren lassen sich deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern mit Blick auf die formale Bildung und die subjektive Gesundheit beobachten (Anhang 2). Dabei ist der Anteil hochaltriger Frauen mit niedrigen Bildungsabschlüssen mit über einem Drittel (33,8 %) sehr viel höher als in der Gruppe hochaltriger Männer (7,9 %). Auch im Bereich der hohen Bildung ist der relative Anteil von Männern mehr als doppelt so hoch wie bei den Frauen (25,9 % versus 11,2 %). Gleichzeitig wurde höhere Bildung bereits bei der Diskussion von Alterseffekten als ein starker Schutzfaktor vor Einsamkeit in der Hochaltrigkeit beschrieben (Anhang 1). Einsamkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen bleiben auch bei gleichzeitiger Betrachtung von Bildungsunterschieden bestehen (Abb. 11). Darüber hinaus zeigt sich aber eine statistisch signifikante Wechselwirkung von Bildung und Geschlecht mit Blick auf das Einsamkeitsrisiko (Wald Chi2 = 14,07, df = 2, p < 0,001): Männer mit höherer Bildung haben ein ungleich geringeres Einsamkeitsrisiko als Frauen mit vergleichbarem Bildungsniveau (3,7 % versus 12,9 %), während die Geschlechtsunterschiede in den anderen Bildungsgruppen weniger deutlich ausfallen. Da die Einsamkeitsrate der Frauen über die Bildungsgruppen hinweg nur geringfügig abnimmt, kann dieser Befund so interpretiert werden, dass Frauen mit Blick auf ihr Einsamkeitserleben in deutlich geringerem Maße von höherer Bildung profitieren als hochaltrige Männer.

Abb. 11
figure 11

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Geschlecht und Bildung

Geschlechterunterschiede in der Einsamkeit lassen sich sowohl bei guter als auch bei schlechter allgemeiner Gesundheit beobachten (Abb. 12), wenngleich auch auf entsprechend unterschiedlichem Niveau. Wie zuvor bei Altersgruppenunterschieden, gibt es auch mit Blick auf Geschlechterunterschiede keine Hinweise darauf, dass Männer oder Frauen mit Blick auf Einsamkeit unterschiedlich stark von besserer Gesundheit profitieren.

Abb. 12
figure 12

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Geschlecht und Gesundheit

Wohnsituation

Übersicht

Sehr alte Menschen in privaten Haushalten sind seltener einsam als Menschen, die im hohen Alter im Heim leben.

Soziale Schutzfaktoren wie Partnerschaft und Netzwerk oder persönliche Ressourcen wie gute Gesundheit und Bildung haben in institutionellen Settings mit Blick auf Einsamkeit dieselbe Bedeutung wie in Privathaushalten.

Der mit Blick auf die betrachteten Differenzierungen deutlichste Unterschied im Einsamkeitserleben hochaltriger Menschen lässt sich für die Wohnform beobachten (Abb. 13). Während 9,5 % der Personen in Privatwohnungen einsam sind, liegt der Anteil einsamer Älterer in der Heimbevölkerung bei 35,2 %. Wie zuvor bereits berichtet, konnten Heimbewohner:innen bereits in früheren bevölkerungsrepräsentativen Befragungen sehr alter Menschen in Nordrhein-Westfalen als eine Risikogruppe für Einsamkeit identifiziert werden. Die beobachtete aktuelle Einsamkeitsbelastung in dieser Gruppe kann sicherlich zum Teil auch auf die während des Befragungszeitraumes der D80+ Studie mitunter strikten Maßnahmen in stationären Einrichtungen der Altenpflege zurückgeführt werden.

Abb. 13
figure 13

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Wohnform

Auch für die beobachteten Unterschiede im Einsamkeitsniveau von Privatwohnenden und Heimbewohner:innen könnte die deutlich unterschiedliche Ressourcenlage dieser beiden Bevölkerungsgruppen verantwortlich sein (s. Anhang 2). Neben einer deutlich schlechteren auch subjektiven Gesundheit haben Menschen in Heimen deutlich seltener eine:n Partner:in (16,7 % versus 47,3 %) und häufiger kleinere soziale Netzwerke.

In der vergleichsweisen kleinen Gruppe verpartnerter Personen in Heimen (n = 109) entspricht die beobachtete Häufigkeit von Einsamkeit in etwa derjenigen von privatwohnenden partnerlosen Personen (15,4 % versus 14,8 %, s. Abb. 14). Ein nicht-signifikanter Interaktionseffekt von Wohnort und Partnerschaft gibt allerdings keine Hinweise darauf, dass eine Partnerschaft trotz Institutionalisierung einen besonderen Schutz vor Einsamkeit bietet. Auch mit Blick auf die Größe des sozialen Netzwerkes (s. Abb. 15) bestätigen sich zwar die bekannten Risiko- (Heim) und Schutzfaktoren (größeres Netzwerk) jeweils, die Daten geben aber keinen Hinweis darauf, dass ein größeres Netzwerk bei Menschen in Heimen in besonderem Maße als ein Schutzfaktor wirkt. Auf deskriptiver Ebene zeigen die Daten aber auch, dass kleine Netzwerke nicht in jedem Setting automatisch mit dem höchsten Einsamkeitsrisiko einhergehen müssen: unter den Heimbewohner:innen ist die Einsamkeit am häufigsten, wenn ein mittelgroßes soziales Netzwerk berichtet wird (40,2 % versus 34,1 %, Wald chi2 = 3,65, df = 1, p = 0,056).

Abb. 14
figure 14

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Wohnform und Partnerschaft

Abb. 15
figure 15

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Wohnform und Netzwerkgröße

Eine höhere Bildung bestätigt sich sowohl bei Privatwohnenden als auch älteren Menschen in Heimen in vergleichbarer Weise als ein Schutzfaktor gegen Einsamkeit (Abb. 16). So sinkt die Einsamkeitsrate in Privathaushalten auf 6,0 % gegenüber 14,2 % bei niedriger Bildung. In Heimen sind die Einsamkeitsraten deutlich höher, sinken jedoch über Bildungsgruppen hinweg auch von 38,9 % auf 32,8 %. Hochaltrige Menschen, die in Heimen wohnen, ihre Gesundheit subjektiv jedoch als gut bewerten, weisen ein gegenüber Menschen mit schlechterer Gesundheit mehr als halbiertes Risiko für Einsamkeit auf (21,0 % versus 46,9 %, s. Abb. 17). Bei Privatwohnenden sind die beobachteten Unterschiede je nach eingeschätzter Gesundheit relativ betrachtet sogar noch etwas deutlicher (5,5 % versus 16,4 %). Auch hier gibt die statistische Testung jedoch keinen Hinweis auf einen bedeutsamen spezifischen Puffereffekt des Gesundheitsstatus auf die zwischen Heimen und Privathaushalten gefundenen Einsamkeitsunterschiede.

Abb. 16
figure 16

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Wohnform und Bildung

Abb. 17
figure 17

Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen nach Wohnform und Gesundheit

Fazit

Die Ergebnisse der Studie „Hohes Alter in Deutschland“ D80+ geben Aufschluss über das Einsamkeitsempfinden hochaltriger Menschen in Deutschland vor dem Hintergrund des Pandemiegeschehens Ende 2020/Anfang 2021. Aufgrund der hohen Befragungsbeteiligung konnte eine differenzierte Betrachtung besonders von Einsamkeit betroffener oder besonders gut davor geschützter Personen innerhalb der sehr heterogenen Gruppe der Hochaltrigen vorgelegt werden. Auf Grundlage dieser deskriptiven Befunde und unter Berücksichtigung ausgewählter Konstellationen von Risiko- und Schutzfaktoren, kann ein möglicher Interventionsbedarf identifiziert und spezifisch konzipiert werden.

Die unter dem Eindruck der zweiten und dritten Welle der Coronapandemie erhobenen Daten weisen eine Einsamkeitsrate in der hochaltrigen Bevölkerung von 12,1 % aus. Der Anteil einsamer alter Menschen wird damit als ungefähr doppelt so hoch eingeschätzt wie noch vor der Pandemie (NRW80+ 2017/2018: 6,1 %; SOEP 2013: 5 %). In der Gruppe derjenigen sehr alten Menschen, die keine oder nur wenige Veränderungen in ihren sozialen Kontakten durch die Pandemie erfahren haben, war der Anteil einsamer Personen dabei mit dem vor-pandemischen Niveau annähernd vergleichbar hoch. Besonders viele Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie, ein höheres Risiko für eine eigene Erkrankung mit COVID-19, sowie besonders deutliche wahrgenommene Veränderungen im Bereich privater Kontakte wurden für die Population älterer Menschen in Heimen aus den Daten der D80+ bereits im ersten Kurzbericht (Hansen et al. 2021) beschrieben. Der vorliegende Bericht zeigt, dass diese Gruppe auch mit Blick auf Einsamkeitsfolgen der Pandemie besonders vulnerabel ist.

Die Gruppe der hochaltrigen Menschen ist in unterschiedlichen Kohorten oder Teilgruppen verschiedenen Alters sehr heterogen, was ihre sozialen und persönlichen Ressourcen betrifft. Zusammenfassend lässt sich der deutliche Risikofaktor „Lebensalter“ durch die betrachteten sozialen Risikofaktoren und persönlichen Ressourcenlagen aber nur zu einem Teil „aufklären“. Eine Partnerschaft im hohen Lebensalter kann nach den referierten Befunden aber signifikant zu einer Verringerung von Altersunterschieden beitragen. Weitere theoretisch diskutierte Schutzfaktoren wie hohe Bildung, ein großes Netzwerk oder gute Gesundheit zeigen sich auch bei einer altersdifferenzierten Betrachtung durchgängig als bedeutsam, nehmen aber wenig Einfluss auf den „Altersgang“ von Einsamkeit in dieser späten Lebensphase.

Die beobachteten deutlichen Geschlechtsunterschiede im Einsamkeitsrisiko zuungunsten der Frauen lassen sich hingegen mitunter vollständig durch die vielfältig schlechteren Lebenslagen von sehr alten Frauen gegenüber Männern – und hier insbesondere die geringere Wahrscheinlichkeit einer Partnerschaft – erklären, sodass auch in dieser Studie Geschlecht an und für sich keinen zentralen Faktor darzustellen scheint. Es bleibt aber festzuhalten, dass sehr alte Frauen zu denjenigen Gruppen älterer Menschen gehören, die – selbst bei einer konstatierten großen Resilienz sehr alter Menschen und einer in der öffentlichen Wahrnehmung häufig überschätzten Einsamkeitsproblematik im Alter – tatsächlich in hohem Maße von Einsamkeit betroffen sind und deren Folgen erfahren. Bekannte Schutzfaktoren wie eine hohe Bildung zeigen sich bei älteren Frauen als weniger effektiv bei der Vermeidung von Einsamkeitsgefühlen als bei Männern. Erfahrungen zu Interventionen zur Vermeidung von sozialer Isolation und Einsamkeit wurden bislang überwiegend für vergleichsweise „fitte“ Personen vorgelegt und müssten nach den Befunden der vorliegenden Studie voraussichtlich stärker auf mobilitätsbeeinträchtigte oder technikdistante Personengruppen angepasst werden.

Die im Vergleich zu Privathaushalten gefundene deutlich höhere Prävalenz von Einsamkeit in Heimen (35,5 % gegenüber 9,5 %) repliziert Befunde aus einer vorangegangenen Hochaltrigenstudie in Nordrhein-Westfalen (Woopen et al. 2018), wenngleich auch möglicherweise coronabedingt auf deutlich höherem Niveau. Auch hier können aus den vorliegenden Querschnittsdaten lediglich Hinweise darauf gewonnen werden, ob Einsamkeit eine Folge von Institutionalisierung ist. Es ist möglich, dass das höhere Einsamkeitsniveau lediglich Ausdruck der bereits zuvor durch fehlende (familiäre oder partnerschaftliche) Unterstützungsstrukturen oder gesundheitliche Einbußen der sozialen Teilhabe bedingten Einsamkeit ist. Der Heimkontext scheint jedoch in kontrollierten Analysen auch über den in der Regel schlechteren Gesundheitszustand hinaus durch spezifische Risikofaktoren für Einsamkeit bestimmt. Hier spielen wahrscheinlich auch die aktuellen Entwicklungen im Kontext der Coronapandemie eine Rolle: Gerade in der Gruppe der Heimbewohner:innen gab es im Befragungszeitraum systematisch spezifische Kontaktbeschränkungen. So lag beispielsweise die Einsamkeitsprävalenz in Heimen am höchsten bei Bewohner:innen mit einem mittelgroßen sozialen Netzwerk. Generalisierende Aussagen müssen darum, und weil sich insbesondere gesundheitlich stark beeinträchtigte Personen wahrscheinlich seltener an der schriftlichen Befragung beteiligen konnten, umsichtig erfolgen. Ebenso vorsichtig müssen derzeit Empfehlungen zur Reduzierung von Einsamkeitsgefühlen von älteren Menschen in Pflegeheimen bleiben, da in früheren Übersichtsarbeiten identifizierte geeignete Interventionen insbesondere Gruppensettings und Tierbesuchsdienste vorsehen (Terwiel und Wolff 2019). Alle in diesem Bericht betrachteten Risiko- und Schutzfaktoren im sozialen und persönlichen Bereich haben sich auch bei einer nach Wohnform differenzierten Betrachtung als substanziell erwiesen. Aus den vorliegenden Daten gibt es daher keine Hinweise darauf, dass Heimbewohner in einer anderen Weise als Personen in Privathaushalten mit Blick auf Einsamkeit von Partnerschaft, großem Netzwerk, hoher Bildung oder guter subjektiver Gesundheit profitieren würden.

Die Befunde der D80+ bestätigen zentrale Ergebnisse eines ersten systematischen Überblicks zum Einsamkeitserleben sehr alter Menschen in Deutschland (Luhmann und Bücker 2019) und zu kombinierten Bedingungsfaktoren speziell im Populationssegment der Über-80-Jährigen. Zum Einfluss des persönlichen Schutzfaktors Bildung auf das Einsamkeitserleben lagen bislang widersprüchliche Befunde vor. Die Befunde der D80+ sprechen dafür, dass höhere Bildung protektiv wirkt oder wenigstens mit weiteren Schutzfaktoren assoziiert ist. Beispielsweise zeigen sich in der Gruppe der gegenwärtig 80 Jahre alten oder älteren Menschen starke Geschlechterungleichheiten im formalen Bildungsniveau zugunsten von hochaltrigen Männern, die auch ökonomisch, gesundheitlich und mit Blick auf informelle Unterstützungsstrukturen weitere bekannte Schutzfaktoren vor Einsamkeit aufweisen (vgl. bisherige Kurzberichte D80+ Fey und Wagner 2021; Zimmermann et al. 2022).

Auch die Bedeutung des Schutzfaktors Partnerschaft für die Vermeidung von Einsamkeitsgefühlen konnte in dieser Studie untermauert werden. So fühlen sich weniger als 4 % der Personen mit Partnerschaft einsam, während dieser Anteil bei älteren Menschen ohne Partner:in mehr als viermal so hoch ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass insbesondere sehr alte Frauen häufig keinen Partner oder keine Partnerin (mehr) haben, häufiger allein wohnen und einen großen Anteil der in Heimen versorgten sehr alten Menschen repräsentieren. Ältere Männer und Frauen scheinen dabei mit Blick auf Einsamkeitsgefühle in vergleichbarem Ausmaß zu profitieren. Dagegen zeigen sich auch in bestehenden Partnerschaften in der späten Lebensphase eine querschnittliche Zunahme des Anteils von einsamen Menschen über Altersgruppen hinweg. Mögliche Gründe hierfür können einerseits geteilte Risiken für soziale Teilhabe durch schlechten Gesundheitsstatus sein, beispielsweise durch die familiäre Pflege (Pinquart und Sörensen 2001). Andererseits könnten auch geringere Vorteile aus Beziehungen mit getrennt wohnenden Partner:innen (beispielsweise durch Institutionalisierung) als Grund angeführt werden (Mauritz und Wagner 2021; Schmitz et al. 2021).

Insbesondere größere soziale Netzwerke (i.S. subjektiv bedeutsamer Personen) sind nach den Ergebnissen dieser Studie mit einem geringeren Einsamkeitsrisiko verknüpft. Dabei waren es nicht in allen Bevölkerungsgruppen diejenigen Personen mit den kleinsten sozialen Netzwerken, die auch am häufigsten einsam waren: Heimbewohner:innen und die ältesten Befragten (90+) waren trotz mittlerer Netzwerkgröße häufiger einsam. Leider war es im Rahmen der schriftlichen Befragung nur eingeschränkt möglich, auch Unterschiede in der Qualität von sozialen Kontakten zu erfassen. Fragen des sozialen Zusammenhaltes insbesondere in der außergewöhnlichen Pandemiesituation nahmen zum Erhebungszeitpunkt einen wichtigen Stellenwert für viele der befragten hochaltrigen Menschen ein. Auch wenn die Befunde auf ein in vielen Gruppen hochaltriger Menschen aktuell höheres Niveau von Einsamkeitsgefühlen verweisen, wurden insbesondere mit Blick auf gesellschaftliche Wertschätzung, Vertrauen in die Nachbarschaft oder internet-gestützte Angebote mitunter auch positive Veränderungen berichtet (Hansen et al. 2021). Letzteres bestätigt eine Einschätzung aus der umfassenden Bestandsaufnahme von Luhmann und Bücker (2019), nach der sich selbst in der Gruppe der sehr alten Menschen durch Förderung einer Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) und Internet erfolgreiche Maßnahmen zur Vorbeugung von Einsamkeit umsetzen lassen sollten.

Mit Blick auf die beiden zentralen Fragestellungen dieses Berichtes zeigen sich (a) im hohen Alter deutliche Alters-, Geschlechts- und Wohnortunterschiede in der Einsamkeit zuungunsten von älteren Gruppen, Frauen und Menschen in Heimen. Dabei lassen sich Einsamkeitsunterschiede durch (b) Schutz- und Risikofaktoren wie soziale Einbettung und persönliche Ressourcen wie Bildung und Gesundheit wenigstens zum Teil „erklären“. Insbesondere kann der Einsamkeitsunterschied zwischen Männern und Frauen durch die Partnerlosigkeit vieler älterer Frauen erklärt werden. Auch Altersunterschiede in der Einsamkeit sind durch den Partnerschaftsstatus– zuungunsten v.a. partnerloser jüngerer Hochaltriger – mitbestimmt. Frauen scheinen mit Blick auf Einsamkeit in geringerem Maße von hoher Bildung zu profitieren.

Dieser Kurzbericht fokussiert mit dem subjektiven Einsamkeitsgefühl eine wesentliche Determinante der erlebten Lebensqualität sehr alter Menschen. Die Befunde haben gezeigt, dass Einsamkeitsgefühle im Alter mit der Netzwerkgröße und weiteren Schutz- und Risikofaktoren kovariieren, die u. a. auch ein höheres Ausmaß an sozialen Kontakten nahelegen. Gleichzeitig handelt es sich bei Einsamkeitsgefühlen und sozialer Isolation um auch theoretisch nur teilweise überlappende Konzepte. Einen detaillierten Überblick zur sozialen Eingebundenheit und sozialen Unterstützung im hohen Alter in Deutschland wird der nachfolgende fünfte Kurzbericht aus D80+ geben (Wenner et al. 2022).