Schlüsselwörter

FormalPara Kernaussagen

Zwischen November 2020 und Dezember 2021 wurde im Rahmen der bundesweiten Studie „Hohes Alter in Deutschland“ eine schriftliche und telefonische Befragung von mehr als 10.000 Personen ab 80 Jahren zu deren Lebenssituation und Lebensqualität durchgeführt. Dieser abschließende zehnte Kurzbericht aus der deutschlandweiten Repräsentativbefragung stellt die allgemeine Lebenszufriedenheit und das subjektive Wohlbefinden hochaltriger Menschen in Deutschland dar.

Mehr als drei von vier hochaltrigen Menschen in Deutschland sind mit ihrem Leben alles in Allem zufrieden. Die durchschnittliche Zufriedenheit sinkt jedoch über Altersgruppen hinweg deutlich ab. Als besonders unzufrieden beschreiben sich ältere Menschen in Heimen.

Ältere Menschen in Deutschland berichten auch im ersten Pandemiejahr häufig positive Gefühle. Menschen in älteren Altersgruppen, Frauen, Personen in Heimen und mit geringerer Bildung haben ein geringeres Wohlbefinden.

Lebensqualitätsunterschiede zwischen soziodemografischen Gruppen werden z. T. durch deren unterschiedliche Lebenssituation erklärt. So ist z. B. in einem Heim zu leben für sich genommen kein Risikofaktor für geringe Zufriedenheit oder reduziertes Wohlbefinden mehr, wenn Lebensqualität im Alter ganzheitlich verstanden und analysiert wird.

Sehr alte Menschen in Deutschland fühlen sich nur wenig gesellschaftlich anerkannt. Nur etwas über die Hälfte (53 %) der hochaltrigen Menschen in Deutschland fühlt sich von der Gesellschaft für ihre Lebensleistung wertgeschätzt. Weniger als jede dritte hochaltrige Person fühlt sich von der heutigen Gesellschaft gebraucht. Ältere Menschen in Ostdeutschland fühlen sich weniger gesellschaftlich anerkannt und wertgeschätzt.

Soziale Risikolagen (Einsamkeit) sind bei sehr alten Menschen besonders stark mit geringerer Lebenszufriedenheit verknüpft. Das Einsamkeitsrisiko selbst ist zwischen Gruppen älterer Menschen (vor allem nach Geschlecht) stark ungleich verteilt.

Für die gelingende Lebensführung im Alter (Erleben von Autonomie und Verbundenheit mit dem Leben) ist erhaltene Alltagsselbstständigkeit von zentraler Bedeutung. Eine höhere Alltagsselbstständigkeit ist jedoch kein Schutzfaktor vor negativen Bewertungen durch Andere.

Die Sicht auf das eigene Älterwerden bestimmt die subjektive Lebensqualität im hohen Alter mit. Alternsbezogene Verluste machen es schwerer, aktiv mit dem Leben verbunden zu bleiben und Ziele zu realisieren. Dagegen gehen erlebte Alternsgewinne mit Wohlbefinden und wahrgenommener Wertschätzung einher.

Bei der subjektiven Lebensqualität im Alter gilt nicht Alles-oder-Nichts. Hohe Zufriedenheit kann auch dann beobachtet werden, wenn sich ältere Menschen nicht von der Gesellschaft anerkannt und gebraucht fühlen. Autonomie ist ein häufig diskutierter Aspekt der gelingenden Lebensführung im Alter. Autonomie ist aber sowohl mit dem eigenen Wohlbefinden, als auch mit der wahrgenommenen Wertschätzung durch Andere nur schwach assoziiert.

Einleitung

Dieses abschließende Kapitel beschreibt verschiedene Facetten der subjektiv erlebten Lebensqualität. Wie sind Zufriedenheit und Wohlbefinden im sehr hohen Alter ausgeprägt? Wie stark fühlen sich Ältere wertgeschätzt? Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf Aspekte eines in dieser späten Lebensphase trotz gesundheitlicher und sozialer Herausforderungen subjektiv gelingenden Lebens gelegt, insbesondere die erlebte Autonomie und die Verbundenheit mit dem Leben.

Der vorliegende Bericht fokussiert auf das Alter, das Geschlecht, die erworbene Bildung und den Wohnort (Ost-West und Heim versus Privathaushalt) als zentrale Gruppierungsvariablen der Sozialberichterstattung. Darüber hinaus werden in Anlehnung an das vorgeschlagene Challenges and Potentials Model of Quality of Life in Very Old Age (CHAPO; Neise et al. 2019; Wagner et al. 2018, s. Abb. 1) individuelle Schutz- und Risikofaktoren für die subjektive Lebensqualität betrachtet. Dabei werden eine hohe funktionale Gesundheit (Alltagsselbstständigkeit) und gute soziale Integration als Schutzfaktoren, eine geringe soziale Integration (Einsamkeit) und eingeschränkte Alltagsselbstständigkeit dagegen als Risikofaktoren betrachtet. Mit dem subjektiven Alternserleben wird darüber hinaus die Sichtweise auf das eigene Altern (Verluste und Gewinne) als weitere Person-bezogene Vulnerabilität oder Ressource betrachtet.

Abb. 1
figure 1

Das Challenges and Potentials (CHAPO) Modell der Lebensqualität im sehr hohen Alter (Wagner et al. 2018; übersetzt durch Neise et al. 2019; Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung des NOMOS Verlags)

Das Projekt D80+ zeichnet sich durch die umfassende Erhebung von Merkmalen der Lebensqualität im hohen Alter aus und insbesondere durch eine weit über klassische Wohlbefindens-Indikatoren wie Zufriedenheit oder Affekt hinausgehende Berücksichtigung von Lebensergebnissen (Cresswell-Smith et al. 2019; Wettstein et al. 2015). So wird auch der Bereich der Wertschätzung durch Andere als (wahrgenommene) externe BewertungFootnote 1 miteinbezogen. Darüber hinaus werden mit der Autonomie und der aktiven Lebensverbundenheit konkrete Formen der Lebensführung betrachtet, die sowohl für ältere Menschen selbst als auch für die Gesellschaft konkrete Entwicklungsziele darstellen und die darum auch wertebezogen als Formen gelingender Lebensführung im Alter diskutiert werden. Dieser abschließende Bericht berücksichtigt diese Multidimensionalität von Lebensqualität im sehr hohen Alter bei der Erklärung beobachteter Unterschiede in Lebensergebnissen mit und trägt damit auch zur Validierung der innovativen Elemente des konzeptionellen Rahmenmodells bei.

Die Coronapandemie hat aus unterschiedlichen Gründen (z. B. Kontaktbeschränkungen, Existenzängste, Mehrfachbelastungen) bei vielen Menschen zu einer geringeren subjektiven Lebenszufriedenheit geführt (Brandt et al. 2021; Grates et al. 2021) und Studien berichten, dass seit Beginn der Pandemie mehr Menschen an Depressionen erkranken (Arpino et al. 2021; Bäuerle et al. 2020; Krendl und Perry 2021). Dagegen berichten andere Studien, dass die Lebenszufriedenheit (vgl. Entringer et al. 2020) und die psychische Gesundheit einigermaßen stabil geblieben seien (z. B. Vahia et al. 2020; van Tilburg et al. 2020). Trotz der hohen Resilienz, die älteren Menschen auch mit Blick auf die Coronapandemie attestiert wird (Fuller und Huseth-Zosel 2021; Gerhold 2020; Hansen et al. 2021b), ist das Wohlbefinden seit Beginn der Pandemie gesunken (Macdonald und Hülür 2021; Zacher und Rudolph 2021).

Subjektive Lebensqualität sehr alter Menschen nach demografischen Merkmalen

Für ein hohes Maß an Wohlbefinden sind vor allem ein guter Gesundheitszustand und sichere Lebensbedingungen wichtig (Wettstein und Spuling 2019). Befunde zu Unterschieden in diesen Ressourcenlagen wurden für hochaltrige Menschen in Deutschland detailliert in den neun bisher erschienenen Kurzberichten aus D80+ dargestellt (Brijoux und Zank 2022; Fey und Wagner 2021; Hansen et al. 2021b; Kaspar et al. 2022c; Oswald und Wagner 2022; Reissmann et al. 2022; Reissmann und Wagner 2022; Wenner et al. 2022; Zimmermann et al. 2022).

Lebensalter

Für die allgemeine Lebenszufriedenheit und das affektive Wohlbefinden liegen bereits einige Befunde aus relevanten deutschen Altersstudien vor, die in beschränktem Maß auch hochaltrige Menschen miteinschließen. In Querschnittsstudien wurde häufiger ein U-förmiger „Verlauf“ subjektiver Lebensqualität über Altersgruppen hinweg beobachtet: Abnahme ab frühem Erwachsenenalter, geringstes Niveau um 45–55 Jahre, anschließend wieder höhere Niveaus (siehe für eine kritische Übersicht Blanchflower und Graham 2021). Für Gruppen unterschiedlichen Alters innerhalb der Hochaltrigkeit sind vor allem die bisherigen Befunde aus der auf Nordrhein-Westfalen beschränkten NRW80+ Repräsentativbefragung relevant (Hansen et al. 2021a). Die allgemeine Lebenszufriedenheit nimmt danach querschnittlich über die Altersgruppen 80–84 Jahre, 85–89 Jahre und 90 Jahre und älter signifikant ab (Woopen et al. 2018). Auch aus Längsschnittstudien wie dem Deutschen Alterssurvey (DEAS) ist bekannt, dass die Lebenszufriedenheit im höheren Alter etwas abnimmt (Wettstein und Spuling 2019). In der Berliner Altersstudie (BASE) nahmen positive Aspekte der erlebten Lebensqualität (positiver Affekt, Lebenszufriedenheit, Zufriedenheit mit Alter) über das sehr hohe Alter hinweg ab, negative Aspekte erlebter Lebensqualität blieben dagegen stabil (Smith 2001). Befunde, nach denen das achte Lebensjahrzehnt (70+) als stabil und das neunte Lebensjahrzehnt (80+) mit deutlichen Verlusten für Alterszufriedenheit und positiven Affekt verbunden waren, führten in der Folge zur Unterscheidung von einem relativ ressourcenreichen „dritten“ und einem eher ressourcenarmen „vierten Lebensalter“ (Baltes und Smith 2003). Potter et al. (2020) berichten für Daten der Nachfolgestudie BASE-II und des Sozioökonomischen Panels (SOEP) über einen größeren Altersbereich (65+) hinweg eine Stabilität mit Blick auf Glück (happiness) und psychologische Moral, sowie eine nur sehr geringe Abnahme der Lebenszufriedenheit. Die Heidelberger Studie LateLine betrachtete Entwicklungsverläufe innerhalb der Hochaltrigkeit (87 Jahre und älter) für eine Vielzahl verschiedener Facetten der erlebten Lebensqualität (Wettstein et al. 2015). Sie fand insbesondere ungünstige Alternsverläufe in positivem Affekt oder den Subdimensionen Umweltkontrolle und Lebenssinn der Ryff-Skalen (Ryff 1989), die stärker auf auch im Alter bestehende Entwicklungspotenziale und -aufgaben (das sog. psychologische Wohlbefinden) abheben. Dem standen (marginal signifikant) positive Verläufe mit Blick auf Lebenszufriedenheit gegenüber. Negativer Affekt und Autonomie waren dagegen längsschnittlich stabil. Aus Daten des Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) wurden Entwicklungsverläufe für verschiedene Geburtskohorten veröffentlicht. Danach entwickelte sich die Lebenszufriedenheit in der ältesten Kohorte (*1920er) über die Messzeitpunkte hinweg positiv. Für positiven Affekt wurde in dieser Gruppe ein negativer Verlauf geschätzt. Die mit dem CASP-19 (Blane et al. 2004) eingeschätzten Aspekte psychologischen Wohlbefindens (Kontrolle, Autonomie, Selbstrealisierung, Freude) nahmen über die betrachteten 7 Jahre hinweg in der Gesamtgruppe, besonders deutlich aber in der ältesten Altersgruppe ab (Bussière et al. 2021; Nimrod und Shrira 2016). Aus der längsschnittlichen Weiterverfolgung hochaltriger Teilnehmer der NRW80+ Repräsentativbefragung liegen darüber hinaus erste längsschnittliche Befunde zur Entwicklung verschiedener Facetten subjektiver Lebensqualität speziell für dieses Populationssegment vor. Danach sinkt die Lebenszufriedenheit in den älteren Altersgruppen (85–89 Jahre, 90+ Jahre) über einen 2-Jahres-Zeitraum substanziell ab und mit Blick auf affektives Wohlbefinden werden insbesondere in der ältesten Altersgruppe besonders starke Einbußen beobachtet (Kaspar und Reissmann 2022). Im Bereich der gelingenden Lebensführung zeigen sich längsschnittlich signifikante negative Veränderungen von Autonomieerleben und aktiver Verbundenheit hochaltriger Menschen mit dem eigenen Leben (Kaspar et al. 2022b). Im DEAS waren ältere Menschen (70–85 Jahre) eher der Meinung als jüngere Altersgruppen, dass sich die jüngeren Menschen zu wenig um die Bedürfnisse der älteren Menschen kümmern (Franke und Simonson 2017).

Geschlecht

Längsschnittanalysen des DEAS zeigten, dass Frauen bis zu ihrem 70. Lebensjahr eine höhere Zufriedenheit mit ihrem Leben aufweisen als gleichaltrige Männer (Wettstein und Spuling 2019). Dieser Unterschied kehrt sich im höheren Lebensalter allerdings um, sodass in der Gruppe der 70 bis 85-jährigen mehr Männer (84,3 %) als Frauen (76,7 %) eine hohe Lebenszufriedenheit äußern (Wolff und Tesch-Römer 2017). Daten der Berliner Altersstudie konnten belegen, dass hochaltrige Frauen bezogen auf alle Zeitdimensionen (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) schlechtere Zufriedenheitswerte angaben, als Männer. Daneben gaben Frauen über alle Altersgruppen hinweg häufiger negative Gefühle und ein schlechteres allgemeines Wohlbefinden an, als Männer der gleichen Kohorte (Smith et al. 2010). Wichtige Gründe dafür sind der tendenziell schlechtere Gesundheitszustand von Frauen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen und körperliche sowie psychische Leiden (Kruse 2017). Gesundheitsunterschiede schlagen sich auch in der Autonomie nieder. Auf lange Sicht erfahren vor allem Frauen Verluste in der Alltagsselbstständigkeit und Mobilität (Höpflinger 2011; Lehner 2018; Rott 2011). Frauen berichten mit 11,8 % häufiger von Altersdiskriminierung als Männer mit 9,3 % (Beyer et al. 2016). Für ältere Frauen wurde eine geringere Verbundenheit mit dem eigenen Leben berichtet (Jopp et al. 2008). In einer anderen Studie wiesen Frauen im Vergleich zu Männern zudem eine geringere Selbstwirksamkeit und höhere Hoffnungslosigkeit auf, was es weniger wahrscheinlich machte, dass sie ihre Ziele tatsächlich erreichten (Halisch und Geppert 2000).

Bildung

Für ältere Menschen mit niedrigerem Bildungsstand wurde eine geringere Lebenszufriedenheit gefunden als für Menschen mit mittlerer oder hoher Bildung (Lehner 2018; Wolff und Tesch-Römer 2017). Auswertungen des DEAS ergaben, dass 82,5 % der Hochgebildeten, 75,2 % der Menschen mit mittlerer Bildung und 70,4 % der Niedriggebildeten mit ihrem Leben zufrieden sind (Wolff und Tesch-Römer 2017). Unterschiede in der Erfahrung von Altersdiskriminierung zeigen sich auch mit Blick auf das Bildungsniveau (hoch: 7,9 %, mittel: 11,5 %, niedrig: 20 %; Beyer et al. 2016). Die Ungleichheit zwischen hohem und niedrigem Bildungsstand wird auch bei der Zustimmung älterer Menschen zur Frage deutlich, ob sich die Jüngeren zu wenig um ihre Bedürfnisse kümmern (hoch: 56,4 %, mittel: 66,1 %, niedrig: 77,6 %; Franke und Simonson 2017). Mit Blick auf Autonomie im Alter gilt Bildung als wichtiger Präventionsfaktor von Abhängigkeit, da hohe Bildung und damit ein hohes Humankapital nachweislich die Fähigkeit, das Leben selbst zu gestalten, fördern und erhalten. Menschen mit hoher Bildung haben zum Beispiel deutlich mehr Ressourcen und Möglichkeiten, ihre Gesundheit zu schützen (Kruse 2017; Schüz et al. 2011). Jopp et al. (2008) berichten einen positiven Effekt von hoher Bildung auf die Verbundenheit mit dem Leben im Alter.

Ost-West

Menschen in Ostdeutschland waren geringfügig seltener der Meinung als Menschen in Westdeutschland (60,7 % versus 63,4 %), dass sich die jüngeren Menschen zu wenig um die Bedürfnisse der älteren Menschen kümmern (Franke und Simonson 2017). In Ostdeutschland wurden jedoch etwas mehr negative Emotionen von älteren Menschen berichtet als in Westdeutschland (Wolff und Tesch-Römer 2017). Die Zufriedenheitswerte zwischen West und Ost haben sich seit 1996 zwar aufeinander zubewegt, sich jedoch nach wie vor nicht angeglichen, sodass der Anteil zufriedener Ostdeutscher im Jahr 2013 ca. 4 Prozentpunkte geringer war als in Westdeutschland (Wolff und Tesch-Römer 2017).

Institutionalisierung

Die Befundlage zu Unterschieden in der subjektiven Lebensqualität von privat und in Heimen wohnenden älteren Menschen ist überschaubar, da auch Altersstudien die Heimbevölkerung größtenteils ausschließen (Schiel et al. 2021) und in institutionalisierten Teilgruppen häufig eine Fokussierung der Lebensqualitätserfassung auf gesundheitliche Problemlagen erfolgt (für eine Übersicht, siehe Bakas et al. 2012) oder eigenständige multidimensionale Messzugänge präferiert werden (Becker et al. 2011). Befunde zur mehrdimensionalen Erfassung der Lebensqualität im Alter aus der Gesundheit 65+ Studie des RKI (Fuchs et al. 2022a), die auch die Heimbevölkerung systematisch einschloss, stehen gegenwärtig noch aus. Aus den bereits veröffentlichten Befunden der D80+ Studie wurde jedoch sehr deutlich, dass ältere Menschen in Heimen die mitunter ungünstigsten Ressourcenlagen (Kaspar et al. 2022c) und bei gegebener kognitiver Beeinträchtigung in Heimkontexten auch eine höhere Prävalenz von Depressionen sowie eine geringere Autonomie aufweisen (Brijoux und Zank 2022).

Schutz- und Risikofaktoren

In einigen Studien konnte belegt werden, dass eine positivere Einstellung dem eigenen Altern gegenüber, ein im Vergleich zum tatsächlichen chronologischen Lebensalter jüngeres gefühltes Alter und mit dem Älterwerden erfahrene Gewinne gegenüber erfahrenen Verlusten (AARC, Diehl und Wahl 2010) zu günstigeren Entwicklungsoutcomes führen (für Übersichten siehe Diehl et al. 2015, 2021; Westerhof et al. 2014; Wurm et al. 2017). Neben Gesundheitszustand und Mortalitätsrisiko bzw. Überlebenszeit (Kaspar et al. 2021; Stephan et al. 2018) wurden dabei auch substanzielle Zusammenhänge mit dem subjektiven Wohlbefinden und der Lebenszufriedenheit berichtet. So konnten Dutt, Wahl und Rupprecht (2018b) zeigen, dass erlebte Alternsverluste eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Depressionen im hohen Alter spielen. Für das sehr hohe Lebensalter kann erwartet werden, dass Ressourcenverluste im sozialen Bereich (Versterben von Angehörigen und Gleichaltrigen) und im gesundheitlichen Bereich (Multimorbidität) zu einer zunehmend ungünstigeren Balance von Alternsgewinnen zu Alternsverlusten führen (Smith 2003; Wahl und Ehni 2020; Kaspar et al. 2022). Für Alternsgewinne und Alternsverluste wurden jedoch auch bei sehr alten Menschen voneinander unabhängige und substanzielle Zusammenhänge mit der Lebenszufriedenheit, dem psychologischen Wohlbefinden und der Verbundenheit mit dem eigenen Leben berichtet (Kaspar et al. 2018). Höhere erlebte Altersgewinne wurden als Prädiktoren für eine häufigere Nutzung von assimilativen und akkommodativen Bewältigungsstrategien beschrieben (Dutt et al. 2018a).

Die aus dem vorliegenden D80+ Datensatz geschätzte Prävalenz von Einsamkeit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Bedingungsfaktoren wurden bereits im Rahmen des vierten Kurzberichtes zu Einsamkeit in der Hochaltrigkeit beschrieben (Kaspar et al. 2022c). Danach ist Einsamkeit im Alter einerseits ein in Subgruppen wie älteren Frauen oder der Heimbevölkerung vergleichsweise häufiges und ernstzunehmendes Problem, andererseits fühlen sich 88 % aller sehr alten Menschen in Deutschland auch im hohen Alter und unter den ungünstigen Umständen der Coronapandemie nicht (häufig) einsam. Nach Perlman und Peplau (1982) ist Einsamkeit eine Folge der Diskrepanz zwischen dem individuellen Bedürfnis nach sozialem Kontakt und Beziehungen und der wahrgenommenen Lebensrealität. Danach kann Einsamkeit als ein bereichsspezifischer Indikator von Lebenszufriedenheit verstanden werden. Da insbesondere emotional bedeutsame Beziehungen im höheren Lebensalter an Bedeutung gewinnen (Carstensen 1991) sollte Einsamkeit im hohen Lebensalter einen substanziellen Teil der Unterschiede in der allgemeinen Lebenszufriedenheit erklären können. Einige Studien berichten einen Zusammenhang zwischen der subjektiven Lebensqualität und Einsamkeit (Böger und Huxhold 2018; Courtin und Knapp 2017; Macdonald und Hülür 2021), wobei überwiegend aber Depressivität oder andere Marker des subjektiven Wohlbefindens untersucht wurden. Szcześniak et al. (2020) berichteten einen signifikanten direkten negativen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und der allgemeinen Lebenszufriedenheit sowie einen über den Selbstwert vermittelten Effekt von Einsamkeit auf die Lebenszufriedenheit. Insbesondere im sehr hohen Lebensalter scheinen die Folgen von Einsamkeit jedoch geringer auszufallen als in früheren Lebensphasen (Böger und Huxhold 2018; Holt-Lunstad et al. 2015), was auf eine möglicherweise besonders hohe Resilienz der bis ins hohe Lebensalter überlebenden Personen hinweist. Henning et al. (2021) berichteten für Über-60-Jährige einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen dem Erleben von Einsamkeit und Autonomie im Alter, fanden in ihrer längsschnittlichen Analyse aber keinen eindeutigen Hinweis auf eine dominierende Wirkrichtung dieses Zusammenhanges.

Für die vorliegenden Daten der Studie D80+ Hohes Alter in Deutschland konnte bereits in Bericht Nummer 3 Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit und subjektive Gesundheit im hohen Alter ein signifikanter Zusammenhang zwischen verschiedenen Gesundheitsmarkern und der Lebenszufriedenheit und wahrgenommenen Autonomie nachgewiesen werden (Zimmermann et al. 2022). Die funktionale Gesundheit im Sinne der Möglichkeit, Alltagsverrichtungen weitgehend ohne Hilfe ausüben zu können (ADL/IADL, Lawton und Brody 1969), wurde dabei jedoch noch nicht in ihrer Assoziation mit subjektiven Lebensqualitätsoutcomes betrachtet. Die Daten des DEAS zeigen, dass die funktionale Gesundheit mit steigendem Lebensalter abnimmt (Wettstein et al. 2020). Eine hohe erhaltene Alltagsselbstständigkeit (funktionelle Gesundheit, ADL/IADL) ist positiv mit der subjektiven Lebensqualität, beispielsweise mit geringerer Depressivität (Diegelmann et al. 2016; Schöllgen et al. 2016) oder höherem positivem Affekt (Kunzmann et al. 2000; Wettstein et al. 2020) verknüpft. Cresswell-Smith et al. (2019) beschreiben funktionale Gesundheit als eine wesentliche Determinante des breit verstandenen mentalen Wohlbefindens hochaltriger Menschen (80 Jahre und älter). Ein positiver Zusammenhang zwischen subjektiver Gesundheit und Lebenszufriedenheit ist für ältere Menschen in Querschnittsstudien gut belegt (Hillerås et al. 2001; Zimmermann et al. 2022) und wurde auch längsschnittlich für hochaltrige Personen nachgewiesen (Berg et al. 2009). Berg et al. (2006) fanden substanzielle Zusammenhänge zwischen LZ und funktioneller Gesundheit (ADL/IADL), die aber geringer waren als diejenigen zur allgemeinen subjektiven Gesundheitseinschätzung. Erhaltene Alltagsselbstständigkeit im Sinne der ADL/IADL Skalen wird ihrerseits als Indikator der funktionalen Autonomie und Bedingung für erfolgreiches Altern diskutiert (Perrig-Chiello et al. 2006). In diesem Sinne kann angenommen werden, dass die Einschätzung zur Selbstständigkeit bei konkreten Alltagsverrichtungen ein wichtiges Element zur Einschätzung der allgemeineren Autonomie der Lebensführung darstellt. Andererseits sind neben Hilfebedarfen auch strukturelle Einschränkungen oder bewusste Entscheidungen dafür mitverantwortlich, wie sehr das Leben nach den eigenen Vorstellungen gestaltet werden kann. Mit Blick auf den Lebenssinn als einer weiteren Facette gelingender Lebensführung im Alter fanden Czekierda et al. (2017) in ihrer Metaanalyse von 66 Originalstudien schwache bis mittlere Zusammenhänge mit der körperlichen Gesundheit, wobei auch hier engere Zusammenhänge mit subjektiven Einschätzungen der Funktionalität gefunden wurden. Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Gesundheit und Wertschätzung durch Andere bezogen sich häufig auf erlebte Altersdiskriminierung und deren Folgen für die mentale Gesundheit im mittleren Lebensalter (Stokes und Moorman 2020; Vogt Yuan 2007). Stokes und Moorman (2020) berichten einen engeren Zusammenhang zwischen IADL-Beeinträchtigungen und Altersdiskriminierung als zwischen IADL und anderen oder keinen Diskriminierungserfahrungen.

Zusammenfassend sind die zitierten Referenzstudien in ihrer Operationalisierung von erlebter Lebensqualität eingeschränkt (z. B. ausschließlich Lebenszufriedenheit im SOEP) oder sind durch Verzicht auf die Heimbevölkerung (SOEP, DEAS) oder eine bewusste Altersbeschränkung beim Sampling (Zufallsziehung von Personen bis 85 Jahre im DEAS) im Bereich der Hochaltrigkeit eher selektiv und darum nur eingeschränkt auf die Gesamtheit aller hochaltrigen Menschen in Deutschland generalisierbar. Das trifft letztlich auch für spezifischere Hochaltrigenstudien mit lokalem Fokus (BASE, LateLine, NRW80+) zu.

Ziel

Auf Grundlage der im Projekt „Hohes Alter in Deutschland“ D80+ erhobenen Daten nimmt dieser Bericht eine ausführliche Analyse der subjektiven Lebensqualität der hochaltrigen Bevölkerung in Deutschland vor. Die grundsätzlichen Fragestellungen lauten: (a) Gibt es im hohen Alter Alters-, Geschlechts-, Bildungs- und Wohnortunterschiede in Lebenszufriedenheit, Wohlbefinden und Verbundenheit mit dem Leben? und (b) Welche Schutz- und Risikofaktoren können für die subjektive Lebensqualität identifiziert werden?

Die bundesweite Repräsentativbefragung erlaubt prinzipiell die größtmögliche Allgemeingültigkeit der getroffenen Aussagen zur Lebensqualität sehr alter Menschen in Deutschland. Da die Befragung während der Coronapandemie stattgefunden hat, bilden die Ergebnisse allerdings notwendigerweise auch den Einfluss des Pandemie-Geschehens und der Eindämmungsmaßnahmen auf die erlebte Lebensqualität ab.

Methodik

Im Sinne der Altenberichterstattung wird die subjektive Lebensqualität sehr alter Menschen in Deutschland nach den Differenzierungsmerkmalen Geschlecht (Männer/Frauen), Alter (80–84, 85–89, 90+ Jahre), Wohnform (Heim versus Privat), Bundesland (Ost versus West) und Bildung (niedrig, mittel, hoch nach ISCED) dargestellt. Die Ergebnisse dieses Berichtes basieren auf folgenden Fallzahlen für die dargestellten Subgruppen hochaltriger Menschen in Deutschland: Männer (n = 4012, 37,9 %), Frauen (n = 6566, 62,1 %); 80–84 Jahre (n = 6243, 59,0 %), 85–89 Jahre (n = 2850, 27,0 %), 90 Jahre und älter (n = 1485, 14,0 %); Bildung hoch (n = 1752, 17,3 %), mittel (n = 5999, 59,2 %), niedrig (n = 2382, 23,5 %); Privathaushalt (n = 9426, 90,0 %), Heim (n = 1043, 10,0 %); West (n = 8256, 78,0 %), Ost (n = 2322, 22,0 %).

Indikatoren subjektiver Lebensqualität

Als Indikatoren von Lebensqualität älterer Menschen werden Konstrukte in den drei Outcomebereichen des CHAPO-Modells (d. h. Wertschätzung des eigenen Lebens, Wertschätzung durch Andere und gelingende Lebensführung) analysiert.

Im Bereich Wertschätzung des eigenen Lebens zielt das Konzept der Lebenszufriedenheit auf die Bewertung des eigenen Lebens ab. Lebenszufriedenheit wird mit der Frage „Alles in allem, wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit Ihrem Leben?“ gemessen. Die Frage kann in Zahlen von 0 („ganz und gar unzufrieden“) bis 10 („ganz und gar zufrieden“) beantwortet werden. Wohlbefinden stellt in diesem Outcomebereich dagegen eine affektive Komponente von Lebensqualität dar. Wohlbefinden wird durch die fünf positiven Items der Positive and Negative Affect Schedule (Kercher 1992; Watson et al. 1988) erfragt. Die Befragten können in fünf Kategorien (zwischen „nie“ und „immer“) die Häufigkeit von positiven Emotionen (begeistert, aufmerksam, freudig erregt oder erwartungsvoll, angeregt und entschlossen) in den vergangenen 12 Monaten beschreiben. Der Mittelwert der fünf Items wird berichtet, mögliche Werte liegen zwischen eins und fünf. Die Skalenkonsistenz beträgt Cronbach’s α = 0,83.

Die Wertschätzung durch Andere erfasst, inwieweit ältere Menschen sich z. B. für ihre Lebensleistung durch Andere anerkannt fühlen. Verwendet wird hier der Mittelwert der 3 Items „Lebensleistung“, „von Gesellschaft gebraucht“ und „heute mehr wertgeschätzt als früher“, die jeweils auf einer vierstufigen Antwortskala eingeschätzt werden sollten. Die Skalenkonsistenz von α = 0,64 ist angesichts der wenigen Indikatoren und bewusst heterogenen Inhalte akzeptabel.

Im Bereich gelingender Lebensführung thematisiert Autonomie die Möglichkeit, das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die subjektiv erlebte Autonomie der Teilnehmer wurde mit der Frage „Gestalten Sie Ihr Leben nach Ihren eigenen Vorstellungen?“ erfragt. Mögliche Werte liegen zwischen eins („trifft gar nicht zu“) und vier („trifft genau zu“). Die aktive Verbundenheit mit dem Leben ist dagegen ein Indikator für die Aufrechterhaltung einer engagierten und mitverantwortlichen Haltung dem späten Leben gegenüber. Sie wurde über eine Subskala der Valuation of Life Scale (Gitlin et al. 2016; Lawton et al. 2001) erhoben. Verwendet wird hier der Mittelwert der 5 Items, die auf einer dreistufigen Antwortskala (0 = „nein“, 1 = „weder noch“, 2 = „ja“) eingeschätzt wurden. Die Skalenkonsistenz ist zufriedenstellend (α = 0,83).

Ressourcen und Risikofaktoren

Soziodemografisch bestimmte Teilgruppen sehr alter Menschen unterscheiden sich z. T. deutlich mit Blick auf ihre sozialen und persönlichen Ressourcen zur Realisierung von Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden. In Anhang 1 sind die nach Alter, Geschlecht und Wohnort differenzierten Gruppen bezüglich grundlegender sozialer (Einsamkeit, Abb. 10), gesundheitlicher (Alltagsselbstständigkeit, Abb. 11) und persönlicher (Erleben des eigenen Alterns, Abb. 12 und 13) Determinanten der subjektiv erlebten Lebensqualität charakterisiert. Dabei zeigt sich, dass Frauen, Personen in älteren Altersgruppen und im Heim lebende Personen zu einem deutlich größeren Anteil unterdurchschnittliche Ressourcenlagen (Alltagsselbstständigkeit und erlebte Alternsgewinne) bzw. überdurchschnittliche Risikolagen (Einsamkeit und erlebte Alternsverluste) aufweisen. Eine detaillierte Diskussion von Bedingungsfaktoren für diese Merkmale selbst ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berichtes, sondern wird in weiteren Kurzberichten aus dem Projekt D80+ geleistet (s. zu Einsamkeit Kaspar et al. 2022c; s. zu Alltagsselbstständigkeit Oswald und Wagner 2022). Das subjektive Alternserleben wurde anhand einer speziell für die Hochaltrigenstudien am ceres entwickelten Skala erfasst (Kaspar et al. 2018; Kaspar 2021). Dabei werden mit jeweils 5 Fragen die Facetten „erlebte Alternsgewinne“ und „erlebte Alternsverluste“ erhoben (s. zu Befunden aus dem NRW80+ Hochaltrigenpanel Kaspar et al. 2021, 2022). Die Skalenkonsistenz in der aktuellen Stichprobe beträgt α = 0,71 für Alternsgewinne und α = 0,86 für Alternsverluste.

Um zu klären, inwieweit 1) beobachtete Unterschiede in der Lebensqualität verschiedener Bevölkerungsgruppen durch diese Ressourcen- und Risikolagen bestimmt sind, 2) inwieweit eine Verbesserung z. B. der sozialen Ressourcenlage (z. B. Teilhabeprogramme), der Alltagsselbstständigkeit (z. B. technische Unterstützung), oder der Wahrnehmung des eigenen Alters (z. B. Erfahrung von Entwicklungspotenzialen im Alter, Beyer et al. 2019) durch eigenständige Intervention erwartet werden kann, und 3) wie stark sich Lebensqualitätsergebnisse im sehr hohen Alter wechselseitig bedingen oder voneinander unabhängig sind, werden abschließend Ergebnisse multivariater VorhersagemodelleFootnote 2 dargestellt und diskutiert.

Ergebnisse

Wertschätzung des eigenen Lebens

Übersicht

Mehr als drei von vier hochaltrigen Menschen in Deutschland sind mit ihrem Leben alles in Allem (eher) zufrieden.

Die durchschnittliche Zufriedenheit sinkt querschnittlich, also über Altersgruppen hinweg, deutlich ab. Besonders unzufrieden beschreiben sich Menschen in Heimen.

Ältere Menschen in Deutschland berichten auch im ersten Pandemiejahr häufige positive Gefühle. Ältere Menschen, Frauen, Personen in Heimen und mit geringerer Bildung haben ein geringeres Wohlbefinden.

Lebensqualitätsunterschiede zwischen soziodemografischen Gruppen werden z. T. durch deren unterschiedliche Lebenssituation erklärt. So ist z. B. in einem Heim zu leben für sich genommen kein Risikofaktor mehr, wenn Lebensqualität im Alter ganzheitlich analysiert wird.

Auf die Frage nach ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit gibt es auch in der Gruppe sehr alter Menschen in Deutschland sehr wenige, die sich als ausgesprochen unzufrieden beschreiben (Abb. 2). Wie aus anderen Altersstudien wie beispielsweise dem DEAS bekannt, werden überwiegend sehr hohe Zufriedenheitswerte berichtet. So beschreiben sich knapp 16 % aller in D80+ Befragten als ganz und gar zufrieden, während der Anteil der ganz und gar Unzufriedenen gerademal bei 0,8 % liegt. Fasst man die Antwortkategorien 0–5 und 6–10 zusammen, können 76,6 % der sehr alten Menschen in Deutschland als (eher) zufrieden gelten, während weniger als jede vierte hochaltrige Person sich als (eher) unzufrieden beschreibt. Für eine differenzierte Diskussion von Zufriedenheitsunterschieden in Teilgruppen hochaltriger Menschen und für die Erklärung dieser Unterschiede durch Ressourcen und Risikofaktoren erscheint eine solche Dichotomisierung allerding ungünstig und es soll

Abb. 2
figure 2

Verteilung allgemeiner Zufriedenheitswerte laut 11-stufigem Originalitem und Interpretation von (eher) zufriedenen versus (eher) unzufriedenen älteren Menschen analog zum DEAS

jeweils die gesamte Variabilität berücksichtigt werden. Die durchschnittliche Lebenszufriedenheit unterscheidet sich nach allen betrachteten soziodemografischen Merkmalen signifikant voneinander (Abb. 3). In Anbetracht der hohen Fallzahl werden in D80+ jedoch auch Unterschiede statistisch signifikant, die gering und ggfs. praktisch nicht sehr bedeutsam sind.

Abb. 3
figure 3

Mittleres Ausmaß der allgemeinen Lebenszufriedenheit in der hochaltrigen Allgemeinbevölkerung nach soziodemografischen Merkmalen. Alle MW-Unterschiede signifikant auf 5 %-Niveau

So beträgt beispielsweise der Unterschied zwischen Männern und Frauen, zwischen alten und neuen Bundesländern, oder nach Bildungsniveau im Mittel weniger als einen halben Skalenscore auf der 11-stufigen Lebenszufriedenheitsskala. Im Vergleich zu den jüngsten Befragten weisen die ältesten Hochaltrigen dagegen eine im Mittel um einen vollen Punkt geringere Lebenszufriedenheit auf. Noch größer sind die Unterschiede zwischen Privatwohnenden und älteren Menschen in Heimen (7,4 versus 5,3). Es muss davon ausgegangen werden, dass diese bivariat beobachteten Unterschiede z. B. zwischen älteren Männern und Frauen, zum Teil auch durch die unterschiedlichen Lebenslagen sehr alter Frauen im Vergleich zu älteren Männern mitbestimmt sind. Beispielsweise ist der Anteil von niedriggebildeten Menschen oder Menschen in Heimen unter den hochaltrigen Frauen deutlich größer als bei den Männern. Um dennoch zuverlässige Ansatzpunkte für eine Förderung der Lebensqualität im Alter zu ermöglichen, wird die Rolle der soziodemografischen Hintergrundvariablen im nachfolgenden Kapitel (s. Tab. 1) auch nochmal im Zusammenhang eines umfassenden Modells der Lebensqualität im hohen Alter geschätzt und eingeordnet.

Tab. 1 Vorhersage der subjektiven Lebensqualität im Alter

Für das subjektive Wohlbefinden im Sinne der Häufigkeit positiver Gefühle zeigt sich ein ähnliches Bild von statistisch überzufälligen, durchschnittlich aber kleinen Unterschieden nach soziodemografischen Hintergrundvariablen (Abb. 4). Menschen in älteren Altersgruppen berichten jeweils weniger häufig positiven Affekt. Auch beim Wohlbefinden lassen sich geringe Unterschiede zuungunsten von Frauen feststellen. Ältere Menschen mit höherer Bildung berichten über mehr positive Gefühle im vergangenen Jahr. Keine statistisch überzufälligen Unterschiede lassen sich dagegen zwischen Personen aus West- und Ostdeutschland feststellen. Wie zuvor bei der Lebenszufriedenheit zeigen sich auch beim Wohlbefinden die deutlichsten Unterschiede zwischen Personen in Privathaushalten und Heimen.

Abb. 4
figure 4

Mittleres Ausmaß des Wohlbefindens (positiver Affekt) in der hochaltrigen Allgemeinbevölkerung nach soziodemografischen Merkmalen. Alle MW-Unterschiede signifikant auf 5 %-Niveau, sofern nicht anders (n.s. p ≥ 0,05) angegeben

Die Auswirkungen der Coronapandemie auf das Wohlbefinden werden von Hochaltrigen in Deutschland unterschiedlich stark wahrgenommen. So berichteten 38 % der Befragten retrospektiv, dass die Coronapandemie ihr Wohlbefinden überhaupt nicht beeinflusst hätte. Nur ein Drittel aller Hochaltrigen, die von coronabedingten Veränderungen berichten, erlebten diese auch als überwiegend negativ. Nahezu 63 % berichten dagegen, dass sich

positive und negative Effekte der Pandemie auf ihr Wohlbefinden insgesamt ausgleichen würden. Für Heimbewohner wurden, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen der besonderen Kontaktbeschränkungen, den gravierenderen Konsequenzen bei Erkrankung und der polarisierenden gesellschaftlichen Debatte um Solidarität mit vulnerableren älteren Menschen, besonders negative Folgen der Pandemie beschrieben, die wahrscheinlich auch zu den beobachteten deutlich schlechteren Lebensbewertungen in Heimen beitragen (vgl. Hansen et al. 2021b).

Wertschätzung durch Andere

Übersicht

Nur etwas über die Hälfte (53 %) der hochaltrigen Menschen in Deutschland fühlt sich von der Gesellschaft für ihre Lebensleistung (eher) wertgeschätzt. Weniger als jede dritte hochaltrige Person fühlt sich von der heutigen Gesellschaft gebraucht.

Ältere Menschen in Ostdeutschland fühlen sich weniger gesellschaftlich anerkannt und wertgeschätzt als sehr alte Menschen in Westdeutschland.

Höhere Bildung ist nicht mit höherer Anerkennung verbunden, sondern mit geringerer gefühlter Wertschätzung.

Die gefühlte gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung sehr alter Menschen fällt deutlich geringer aus als es wünschenswert wäre (Abb. 5). Nur etwas über die Hälfte (53 %) der hochaltrigen Menschen in Deutschland fühlt sich von der Gesellschaft für ihre Lebensleistung (eher) wertgeschätzt. Weniger als jede dritte hochaltrige Person hat das Gefühl, von der heutigen Gesellschaft (eher) gebraucht zu werden. Lediglich 25 % aller Befragten gab an, heute (eher) mehr geschätzt und geachtet zu werden als früher. Für drei von vier Befragten scheint das dagegen (eher) nicht zuzutreffen. Mit den Einzelfragen werden verschiedene Aspekte von Wertschätzung und Anerkennung angesprochen, die offensichtlich nicht zwingend identisch eingeschätzt werden. Dennoch teilen sich alle drei Aussagen hinreichend (41 %) gemeinsame Varianz, sodass eine gemeinsame Betrachtung als Skala nützlich ist.

Abb. 5
figure 5

Verschiedene Aspekte der im hohen Alter erfahrenen Wertschätzung und Anerkennung durch Andere

Das mittlere Ausmaß der erfahrenen Wertschätzung älterer Menschen in Deutschland bewegt sich damit insgesamt auf einem niedrigen Niveau (ca. 2 von 4 Skalenpunkten, s. Abb. 6). Die erlebte externe Bewertung variiert geringfügig, aber signifikant mit soziodemografischen Hintergrundmerkmalen. Menschen in älteren Altersgruppen erfahren eine geringere Anerkennung als jüngere Hochaltrige. Frauen fühlen sich in geringerem Maße wertgeschätzt als Männer. Während sich ältere Menschen mit niedriger und mittlerer Bildung hinsichtlich der erfahrenen externen Bewertung nicht überzufällig unterschieden, geben ältere Menschen mit höherem Bildungsstand an, sich weniger wertgeschätzt zu fühlen. Deutlich sind hier auch Unterschiede zwischen älteren Menschen aus den alten und den neuen Bundesländern: sehr alte Menschen in Ostdeutschland fühlen sich gesellschaftlich weniger geachtet als ältere Menschen in Westdeutschland. Das gilt auch für Personen in Heimen im Vergleich zu solchen in Privathaushalten.

Abb. 6
figure 6

Mittleres Ausmaß erfahrener Wertschätzung und Anerkennung in der hochaltrigen Allgemeinbevölkerung nach soziodemografischen Merkmalen. Alle MW-Unterschiede signifikant auf 5 %-Niveau, sofern nicht anders (n.s. p ≥ 0,05) angegeben

Wie zuvor gilt auch hier, dass nicht alle Unterschiede zwischen soziodemografischen Gruppen auch dann noch bestehen bleiben, wenn im Erklärungsmodell besser für die unterschiedlichen Lebenssituationen dieser Gruppen kontrolliert wird (s. Tab. 1). Unterschiede in der erfahrenen externen Bewertung zuungunsten von älteren

Menschen in Ostdeutschland und zuungunsten von Personen mit höherer Bildung zeigen sich jedoch auch bei einer umfassenderen Betrachtung von Lebensqualität im hohen Alter.

Gelingende Lebensführung

Übersicht

Mehr als 86 % aller hochaltrigen Menschen in Deutschland geben an, ihr Leben (eher) nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Leben im Heim bedeutet für zwei von drei hochaltrigen Menschen auch Einschränkungen in der Lebensgestaltung. Diese Einschränkungen können nicht vollständig auf eine geringere Alltagsselbstständigkeit oder eine geringere soziale Einbindung der Heimbevölkerung zurückgeführt werden.

Die aktive Verbundenheit mit dem Leben sinkt in der Hochaltrigkeit über die Altersgruppen hinweg deutlich ab. Das Alter selbst scheint aber weniger ausschlaggebend für Verbundenheit mit dem Leben zu sein als die beim Älterwerden erlebten Gewinne und Verluste.

Die Hälfte aller befragten sehr alten Menschen in Deutschland gibt an, ihr Leben genau nach den eigenen Vorstellungen gestalten zu können. Lediglich 13,5 % aller befragten älteren Menschen in Deutschland schätzen sich dagegen als (eher) nicht autonom ein (Abb. 7). Freiheiten in der Lebensgestaltung sind auch im sehr hohen Alter deutlich von soziodemografischen Hintergrundmerkmalen mitbestimmt. Im Vergleich zu den jüngsten Hochaltrigen (80–84 Jahre) berichten Personen ab 90 Jahren mehr als dreimal so häufig von Einschränkungen ihrer Autonomie (Abb. 8). Sehr deutlich fallen auch die Unterschiede im Autonomieerleben von privatwohnenden und im Heim wohnenden älteren Menschen aus. Im Heim geben zwei von drei älteren Menschen an, ihr Leben (eher) nicht nach Ihren eigenen Wünschen gestalten zu können. Begrenzungen der Autonomie ergeben sich jedoch auch für Frauen stärker als für Männer und sind mit geringerer Bildung größer. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass Alltagsautonomie nicht nur durch gute erhaltene

Abb. 7
figure 7

Verteilung des subjektiven Autonomieerlebens

Abb. 8
figure 8

Verteilung des subjektiven Autonomieerlebens in der hochaltrigen Allgemeinbevölkerung nach soziodemografischen Merkmalen. Alle MW-Unterschiede signifikant auf 5 %-Niveau, sofern nicht anders (n.s. p ≥ 0,05) angegeben

Gesundheit bestimmt ist, sondern daneben auch von (sozialen) Rollen und mit höherem Bildungsgrad gesteigerten Opportunitätsstrukturen und Ressourcen. Tatsächlich zeigt sich, dass die bivariat beobachteten Bildungsunterschiede im multiplen Erklärungsmodell keinen eigenständigen Einfluss auf die Autonomie mehr haben, sondern dieser Zusammenhang durch beispielsweise funktionale Gesundheit, soziale Einbindung oder höheres Wohlbefinden mit abgebildet werden kann (Tab. 1). In einem Heim zu leben bringt dagegen auch dann noch Einschränkungen der Alltagsgestaltung mit sich, nachdem für Unterschiede in der erhaltenen Alltagsselbstständigkeit und sozialen Kontakten kontrolliert wurde.

Ältere Menschen in Deutschland berichten ein hohes Ausmaß von aktiver Verbundenheit mit dem Leben. Die Zustimmungsraten zu den fünf Fragen zu Lebenszielen und Bewältigungsmöglichkeiten im Alter variieren zwischen 47 % (habe viele Ideen, um aus einer schwierigen Lage wieder herauszufinden) und 70 % (erreiche im Allgemeinen die Ziele, die ich mir selbst setze). Der Mittelwert des Skalenscores variiert jedoch deutlich über verschiedene soziodemografische Gruppen hinweg (Abb. 9). Menschen in älteren Altersgruppen weisen ein geringeres Niveau an aktiver Verbundenheit mit dem Leben auf als jüngere Hochaltrige. Unterschiede zeigen sich auch mit Blick auf das Geschlecht zuungunsten von Frauen und mit Blick auf eine höhere aktive Verbundenheit von Personen mit höherer formaler Bildung. Besonders gering sind die Verbundenheitswerte durchschnittlich bei in Heimen wohnenden älteren Menschen. Der Wohnort in West- oder Ostdeutschland scheint dagegen für sich genommen keine Rolle zu spielen. Wie zuvor relativieren sich auch mit Blick auf die aktive Verbundenheit mit dem Leben die Unterschiede zwischen soziodemografischen Gruppen, wenn ein umfassenderes Erklärungsmodell zur Lebensqualität im hohen Alter angelegt wird (Tab. 1). Die großen bivariaten Unterschiede zwischen Altersgruppen oder Heim/Privat gehen vollständig in den zusätzlich betrachteten Prädiktoren der Lebensverbundenheit, beispielsweise der Interpretation von altersbezogenen Veränderungen oder dem Wohlbefinden und der Zufriedenheit auf.

Abb. 9
figure 9

Mittleres Ausmaß der aktiven Verbundenheit mit dem Leben in der hochaltrigen Allgemeinbevölkerung nach soziodemografischen Merkmalen. Alle MW-Unterschiede signifikant auf 5 %-Niveau, sofern nicht anders (n.s. p ≥ 0,05) angegeben

Bedeutung von Schutz- und Risikofaktoren für die subjektive Lebensqualität

Übersicht

Soziale Risikolagen (Einsamkeit) sind bei sehr alten Menschen besonders stark mit geringerer Lebenszufriedenheit verknüpft.

Für die gelingende Lebensführung im Alter (Autonomie, Lebensverbundenheit) ist erhaltene Alltagsselbstständigkeit von zentraler Bedeutung. Ein höhere Alltagsselbstständigkeit ist jedoch kein Schutzfaktor vor negativen Bewertungen durch Andere.

Die Sicht auf das eigene Älterwerden bestimmt die subjektive Lebensqualität im hohen Alter mit. Menschen, die mehr alternsbezogene Verluste erfahren, fällt es schwerer, aktiv mit dem Leben verbunden zu bleiben und ihre Ziele zu realisieren. Alternsgewinne sind dagegen mit Wohlbefinden und höherer wahrgenommener Wertschätzung verbunden.

Erlebte Autonomie ist ein Indikator gelingender Lebensführung mit wenig Bezug zu Wohlbefinden und Wertschätzung durch Andere. Hohe Zufriedenheitswerte können auch dann beobachtet werden, wenn sich ältere Menschen nicht von der Gesellschaft anerkannt und gebraucht fühlen.

Anhand der im CHAPO-Modell verorteten Umwelt- und Person-seitigen Ressourcenlagen und unter Berücksichtigung der Multidimensionalität von Lebensqualitäts-Ergebnissen in der Hochaltrigkeit, können bis zu 48 % (Verbundenheit mit dem Leben) der beobachteten Unterschiedlichkeit in der subjektiven Lebensqualität sehr alter Menschen in Deutschland „erklärt“ werden (Tab. 1). Am schlechtesten können mit den erfassten individuellen Merkmalen dagegen Unterschiede in der erlebten Wertschätzung durch Andere erklärt werden (16 %).

Unter Kontrolle der individuellen Ressourcenlagen und Einschätzungen zur Lebensqualität zeigen sich für alle LQ-Outcomes nur sehr kleine Effekte (beta < 0,1) des Lebensalters (Altersgruppe) oder Geschlechtes. Auch die Effekte des Wohnortes in den alten und neuen Bundesländern (Ost-West) und für unterschiedliche Bildungsniveaus sind beinahe ausschließlich sehr klein. In einem Heim zu Wohnen ist dagegen ein deutlicher Risikofaktor für ein geringeres Autonomieerleben. Eine höhere Bildung scheint zwar die Bewertung des eigenen Lebens (Zufriedenheit, Wohlbefinden) positiv zu beeinflussen – einen Schutzfaktor vor negativen Bewertungen durch Andere scheint diese jedoch nicht darzustellen.

Für soziale (Einsamkeit) Ressourcen oder innerhalb der Person liegende Ressourcen (Alltagsselbstständigkeit, Perspektive auf das eigene Altern) werden kleine bis mittlere Effekte (0,1 < beta < 0,3) auf die verschiedenen Facetten erlebter Lebensqualität geschätzt. Einsamkeit ist besonders stark mit geringerer Lebenszufriedenheit verbunden, in geringerem Ausmaß aber signifikant auch mit allen anderen Lebensergebnissen. Die erhaltene Selbstständigkeit bei komplexen Alltagsverrichtungen (IADL) ist dagegen besonders mit dem Erleben von Autonomie und Verbundenheit mit dem Leben im Alter verknüpft. Interessanterweise ist eine höhere Alltagsselbstständigkeit in diesem Alterssegment negativ mit der erlebten Wertschätzung durch andere Menschen assoziiert. In der NRW80+ Studie konnte gezeigt werden, dass hochaltrige Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf, die in die Studie nur über Stellvertreterurteile einbezogen werden konnten, über weniger negative Beurteilungen durch Andere berichteten (Kaspar et al. 2022a). Es kann vermutet werden, dass entweder die erlebten Unterstützungsstrukturen mehr Wertschätzung transportieren oder vor negativen Alltagserfahrungen außerhalb dieser Unterstützungsstrukturen schützen. Das Erleben des eigenen Alterns ist ein für alle Aspekte erlebter Lebensqualität bedeutsamer Prädiktor mit eigenständigen Effekten von erfahrenen Altersgewinnen und Alternsverlusten. Altersbezogene Verlusterfahrungen sind eher mit Unzufriedenheit und reduzierter Verbundenheit mit dem Leben assoziiert, während Erfahrungen von persönlichem Wachstum und Gewinnen mit dem Alter vor allem das affektive Wohlbefinden und die erfahrene Wertschätzung durch Andere mitbestimmen. Für die selbsteingeschätzte Autonomie sind die Beiträge von Altersgewinnen und -verlusten dagegen etwas ausgeglichener.

Die nach dem CAPO-Modell beschriebenen Facetten erlebter Lebensqualität weisen untereinander substanzielle und differenzielle Zusammenhänge auf. Im Bereich der Wertschätzung des eigenen Lebens sagt beispielsweise häufigerer positiver Affekt eine höhere Lebenszufriedenheit sehr alter Menschen voraus und umgekehrt. Kein solch wechselseitiger Zusammenhang findet sich dagegen für Autonomie und Verbundenheit mit dem Leben im Bereich der gelingenden Lebensführung. Eine aktive Verbundenheit mit dem Leben kann danach auch unter ungünstigen Umständen von nur geringer erlebter Autonomie erhalten bleiben. Auch die wahrgenommene Wertschätzung durch Andere scheint nicht substanziell durch das Ausmaß erhaltener Autonomie bestimmt.

Die vorliegenden Querschnittsdaten erlauben keine Aussagen zu kausalen Wirkmechanismen. Inwiefern also eine gelingende Lebensführung sicherstellt, dass das eigene Leben (selbst und von Anderen) auch als positiv wahrgenommen wird, oder inwieweit eine hinreichende Wertschätzung durch Andere erst den Kontext dafür bietet, autonom zu bleiben und Lebensziele zu verfolgen, kann hier nicht beantwortet werden. Bessere Möglichkeiten für die Identifikation von Mechanismen böten Daten aus einer längsschnittlichen Weiterverfolgung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie „Hohes Alter in Deutschland“ D80+ geben Aufschluss über die erlebte Lebensqualität hochaltriger Menschen in Deutschland vor dem Hintergrund des Pandemiegeschehens 2020 und 2021. Aufgrund der hohen Befragungsbeteiligung konnte eine differenzierte Betrachtung auch nach einzelnen Bevölkerungsgruppen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Bildung oder Wohnort und Wohnform vorgelegt werden. Auf Grundlage dieser deskriptiven Befunde und unter Berücksichtigung von in späten Lebensphasen existierenden Konstellationen von Risiko- und Schutzfaktoren kann ein möglicher Interventionsbedarf identifiziert und spezifisch konzipiert werden.

Die erste grundsätzliche Frage lautete: Gibt es im hohen Alter Alters-, Geschlechts-, Bildungs- und Wohnortunterschiede in Lebenszufriedenheit, Wohlbefinden und Verbundenheit mit dem Leben? Dies ist klar der Fall, wobei nicht alle demografischen Merkmale die erlebte Lebensqualität im Alter gleichermaßen mitbestimmen. So zeigen sich beispielsweise mit Blick auf den erlebten positiven Affekt, das Autonomieerleben und die Verbundenheit mit dem Leben keine bedeutsamen Unterschiede zwischen älteren Menschen aus den alten und neuen Bundesländern. Für die allgemeine Lebenszufriedenheit und die gesellschaftliche Wertschätzung wurden dagegen etwas geringere Niveaus in den neuen Bundesländern beobachtet, die auch unter Kontrolle weiterer Aspekte der Lebensverhältnisse bestehen blieben. Zu diesem Befund mag auch der Wandel in den Beschäftigungs- und Sozialstrukturen in den neuen Bundesländern nach der Wende beitragen. Innerhalb der Gruppe der Ab-80-Jährigen lassen sich bivariat für viele Aspekte der subjektiven Lebensqualität deutliche Geschlechts- und vor allem Altersunterschiede beobachten. Dabei weisen Menschen in älteren Altersgruppen durchgängig ungünstigere Lebensbewertungen auf, was anhand der Vorbefunde auch zu erwarten war. Die gefundenen Altersunterschiede sind dabei in der Regel jedoch gering und die Bedeutung des chronologischen Lebensalters für die erlebte Lebensqualität weist mitunter sogar in die entgegengesetzte Richtung (höhere LZ in älteren Altersgruppen), wenn man über die bivariaten Zusammenhänge hinaus weitere konkurrierende Prädiktoren der subjektiven Lebensqualität mitberücksichtigt. Auch die Geschlechterunterschiede verweisen für sich betrachtet wie aus den Vorbefunden erwartet durchgängig auf eine bessere Lebensbewertung von hochaltrigen Männern gegenüber sehr alten Frauen. Auch hier werden Effekte relativiert und führen zu einer mitunter anderen Einschätzung von Geschlechtereffekten, wenn gleichzeitig auch die für sehr alte Männer und Frauen sehr unterschiedlichen Voraussetzungen wie z. B. Institutionalisierung oder Bildungsgrad mitberücksichtigt werden. Angebote zur Stabilisierung und Förderung von subjektiver Lebensqualität in der sehr heterogenen Lebensphase Alter sollten sich darum vorrangig an spezifischeren Lebenskonstellationen orientieren als an einzelnen Personenmerkmalen wie Alter oder Geschlecht. Die für sich genommen deutlichsten Unterschiede in allen drei Ergebnisbereichen erfahrener Lebensqualität lassen sich zwischen hochaltrigen Menschen in Privathaushalten und Heimen feststellen. Mit Ausnahme der erlebten Autonomie, bei der die Heimzugehörigkeit auch unter Kontrolle weiterer Merkmale wie z. B. der erhaltenen Alltagsselbstständigkeit weiterhin mit signifikant niedrigeren Autonomiewerten verbunden ist, scheint das Wohnen in einer Einrichtung an und für sich kein genuiner Hinderungsgrund für das Erleben von Wohlbefinden, Zufriedenheit, Lebensverbundenheit oder von gesellschaftlicher Wertschätzung im sehr hohen Alter zu sein. Bildungsunterschiede, die in dieser Altersgruppe auch zwischen den Geschlechtern deutlich sind (ältere Männer sind formal höher gebildet als ältere Frauen, vgl. Anhang 2 in Kaspar et al. 2022c), zeichnen ein differenziertes Muster der erlebten Lebensqualität: Einerseits berichten sehr alte Menschen mit höherer Bildung ein höheres Niveau an erlebter Autonomie, mehr Verbundenheit mit dem Leben, höhere Lebenszufriedenheit und mehr positives Wohlbefinden als Menschen mit mittlerer oder niedriger Bildung (vgl. Jopp et al. 2008). Andererseits fühlen sich höhergebildete sehr alte Menschen von der heutigen Gesellschaft weniger stark wertgeschätzt und anerkannt. Ein geringer, aber ebenfalls negativer Zusammenhang findet sich auch für Bildungsunterschiede in der allgemeinen Lebenszufriedenheit, wenn für weitere Merkmale der Lebenssituation und -bewertung kontrolliert wird. Inwieweit auch im hohen Alter Bildungsangebote zu einer Förderung von subjektiver Lebensqualität beitragen können, kann durch den Fokus auf formale Bildungsniveaus und die nur einmalige Erhebung hier nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Umgekehrt kann es vor dem Hintergrund der Befunde aber sinnvoll sein, bessere Möglichkeiten für Teilhabe und Mitverantwortung in anspruchsvollen Funktionen zu schaffen, um darüber erfahrene Wertschätzung zu fördern.

Die zweite Frage, der dieser Bericht nachgeht, lautete: Welche Schutz- und Risikofaktoren können für die subjektive Lebensqualität identifiziert werden? Dabei wurden – über die zuvor genannten wichtigen soziodemografischen Merkmale hinaus – Ressourcen- und Risikolagen im sozialen Bereich (subjektive Einsamkeitsgefühle), im gesundheitlichen Bereich (erhaltene Alltagsselbstständigkeit) und mit Blick auf die Wahrnehmung des Alternsprozesses selbst (erfahrene Alternsgewinne und -verluste) berücksichtigt. Jedes dieser Merkmale erscheint substanziell mit der subjektiven Lebensqualität im Alter verknüpft zu sein. In der Regel sind die Zusammenhänge mit Lebensqualitätsergebnissen dabei enger als diejenigen, die für soziodemografische Hintergrundvariablen gefunden wurden und bewegen sich im Bereich kleiner und mittlerer Effekte. Ältere Menschen, die sich einsam fühlen, weisen vor allem eine signifikant niedrigere Lebenszufriedenheit auf, aber auch alle anderen Aspekte der erlebten Lebensqualität sind durch Einsamkeit deutlich beeinträchtigt. Insgesamt bestätigen die Befunde der Studie D80+ „Hohes Alter in Deutschland“ die in anderen Altersstudien für etwas jüngere Altersgruppen berichtete hohe Bedeutsamkeit einer erlebten sozialen Eingebundenheit und Beziehung zu anderen Menschen auch im sehr hohen Lebensalter. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass die berichtete Lebenssituation Ende 2020/Anfang 2021 stark unter dem Eindruck der Coronapandemie stand, bei der vor allem auch ältere Menschen als vulnerablere Gruppe in besonderem Maße für negative soziale Auswirkungen z. B. von Kontaktbeschränkungen sensibilisiert waren. Die erhaltene Selbstständigkeit bei komplexeren alltäglichen Aufgaben bestimmt bei älteren Menschen maßgeblich Lebensqualitätsergebnisse im Bereich der gelingenden Lebensführung mit. Erhaltene Alltagsselbstständigkeit kann bei älteren Menschen in Heimen dazu beitragen, das dort systematisch geringere Autonomieerleben auszugleichen. Erhaltene Alltagsselbstständigkeit trägt auch zu einer stärkeren aktiven Verbundenheit mit dem Leben bei, da diese auch Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und Handlungsoptionen umfasst. Im Gegensatz zu basaleren Aktivitäten des täglichen Lebens (z. B. Köperpflege), deren Unterstützung auch auf einer persönlichen Ebene voraussetzungsreich ist (Fuchs et al. 2022b), können die hier betrachteten komplexeren instrumentellen Alltagsaktivitäten (z. B. Finanzen regeln) vergleichsweise einfach technisch und organisatorisch unterstützt werden. Gemäß den berichteten Konsequenzen erhaltener Alltagsselbstständigkeit für die subjektive Lebensqualität wäre es darum wünschenswert, Entscheidungsprozesse in Unterstützungsangeboten so zu gestalten, dass die erlebte Selbstwirksamkeit erhalten bleibt oder gefördert wird. Die Wahrnehmung von altersbezogenen Gewinnen ist bei sehr alten Menschen signifikant mit dem Erleben positiver Gefühle verknüpft. Befunde aus NRW80+ hatten bereits gezeigt, dass insbesondere der Wegfall von Freizeitaktivitäten das Erleben von Alternsgewinnen gefährdet, es sich also um einen Schutzfaktor handelt, der stark sozial bestimmt ist (Kaspar et al. 2021). Das zeigt sich deutschlandweit nun u. a. auch darin, dass sehr alte Menschen mit positiverem Alternserleben sich in stärkerem Maße von Anderen wertgeschätzt und anerkannt fühlen. In geringerem Ausmaß stellt eine positive Sicht auf eigene Veränderungen mit dem Alter aber auch für alle anderen Facetten subjektiver Lebensqualität im Alter einen eigenständigen Schutzfaktor (also u. a. auch unter Berücksichtigung von Alternsverlusten) dar. Erlebte Altersverluste stellen dagegen einen substanziellen Risikofaktor für alle betrachteten Aspekte der subjektiven Lebensqualität im sehr hohen Alter dar. Die Wahrnehmung des eigenen Alterns kann Bewältigungsmechanismen fördern (Dutt et al. 2018a) und das Alternsselbstbild kann durch Interventionen positiv beeinflusst werden (Beyer et al. 2019). Es soll darum hier empfohlen werden, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die älteren Menschen dabei helfen, auch Alternsgewinnen gewahr zu werden und konstruktiv mit erlebten Alternsverlusten umzugehen.

Nicht unberücksichtigt bleiben kann der Umstand, dass die Daten unter dem Eindruck der zweiten und dritten Welle der Coronapandemie erhoben wurden. Befunde zur subjektiven Wahrnehmung von Veränderungen in der eigenen Lebenssituation durch die Pandemie wurden bereits im ersten Kurzbericht (Hansen et al. 2021b) beschrieben. Der vorliegende Bericht zeigt, dass sich einerseits zwar für manche Hochaltrige Einbußen im Wohlbefinden ergeben haben, dass die Pandemiezeit andererseits aber für viele ältere Menschen vor allem durch eine Mischung von positiven und negativen Erfahrungen charakterisiert ist. Ein direkter Vergleich mit Befunden zur Lebensqualität hochaltriger Menschen vor der Coronapandemie aus NRW80+ ist nur eingeschränkt möglich, da es sich um eine lokale Stichprobe (nur NRW) handelt und die Erhebungen im persönlichen Gespräch stattfanden. Die durchschnittliche Lebenszufriedenheit und das Ausmaß positiven Affektes waren jedoch sowohl zur ersten, als auch zur zweiten Welle in NRW deutlich höher (Kaspar und Reissmann 2022). Zusätzlich konnte in NRW80+ innerhalb der zweiten Welle ein deutlicher Unterschied zwischen den (überwiegend) vor und (wenigen) während der Coronapandemie einbezogenen Teilnehmenden beobachtet werden.

Dieser Kurzbericht nimmt mit der gelingenden Lebensführung, der Bewertung durch Andere und der subjektiven Einschätzung des eigenen Lebens drei Bereiche der erlebten Lebensqualität sehr alter Menschen in den Blick. Die Befunde zeigen für viele Aspekte der Lebensqualität im Alter deutliche Unterschiede zwischen soziodemografischen Gruppen wie Männer und Frauen, Teilgruppen unterschiedlichen Alters, Heimbewohner und Privatwohnende, Menschen in Ost- und Westdeutschland oder Personen mit unterschiedlicher formaler Bildung. Gleichzeitig relativiert sich der genuine Einfluss vieler dieser Merkmale, wenn mit dem CHAPO-Modell ein umfassenderer Ansatz zur Beschreibung und Erklärung von Lebensqualität im sehr hohen Alter angelegt wird. Soziale, gesundheitliche und (entwicklungs-)psychologische Schutz- und Risikofaktoren konnten identifiziert werden, mit denen auch selektiv bestimmte Aspekte der Lebensqualität gefördert werden könnten. Gleichzeitig sind die wechselseitigen Zusammenhänge verschiedener Facetten der subjektiven Lebensqualität im Alter deutlich geworden: so hängt beispielsweise das Ausmaß, in dem sich ältere Menschen in Deutschland wertgeschätzt fühlen, kaum mit der allgemeinen Lebenszufriedenheit oder dem eigenen Autonomieerleben zusammen. Besonders enge wechselseitige Beziehung konnten dagegen zwischen der aktiven Verbundenheit mit dem Leben und dem subjektiven Wohlbefinden identifiziert werden. Auch im sehr hohen Alter Motivation und Möglichkeiten zu finden, mit Herausforderungen umzugehen, erscheint – wie theoretisch erwartet – tatsächlich eine Form gelingender Lebensführung zu sein, die sich einerseits in Zufriedenheit und Wohlbefinden, andererseits aber auch in einer höheren wahrgenommenen Anerkennung durch Andere niederschlägt. Für das Autonomieerleben im sehr hohen Alter gilt dies dagegen nicht im selben Maße: das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten fördert zwar Zufriedenheit und in geringem Ausmaß auch Wohlbefinden und Lebensverbundenheit, trägt andererseits aber nicht dazu bei, sich auch im hohen Alter von Anderen anerkannt und wertgeschätzt zu fühlen.