Um den Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung von Unternehmen gerecht zu werden, spielt die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Innovationsaktivitäten eine zunehmend wichtige Rolle. In diesem Kapitel werden geeignete Konzepte und Methoden zur praktischen Umsetzung einer solchen Integration in die einzelnen Phasen des Innovationsprozesses beschrieben.Footnote 1

Lernziele für dieses Kapitel: Die Leserinnen und Leser …

  • verstehen die Relevanz von Nachhaltigkeitsthemen für Unternehmen,

  • wissen um die Bedeutung der Berücksichtigung von Aspekten der Nachhaltigkeit im Innovationsmanagement,

  • kennen Konzepte und Methoden zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten im Innovationsprozess.

Nutzen Sie für dieses Kapitel das Lerntagebuch – http://www.hs-pforzheim.de/IMBuch.

Beantworten Sie die Fragen des Quiz zum Kapitel. Die Überprüfung findet erst am Ende des Kapitels statt.

In Abb. 7.1 finden Sie das Gesamtbild „Ambidextres Innovationsmanagements in KMU“. Nachhaltigkeitsaspekte sind in allen Phasen des dort dargestellten Innovationsprozesses integrativ zu berücksichtigen.

Abb. 7.1
figure 1

Gesamtbild „Ambidextres Innovationsmanagement in KMU“ mit Integration von Nachhaltigkeitsanforderungen (entwickelt im Forschungsprojekt InnoDiZ; Phasenmodell aufbauend auf Pleschak und Sabisch 1996; Thom 1980; Vahs und Brem 2015)

7.1 Nachhaltigkeit und Unternehmen

Der menschengemachte Klimawandel und die zunehmende Umweltverschmutzung finden mittlerweile weltweit auch in Unternehmen große Beachtung (vgl. Kunzlmann et al. 2021; Sassen et al. 2021). Eine nachhaltige Entwicklung zu verfolgen, ist Zielsetzung vieler Länder und Gesellschaften.

Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können.“ (United Nations 1987, S. 16). Diese Definition ist in Wissenschaft, Gesellschaft und der Wirtschaft weitestgehend anerkannt, aber schwer zu konkretisieren – gerade für den Unternehmenskontext. In der Praxis muss betrachtet werden, was die nachhaltige Entwicklung für Unternehmen bedeutet und welche Ziele man damit verbindet.

Zur Konkretisierung haben die Vereinten Nationen Ziele der nachhaltigen Entwicklung in 17 sogenannten „Sustainable Development Goals“ (SDGs wie in Tab. 7.1 dargestellt) konkretisiert (United Nations 2015). Dabei werden soziale Ziele wie die Vermeidung von Armut, Vermeidung von Hunger, die Steigerung von Gesundheit und Wohlergehen und die Verbesserung von ökonomischen Aspekten wie z. B. nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion und eine funktionierende Industrie, Innovation und Infrastruktur adressiert. Bei den Umweltthemen stehen Maßnahmen zum Klimaschutz, das Leben unter Wasser und das Leben an Land im Mittelpunkt. Die Ziele sind jeweils mit konkreten Indikatoren und Handlungsempfehlungen hinterlegt (siehe dazu auch Übung 7.1 weiter unten in diesem Kapitel).

Tab. 7.1 Sustainable Development Goals (Ziele der nachhaltigen Entwicklung) (United Nations 2015)

Eine weitere Möglichkeit, nachhaltige Entwicklung zu präzisieren, ist die auch in der Unternehmenspraxis verbreitete integrierte Betrachtung der folgenden drei Dimensionen (siehe z. B. Pufé 2017):

  • Umweltdimension (Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Umwelt wie Wasser, Boden, Luft),

  • soziale Dimension (z. B. Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen in der Lieferkette),

  • wirtschaftliche Dimension (insbesondere die langfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit bei gleichzeitiger Erhaltung der erforderlichen natürlichen Ressourcen).

In der Wirtschaft werden aktuell insbesondere folgende Themen diskutiert:

  • die Reduktion von Treibhausgasemissionen von Produktion und Produkten (anhand des Indikators CO2-Fußabdruck), insbesondere unter Nutzung des Greenhouse Gas Protocols (vgl. WBCSD und WRI 2004) und

  • das Konzept der Circular EconomyFootnote 2 (Verlängerung der Produktlebensdauer, Schließen von Kreisläufen über Wiederverwertung, Recycling und Rückgewinnung von Produkten und Materialien (vgl. Kirchherr et al. 2017)).

Jedoch gibt es nicht nur diese, sondern eine Reihe weiterer wichtiger Nachhaltigkeitsaspekte, die mehr oder weniger komplex zusammenhängen. Diese werden im Folgenden näher beschrieben.

Nachhaltigkeit ist in vielen Unternehmen in den letzten Jahren ein wichtigeres Thema geworden (vgl. Kunzlmann et al. 2021). Externe Treiber zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen in Unternehmen sind insbesondere Geschäftskund*innen, Unternehmensleitung, Politik und Gesetzgebung sowie Investor*innen (vgl. Kunzlmann et al. 2021), aber auch Anforderungen von Kund*innen und die Wahrnehmung gesellschaftlicher und ökologischer Verantwortung (vgl. Sassen et al. 2021). Oft führt auch das Interesse, Betriebskosten zu senken, neue Märkte zu erschließen oder die Nachfrage bestehender Kund*innen zu decken dazu, dass Nachhaltigkeitsthemen verstärkt adressiert werden (interne Treiber) (vgl. Sassen et al. 2021; Deloitte 2021).

Über ein Nachhaltigkeitsmanagement (auch Corporate Sustainability Management) können Nachhaltigkeitsaspekte im Unternehmen aktiv aufgearbeitet werden. Ziel ist dabei, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte integriert zu betrachten und somit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung insgesamt zu leisten (vgl. Schaltegger 2013).

Konkrete Themen für Unternehmen sind hier zum Beispiel die Reduzierung der CO2-Emissionen, das Schließen von Kreisläufen, die Verringerung von Abfall, der effiziente Umgang mit Material und Energie oder die Nutzung von Recycling-Materialien oder Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen (im Sinne einer Circular Economy). Aus sozialer Perspektive spielt oft die Frage nach den Arbeitsbedingungen im Unternehmen und in der Lieferkette eine wichtige Rolle (vgl. Sassen et al. 2021).

Bei der Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagements sollten verschiedene Abteilungen im Unternehmen eingebunden werden, insbesondere Geschäftsleitung, Produktion, Einkauf, Vertrieb, Qualitätsmanagement, Logistik. Aber auch das Personalmanagement kann einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Nachhaltigkeit im Unternehmen leisten (vgl. Fischer et al. 2019). Das Innovationsmanagement und die Entwicklung neuer Produkte und Lösungen spielen hier eine wichtige Rolle. Im Folgenden wird nun betrachtet, über welche Ansätze und Methoden Nachhaltigkeitsaspekte in Innovationsaktivitäten und im Innovationsmanagement integriert werden können.

7.1.1 Nachhaltigkeit und Innovation

Nachhaltigkeit hat für das Innovationsmanagement eine hohe Relevanz (vgl. Lang-Koetz und Schimpf 2019). Hier nimmt der Begriff nachhaltigkeitsorientierte Innovation eine zentrale Rolle ein. Dabei geht es um die Schaffung und Realisierung von sozialem und ökologischem Mehrwert zusätzlich zu wirtschaftlichen Erträgen; es werden relative Verbesserungen im Vergleich zu einer früheren oder anderen Einheit erzielt (vgl. Klewitz und Hansen 2014; Paech 2007; Hansen et al. 2009). Der klassische Innovationsbegriff wird also um die Nachhaltigkeitsperspektive ergänzt.

Wie ist nun der Stand der Dinge zu diesem Thema in der Praxis? In einer Umfrage unter 110 deutschen Industrieunternehmen (davon lediglich 27 % KMU) wurde ermittelt, inwiefern Nachhaltigkeitsaspekte bereits im Innovationsmanagement integriert sind (vgl. Lang-Koetz und Schimpf 2019). Es zeigte sich, dass 58 % der teilnehmenden Unternehmen schon konkrete Ziele in Bezug auf Nachhaltigkeit in ihrer Innovationsstrategie haben. Weiterhin wurde gefragt, ob es Bewertungskriterien in Bezug auf Nachhaltigkeit im Innovationsprozess gibt. Hier gaben mehr als die Hälfte der Befragten (58 %) an, ökologische Kriterien in ihrem Innovationsprozess zu nutzen; 40 % nutzen soziale Kriterien. Auch wurde eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Nachhaltigkeitsmanagement und Innovationsmanagement im Unternehmen beleuchtet: Nur ein Viertel der befragten Unternehmen (24,5 %) beziehen Expert*innen aus dem Nachhaltigkeitsmanagement in Innovationsaktivitäten des Unternehmens mit ein. Als Fazit stellte sich heraus, dass Nachhaltigkeit noch kein integraler Bestandteil des Innovationsmanagements von Unternehmen ist (vgl. Lang-Koetz und Schimpf 2019).

Betrachtet man nun Umweltaspekte als einen Teilaspekt der Nachhaltigkeit, so spielt der ökologische Produktlebensweg eine wichtige Rolle. In ihm werden die aufeinanderfolgenden und miteinander verknüpften Phasen eines Produktsystems von der Rohstoffbeschaffung oder Erzeugung aus natürlichen Ressourcen über Produktion, Logistik und Nutzung des Produkts bis zur endgültigen Entsorgung betrachtet (vgl. Herrmann 2010). Diese Prozessbetrachtung ist nötig, um die Interaktion mit der Umwelt zu ermitteln (siehe Abb. 7.2): In den verschiedenen Schritten werden immer wieder Rohstoffe und Energie benötigt. Es entstehen Emissionen z. B. in Luft, Boden oder Wasser und damit schlussendlich Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit.

Abb. 7.2
figure 2

System Industrie und Umwelt (in Anlehnung an Herrmann 2010, mit freundlicher Genehmigung von © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2010. All Rights Reserved)

Über eine Ökobilanz können neben dem Produktionsprozess eines Produkts die gesamten Emissionen durch vor- und nachgelagerte Prozesse und durch die Verwendung des Produktes sowie dessen Lebensende berücksichtigt werden. Je nachdem welche Materialvariante oder welcher Verarbeitungs- oder Transportprozess verwendet wird, können ganz unterschiedliche Auswirkungen entstehen. Diese werden über Indikatoren zur Beschreibung von Umweltaspekten dargestellt. So kann in der Umweltwirkungskategorie Klimawandel das Treibhausgaspotenzial in CO2-Äquivalenten pro Kilogramm verwendeter Materialien oder pro Funktion eines Produkts/einer Lösung betrachtet werden. Analog wird auch mit anderen Umweltaspekten verfahren (z. B. Ozonschichtabbau, Eutrophierung, Versauerung, Humantoxizität, Ökotoxizität, Landnutzung und Ressourcenabbau). Die Bilanzierung basiert auf der Methode der Ökobilanz (ISO 14040 2006). Dazu sind diverse praktische Leitfäden verfügbar wie z. B. das Buch von Klöpffer und Grahl (vgl. Klöpffer und Grahl 2011).

Generell macht es Sinn, Umweltaspekte so früh wie möglich im Innovationsprozess zu berücksichtigen. Am Anfang steht eine vielleicht noch wenig konkrete Innovationsidee, die nach und nach weiter ausgestaltet wird. So wird z. B. zunächst ein Prototyp erstellt und kontinuierlich verbessert, eine neue Produktionslinie aufgebaut, neue Logistik- und Vertriebsstrukturen werden errichtet und am Ende wird das neue Produkt auf den Markt gebracht. Das Wissen über Umweltaspekte steigt allerdings erst im Laufe dieser Innovationsaktivitäten, denn je konkreter die Ausgestaltung des Produkts und dessen Herstellungsweise ist, desto besser kann analysiert werden, welche Umweltwirkungen und welche sozialen Folgen im Produktlebensweg entstehen können (vgl. Züst 1998).

Auf der anderen Seite gibt es gerade zu Beginn des Innovationsprozesses noch große Einflussmöglichkeiten auf Umweltaspekte und Kosten (vgl. Züst 1998). Soll z. B. ein Material durch ein anderes mit geringerem CO2-Fußabdruck ersetzt werden, dann ist dies im frühen Stadium noch relativ einfach realisierbar. Gegen Ende des Innovationsprozesses wird ein Materialwechsel schwieriger, da schon viele Entscheidungen getroffen wurden. Eventuell wurde schon eine Produktionsanlage in Betrieb genommen, auf der nur das Material verarbeitet werden kann, für das man sich am Anfang entschieden hat. Ein Austausch kann entsprechend mit erheblichen Kosten verbunden sein. Man sollte sich also schon in den frühen Phasen des Innovationsprozesses Gedanken machen, wie mögliche ökologische aber auch soziale und ökonomische Wirkungen des zukünftigen Produkts in dessen Lebensweg aussehen können und welche Optimierungsmöglichkeiten es gibt.

7.2 Konzepte und Methoden für nachhaltigkeitsorientierte Innovation

Wo können aber Unternehmen konkret ansetzen, um Nachhaltigkeitsaspekte im Innovationsmanagement zu berücksichtigen? Basis für die weiteren Überlegungen ist das in Abschn. 1.3 vorgestellte Phasenmodell (siehe Abb. 7.1 am Anfang dieses Kapitels): Nachhaltigkeitsrelevante Themen sind hier integrativ zu betrachten, es werden also keine weiteren Phasen hinzugefügt. Entsprechend werden im Folgenden konkrete Konzepte und Methoden für die einzelnen Phasen des Innovationsprozesses dargestellt, die eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten unterstützen. Zunächst liegt der Fokus auf Umweltaspekte, später werden dann auch soziale Aspekte adressiert.

7.2.1 Nachhaltigkeit in der strategischen Orientierung/Problemidentifizierung

In der Phase der strategischen Orientierung und Problemidentifizierung wird die Frage adressiert, wie sich das Unternehmen langfristig auf nachhaltige Entwicklungen ausrichten kann, indem nachhaltigkeitsorientierte Innovationen geschaffen und vorangetrieben werden. Hierfür ist es wichtig zu betrachten welche Treiber es gibt und wie Stakeholder das Thema forcieren. In diesem Kontext können folgende Fragen zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten helfen:

  • Welche Entwicklungen im Umfeld des Unternehmens sind relevant, z. B. Veränderungen in Markt, Gesellschaft, Gesetzgebung oder Technologien?

  • Welche Anforderungen gibt es heute und womöglich in Zukunft, die berücksichtigt werden sollten (wie z. B. niedriger CO2-Fußabdruck, Recyclingmöglichkeit oder Anforderungen an die Transparenz in Lieferketten)?

  • Gibt es im bestehenden Portfolio eine Lücke, die ausgefüllt werden sollte?

  • Inwiefern müssen bestehende Kompetenzen des Unternehmens ergänzt werden, um Umwelt- und weitere Nachhaltigkeitsaspekte einbringen zu können und welche Partner werden hierfür benötigt?

In Kap. 2 wurden Methoden für die Phase der strategischen Orientierung betrachtet, wie die Analyse von Megatrends und Zukunftsthemen sowie verschiedene Methoden zur Entwicklung einer Innovationsstrategie, z. B. Umfeldanalyse, Technologielebenszyklus oder SWOT-Analyse. Dort können auch ökologische und soziale Aspekte mit betrachtet werden.

Jedoch sollten sich Unternehmen zusätzlich mit den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung auseinandersetzen (siehe Tab. 7.1) und diese, soweit relevant, für sich konkretisieren. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, welchen Beitrag das Unternehmen zur Erreichung der SDGs leisten kann (siehe dazu auch Übung 7.1).

Übung 7.1: SDG-Analyse

  • Nutzen Sie die hier erläuterte SDG-Analyse, um Nachhaltigkeitsaspekte bei der strategischen Orientierung zu integrieren:

  • Schauen Sie sich die SDGs und die jeweiligen Unterziele an – z. B. unter https://www.bmz.de/de/agenda-2030

  • Wählen Sie drei SDGs aus, die den größten Bezug zu Ihrem Unternehmen oder den Produkten/Lösungen Ihres Unternehmens haben.

  • Erörtern Sie den Beitrag Ihres Unternehmens oder der Produkte Ihres Unternehmens zu diesen von Ihnen gewählten drei SDGs:

    Welche Auswirkungen (positive und negative) hat das Unternehmen oder Produkt auf das jeweilige SDG?

  • Entwickeln Sie, ggf. im Team, Strategien für einen verstärkten positiven Beitrag des Unternehmens oder der Produkte zu den SDGs.

Unter http://www.hs-pforzheim.de/IMBuch finden Sie eine Vorlage zur Dokumentation Ihrer Ergebnisse der SDG-Analyse.

Politische Ziele und Gesetze sind ein wichtiger Treiber nachhaltigkeitsorientierter Innovationen. Aufkommende Trends wie Markt- und Technologietrends oder regulatorische Trends gilt es zu beachten. Hier müssen Entwicklungen sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene berücksichtigt werden. Es lohnt sich außerdem eine Stakeholder-Analyse vorzunehmen (die Vorgehensweise ist in Gasde et al. 2020 dargestellt).

Existiert im Unternehmen bereits eine ausformulierte Nachhaltigkeitsstrategie, so sollte diese näher betrachtet und die Innovationstrategie darauf ausgerichtet werden. Möglicherweise sind bereits Analysen und Berechnungen zu Treibhausgasemissionen nach dem Greenhouse Gas Protocol durchgeführt worden (vgl. WBCSD und WRI 2004). Diese können als gute Informationsgrundlage zur strategischen Orientierung und Problemidentifizierung dienen.

Von zentraler Bedeutung ist hierbei, dass konkretisiert wird, was Nachhaltigkeit für das Unternehmen und dessen Branche bedeutet und welche spezifischen Anforderungen sich daraus ergeben. Das Unternehmen sollte festlegen, ob es eine Pionier- oder Folgerposition einnehmen will. Schlussendlich sollten konkrete Ziele formuliert werden, wie Nachhaltigkeitsaspekte in der Innovationsstrategie eine Rolle spielen sollen. Mögliche Innovationsziele könnten sein:

  • Reduktion des CO2-Fußabdrucks der Produkte um 40 % bis zum Jahr 2030

  • Umstieg auf Recycling-Werkstoffe, z. B. Umsetzung eines Recyclinganteils von 50 % bei Kunststoffen

  • Reduktion des Energieverbrauchs der Produkte um 20 %

  • Erreichung der Klimaneutralität der eigenen Produkte bis 2030

  • Entwicklung eines Circular Economy-Geschäftsmodells, in dem Produkte zurückgenommen, wiederaufgearbeitet und dann verkauft werden (Remanufacturing/Refurbishment)

Schließlich stellt sich noch die Frage, ob das Unternehmen die richtigen Partner im Netzwerk besitzt, um nachhaltigkeitsorientierte Innovationen anzugehen. Eventuell können neue Partnerschaften Sinn machen, z. B. mit anderen Lieferanten als bisher, mit besonders interessierten Kund*innen, vielleicht aber auch mit einem Forschungsinstitut oder einer Nachhaltigkeitsberatung.

7.2.2 Nachhaltigkeit in der Ideenphase

In der Ideenphase steht im Mittelpunkt wie Ideen für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen generiert werden können. In Kap. 3 wurde bereits dargestellt, welche Innovationsauslöser es gibt. Es wurden klassische und agile Methoden wie die Situations- und Problemanalyse, Kreativitätstechniken und Design Thinking vorgestellt.

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bedeutet hier, sich nochmals verstärkt damit zu beschäftigen was Kund*innen und Nutzer*innen fordern. Wo also liegt der konkrete Bedarf und was sind die Nachhaltigkeitsanforderungen, die an das Unternehmen und die Produkte jetzt und in Zukunft gestellt werden? Damit sollte man sich intensiv beschäftigen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es womöglich zu veränderten Bedürfnissen bei den Kund*innen kommt. Auch sollte analysiert werden, welche Zahlungs- und Kaufbereitschaft für nachhaltige Produkte und Lösungen vorhanden ist.

Ein bestehendes Produkt kann durch eine Ökobilanz näher analysiert und negative Umweltwirkungen aufgedeckt werden. Identifizierte Probleme können ein Ansatzpunkt für die Suche nach neuen Ideen sein, um das Produkt zu verbessern oder ganz neue Alternativen zu entwickeln. Ideenwettbewerbe speziell mit dem Fokus auf Nachhaltigkeitsaspekte können gestartet werden. In Workshops können Kreativitätstechniken mit Fokus auf Nachhaltigkeit genutzt werden (siehe folgende Übung 7.2).

Übung 7.2: Kreativitätstechniken auf Umweltaspekte angewendet

Nutzen Sie die hier erläuterten Kreativitätstechniken, um Umweltaspekte in der Ideenphase zu integrieren. Umweltthemen dienen als Orientierungsrahmen und beeinflussen so die Denkrichtung der Teilnehmenden. Diese Übungen eignen sich zur Bearbeitung im Team.

6-3-5-Methode & Umwelt

  • Wählen Sie drei Themen mit Bezug zu Umwelt- oder Nachhaltigkeitsaspekten aus für die Ideen generiert werden sollen. Das könnten z. B. Circular Economy, Sharing Economy oder Klimaneutralität sein. Diese dienen als Orientierungsrahmen und sollen die Denkrichtung der Teilnehmenden lenken.

  • Dann kann die 6-3-5 Methode wie gewohnt angewendet werden, wobei jede/r Teilnehmende Ideen für diese drei Themen generieren soll.

Unter http://www.hs-pforzheim.de/IMBuch finden Sie eine Vorlage für die Anwendung der Methode.

6-Life-Cycle-Thinking-Hüte (in Anlehnung an die 6-Hüte-Methode nach de Bono 1992), (siehe Abb. 7.3)

  • Teilen Sie die sechs Hüte unter den sechs Teilnehmenden dieser Übung auf. Je nach zugeteilter Hutfarbe nehmen Sie die Perspektive einer Phase im (ökologischen) Produktlebenszyklus ein und beleuchten eine Idee umfassend aus dieser Perspektive.

  • Diskutieren Sie die Umweltwirkungen der Idee, die über den gesamten Lebensweg auftreten können und decken Sie Abwägungspunkte (sogenannte „trade-offs“) zwischen den verschiedenen Lebenszyklusphasen auf.

Abb. 7.3
figure 3

6-Hüte-Methode mit ökologischer Perspektive (in Anlehnung an 6-Hüte-Methode nach de Bono 1992)

Unter http://www.hs-pforzheim.de/IMBuch finden Sie eine Vorlage für die Anwendung der Methode.

Weiterhin können Impulse von außerhalb des Unternehmens genutzt werden, z. B. aus anderen Branchen. Impulse von Forschungseinrichtungen wie Universitäten, Hochschulen oder beispielsweise Institute der Fraunhofer-Gesellschaft können Innovationsideen generieren.

Grüne Startups können betrachtet werden, also junge Unternehmen mit einer innovativen Geschäftsidee, die in der Green Economy aktiv sind und eine „positive gesellschaftliche oder ökologische Wirkung erzielen“ möchten (Fichter und Olteanu 2022, S. 35). Viele von ihnen entwickeln radikale Innovationsideen und haben potenziell großes Interesse, sich mit etablierten Unternehmen auszutauschen und ihre Ideen zu teilen. Geschäftsideen von grünen Startups können als Inspiration für eigene Aktivitäten genutzt werden oder es kann eine Kooperation mit einem geeigneten Startup initiiert werden.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Circular Economy als Ideenimpuls zu nutzen. Mit einer von Tobias Berndt entwickelten Methode können beispielsweise kreative Ideen für Circular-Economy-Geschäftsmodelle generiert werden. Dazu setzen sich Teilnehmende aus Unternehmen zunächst inhaltlich mit dem „zirkulären Wirtschaften“ auseinander: Sie lernen Beispiele kennen, wie Unternehmen bereits jetzt Circular-Economy-Geschäftsmodelle einsetzen. Danach arbeiten sie in einem Workshop-Setting (in Präsenz oder online) am Thema und entwickeln eigene Ideen für mögliche Geschäftsmodelle, z. B. Rücknahme und Recycling von Produkten, Wiederaufarbeitung gebrauchter Produkte oder Nutzung von Produkt-Dienstleistungssystemen. Der Methode liegt ein speziell für die Thematik angepasster Design-Thinking-Ansatz zu Grunde. Am Ende stehen Konzepte für Geschäftsmodell-Ideen, die das Unternehmen in marktfähige Angebote umsetzen kann (vgl. Berndt et al. 2022).

Ambidextrie und nachhaltigkeitsorientierte Innovationen

Auch in Bezug auf nachhaltigkeitsorientierte Innovationen müssen Unternehmen sowohl exploitativ als auch explorativ agieren:

  • Exploitation bedeutet in diesem Kontext, die bestehenden Produkte und Lösungen in Bezug auf ihre Nachhaltigkeitswirkung kontinuierlich zu verbessern. Eine gründliche IST-Analyse auf Basis ökobilanzieller Betrachtungen kann unterstützen, um Verbesserungspotenziale zu erarbeiten und den CO2-Fußabdruck der Produkte zu verringern.

  • Exploration bedeutet hingegen, komplett neue Wege zu gehen: etablierte Vorgehensweisen und Paradigmen sind zu hinterfragen, um Produkte und Lösungen so zu gestalten, dass ein maximaler Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen geleistet werden kann. So kann z. B. betrachtet werden, wie der Hauptnutzen eines bestehenden Produkts auch ganz ohne oder mit stark verringertem CO2-Fußabdruck erzielt werden kann. Oder es könnten komplett neue Produkte oder Lösungen geschaffen werden, die erheblich weniger Umweltwirkungen haben.

7.2.3 Nachhaltigkeit in der Bewertungs- und Auswahlphase

Wenn viele gute Ideen entwickelt, generiert und gesammelt wurden, sind diese zu bewerten. Dies erfolgt in der Bewertungs- und Auswahlphase: In Kap. 4 wurden dazu klassische und agile Bewertungsmethoden vorgestellt. Um eine Nachhaltigkeitsperspektive zu integrieren, sollten Bewertungsmaßstäbe um ökologische und soziale Aspekte erweitert werden. So sind z. B. Kriterien zur Umweltverträglichkeit zu definieren und diese in einer ersten qualitativen Bewertung zu nutzen. Später können dann detailliertere Betrachtungen und quantitative Bewertungen vorgenommen werden.

Kernaspekt der ökologischen Bewertung einer Idee ist die Betrachtung des ökologischen Produktlebenswegs (siehe Abb. 7.2). Dessen Quantifizierung ist jedoch oft noch nicht im Detail möglich. Daher sollte in der Bewertungsphase ein erstes Prozessbild erfasst und der Lebenszyklus der Idee skizziert werden (siehe Übung). Konkretisiert sich die Idee im Laufe des Innovationsprozesses, so kann auch die Lebenszyklusbetrachtung detaillierter ausgearbeitet werden. Dann sollte z. B. ermittelt werden, wieviel Energie, welche Materialien in welcher Menge eingesetzt werden und welche Emissionen und andere Umwelteffekte entstehen können. Ökobilanzdatenbanken können für eine erste Einschätzung zu den verwendeten Materialien und Prozessen hilfreich sein (z. B. ProBas 2017; ecoinvent v3.5 o.J.). Für bestehende Produkte empfiehlt sich die Durchführung einer vollständigen Ökobilanz (ISO 14040 2006; Klöpffer und Grahl 2011) mit der eine umfangreiche Datenbasis für die Optimierung und die Entwicklung verbesserter Produkte geschaffen wird.

Neben der Betrachtung von Treibhausgasen ist die Toxizität ein sehr wichtiger Punkt bei der Betrachtung von Umweltwirkungen. Darunter versteht man das Ausmaß, in dem ein chemischer Stoff oder ein bestimmtes Stoffgemisch einen Organismus schädigen kann (in Anlehnung an Hill 2020). Toxische Schadstoffe werden im Vergleich zu Treibhausgasen häufig in relativ geringen Mengen emittiert, jedoch können die von ihnen verursachten Schäden sehr hoch sein. Typische Schadstoffe sind Schwermetalle (wie Arsen, Cadmium, Chrom, Nickel und Blei) und andere Stoffe wie z. B. Pestizide oder Lösungsmittel. Bei der Bewertung von Innovationsideen sollte ermittelt werden, welche der bei der Realisierung des geplanten Produkts verwendeten Stoffe giftig sind oder als Gefahrstoffe gelten. Diese sollten soweit möglich durch andere Substanzen ersetzt werden.

Online-Tool Green Check Your Idea (GCYI)

Das Tool Green Check Your Idea kann zur Bewertung und Optimierung von Innovationsideen unter Umweltgesichtspunkten verwendet werden. Das Tool unterstützt bei folgenden Fragen:

  • Was ist nötig, damit aus einer Innovationsidee ein „grünes Produkt“ oder eine „grüne Lösung“ werden kann?

  • Wie können die Umweltauswirkungen einer Idee bewertet und verringert werden?

Mit dem Tool kann eine erste Bewertung möglicher Umweltwirkungen durchgeführt und es können konkrete Verbesserungsvorschläge abgeleitet werden. Im Mittelpunkt stehen Lebenszyklusdenken und Ökodesign-Prinzipien. Das Tool bietet kleine Schulungseinheiten, mit denen Know-how aufgebaut werden kann, um es in der Praxis anzuwenden.

Das Online-Tool ist kostenfrei verfügbar unter: https://www.green-check-your-idea.com/

Neben Umweltaspekten sind auch soziale Aspekte zu betrachten (siehe dazu auch die oben dargestellten Sustainable Development Goals). Eine erste Betrachtung von Auswirkungen einer Innovationsidee auf soziale Aspekte kann über das „Handbook for Product Social Impact Assessment – PSIA“ erfolgen (Goedkoop et al. 2018). Mit der dort dargestellten Methodik kann der Status z. B. von Arbeitsbedingungen an relevanten Orten, an denen die Prozesse im gesamten Lebenszyklus eines Produktes stattfinden, kategorisiert und bewertet werden. Es werden vier Stakeholder-Gruppen betrachtet: Arbeitnehmer*innen, lokale Gemeinschaften, Kleinunternehmer*innen und Nutzer*innen. Mögliche Auswirkungen der Innovationsidee auf diese Gruppen können dann beschrieben werden. Die für die jeweilige Gruppe spezifischen „Social Topics“ (z. B. Entlohnung, Kinderarbeit, Zwangsarbeit oder Diskriminierung) werden anhand von vordefinierten Zuständen eingestuft und somit ein Status („Reference Scales“) zwischen −2 und +2 ermittelt. Negative Werte sind dann ein Indikator dafür, dass hier der größte Handlungsbedarf besteht. Somit kann über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts systematisch eine Ist-Analyse erfolgen, auf deren Basis dann Strategien zur optimalen Verbesserung abgeleitet werden können oder die Auswirkungen von Maßnahmen bewertet werden können. Dies kann mit der folgenden Übung adressiert werden.

Übung 7.3: Lebenszyklusanalyse

Hier ist erläutert wie Sie eine vereinfachte „Lebenszyklusanalyse“ (basierend auf der Methode der Ökobilanz (ISO 14040:2006)) in den frühen Phasen des Innovationsprozesses durchführen können, um eine erste Einschätzung des Produktlebenswegs vorzunehmen und so Umweltaspekte zu berücksichtigen. Die Erkenntnisse sollten bei der Bewertung und Auswahl von Ideen integriert werden.

  • Identifizieren Sie die Prozesse und Schritte, die in den Lebenszyklusphasen Ihrer Idee stattfinden und skizzieren Sie den Lebenszyklus.

  • Betrachten Sie dann welche Inputs in diesen Prozessen und Schritten benötigt werden und welche Outputs anfallen.

  • Werten Sie Ihre Ergebnisse aus, z. B. mithilfe der folgenden Leitfragen:

    • Wo liegen die größten Probleme (sog. „Hotspots“)?

    • Welches Material hat ein relativ hohes Treibhauspotenzial (GWP) pro Kilogramm?

    • Welche Menge wird von diesem Material benötigt?

    • Können giftige Substanzen vermieden werden (Toxizität)?

    • Gibt es alternative Materialien, die stattdessen verwendet werden könnten? Welche Menge dieses Materials wäre nötig, um die gleiche Funktion zu erreichen?

    • Welche Möglichkeiten bestehen, Umweltauswirkungen zu reduzieren oder zu verhindern?

    • Achten Sie auf mögliche Verschiebungen zwischen Lebenszyklusphasen oder Umweltkompartimenten, sog. „Problemverlagerungen“.

Unter http://www.hs-pforzheim.de/IMBuch finden Sie eine Vorlage sowie Checklisten und Hilfsmaterial für die Anwendung der Übung.

7.2.4 Nachhaltigkeit in der Umsetzungsphase

Nach der Auswahl einer potenziell interessanten Innovationsidee folgt deren Umsetzung, insbesondere über Produktentwicklung, Aufbau von Produktion, Logistik und Vertriebswegen sowie Innovationskommunikation und Markteinführung. Dabei stellt sich die Frage, welche Leitplanken aus Nachhaltigkeitsperspektive zu beachten sind. Meist sind auch weitere Funktionen im Unternehmen wie Produktion, Einkauf, Vertrieb, Qualitätsmanagement oder Logistik involviert. Sie sollten eingebunden werden, um das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich anzugehen.

Um in der Umsetzungsphase Umweltaspekte zu berücksichtigen, kann der Ansatz des Ökodesigns (auch „Design for Environment“ genannt) genutzt werden (siehe folgende Übung). Leitprinzipien des Ökodesigns bieten Unterstützung, um früh ökologische Aspekte des gesamten Lebenszyklus bei der Entwicklung zu berücksichtigen (vgl. Baumann et al. 2002; Byggeth und Hochschorner 2006; Tischner et al. 2000).

Beispiele hierfür sind (vgl. Tischner et al. 2000; Brezet und van Hemel 1997):

  • Der Einsatz von recycelten oder wiederverwendeten Materialien,

  • die Nutzung material- und energieeffizienter Produktionsprozesse,

  • die Reduzierung von Gewicht und Größe des Produkts, um einen effizienten Transport zu ermöglichen,

  • die Erhöhung der technischen und ästhetischen Lebensdauer des Produkts,

  • die Vermeidung untrennbarer Verbindungen verschiedener Materialien im Produkt, um die Recyclingfähigkeit zu erhöhen.

Mit der nachfolgenden Übung können Ökodesign-Prinzipien kennengelernt und deren Anwendung im Unternehmen erprobt werden.

Übung 7.4: Ökodesign-Prinzipien

Nutzen Sie diese Übung, um Verbesserungspotenziale und Lösungsideen für Problemstellen Ihrer Idee hinsichtlich deren Umweltaspekte zu identifizieren.

  • Lesen Sie die Kärtchen mit den Ökodesign-Prinzipien durch und bestimmen Sie drei relevante Prinzipien für Ihre Idee.

  • Diskutieren Sie für die von Ihnen gewählten drei Prinzipien die folgenden Fragen:

    • Warum ist dieses Prinzip relevant?

    • Wie kann das Prinzip umgesetzt werden?

    • Welche Herausforderungen können auftreten?

  • Nutzen Sie die identifizierten Prinzipien, um Ihre Idee zu optimieren.

Unter http://www.hs-pforzheim.de/IMBuch finden Sie die Ökodesign-Kärtchen sowie eine Vorlage für die Anwendung der Übung.

In der Umsetzungsphase spielt die Markteinführung eine zentrale Rolle: Nachhaltigkeitsaspekte von Produkten und Lösungen sind einfach und verständlich zu erklären, um Nutzer*innen von der Innovation zu überzeugen und mögliche Bedenken auszuräumen. So sollte auch ein zielgerichtetes Marketing mit geeigneten Kommunikationsmedien betrieben werden.

Praxisbeispiel: Integration von Nachhaltigkeitsaspekten ins Innovationsmanagement der Firma RasenfitKOCH

Bei RasenfitKOCH wurde schon vor einigen Jahren ein Nachhaltigkeitsmanagement nach ISO 14000 eingeführt. Kürzlich hat die Geschäftsführerin Frau Koch nun mit den Bereichsleiter*innen diskutiert, wie Umweltaspekte und soziale Aspekte in den Innovationsprozess des Unternehmens integriert werden können. Ziel soll dabei sein, in Zukunft umweltfreundliche Produkte zu entwickeln und zu produzieren und bei der Produktion der Produkte und deren Komponenten, auch bei den Lieferanten, angemessene Sozialstandards einzuhalten. Insofern soll das Unternehmen Beiträge zu den UN-Nachhaltigkeitszielen 12 (Nachhaltiger Konsum und Produktion) und 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) leisten. Frau Koch strebt an, den CO2-Fußabdruck des Unternehmens und dessen Produkte drastisch zu reduzieren und wo es möglich ist, Kreisläufe zu schließen. Begründet ist dies durch ihre persönliche Motivation als Haupt-Eigentümerin von RasenfitKOCH, aber auch durch absehbare weitere Regularien im Bereich Circular Economy in der Europäischen Union.

Im ersten Schritt werden folgende Punkte angegangen:

  • Nutzung umweltfreundlicher Materialien: Bei der Entwicklung neuer Produkte wird in Zukunft überprüft, welchen CO2-Fußabdruck die geplanten Materialien haben und dass keine toxischen Stoffe verwendet werden. Weiterhin werden mögliche Alternativen geprüft, um geringere Umweltwirkungen zu ermöglichen.

  • Im Produktentwicklungsprozess und bei der Innovationsentwicklung mit agilen Innovationsteams (siehe Kap. 5) werden immer die Ecodesign-Prinzipien überprüft und, wenn sinnvoll, angewendet.

  • Ein geringer Energieverbrauch der Produkte wird als Anforderung in alle Produktentwicklungsprojekte aufgenommen. Zielsetzung ist hier, in der Branche führend zu werden in Bezug auf energieeffiziente Produkte.

  • Bestehende und neue Lieferanten von Materialien und Komponenten müssen nun nachweisen, dass sie bei den Arbeitsbedingungen und bei der Arbeitssicherheit Mindeststandards einhalten und faire Löhne zahlen. Dies wird systematisch durch unangekündigte Besuche bei ausgewählten Lieferanten und Gesprächen mit Mitarbeitenden vor Ort überprüft.

  • Der Innovationsprozess wird mit Kriterien zur ersten Bewertung von Umweltthemen ergänzt.

Weiterhin sollen in den nächsten zwölf Monaten für die drei Produkte, die am meisten Umsatz bringen, über einen externen Dienstleister der CO2-Fußabdruck analysiert und Stellgrößen zu dessen Verringerung hergeleitet werden.

In den nächsten zwei Jahren soll der gesamte Innovationsprozess um Nachhaltigkeitskriterien ergänzt werden. Auch sollen Ziele in Bezug auf nachhaltigkeitsorientierte Innovationen entwickelt und mit Aktionsplänen hinterlegt werden.

7.3 Zusammenfassung und Fazit

Die zunehmende Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung führt zu einer steigenden Nachfrage nach Produkten und Lösungen, bei denen ökologische und soziale Aspekte integrativ berücksichtigt werden. Um nachhaltigkeitsorientierte Innovationen zu entwickeln und umzusetzen, sind konventionelle Konzepte und Methoden entlang des Innovationsprozesses entsprechend anzupassen:

Zunächst sollte in der strategischen Orientierung und Problemidentifizierung eine langfristige Ausrichtung auf nachhaltigkeitsorientierte Innovationen etabliert werden. Hier ist eine konkrete Vorstellung darüber zu entwickeln, was nachhaltige Entwicklung für das Unternehmen und dessen zukünftige Produkte und Lösungen bedeutet. Es sollten Innovationsziele mit Nachhaltigkeitsbezug festgelegt werden, z. B. in Bezug auf CO2-Emissionen, Einsatz von Rezyklaten, Lieferkettenbetrachtung oder Recycling.

In der Ideenphase können attraktive, nachhaltigkeitsorientierte Innovationsideen entwickelt werden. Diese sind in der Bewertungs- und Auswahlphase genauer zu betrachten. Neben den klassischen Markt- und Technikaspekten sind Umwelt- und Sozialaspekte zu berücksichtigen. Damit können Innovationen entsprechend ausgerichtet und optimiert werden, solange dies noch mit relativ geringem Aufwand möglich ist.

In der Umsetzungsphase können über Ökodesign-Prinzipien Umweltaspekte berücksichtigt werden, um die Produktentwicklung nachhaltigkeitsorientiert auszurichten und eine material- und energieeffiziente Produktion zu ermöglichen. Schließlich sind die Vorteile einer nachhaltigkeitsorientierten Innovation klar gegenüber den Nutzer*innen zu erläutern.

Über die Integration von Innovationsaktivitäten und Nachhaltigkeitsaspekten eröffnen sich somit Chancen für Unternehmen: Es können attraktive, nachhaltigkeitsorientierte Innovationen entwickelt, und damit im Zusammenspiel sozialer, ökologischer und ökonomischer Faktoren Vorteile im Markt genutzt werden.

Wiederholungs- und Verständnisfragen

  • Was bedeutet nachhaltige Entwicklung?

  • Wie viele Ziele für nachhaltige Entwicklung haben die Vereinten Nationen formuliert?

  • Was können externe Treiber für Nachhaltigkeit sein?

  • Welche internen Treiber für Nachhaltigkeit kann es in Unternehmen geben?

  • Welche Dimensionen der Nachhaltigkeit werden in der Unternehmenspraxis typischerweise unterschieden?

  • Was ist mit „nachhaltigkeitsorientierten Innovationen“ gemeint?

  • Was bedeutet Exploitation und was bedeutet Exploration bei nachhaltigkeitsorientierten Innovationen?

  • Worum geht es bei der „Circular Economy“?

  • Was betrachten Ökobilanzen?

  • Wo können Unternehmen Impulse für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen erhalten?

  • Welche sozialen Aspekte sollten in der Phase der Ideenauswahl und -bewertung Berücksichtigung finden?

  • Was ist eine Lebenszyklusanalyse?

  • In welcher Innovationsphase lassen sich Ökodesign-Prinzipien nutzen?

  • Was ist bei nachhaltigkeitsorientierten Innovationen hinsichtlich des Innovationsmarketing zu beachten?

7.4 Reflexion für die Praxis und Anwendung des Gelernten

Mit den folgenden Fragen zum Abschluss des Kap. 7 können Sie die (bisherige) Praxis in Ihrem Unternehmen reflektieren und einen Blick auf die mögliche Anwendung des Gelernten für Ihr (zukünftiges) Innovationsmanagement werfen.

  1. 1.

    Was sind die größten Treiber für Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen bzw. seine Produkte/Lösungen?

  2. 2.

    Welche der UN-Nachhaltigkeitsziele haben Ihrer Ansicht nach die größte Relevanz für Ihr Unternehmen bzw. seine Produkte?

  3. 3.

    Inwiefern werden bei Ihnen im Unternehmen Nachhaltigkeitsaspekte im Innovationsmanagement bereits berücksichtigt – bzw. wie könnten diese berücksichtigt werden?

  4. 4.

    Wie könnten konkrete Methoden für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen (SDG-Analyse, Kreativitätstechniken, Lebenszyklus-Analyse, Ökodesign-Prinzipien) in Ihrem Unternehmen eingesetzt werden?

  5. 5.

    Was würden Sie sagen im Hinblick auf die Inhalte des Kap. 7:

    1. a.

      Welcher Handlungsbedarf besteht in Ihrem Unternehmen?

    2. b.

      Wer sollte hier federführend aktiv werden?

    3. c.

      Wer sollte noch miteinbezogen werden?

Zu Beginn dieses Buches (siehe Abschn. 1.5) haben Sie einen Projektsteckbrief für Ihr Innovationsprojekt erstellt und pro Kapitel aktualisiert. Nun geht es darum, dass Sie das Gelernte aus Kap. 7 auf Ihr Innovationsprojekt übertragen. Prüfen Sie, ob Sie Ihren Projektsteckbrief ergänzen oder detaillieren sollten. Betrachten Sie integrativ alle Rubriken.

Nutzen Sie erneut das Quiz, das Sie zum Start des Kap. 7 ausgefüllt haben. Welche Fragen würden Sie nun anders beantworten? Überprüfen Sie Ihr Quiz abschließend anhand der Quiz-Lösungen.