Der Innovationsprozess im Unternehmen beginnt mit einer strategischen Orientierung und der Problemidentifizierung. In der strategischen Orientierung werden langfristige Ziele in Bezug auf Innovation gesetzt. In der Problemidentifizierung wird ermittelt, welche Probleme aus Kundensicht das Unternehmen grundsätzlich adressieren soll.

Lernziele für dieses Kapitel: Die Leserinnen und Leser …

  • kennen die Relevanz des Umfeldes des Unternehmens und dessen Veränderungen und verstehen den Unterschied zwischen einem Wandel 1. Ordnung und einem Wandel 2. Ordnung,

  • kennen die aktuell relevanten Megatrends und können deren mögliche Auswirkungen auf das Unternehmen beispielhaft beschreiben,

  • können erklären, was eine Innovationsstrategie ist und welche möglichen Inhalte sie haben kann,

  • kennen mögliche Markteintrittsstrategien (Pionier, Folger etc.) und können deren Vor- und Nachteile anhand von Beispielen erläutern,

  • kennen Methoden zur Entwicklung von Innovationsstrategien und können sie für praktische Fragestellungen anwenden.

Nutzen Sie für dieses Kapitel das Lerntagebuch – http://www.hs-pforzheim.de/IMBuch.

Beantworten Sie die Fragen des Quiz zum Kapitel. Die Überprüfung findet erst am Ende des Kapitels statt.

In Abb. 2.1 finden Sie das Gesamtbild „Ambidextres Innovationsmanagements in KMU“. Das Kap. 2 ist hier in der ersten Phase des Innovationsprozesses zu verorten.

Abb. 2.1
figure 1

Gesamtbild „Ambidextres Innovationsmanagement in KMU“ – Verortung des Kap. 2 (entwickelt im Forschungsprojekt InnoDiZ; Phasenmodell aufbauend auf Pleschak und Sabisch 1996; Thom 1980; Vahs und Brem 2015)

2.1 Strategische Orientierung im Wandel 1. und 2. Ordnung

Bei der strategischen Orientierung ist es wichtig, den Kontext bzw. das Umfeld des Unternehmens mit seinen spezifischen Herausforderungen und kontinuierlich notwendigen Anpassungen zu betrachten. Generell kann man zwei Arten von Wandel unterscheiden (vgl. Staehle 2014, S. 900).

Beim Wandel 1. Ordnung handelt es sich um einen eindimensionalen Wandel, bei dem sich der Markt nur teilweise ändert. Dieser Wandel beschränkt sich auf einzelne Ebenen. Er beinhaltet eine Kontinuität in die gleiche Richtung und ist inkrementell. Eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung werden weiterentwickelt und verbessert (vgl. Christensen 2013, S. 6). So wurden bis zum Jahr 2007 z. B. die Mobiltelefone immer leichter und kleiner bei gleichzeitig steigender Betriebsdauer. Die grundsätzliche Funktionalität und das Geschäftsmodell (Verkauf von Mobiltelefonen) hat sich aber nicht geändert.

Dem gegenüber steht der Wandel 2. Ordnung (vgl. Staehle 2014). Dieser Wandel wird als mehrdimensional bezeichnet. Der Markt ändert sich vollständig, indem er alle Ebenen umfasst und eher qualitativ ausgerichtet ist. Er beinhaltet eine Diskontinuität in eine neue Richtung und kann als revolutionär und anfangs vermeintlich irrational verstanden werden. Zudem ist diese Form des Wandels durch einen Paradigmenwechsel gekennzeichnet. Damit verbunden ist, dass eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung durch ein neues Angebot vollständig verdrängt wird. Dieses kann zu Beginn in seinem Kernbereich vielleicht sogar schlechter sein als das bisherige Angebot. Es spricht jedoch einen anderen Kundennutzen an, der letztlich den Wettbewerbsvorteil ausmacht (vgl. Christensen 2013, S. 6). Christensen prägt für einen solchen Wandel den Begriff „Disruption“ (vgl. Christensen 1997). So gab es z. B. bei Mobiltelefonen mit der Einführung von Smartphones ganz neue Funktionalitäten, die das Lesen von Mails oder das Abspielen von Musik ermöglichten. Eigentlich disruptiv war aber die Software auf dem Mobiltelefon, die das Gerät mit einem Internet-Shop verbunden hat, über den Applikationen und Funktionalitäten hinzuerworben werden können. So ist das Smartphone zum mobilen Endgerät geworden, mit dem eine dauerhafte Schnittstelle zur Plattform-Ökonomie geschaffen wurde. Der Anbieter dieser Plattform hat sich dabei eine doppelt strategische Position verschafft, denn er verkauft nicht nur Smartphones und setzt durch die Software Standards, sondern verdient durch seine Schnittstelle zur eigenen Plattform noch einmal an den Umsätzen der Drittanbieter, die er wiederum im Zugang kontrollieren kann. Das verschafft ihm eine zentrale Marktmacht und schützt ihn zudem vor einer Verdrängung seiner Produkte und Dienstleistungen.

Ein Unternehmen benötigt eine unterschiedliche Herangehensweise an die strategische Orientierung, je nach Szenario: Im Wandel 1. Ordnung wird es langfristige Ziele definieren, im Wandel 2. Ordnung eher iterativ vorgehen und immer wieder verändernde Zielbilder formulieren. Der Grund dafür besteht darin, dass sich im Wandel 1. Ordnung eine Prognose über ein mögliches Zukunftsbild und die sich ergebenden Ziele treffsicherer beschreiben lassen, weil die Unternehmen bereits über mehr Erfahrungen im gegebenen Paradigma verfügen als im Wandel 2. Ordnung.

In Anlehnung an das TRAFO-Modell von Organisationen kann vermutet werden, dass Unternehmen im Wandel 2. Ordnung Innovationen als zentralen Antreiber für die eigene Entwicklung sehen (vgl. Häusling et al. 2020). Um innovativ zu sein, müssen sich die Unternehmen dabei kontinuierlich Impulse von außen beschaffen. Diese Impulse werden dann dazu genutzt, permanent Experimente durchzuführen, um sich so ständig weiterzuentwickeln. Innovationsprozesse sind also in diesem Umfeld Experimente und dürfen auch scheitern. Nichts, was hier erzeugt wird, bleibt so wie es ist. Alles kann daher noch einmal verändert werden und wird somit nur als letzter Stand des Irrtums angesehen. Dazu benötigt es eine bestimmte Lernkultur, die dieses Scheitern als Basis für eine Verbesserung des Zielbilds der Zukunft versteht. Solche Innovationen lassen sich am besten in Gruppen kleiner unabhängiger Zellen erzeugen. Der zentrale Fokus ist dabei in erster Linie, dass die Ziele konsequent auf die Kundenbedürfnisse einzahlen müssen.

Warum ist die Zukunft so wichtig?

Der „Blick in die Zukunft“ ist ein wesentliches Element in der Festlegung der Strategie eines Unternehmens. Denn Veränderungen im Unternehmen und in dessen Umfeld können einschneidende positive sowie negative Folgen für die Wettbewerbssituation haben. So sind Markt, Kundenbedürfnisse und gesetzliche Regularien fortwährendem Wandel ausgesetzt. Änderungen sind im Detail nur sehr schwer vorherzusehen. Trotzdem sollte man sich aktiv mit der Zukunft auseinandersetzen, um zu verstehen, welche Produkte, Lösungen und Innovationen dann erfolgsversprechend sein können. Denn gerade die Innovationsentwicklung kann oft mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Viele Projekte beginnen heute, sind aber vielleicht erst in einigen Jahren abgeschlossen. Deshalb müssen insbesondere technische, marktliche und rechtliche Veränderungen jetzt schon antizipiert werden. Eine gängige Methode ist die Retropolation. Darunter versteht man, dass „ausgehend von einem Zustand in der Zukunft zurück in Richtung der heutigen Situation“ geplant wird (Reymann 2012, S. 19). Man befindet sich also in einen zukünftigen Zeitzustand und leitet daraus ab, was man tun müsste, um diesen zu erreichen.

Übung 2.1: Retropolation

Ihr Unternehmen hat 2030 den deutschen Innovationspreis erhalten. Sie dürfen eine Dankesrede zur Preisübergabe halten. Dabei wollen Sie die Leistungen würdigen, die in Ihrem Unternehmen vollbracht wurden. Was musste rückblickend passiert sein, damit es dazu kam? Welche Punkte müssten in Ihrer Rede erwähnt werden?

In die Zukunft blicken erfordert Mut – denn Vorhersagen sind schwer. Die Glaskugel oder das Zukunftsfernrohr, die uns hier weiterhelfen könnten, wurden leider noch nicht erfunden. Aber: es gibt mittlerweile viele Menschen, die sich professionell mit Zukunftsthemen beschäftigen. Diese sogenannten Zukunftsforschenden entwickeln zum Teil sehr visionäre Zukunftsbilder. Sie beschäftigen sich aber auch intensiv damit, welche Themen gerade in Forschungslaboren bearbeitet werden und leiten dann ab, welche neuen technologischen Möglichkeiten daraus entstehen könnten. Von Zukunftsforschenden kann man gute Einblicke bekommen: Viele Zukunftsstudien oder Zukunftsszenarien sind frei verfügbar erhältlich und können als Inspirationsquellen genutzt werden.

Folgende Organisationen führen Zukunftsstudien durch:

  • Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit seinem „Foresight Prozess“

  • Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)

  • Das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

  • Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI)

  • Das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT)

  • Das Zukunftsinstitut

  • Das Institut für Trend- und Zukunftsforschung (ITZ)

  • Die Europäische Umweltagentur (EEA)

Wenn dann mögliche Zukunftsbilder für das eigene Unternehmen entwickelt wurden, kann daraus abgeleitet werden, wie man selbst oder das Unternehmen auf anstehende Entwicklungen reagieren kann. Welche Chancen ergeben sich daraus, aber auch welche Risiken? Welche Aktivitäten sollte das Unternehmen angehen, um erfolgreiche Innovationen zu entwickeln und an den Markt zu bringen? Das sind die Kernfragen, die beantwortet werden sollten.

Zukunftsthemen: Megatrends

Mögliche Zukunftsentwicklungen werden oft über sogenannte Megatrends abgebildet. Sie beschreiben Veränderungen, die transformativen Charakter haben und unsere Gesellschaft wesentlich verändern können (vgl. Naisbitt 1984). Megatrends können sich auf verschiedene Art und Weise auf ein Unternehmen auswirken: Sie können zur Veränderung der Kundenbedürfnisse führen, Prozesse in der Wertschöpfungskette verändern oder Auswirkungen auf die Mitarbeitenden haben. Die aus Sicht der Autor*innen wichtigsten Megatrends sind im Folgenden kurz beschrieben.

Demographischer Wandel

Die Alterung der Gesellschaft und das globale Bevölkerungswachstum führen dazu, dass der Altersdurchschnitt in den meisten Ländern der Erde steigt: Die meisten von uns werden älter als ihre Vorfahren. Dies trifft sowohl für die Industrieländer als auch für Schwellen- und Entwicklungsländer zu.

In sogenannten westlichen Ländern ist das steigende Alter eine Herausforderung für die Aufrechterhaltung und Finanzierung von Pensions-, Gesundheits- und Sozialsystemen, da diese viele junge Beitragszahlende benötigen. Auch könnte es für Unternehmen schwieriger werden, ausreichende und qualifizierte Mitarbeitende zu bekommen. Gleichzeitig gibt es weltweit einen Bedarf an neuen Produkten und Lösungen für ältere Menschen.

Globalisierung und vernetzte Welt

Industrielle Wertschöpfungsketten sind international aufgestellt. Die Welt wird sich auch in Zukunft weiter verflechten, selbst wenn es immer wieder zu Handelskonflikten kommt. Der Welthandel steigt weiterhin und aufstrebende Schwellenländer bieten einerseits interessante Märkte, intensivieren aber andererseits ebenso den Wettbewerb.

Gleichzeitig schaffen die Digitalisierung und die informationstechnische Vernetzung durch das Internet fortwährend neue Möglichkeiten des Informationsaustausches und der Kommunikation in Unternehmen, in Produkten und über neuartige Geschäftsmodelle – mit Chancen und Risiken für Unternehmen.

Weltweite Urbanisierung

Der Anteil der Landbevölkerung nimmt weltweit weiter ab, immer mehr Menschen ziehen in die großen Städte, deren Einwohnerzahlen steigen. Außerhalb von Europa gibt es mehr und mehr Megacities (Städte mit mehr als 10 Millionen Menschen).

Die Herausforderung ist dabei einerseits, eine angemessene Lebensqualität und Versorgung der dort lebenden Menschen zu gewährleisten. Andererseits ergeben sich viele Chancen für Unternehmen, die Lösungen für Infrastruktur, Energieversorgung, Wohnraum, Sicherheit, Verkehr sowie Stoff- und Kreislaufmanagement anbieten.

Nachhaltig leben

Nachhaltige Entwicklung zählt zu den größten und dringlichsten Aufgaben der Gegenwart und Zukunft. Luft, Wasser und Boden werden durch menschliche Aktivitäten verschmutzt, die Biodiversität geht weiter zurück und der Klimawandel schreitet weiter voran – die Frage ist nur, in welchem Ausmaß. Der weltweite Energiebedarf steigt zukünftig an und für die in Hightech-Produkten benötigten Materialien gibt es mehr Nachfrage als Angebot. Die Politik reagiert auf den gesellschaftlichen Druck mit stärkeren Regularien im Umweltbereich und das Kundeninteresse an nachhaltig hergestellten Produkten und Lösungen steigt.

Die soziale Perspektive spielt ebenso eine wichtige Rolle. Dabei geht es um insbesondere um faire Arbeitsbedingungen und Gleichberechtigung im Unternehmen oder bei den Zulieferern. Den gesamtgesellschaftlichen Kontext stellen die Nachhaltigkeitsziele der UN (Vereinigte Nationen) dar. Wichtige Ziele sind unter anderem Gesundheit, Wohlbefinden und die Beseitigung von Armut und Hunger. Zusätzlich prägt das Ziel einer hochqualitativen Bildung den Megatrend „Nachhaltig leben“.

Neue Arbeitswelt/hybrides Arbeiten

Die Bedeutung von Wissen und Kreativität am Arbeitsplatz steigt weiter an. Flexiblere Arbeitsmodelle verbreiten sich, die Bereitschaft dazu nimmt insbesondere seit der Pandemie weiter zu. Das Arbeiten „fernab vom Arbeitsplatz“ schafft Flexibilität, stellt aber gleichzeitig neue Anforderungen an die Mitarbeitenden in Bezug auf Selbstorganisation und Kommunikation. Zunehmend sind für Mitarbeitende Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft zentrale Werte. Der Wunsch nach flachen Hierarchien nimmt zu und die Sinnhaftigkeit der Arbeit tritt in den Vordergrund.

Digitalisierung

Informations- und Kommunikationstechnik verbreitet sich weiter – im Alltag von Bürger*innen, im Geschäftsleben, in Produktion und Logistik und weiteren Bereichen. Komponenten und Produkte werden mehr und mehr mit Hardware und Software ausgestattet, können Daten und Messwerte erfassen, haben IT-gestützte Funktionalitäten und sind mit anderen Objekten vernetzt. Dies ermöglicht neue Geschäftsmodelle, verändert aber auch die Arbeitswelt: Zum Teil können komplexe menschliche Tätigkeiten durch Robotik und/oder künstliche Intelligenz ersetzt werden. Der Datenschutz wird in diesem Kontext noch wichtiger, dennoch werden Cyberattacken weiter zunehmen. Aus diesem Trend ergeben sich vielfältige Chancen aber auch Risiken für Unternehmen und Nutzer*innen.

Übung 2.2: Megatrends und deren Einfluss auf das Unternehmen

Beantworten Sie folgende Frage: Welchen Einfluss könnten die aktuellen Megatrends auf Ihr Unternehmen haben und wie sollte es damit umgehen?

Suchen Sie sich einen der oben genannten Megatrends heraus und stellen Sie mögliche Auswirkungen auf Ihr Unternehmen dar, die Ihrer Meinung nach auftreten können. Geben Sie Empfehlungen ab, wie Ihr Unternehmen darauf reagieren sollte.

Unter http://www.hs-pforzheim.de/IMBuch finden Sie weitere Informationen sowie Vorlagen zur Dokumentation Ihrer Ergebnisse.

Zukunftsthemen: Technologietrends

In Unternehmen spielen Technologien im Allgemeinen eine wichtige Rolle – für Produkte und Produktion. Neue Technologien können grundsätzlich als Befähiger für Innovationen dienen (vgl. Lang-Koetz 2016).

Wie können Unternehmen nun Chancen in diesem Bereich erkennen und nutzen? Interessante Impulse können Technologiestudien geben, in denen aktuelle Entwicklungen in der Forschung und deren Relevanz für die Praxis aufgezeigt werden. Auch Gespräche mit Expert*innen können wertvolle Anhaltspunkte liefern, welche Potenziale neue Technologien ermöglichen.

Jedoch fällt es oft schwer, den aktuellen Stand der Entwicklung und die Anwendbarkeit neuer Technologien für das eigene Anwendungsfeld zu verstehen. Relevantes Wissen zu finden ist häufig aufwändig und die Bewertung neuer technologischer Ansätze schwierig, gerade wenn sie außerhalb des bestehenden Kompetenzbereichs fallen (vgl. Lang-Koetz 2016).

Mit einem Technologie-Monitoring können technologische Optionen ermittelt und bewertet werden. Es „beinhaltet die Identifikation, Bewertung und Beobachtung von Technologien in festgelegten und nicht festgelegten Technologiefeldern“ (vgl. Schimpf und Lang-Koetz 2010, S. 9). Es ähnelt damit stark den Ansätzen Technology Intelligence, Technologie-Frühaufklärung und Technologie-Scouting und wird in vier Phasen unterteilt (vgl. Schimpf und Lang-Koetz 2010):

  1. 1.

    Identifikation relevanter Technologie- oder Anwendungsfelder (Suchfeldbestimmung).

  2. 2.

    Informationssammlung zu relevanten Technologie- und Anwendungsfeldern (Suchen und Beobachten).

  3. 3.

    Bewertung relevanter Technologie- und Anwendungsfelder (Bewerten und Entscheiden).

  4. 4.

    Kommunikation der Ergebnisse des Technologie-Monitorings (Speichern und Verteilen).

Somit ist Technologie-Monitoring ein Element, um eine Technologiestrategie als Teil einer Innovationsstrategie zu entwickeln.

Für KMU empfiehlt es sich, relevante Suchfelder zu definieren, regelmäßig Technologietrends zu sichten und deren Relevanz abzuschätzen. Denn neue Entwicklungen in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnik (Digitalisierung, Automationstechnik, …), bei Materialien, Produktionsverfahren, Umwelttechnik oder in anderen Technologiefeldern können vielfältige Chancen bieten (aber auch Risiken für das bestehende Geschäft bergen). Dazu eignen sich insbesondere Studien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) sowie Gespräche mit Expertinnen und Experten zu neuen Technologien.

Mit einem Suchfeld wird dargestellt, in welchen Bereichen besonders nach Veränderungen gesucht werden soll, um mögliche Chancen und Risiken im Umfeld des Unternehmens zu identifizieren. Beispiele können sein:

  • Technologien zur Digitalisierung von Produkten und Produktionsprozessen

  • Neue Materialien im Bereich Metall und Kunststoff

  • Einsatz von Virtual-Reality-Technologien in der Produktion

  • Regularien im Umweltbereich, z. B. zu CO2-Emissionen von Produkten oder gefordertem Recyclinggehalt von Kunststoffen

Für diese Suchfelder ermittelte Informationen zu neuen Technologien/Technologietrends können dann genutzt werden, um gezielt Innovationsideen zu entwickeln. Weiterhin sollten Verantwortliche definiert werden, die sich regelmäßig mit ihnen auseinandersetzen und dies mit der Geschäftsführung diskutieren.

Innovationsstrategie: Grundlagen

Nun wollen wir uns mit der Innovationsstrategie beschäftigen. Was ist das überhaupt? Welche Möglichkeiten gibt es, eine Innovationsstrategie zu gestalten? Wie kann eine Innovationsstrategie entwickelt werden? Dies wird auf den folgenden Seiten erläutert.

Eine Strategie dient dazu, das Unternehmen langfristig auszurichten, um die Ziele des Unternehmens (unter Berücksichtigung der Unternehmenswerte) zu erfüllen und enthält geeignete konkrete Maßnahmen für den Unternehmensalltag (in Anlehnung an Vahs und Brem 2015, S. 96 f.). „Langfristig“ kann dabei eine recht unterschiedliche Bedeutung haben. Viele Unternehmen betrachten einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren, wenn sie eine Strategie entwickeln.

Im Normalfall ist eine Unternehmensstrategie niedergeschrieben und den Mitarbeitenden kommuniziert. In manch kleineren Unternehmen liegt sie nur „in den Köpfen“ der Geschäftsführung vor. In jedem Fall empfiehlt es sich, die Entwicklung der Strategie systematisch anzugehen und deren Kernelemente im Unternehmen bekannt zu machen, um den Mitarbeitenden Orientierung zu geben.

Innovationsstrategie

Eine Innovationsstrategie bestimmt, in welchen Bereichen wann Innovationen realisiert werden sollen, um die Unternehmensziele bestmöglich zu erreichen (vgl. Goffin et al. 2009, S. 167).

Sie bildet einen Teil der Gesamtstrategie eines Unternehmens. Eine Innovationsstrategie sollte daher alle Funktionen des Unternehmens adressieren (Forschung & Entwicklung, Personal, Finanzen, Produktion, Marketing, …). Sie kann Teilstrategien für die Themenfelder Technologien, Produkte, Prozesse und Timing (Markteintritt) beinhalten (vgl. Vahs und Brem 2015, S. 107).

Bei der Entwicklung von Innovationen ist die Frage des Markteintritts besonders relevant. Das Unternehmen muss sich entscheiden, ob es sich eher als „Pionier“ oder „Folger“ sieht und daraus eine konkrete Markteintrittsstrategie ableiten. Die beiden Strategien lassen sich folgendermaßen charakterisieren (vgl. Porter 2013, S. 293 ff.; Vahs und Brem 2015, S. 110 f.; Schilling 2017, S. 93 f.; Tidd und Bessant 2021, S. 147 f.):

  • Pionierstrategie: Das Unternehmen setzt sich zum Ziel, mit Innovationsthemen als Erstes an den Markt zu gehen und sieht sich als Technologieführer. Dies bedeutet, dass ein starker Fokus auf der Gewinnung neuer Ideen liegen muss und viele Ressourcen für Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellt werden müssen. Kurze Entwicklungszeiten müssen eingehalten werden. Diese Strategie ermöglicht einen Erfahrungsvorsprung gegenüber Wettbewerbern, ist aber mit relativ hohem Risiko verbunden, da keine oder nur wenige Orientierungsmöglichkeiten in Bezug auf Marktakzeptanz und Technologie vorliegen. Wenn die Strategie erfolgreich ist, können erste Erträge durch die Innovation allein genutzt werden (ohne sie mit einem Wettbewerber zu teilen). Die Darstellung als Pionier kann zur Image-Verbesserung genutzt werden.

  • Folgerstrategie: Das Unternehmen beabsichtigt hier, mit Innovationsthemen erst nach dem Pionier an den Markt zu kommen – wenn sich Marktentwicklung und Kaufverhalten schon etwas stabilisiert haben und die weitere Entwicklung relativ sicher eingeschätzt werden kann. Es kann damit von dessen Erfahrungen (in Bezug auf Technologieentwicklung, aber auch Kundenakzeptanz) profitieren und geht ein geringeres Risiko in Bezug auf die Markteinführung ein. Das Unternehmen muss sich daher intensiv mit dem Wettbewerb auseinandersetzen, mitunter auch dessen Produkte und Lösungen genau analysieren. Es fokussiert auf eine anwendungsorientierte Weiterentwicklung der bereits erfolgreich eingeführten Innovation (Fokus auf Kundenanforderungen).

Weiterhin kann die Imitationsstrategie genannt werden, bei der keine eigene Forschung und Entwicklung betrieben, sondern das Ziel der Kostenführerschaft verfolgt wird (vgl. Vahs und Brem 2015, S. 112). Diese Art von Markteintrittsstrategie zielt insofern nicht auf Innovationen mit Kundenfokus (neue Produkte, Dienstleistungen, Lösungen, Geschäftsmodelle) ab und wird daher nicht weiter betrachtet.

Doch welche Strategie ist nun erfolgreicher? Im Wesentlichen sind folgende Aspekte zu berücksichtigen (vgl. Vahs und Brem 2015, S. 111 ff.):

  • Eine Pionierstrategie ist dann besonders gut geeignet, wenn ein Unternehmen innovative Produkte anzubieten hat, die einen Technologiesprung darstellen und ihm damit eine Einzigartigkeitsposition (Unique-Selling-Proposition, „USP“) verschaffen. Oft handelt es sich dabei um Unternehmen, die viel Forschung und Entwicklung betreiben. Sie agieren technologieorientiert, nutzen Wissen, insbesondere über neue Technologien, als Grundlage für Innovationen und verfolgen eine Innovations- und Technologieführerschaft.

  • Jedoch gibt es auch viele Beispiele, in denen ein früher Folger den Pionier schnell aus dem Markt drängen konnte. Dies kann durch eine ungenügende Kundenorientierung des Pioniers begründet sein. Vielleicht wurde das neue Produkt nicht ausreichend attraktiv ausgestaltet oder das Marketing war unzureichend. Insofern kann auch eine Folgerstrategie erfolgreich sein. Sie ist dann sinnvoll, wenn das Unternehmen in seiner durchaus intensiven Entwicklungsarbeit eine starke Kundenorientierung verfolgt. Es agiert marktorientiert, reagiert auf Kund*innen-Bedürfnisse und sieht seinen Aufgabenschwerpunkt nicht nur im Bereich Entwicklung, sondern auch im Vertrieb.

In der Praxis ist zu beobachten, dass Unternehmen oft auch unterschiedliche Strategien für verschiedene Geschäftsbereiche oder Innovationsfelder verfolgen. So sind sie bei manchen als Pioniere aktiv, in anderen eher als Folger.

Entwicklung einer Innovationsstrategie in der Praxis

Für die Entwicklung einer Innovationsstrategie sollten die folgenden drei Phasen genutzt werden – sie stehen im Wechselspiel miteinander und müssen auch nicht unbedingt sequentiell durchgeführt werden (vgl. Vahs und Brem 2015, S. 117 ff.):

  • Strategische Exploration: Hier wird die Ausgangsposition des Unternehmens und seines näheren und weiteren Umfeldes untersucht. Die mögliche Entwicklung der internen und externen Rahmenbedingungen wird betrachtet und es werden langfristig wichtige Trends analysiert.

  • Strategische Planung: Auf Basis der durchgeführten Analysen werden langfristige Ziele festgelegt und mögliche Alternativen dargestellt.

  • Strategische Steuerung: Die festgelegten Ziele werden strukturiert umgesetzt und kontrolliert.

Zwischen diesen drei Phasen kann es immer wieder zu Rückkopplungen kommen. Gerade durch neue Erkenntnisse aus dem Tagesgeschäft ist ggf. eine Anpassung der Planung nötig. Die Innovationsstrategieentwicklung ist somit ein regelmäßig wiederkehrender, gelebter Prozess.

In der Praxis empfiehlt es sich, die Innovationsstrategie einmal pro Jahr festzulegen bzw. zu überarbeiten. Konkrete Aktionspläne sollten formuliert und deren Umsetzung und Wirkung regelmäßig überwacht werden.

Ziele einer Innovationsstrategie können z. B. sein:

  • Einführung von zwei neuen Produkten pro Geschäftsbereich pro Jahr in den Markt

  • Erhöhung der Anteile der neuen Produkte am Produktportfolio um 10 % bis in drei Jahren

  • Verkürzung der durchschnittlichen Zeit von Entwicklungsprojektstart bis Markteinführung einer Innovation um 10 %

  • Erhöhung der Anzahl der als gut bewerteten Ideen um ein Drittel

  • Entwicklung eines neuartigen Geschäftsmodells

  • Für ein Maschinenbau-Unternehmen: Aufbau eines Servicegeschäfts

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Führungskräfte: Sie bringen sich einerseits insbesondere durch gute Ideen für die Weiterentwicklung des Unternehmens und dessen Innovationstätigkeiten in die Entwicklung der Strategie ein. Andererseits treiben sie die Umsetzung der Strategie voran und haben eine wichtige Vorbildfunktion gegenüber den Mitarbeitenden. Der Kommunikation des Strategieentwicklungsprozesses und seiner Ergebnisse kommt dabei große Wichtigkeit zu, um die Mitarbeitenden zu motivieren und sie aktiv in die Strategieumsetzung einzubinden.

2.2 Methoden zur Entwicklung einer Innovationsstrategie

Welche Methoden können nun genutzt werden, um relevante Informationen zu analysieren und bei der Festlegung der Innovationsstrategie zu unterstützen? Dies wird in den nächsten Abschnitten dargestellt.

Die Umfeldanalyse ist ein wichtiges Instrument in der strategischen Exploration. Sie wird oft auch „Umweltanalyse“ oder „PESTEL-Analyse“ genannt. Mit dieser Methode können Einflussgrößen auf das Unternehmen betrachtet und eingeordnet werden. Im Fokus steht dabei die gegenwärtige und zukünftige wirtschaftliche, soziale, technologische und ökologische Stellung des Unternehmens in seinem Umfeld.

Ziel ist dabei, das nähere und weitere Umfeld des Unternehmens zu identifizieren und zu analysieren sowie mögliche Chancen und Bedrohungen zu erkennen und zu bewerten. Damit dient die Methode zur Sensibilisierung für das Umfeld und dessen Wirkungen auf strategische Entscheidungen (vgl. Vahs und Brem 2015, S. 122). Ein Beispiel für die Darstellung einer Umfeldanalyse eines Technologieanbieters für ein neues Recyclingverfahren findet sich in Abb. 2.2.

Abb. 2.2
figure 2

Beispiel Umfeldanalyse eines Technologieanbieters für ein neuartiges Recyclingverfahren (in Anlehnung an Gasde et al. 2021)

Ein Benchmarking dient dem Vergleich von Produkten oder Prozessen mit denen anderer Unternehmen. Man kann mit dieser Methode von „den Besten“ lernen und daraus Erkenntnisse für das eigene Unternehmen und dessen Innovationstätigkeiten ableiten. Dafür sind Informationen zu sammeln, ggf. auch Daten zu erheben und auszuwerten. Über geeignete Bewertungskriterien oder auch Messwerte kann dann ein Vergleich erfolgen (siehe Beispiel in Abb. 2.3). So zeigt sich beispielsweise, in welchen Bereichen existierende Produkte besser oder schlechter sind als die der Wettbewerber. Je nach Zielgruppe im Markt und Ziele des Unternehmens kann daraufhin abgeleitet werden, wo Bedarf nach neuen Produktfunktionen oder für eine Neuentwicklung besteht (vgl. Müller-Stewens und Lechner 2016, S. 362 ff.).

Abb. 2.3
figure 3

Benchmarking am Beispiel des Produkts „Rasenmäher“

Zur Darstellung der Stärken und Schwächen eines Unternehmens kann die sogenannte SWOT-Analyse genutzt werden. Mit ihr können Stärken (engl. strenghts – S) und Schwächen (engl. weaknesses – W) möglichen Chancen/Gelegenheiten (engl. opportunities – O) und Risiken/Bedrohungen (engl. threats – T) gegenübergestellt werden (vgl. Ilevbare et al. 2014). Sie wird manchmal auch „TOWS-Analyse“ genannt.

Diese einfache Betrachtungsweise kann für ein ganzes Unternehmen, für ein Geschäftsfeld, aber auch für einzelne Technologien oder Produkte genutzt werden. Die Zusammenstellung der Schwächen (intern) und Risiken (extern) erfordert dabei eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem betrachteten Thema, um auch konstruktiv Handlungsoptionen ableiten zu können.

Technologien und Produkte durchlaufen typische Phasen in ihrer Entwicklung. Man kann dort Ähnlichkeiten zu den Entwicklungsstadien von Lebewesen beobachten. Diese sind zunächst jung und noch in der Entwicklung befindlich, begeben sich dann in ihre „aktivste Phase“, in der sie am leistungsfähigsten sind, um danach einer Alterung zu unterliegen. Dies gilt in ähnlicher Form genauso für Technologien und Produkte, man spricht daher von Technologie- und Produktlebenszykluskonzepten (vgl. Spath et al. 2011).

Auf der Suche nach den Produkten der Zukunft: das Beispiel der Firma RasenfitKOCH

Zur Verdeutlichung der im Buch dargestellten Methoden nutzen wir das Beispiel der Firma RasenfitKOCH. In ihrer Beschreibung sind Charakteristika und Fragestellungen eines typischen mittelständischen Unternehmens dargestellt.

Die Firma RasenfitKOCH aus Nagold im Schwarzwald hat ca. 480 Mitarbeitende in Deutschland und der Slowakei. Das Familienunternehmen besteht seit den 1970er-Jahren und wird in der zweiten Generation von der Tochter des Gründers, Svenja Koch, geleitet. RasenfitKOCH stellt Produkte zur Rasenpflege her, insbesondere Rasenmäher verschiedener Größen und verfügt über viel Know-how im Bereich Maschinenbau. In letzter Zeit wurde damit begonnen, für die Produkte der Zukunft Wissen in den Bereichen Sensorik und Softwareentwicklung aufzubauen.

Frau Koch und die Bereichsleiter*innen des Unternehmens haben sich im letzten Jahr intensiv mit der Weiterentwicklung des Produkt- und Lösungsportfolios des Unternehmens beschäftigt. In einer Megatrend-Analyse haben sie ermittelt, dass für RasenfitKOCH und deren Produkte und Lösungen insbesondere die Megatrends „Nachhaltig leben“ und „Digitalisierung“ relevant sind: So steigen die Anforderungen der Kund*innen an die Umweltfreundlichkeit der Produkte. Die Digitalisierung bietet technische Möglichkeiten für neue Produktfunktionalitäten wie z. B. Sensoren, die den Zustand des Rasens erfassen. Weiterhin erscheint der Technologietrend zu neuen, biobasierten Kunststoffen relevant für das Unternehmen. RasenfitKOCH beabsichtigt nun, vollkommen neue Produkte zu entwickeln, die dies berücksichtigen.

In einer Umfeldanalyse wurden die Rahmenbedingungen hierfür betrachtet und konkretisiert. Ein Produkt-Benchmarking hat gezeigt, dass die einst führenden Produkte des Unternehmens in Bezug auf Design und Funktionalität mittlerweile hinter denen der beiden wichtigsten Wettbewerber zurückstehen.

Frau Koch hat nach langer Diskussion gemeinsam mit den Bereichsleiter*innen beschlossen, dass RasenfitKOCH wieder, wie unter der Leitung ihres Vaters, eine Pionierrolle im Markt einnehmen will. Als Innovationsziel wurde festgelegt, in den nächsten zwei Jahren ein Produkt oder Geschäftsmodell auf den Markt zu bringen, das über digitale Funktionalitäten den höchsten Kundennutzen in der kompletten Rasenpflege-Branche ermöglicht.

Ein typischer Produktlebenszyklus ist in Abb. 2.4 dargestellt. Er wird auch als „betriebswirtschaftlicher Produktlebenszyklus“ bezeichnet.Footnote 1 Er ermöglicht eine Gesamtbetrachtung eines Produkts. Mit ihm können folgende Fragen adressiert werden:

  • Wo steht das eigene Produkt im Vergleich zu ähnlichen Produkten der Wettbewerber?

  • Wo besteht eine Lücke in Bezug auf das bestehende Lösungsangebot für die Kundinnen und Kunden des Unternehmens?

  • Ist die Herstellung des Produkts unter Berücksichtigung des Marktinteresses noch lohnenswert?

Ein Produktlebenszyklus ist folgendermaßen aufgebaut: Auf der x-Achse ist die Zeit abgebildet. Auf der y-Achse ist dargestellt, wieviel Absatz generiert wurde (also: wieviel schon von dem Produkt verkauft wurde) und welcher Deckungsbeitrag erzielt wurde (vgl. Ehrlenspiel et al. 2020).

Abb. 2.4
figure 4

Produktlebenszyklus (in Anlehnung an Ehrlenspiel et al. 2020; mit freundlicher Genehmigung von © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020. All Rights Reserved)

Links in der Abbildung ist die Entstehung der Produktidee dargestellt, danach beginnt der Lebenszyklus des Produkts. Es ist ein gewisser Aufwand (im Sinne von Zeit und Geld) nötig, um daraus ein fertiges Produkt bzw. eine Innovation zu entwickeln. Es wird also erst einmal ein negativer Deckungsbeitrag und kein Absatz erzielt. Schließlich geht man mit dem neuen Produkt an den Markt, abgebildet durch den Nullpunkt des Diagramms, in dem sich x-Achse und y-Achse treffen. Ab diesem Zeitpunkt wird etwas von dem neu entwickelten Produkt verkauft, es wird ein erster Absatz erzielt. Die Kund*innen beginnen sich mit der neuen Lösung auseinanderzusetzen, wodurch das Interesse langsam steigt. Anschließend folgt die Einführungsphase des Produkts, der Absatz wächst langsam. In der Wachstumsphase findet ein starker Anstieg des Absatzes statt, ebenso in der Reifephase. Es folgt eine Sättigung, der maximale Absatz ist erreicht. Er sinkt nun langsam und dann immer schneller ab, das Produkt kommt in die sogenannte Degeneration. Danach wird es aus dem Markt genommen, also nicht mehr verkauft. Man spricht von der Elimination.

Außerdem wird deutlich, wie sich der Deckungsbeitrag entwickelt hat: Er war zunächst negativ, da ein Entwicklungsaufwand nötig war. In der Wachstumsphase wird der negative Betrag ausgeglichen und dann steigt der Deckungsbeitrag, um dann gegen Ende der Degenerationsphase wieder auf null zurückzugehen.

Das Konzept des Technologielebenszyklus wurde ursprünglich von Tom Sommerlatte und Jean-Philippe Deschamps (Unternehmensberatung Arthur D. Little) entwickelt und ist mittlerweile weit verbreitet (vgl. Sommerlatte und Deschamps 1986). Kernidee des Konzepts ist, dass Technologien über die Zeit einem typischen Verlauf unterliegen (vgl. Spath et al. 2011, S. 90 f.):

  • Am Anfang ihrer Entwicklung befindet sich eine Technologie in der Entstehungsphase, sie wird dann als Schrittmachertechnologie bezeichnet. Es ist noch unklar, wie sich die technische Leistungsfähigkeit dieser neuen Technologie genau entwickeln wird. Ihre Einsatzgebiete sind noch nicht alle bekannt, es wird noch wenig in die Technologie investiert. Sie befindet sich bisher in einem Stadium, in dem sich die Wissenschaft stark mit ihr beschäftigt, es finden nur wenig Anwendungsentwicklungen in Industrieunternehmen statt. Steigt ein Unternehmen aber nun in diese Technologie ein, so kann es sich gut damit gegenüber dem Wettbewerb differenzieren. Gleichzeitig ist dies jedoch mit Unsicherheiten verbunden.

  • In der Wachstumsphase wird klarer, wie die Technologie in der Praxis eingesetzt werden kann, auch ihre maximale Leistungsfähigkeit wird zunehmend deutlicher erkennbar. Entwicklungsarbeiten unterliegen einem stark anwendungsorientierten Fokus und die Leistung der Technologie erhöht sich drastisch. In dieser Phase befindliche Technologien werden als Schlüsseltechnologien bezeichnet. Unternehmen können solche Technologien weiterhin als Differenzierungsmerkmal und damit zur Steigerung des Wettbewerbspotenzials nutzen, da sie mitunter noch nicht sehr weit verbreitet sind.

  • Anders sieht es in der Reifephase aus. Dort werden zunehmend Anwendungen für die Technologie erschlossen, ihre Leistung erhöht sich in dieser Phase nicht mehr stark. Dort befindliche Technologien werden auch als Basistechnologien bezeichnet, sie sind weit verbreitet in der Praxis. Ein Unternehmen kann sich daher durch ihre Nutzung nicht von den Wettbewerbern differenzieren.

  • Schließlich erreicht eine Technologie nach einer gewissen Zeit die Altersphase. Sie wird nun von allen Wettbewerbern genutzt und es ist damit zu rechnen, dass sie von einer anderen neuen Technologie mit größerem Leistungspotenzial abgelöst wird.

Diese dargestellten Phasen finden sich in Abb. 2.5 wieder. Auf der x-Achse ist die Zeit abgebildet, auf der y-Achse die Leistung der Technologie. Zum Beispiel könnte man einen Elektromotor über dessen Leistung in PS bzw. kW beschreiben. Je weiter fortgeschritten dort die Entwicklung ist, desto höher ist dann die Einordnung auf der y-Achse. In anderen Darstellungen findet sich an dieser Stelle die sogenannte Erreichung des Wettbewerbspotenzials. Der Verlauf der Entwicklung folgt vereinfacht dem Verlauf des Buchstaben „S“ und wird daher als S-Kurve bezeichnet.

Abb. 2.5
figure 5

Technologielebenszyklus (in Anlehnung an Sommerlatte und Deschamps 1986; mit freundlicher Genehmigung von © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1986. All Rights Reserved)

Generell dient der Technologielebenszyklus als Orientierung und ist eine Verallgemeinerung von in der Praxis erkennbaren Entwicklungsverläufen. Er muss aber nicht für jede Technologie gelten und hat durchaus Schwächen. Hier eine Auswahl der Grenzen des Konzepts (vgl. Kreikebaum et al. 2011, S. 221 f.):

  • Größen zur Einordnung in die S-Kurve sind schwer ermittelbar.

  • Exakte Lebenszyklusverläufe können nur schwer ermittelt werden.

  • Die Grenzen der einzelnen Phasen sind schwer zu ermitteln.

  • Technologien müssen nicht unbedingt alle Phasen durchlaufen.

  • Voraussagen auf Grundlage von typischen Verläufen sind unsicher.

Welchen Nutzen hat dann das Konzept des Technologielebenszyklus für die Praxis überhaupt? Zunächst kann es gut zur Systematisierung der Diskussion über im Unternehmen verwendete und auch neue Technologien genutzt werden. In der Diskussion zwischen verschiedenen Bereichen im Unternehmen wie Entwicklungsabteilung, Produktion, Marketing, Vertrieb und Geschäftsleitung kann dann besprochen werden, in welcher Phase sich eigentlich die in den Produkten des Unternehmens verwendeten Technologien befinden. Damit können Fragen adressiert werden wie:

  • Welches Potenzial wird für die Leistung einer bestehenden Technologie noch erwartet?

  • Wo stehen die Technologien der Wettbewerber?

  • Welche Möglichkeiten könnte eine aktuell betrachtete neue Technologie bieten?

Für die Beantwortung dieser Fragen bietet das S-Kurven-Konzept eine gute gemeinsame Basis – zum Beispiel für eine Diskussion in einem Strategieworkshop. Damit können technische Detaildiskussionen von Entwickler*innen und generelle Marktbetrachtungen von Mitarbeitenden aus dem Vertrieb sozusagen kanalisiert und objektiviert werden.

Mittlerweile ist auch der sogenannte Technology Readiness Level (TRL) als Bewertungsmöglichkeit für den Reifegrad einer Technologie verbreitet. Er wurde ursprünglich von der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA entwickelt, um die Einsatzmöglichkeit neuer Technologien im Weltall einordnen zu können (vgl. Hirshorn und Jefferies 2016).

Auch die Europäische Union nutzt ihn, wenn sie Forschungsprogramme und Förderinitiativen für Unternehmen ausschreibt und verwendet folgende Reifegrade (vgl. Europäische Kommission 2015):

  • TRL 1: Grundprinzipen der Technologie beobachtet

  • TRL 2: Technologiekonzept ist formuliert

  • TRL 3: Konzept experimentell nachgewiesen

  • TRL 4 – TRL 7: Validierung in verschiedenen Umgebungen

  • TRL 8: vollständiges und qualifiziertes System

  • TRL 9: voll in der Anwendung bewährte und einsatzfähige Technologie

Mittlerweile wenden ihn auch Unternehmen an, um intern und mit Partnern über Technologien und deren Reifegrade zu diskutieren.

Eine weitere einfache Möglichkeit, Technologien einzuordnen, ist das Technologieportfolio nach Pfeiffer (vgl. Pfeiffer et al. 1982). In einem Portfolio können Informationen einfach dargestellt werden. Auf der x-Achse findet sich im Allgemeinen ein Sachverhalt, den das Unternehmen selbst verändern kann, in diesem Fall Informationen über die verfügbare technische Ressourcenstärke. Dort wird betrachtet, wie stark das Unternehmen in Bezug auf die Beherrschung bzw. die Umsetzung der Technologie ist. Darunter verbergen sich Aspekte wie der technische Beherrschungsgrad, die Reaktionsgeschwindigkeit in der technischen Entwicklung (wie viel Personal man zum Beispiel hat, um auch schnell etwas technisch umsetzen zu können), mögliche technische Potenziale (z. B. bei der Weiterentwicklung der Leistungsparameter in der Zukunft) oder vorhandene Patente/Lizenzen.

Die y-Achse dient zur Darstellung einer externen Einflussgröße, in diesem Fall der Marktattraktivität. Darunter können Teilaspekte fallen wie die Anwendungsbreite der Technologie, die Akzeptanz bei Nutzer*innen, die Kompatibilität der Technologie (also die „Passung“ zu bestehenden anderen Technologien) sowie das Weiterentwicklungspotenzial in Bezug auf die Anwendung der Technologie.Footnote 2

Die genaue Positionierung kann dabei qualitativ über erste Abschätzungen, z. B. nach einer Diskussion mit Expert*innen, erfolgen. Sie kann aber auch auf Basis einer detaillierten Datenbasis berechnet werden. Dazu sind Messgrößen für die betrachteten Kriterien zu definieren.

Das Technologieportfolio bietet verschiedene Handlungsempfehlungen, die abhängig sind von der Positionierung einer Technologie im Portfolio (siehe Abb. 2.6). Wie bei anderen Portfoliotypen auch, ist die bevorzugte Position rechts oben. Eine dort befindliche Technologie ist sehr attraktiv und das Unternehmen beherrscht sie gut. Dann sollte es in diese Technologie (weiter) investieren, die Technologie weiterentwickeln und zur Anwendung bringen. Eine Positionierung links unten bedeutet, dass man die Technologie nicht weiterverfolgen sollte („desinvestieren“), da sie sowohl wenig attraktiv als auch sehr schwer umzusetzen ist. Im mittleren Bereich dazwischen sollte man genau überlegen, wie man weiter verfahren will. In diesem Bereich, dem Selektieren, finden sich viele Technologien in der Praxis wieder. Gerade für das Unternehmen neue Technologien mit großem Potenzial starten erst einmal oben links im Portfolio. Wenn sie dann weiter beforscht bzw. technisch weiterentwickelt werden, verbessert sich auch die Ressourcenstärke und die Technologie wandert im Portfolio im Idealfall nach oben rechts.

Abb. 2.6
figure 6

Technologieportfolio (in Anlehnung an Gochermann 2020; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020. All Rights Reserved)

Durch weitere Aktivitäten wie Marktanalysen, technische Machbarkeitsstudien oder F&E-Projekte kann sich die Position der Technologie im Portfolio ändern. Man kann das Portfolio auch nutzen, um mögliche Veränderungen durchzuspielen.

2.3 Zusammenfassung und Fazit

Sich mit möglichen Zukunftsentwicklungen auseinanderzusetzen ist eine zentrale Grundlage für Innovationsaktivitäten im Unternehmen. Der „Blick in die Zukunft“ ist ein wichtiges Element für Strategieplanung und strategisches Innovationsmanagement. Zukunftsstudien, Megatrends und Technologiestudien bieten eine gute Möglichkeit, sich mit Zukunftsthemen zu beschäftigen. Daraus können mögliche Chancen und Risiken für Innovationen und für das Unternehmen in der Gesamtheit abgeleitet werden. Unternehmen sollten sich immer wieder damit beschäftigen, wie „ihre Zukunft“ aussehen kann. Dazu sollten Mitarbeitende im Unternehmen, aber auch Partner, Lieferanten und Kunden eingebunden werden.

Jedes Unternehmen sollte sich klare strategische Ziele setzen und eine Innovationsstrategie ausformulieren – sowie die wichtigsten Teile davon im Unternehmen kommunizieren. Sie bestimmt, in welchen Bereichen wann Innovationen realisiert werden sollen, um die Unternehmensziele bestmöglich zu erreichen.

Zur Entwicklung einer Innovationsstrategie gibt es eine Vielzahl von Methoden wie Umfeldanalyse, Benchmarking, SWOT-Analyse, Lebenszykluskonzepte, Technology Readiness Level und Technologieportfolio. Diese Methoden dienen dazu, die Ausgangslage und die verschiedenen Optionen besser zu verstehen, insbesondere in Bezug auf Markt und Technologie. Die dargestellten Methoden können gut genutzt werden, um die bestehende Situation zu analysieren, gerade im Hinblick auf technologiebedingte Einflussfaktoren. Auf dieser Basis können Handlungsempfehlungen für F&E- und Marktaktivitäten hergeleitet und Ressourcen im Unternehmen zugeteilt werden. Weiterhin können sie genutzt werden, um mögliche strategische Optionen zu bestimmen. Jedes Unternehmen muss für sich geeignete Ziele ableiten und Aktionspläne entwickeln.

Wiederholungs- und Verständnisfragen

  • Wie kann man herausfinden wie die Zukunft aussehen könnte?

  • Welche Kernfragen sollte man sich basierend auf entwickelten Zukunftsbildern stellen?

  • Welche Trends in der Arbeitswelt verändern gerade die Art und Weise, wie in Unternehmen gearbeitet wird?

  • Wie können neue Technologien im Unternehmen identifiziert, beobachtet und bewertet werden?

  • Wie würden Sie eine Innovationsstrategie definieren? Teilgebiete/Teilstrategien sind dabei zu berücksichtigen.

  • Welche strategischen Zielsetzungen verfolgt das Unternehmen, in dem Sie arbeiten, in Bezug auf Innovation?

  • Welche unterschiedlichen Markteintrittsstrategien gibt es? Unter welchen Bedingungen kann welche der Strategien vorteilhaft sein?

  • Welche drei Phasen müssen zur Entwicklung einer Innovationsstrategie durchlaufen werden?

  • Welche Rolle spielen Führungskräfte bei der Entwicklung und Umsetzung einer Innovationsstrategie?

  • Was ist eine Umfeldanalyse und wozu dient sie?

  • Was versteht man unter einem Produkt-Benchmarking und wie kann diese Methode in der Praxis nutzen?

  • Welche Kriterien werden bei einer SWOT-Analyse abgefragt?

  • Was ist die Kernfrage bei der Betrachtung des Produktlebenszyklus?

  • Wie bezeichnet man Technologien, die sich in der Entstehungsphase, in der Wachstumsphase oder in der Reife- bzw. Altersphase befinden?

  • Wozu können Unternehmen den Technologielebenszyklus nutzen? Wie ist der Technologielebenszyklus aufgebaut?

  • Was versteht man unter dem Technology Readiness Level?

  • Welche Kriterien werden im Technologieportfolio nach Pfeiffer abgefragt? Wozu kann diese Methode genutzt werden?

2.4 Reflexion für die Praxis und Anwendung des Gelernten

Nutzen Sie die folgenden Fragen zur Reflexion und um einen Blick auf die (künftige) Anwendung des Gelernten aus Kap. 2 in der Unternehmenspraxis zu werfen.

  1. 1.

    Welche Veränderungen innerhalb und außerhalb Ihres Unternehmens gab es in letzter Zeit bzw. welchen Veränderungen sieht sich Ihr Unternehmen in naher Zukunft (2–3 Jahre) gegenüber?

  2. 2.

    Schätzen Sie die Veränderungen hinsichtlich der Logik des Wandels 1. Ordnung und des Wandels 2. Ordnung in Ihrem Unternehmen ein! Wie disruptiv ist der anstehende Wandel?

  3. 3.

    Inwiefern werfen Sie bisher in Ihrem Unternehmen einen „Blick in die Zukunft“? Wie (oder auch: wann, durch wen) werden bisher Megatrends, Technologietrends oder Zukunftsentwicklungen berücksichtigt?

  4. 4.

    Welche Markt- und Technologietrends könnten Einfluss auf die bestehenden Produkte/Lösungen des Unternehmens, in dem Sie arbeiten, nehmen? Welche Chancen und Risiken könnten dadurch entstehen?

  5. 5.

    Welche der folgenden Methoden werden in Ihrem Unternehmen bereits eingesetzt? – Umfeldanalyse, Benchmarking, SWOT, Lebenszyklusbetrachtung für Technologien und Produkte, Technology Readiness Level, Portfolio-Ansätze, andere –

  6. 6.

    Was würden Sie sagen in Bezug auf die Inhalte des Kapitels „Strategische Orientierung/Problemidentifizierung“:

    1. a.

      Welcher Handlungsbedarf besteht in Ihrem Unternehmen?

    2. b.

      Wer sollte hier federführend aktiv werden?

    3. c.

      Wer sollte noch miteinbezogen werden?

Zu Beginn dieses Buches (siehe Abschn. 1.5) haben Sie einen Projektsteckbrief für Ihr Innovationsprojekt erstellt und können ihn nun pro Kapitel aktualisieren. Es geht darum, dass Sie das Gelernte aus Kap. 2 auf Ihr Innovationsprojekt übertragen. Prüfen Sie, ob Sie Ihren Projektsteckbrief ergänzen oder detaillieren sollten. Betrachten Sie insbesondere die Rubriken „Inhalt und Ziel“, „Motivation, Einbettung“ und „Weitere Anmerkungen“.

Nutzen Sie erneut das Quiz, das Sie zum Start des Kapitels ausgefüllt haben. Welche Fragen würden Sie nun anders beantworten? Überprüfen Sie Ihr Quiz abschließend anhand der Quiz-Lösungen.