Lernziele für dieses Kapitel: Die Leserinnen und Leser …

  • verstehen die Bedeutung von Innovationen für Unternehmen und Gesellschaft,

  • können verschiedene Arten von Innovationen unterscheiden und für diese Arten allgemeine Beispiele und Beispiele aus ihrem Umfeld benennen,

  • kennen die grundlegenden Begriffe des Innovationsmanagements und ihre Bedeutung,

  • verstehen, warum Innovation organisiert werden muss,

  • verstehen, wie sie dieses Buch nutzen können.

1.1 Grundlagen des Innovationsmanagements für KMU

Innovationen haben immer wieder Chancen für die Gesellschaft ermöglicht. Die Vollendung der Dampfmaschine im 18. Jahrhundert führte dazu, dass statt der Arbeitskraft von Menschen und Tieren Maschinen genutzt werden konnten (vgl. Harford 2017). Dadurch ergaben sich vollkommen neue Möglichkeiten durch technische Systeme, und das industrielle Zeitalter begann. Die Erfindung des Penicillins durch Sir Alexander Fleming 1928 führte dazu, dass durch Bakterien verursachte Krankheiten effektiv bekämpft werden konnten (vgl. Harford 2017). Der Aufbau des Internets ermöglichte einen Informationsaustausch in ungeahnter Schnelligkeit und ebenso ungeahntem Umfang (vgl. Challoner 2015). Damit wurde die Grundlage für eine umfassende Digitalisierung und auch neue Produkte und Geschäftsmodelle geschaffen. Viele technische Einrichtungen sind essenziell für unsere Art zu leben, so z. B. das von Hypatia von Alexandria erfundene Verfahren zur Destillation, der von Elisha Otis entwickelte Personenaufzug mit Notbremse, der von Mary Anderson erfundene Scheibenwischer oder der von Zénobe T. Gramme entwickelte Hochspannungs-Gleichstromgenerator (vgl. Challoner 2015).

Natürlich gibt es viele Beispiele für Innovationen. Sie müssen nicht immer „die Welt verändern“, aber durch ihre Neuheit bieten sie neuartige Funktionen und Möglichkeiten für Nutzerinnen und Nutzer. Auf dem Weg zu einer Innovation steht zunächst eine neue Idee, die zunächst auch (meist technisch) umgesetzt werden muss. Wird sie erstmals wirtschaftlich umgesetzt und hat sie sich im Markt bzw. in der Anwendung bewährt, so gilt sie als Innovation (vgl. Vahs und Brem 2015). Eine Umsetzung kann auch im sozialen Bereich erfolgen (vgl. OECD und Eurostat 2018). Konkret bedeutet Innovation also, dass neue Technologien, Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle oder andere Lösungen für Nutzerinnen und Nutzer auf Märkten, in Organisationen oder in der Gesellschaft geschaffen werden (vgl. Bauer et al. 2018).

Oft werden Innovationen durch technologische Entwicklungen angestoßen und vorangetrieben. Technologien bzw. generell Wissen aus Forschung und Entwicklung können ein wesentlicher Treiber für Innovationen sein. Beispiele für Innovationen, die so entstanden sind, sind Mikrowelle, Mobiltelefone, digitale Bildbearbeitung oder Nanopartikel (vgl. Tidd und Bessant 2021, S. 216). Technologische Entwicklungen im Bereich der Photovoltaik und der Windkraft haben die Transformation auf erneuerbare Energien vorangetrieben (vgl. Umweltbundesamt (UBA) 2022). Momentan wird intensiv untersucht, welche Wirkungen der Einsatz künstlicher Intelligenz auf Gesellschaft und Industrie haben kann (vgl. Boll et al. 2022).

Wo könnte die Entwicklung in den nächsten Jahren hingehen? Sogenannte Foresight-Studien zeigen auf, welche Themen in der Zukunft grundlegende Veränderungen mit sich bringen können. Dort werden z. B. künstliche Intelligenz, die Umsetzung einer zirkulären Wirtschaft (Circular Economy), die Erhaltung von Biodiversität oder auch spezifische neue technologische Entwicklungen aus dem Bereich der Wasseraufbereitung, im Gesundheitsbereich, der Mikroelektronik oder der Quantenkommunikation genannt. Auch kontrovers diskutierte Themen wie Geoengineering oder die Reprogrammierung menschlicher Zellen könnten in Zukunft sowohl Chancen als auch Risiken für Unternehmen und Gesellschaft bieten (vgl. Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. 2019). In einer Foresight-Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden 112 Zukunftsthemen dargestellt, darunter auch viele, die Herausforderungen des Klimawandels und der nachhaltigen Entwicklung adressieren (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2022).

Wie aber entstehen eigentlich Innovationen? Natürlich gibt es die klassischen Erfinder*innen, die durch ihre individuelle Kreativität und ihr visionäres Denken Innovationen gefördert haben. Stellvertretend für diese Gruppe von Menschen sei hier Artur Fischer genannt, der mit weltweit über 1200 Patentanmeldungen zu den produktivsten Erfindern der Welt zählt und der 1958 den S-Dübel sowie 1965 fischertechnik auf den Markt brachte (vgl. Fischer und Ries 2014). Was aber, wenn sich in Ihrem Unternehmen kein Artur Fischer befindet? Dieses Buch fokussiert auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und wie KMU bzw. ihre Mitarbeitenden Innovationen in ihrer Organisation voranbringen und umsetzen können.Footnote 1

Innovationen bieten Chancen für KMU

KMU müssen sich momentan mit starken Veränderungen ihres Umfelds auseinandersetzen. So werden Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle immer mehr digitalisiert (vgl. Brink et al. 2020). Dies kann bestehende Marktstrukturen verändern und sogar die Existenz von Unternehmen gefährden (vgl. Cole 2015). Digitalisierung stellt eine Chance für Innovation dar (vgl. Brink et al. 2020). Jedoch stehen KMU nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung und oft fehlen benötigte Fähigkeiten, um Digitalisierungsthemen zu adressieren (vgl. Muller et al. 2021). In einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn wird die Sicherung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit als größte Herausforderung für mittelständische Unternehmen dargestellt (vgl. Brink et al. 2020). In einer anderen Studie wurde ermittelt, dass 42,6 Prozent der KMU Produkt- oder Prozessinnovationen entwickeln bzw. einführen (vgl. Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) 2017). Dies zeigt, dass die Entwicklung und Einführung von Innovationen von immenser Wichtigkeit für KMU sind.

Klimawandel, zunehmende Umweltverschmutzung und weitere Aspekte der Nachhaltigkeit finden mittlerweile auch in Unternehmen große Beachtung (vgl. Kunzlmann et al. 2021; Sassen et al. 2021). Insofern ist auch zu betrachten, inwiefern Nachhaltigkeitsaspekte im Innovationsmanagement berücksichtigt bzw. integriert werden können (vgl. Lang-Koetz und Schimpf 2019). Dazu findet sich in diesem Buch eine ausführliche Betrachtung eines integrativen Ansatzes (siehe Kap. 7).

Innovationsaktivitäten ermöglichen Wettbewerbsvorteile, stellte schon der Managementforscher Michael Porter fest (vgl. Porter 2013). Der Ökonom Peter Drucker sieht Innovation als „spezifisches Werkzeug von Unternehmern“, womit man „Veränderungen als Chance für ein anderes Geschäft oder eine andere Dienstleistung nutzen“ kann (Drucker 2015, S. 23). Innovationen eröffnen vielfältige Chancen: sie können einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbssituation leisten, und erfolgreiche Produktinnovationen ermöglichen in Käufermärkten hohe Marktanteile (vgl. Vahs und Brem 2015).

Auch der Staat treibt Innovationen voran, z. B. über umfangreiche Förderprogramme wie die Hightech-Strategie der Bundesregierung. Dort werden gesellschaftliche Herausforderungen adressiert, insbesondere Gesundheit und Pflege, Nachhaltigkeit, Energie und Klima, Mobilität sowie Wirtschaft und Arbeit 4.0 (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2018).

Innovationen bieten also Chancen für KMU. Es macht daher Sinn, sich genauer damit zu beschäftigen, wie das Thema in der Praxis systematisch angegangen werden kann. Es braucht auch nicht immer einen großen Erfinder wie Artur Fischer. Vielmehr geht es in diesem Buch darum, wie mit den bestehenden Möglichkeiten von KMU Innovationen gefördert werden können, indem bestimmte Methoden im Innovationsprozess systematisch eingesetzt werden.

1.2 Perspektiven auf das Innovationsmanagement

Wie kann nun Innovationsmanagement in KMU umgesetzt werden? Dazu werden im Folgenden zentrale Begriffe und Konzepte beschrieben. Zunächst wird der Begriff Innovation weiter konkretisiert.

Generell kann eine Vielzahl verschiedener Innovationsarten unterschieden werden:

  • Produktinnovationen und Dienstleistungsinnovationen sind „neu entwickelte materielle und immaterielle Leistungen“ (Thom 1980, S. 32 ff. zitiert in Vahs und Brem 2015, S. 54) zur Befriedigung der Bedürfnisse von Kund*innen, zum Beispiel ein Fahrzeug ohne Außenspiegel, ein Flugtaxi, aber auch eine Waschmaschine mit reduziertem Energie- und Wasserverbrauch.

  • Prozessinnovationen sind „neuartige Faktorkombinationen, durch die die Produktion eines bestimmten Gutes kostengünstiger, qualitativ hochwertiger, sicherer und schneller erfolgen kann“ (Hauschildt et al. 2016, S. 6), z. B. eine Optimierung der Abläufe in der Produktion, um die Durchlaufzeit zu erhöhen.

  • Ein Geschäftsmodell stellt dar, „wer die Kunden sind, was verkauft wird, wie man es herstellt und wie man einen Ertrag realisiert“ (Gassmann et al. 2021, S. 10). Wenn mindestens zwei dieser Elemente verändert werden, dann spricht man von einer Geschäftsmodellinnovation. Ein Beispiel ist „Power by the hour“ von Rolls Royce: es werden Betriebsstunden einer Turbine bezahlt und nicht das physische Objekt selbst (vgl. Gassmann et al. 2021, S. 10).

  • Marketinginnovationen beruhen auf der „Einführung neuer oder merklich verbesserter Designs oder Verkaufsmethoden“ (Aschhoff et al. 2013, S. 86), z. B. ein durch Kund*innen individualisierbares Produktdesign.

  • Bei einer Organisationsinnovation werden „neue oder merklich veränderte Unternehmensstrukturen oder Managementmethoden“ (Aschhoff et al. 2013, S. 86) eingeführt, um Wissensnutzung oder Effizienz zu erhöhen, z. B. durch die Einführung von Lean-Management-Konzepten und -Methoden.

  • Sozialinnovationen beziehen sich auf neuartige Veränderungen im Human- und Sozialbereich (vgl. Thom 1980, S. 37), bei denen nicht primär ökonomische Interessen im Vordergrund stehen müssen, so z. B. Repair-Café, Foodsharing, Urban Gardening.

  • Wird neben ökonomischem auch ökologischer und sozialer Mehrwert geschaffen, so spricht man von einer nachhaltigkeitsorientierten Innovation (vgl. Paech 2007; Hansen et al. 2009; Klewitz und Hansen 2014). Zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das Innovationsmanagement werden in Kap. 7 methodische Ansätze aufgezeigt.

In diesem Buch werden vor allem Produkt-, Dienstleistungs- und Geschäftsmodellinnovationen sowie nachhaltigkeitsorientierte Innovationen adressiert.

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit für Innovationen besteht darin, den Veränderungsumfang zu betrachten. Damit wird adressiert, in welchem Umfang sich das neue Produkt bzw. die neue Lösung gegenüber vorhandenen Angeboten verändert hat:

  • Gibt es nur kleine Veränderungen, dann spricht man von einer Inkremental-Innovation (vgl. Vahs und Brem 2015, S. 66). Beispiel hierfür ist die Erweiterung von Speicherkapazitäten für das Produkt „Smartphone“ oder die Verbesserung vorhandener Grundfunktionalitäten eines Produkts.

  • Hat die Innovation einen hohen Neuheitsgrad in Bezug auf die verwendete Technologie und oder auch durch Bezug auf einen neuen Markt, dann spricht man von einer radikalen Innovation (vgl. Vahs und Brem 2015, S. 66). Beispiele sind hier die Compact Disc (CD), vollständig neue Funktionalitäten im Auto wie ein kamerabasierter Außenspiegel oder ein Head-up-Display. Von einer disruptiven Innovation spricht man hingegen, wenn eine Lösung im Markt substituiert wird sowie „Investitionen beherrschender Marktteilnehmer obsolet macht und darauf basierend die Machtverhältnisse im Markt grundlegend verändert“ werden (Schimpf 2019, S. 6). Beispiele sind die Einführung von Musik-Streaming, welches CDs (wie auch Schallplatten und Kassetten) als physische Tonträger weitgehend abgelöst hat, oder die Digitalfotografie.

Die einhergehenden Veränderungen können dabei das Unternehmen, aber auch Markt, Technologie und Umwelt betreffen. Größere Veränderungen können potenziell zu großen Chancen führen, gehen meist auch mit höherem Risiko einher (vgl. Tidd und Bessant 2021, S. 253).

Der Nutzen steht im Vordergrund

Bei der Entwicklung von Innovationen sollte immer der mögliche Nutzen der angestrebten Lösung im Vordergrund stehen. Weist die geplante Innovation die nötige Leistung auf und erleichtert sie die Arbeit für den Nutzer oder die Nutzerin? Stellt sie für Nutzer*innen interessante Funktionen zur Verfügung? Führt sie zur Einsparung von Arbeitszeit oder Kosten? Gefällt sie durch ein attraktives Design? Verringert sie CO2-Emissionen und hat sie positive soziale Auswirkungen? Das sind Beispiele für Fragen, die adressiert werden sollten.

Je nach Anwendungsfeld kann der Nutzen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Betrachten wir eine handelsübliche Waschmaschine als typisches technisches Produkt:

  • Endkund*innen im sogenannten Business-to-Consumer-Geschäft (B2C) sind daran interessiert, dass eine gute Waschleistung erzielt wird, und zwar mit geringem Energie- und Wasserverbrauch. Die Maschine sollte geringe Anschaffungs- und Betriebskosten, eine lange Lebensdauer und ein ansprechendes Design haben.

  • Geschäftskund*innen haben leicht andere Anforderungen: Wird dieselbe Maschine in einer Wäscherei, also im Business-to-Business-Bereich (B2B) eingesetzt, so sollten möglichst viele Waschvorgänge pro Tag erledigt werden können und die Betriebskosten gering sein, während das Design weniger relevant ist.

In allen genannten Aspekten könnte nun Innovation stattfinden sowie neue Funktionen entwickelt und technisch umgesetzt werden, wie z. B. eine Waschmaschine mit sehr niedrigem Wasser- und Stromverbrauch. Auch ist denkbar, dass ein neues Geschäftsmodell entwickelt wird, mit dem der Nutzen der Waschmaschine ohne physisches Produkt übermittelt wird: So könnte eine einfach buchbare Dienstleistung angeboten werden, um schmutzige Wäsche abzuholen, zu waschen und wieder abzuliefern. Somit könnte ein Vorteil gegenüber den Wettbewerbsangeboten erzielt werden.

1.3 Organisation von Innovationsaktivitäten im Unternehmen

Für Unternehmen besteht im Hinblick auf den Neuheitsgrad eine Herausforderung, die über den Ansatz der Ambidextrie gelöst werden kann. Denn im Umgang mit Innovationsmanagement gilt für Unternehmen (vgl. O’Reilly und Tushman 2004):

  • Einerseits müssen sie die vorhandenen Ressourcen bestmöglich nutzen, also effizient einsetzen (Exploitation). Im Innovationsmanagement bedeutet dies, kontinuierlich kleine Verbesserungen des bestehenden Produkt- und Lösungsportfolios zu entwickeln und umzusetzen.

  • Andererseits müssen sie völlig neue Innovationsideen entwickeln, diese umsetzen und an den Markt bringen (Exploration). Das bedeutet, dass oft visionäre Experimente notwendig sind, um daraus im besten Fall eine radikale Innovation entwickeln und umsetzen zu können.

Erfolgreiche Unternehmen schaffen es, beide Vorgehensweisen zu nutzen. Dieses als Ambidextrie bezeichnete Konzept kann ein duales Modell mit zwei verschiedenen Arten von Strategien zur Förderung von Innovationen in Unternehmen ermöglichen (vgl. Duncan 1976). Wie können nun KMU Ambidextrie in der Praxis umsetzen? Das ist eine zentrale Frage, die in diesem Buch, insbesondere in Kap. 6, adressiert wird.

Die Suche nach neuen Ideen und die Umsetzung von Ideen in Innovationen ist oft von großen Unsicherheiten geprägt (vgl. Tidd und Bessant 2021, S. 334 ff.). Es werden technisch neuartige Themen bearbeitet oder Märkte und Kundenbedürfnisse adressiert, die noch nicht richtig bekannt sind. Dies bedeutet, dass auf dem Weg zur Umsetzung einiges schiefgehen kann, manche Dinge mehrfach gemacht werden und viel gelernt werden muss, bevor ein erfolgreiches Produkt oder eine erfolgreiche Lösung entstehen. Es gibt also vielfältige Risiken.

Auf der anderen Seite soll gründlich gearbeitet werden, denn die Nutzer*innen erwarten ein gutes Produkt mit attraktiven Funktionen und hoher Qualität. Die geplanten Ziele in Bezug auf Zeit und Kosten sollten eingehalten werden. Gleichzeitig ist eine hohe Geschwindigkeit bei der Umsetzung erforderlich, denn der Wettbewerb ist sicherlich auch aktiv und mitunter gerade dabei, eine eigene Innovation voranzutreiben.

Diese Punkte zeigen: Innovation sollte vernünftig organisiert werden, idealerweise über geeignete Prozesse und Methoden. Hier kann ein Innovationsmanagement unterstützen: Darunter versteht man „alle Planungs-, Entscheidungs-, Organisations- und Kontrollaufgaben im Hinblick auf die Generierung und die Umsetzung von neuen Ideen in marktfähige Leistungen“ (Vahs und Brem 2015, S. 28). Die für die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen nötigen Prozesse und Organisationsformen, innerhalb derer diese Aufgaben ablaufen, werden also bewusst gestaltet (vgl. Hauschildt et al. 2016).

Innovation und Agilität

Auf der methodischen Ebene des Innovationsmanagements lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen unterscheiden. Zum einen gibt es die klassischen Methoden des Projektmanagements. Dort wird ausgehend von einem Pflichten- und/oder Lastenheft mit einer Projektgruppe und einer Projektleitung mit Gesamtverantwortung und Entscheidungsmacht über definierte Meilensteine schrittweise das Projektergebnis erarbeitet. Zum anderen gibt es agile Methoden, die auf eine anfänglich detaillierte Definition des Projektergebnisses verzichten. Es wird iterativ in Sprints unter Einbezug einer konsequenten Kundenperspektive durch verschiedene Projektrollen und mittels eines hohen Grades an Partizipation gearbeitet. Daneben lassen sich immer häufiger sog. hybride Projekte, also Mischformen zwischen diesen beiden Herangehensweisen, finden. Wann sich welches Vorgehen anbietet, hängt von diversen Faktoren ab, die den möglichen Erfolg einer dieser Vorgehensweisen beeinflussen. Diese Faktoren liegen zum einen in den Charakteristika des Projekts selbst und zum anderen in den Kontextfaktoren, die sich durch die Besonderheiten des jeweiligen Unternehmens, der Mitarbeitenden und der Führungskräfte bestimmen (zu weiteren Informationen und Quellen siehe Kap. 6).

Ein Innovationsprozess für KMU

Die zur Entwicklung und Umsetzung von Innovationen nötigen Aktivitäten können in einer Prozessabfolge dargestellt werden. Ein besonders für KMU geeigneter Prozess wurde im Projekt InnoDiZ entwickelt.Footnote 2 Er baut auf den Modellen von Pleschak und Sabisch (1996), Thom (1980) sowie Vahs und Brem (2015) auf und ist in vier Phasen unterteilt (siehe Abb. 1.1):

Abb. 1.1
figure 1

Gesamtbild „Ambidextres Innovationsmanagement in KMU“ (entwickelt im Forschungsprojekt InnoDiZ; Phasenmodell aufbauend auf Pleschak und Sabisch 1996; Thom 1980; Vahs und Brem 2015)

  • Strategische Orientierung/Problemidentifizierung: Zukunftsthemen wie Markt- und Technologietrends werden analysiert und bewertet, um daraus strategische Zielsetzungen für Innovation herzuleiten. Ungelöste Probleme und andere mögliche Auslöser für Innovation werden identifiziert, die eine Suche nach Ideen nötig machen.

  • Ideenphase: Hier werden Ideen über Informationsquellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens gesammelt und mit Hilfe von Kreativität bzw. entsprechenden Methoden zur Anregung der Kreativität als Grundlage für mögliche Innnovationen gewonnen.

  • Bewertungs- und Auswahlphase: Mit Hilfe geeigneter Methoden und Bewertungskriterien (wie Marktattraktivität, Umsetzbarkeit und Nachhaltigkeitswirkungen) werden die vielversprechendsten Ideen bewertet und schließlich ausgewählt, um sie dann weiter zu bearbeiten.

  • Umsetzungsphase (inkl. Markteinführung): Die ausgewählten Ideen werden nun umgesetzt. Hier spielen Produktentwicklung, Aufbau von Produktion, Logistik und Vertriebswegen sowie eine geeignete Innovationskommunikation eine wichtige Rolle – und natürlich abschließend die Markteinführung.

Dieser Innovationsprozess stellt die Grundlage für das hier im Buch vorgestellte Konzept eines ambidextren Innovationsmanagements in KMU dar. Er wird detailliert in Kap. 2, 3, 4 und 5 erläutert und mit geeigneten Methoden konkretisiert.

Die Maxime des „selbstorganisierten Innovationsmanagements“

Der Ansatz, den dieses Buch vorstellt, stellt die Fähigkeit zum selbstorganisierten Entscheiden in den Vordergrund: Selbstorganisiertes Innovationsmanagement bedeutet, dass Individuen selbstständig entscheiden, welche Methoden in welchen Phasen des Innovationsprozesses angewandt werden sollen (vgl. Bosch et al. 2022). Dazu werden in diesem Buch Methoden des Innovationsmanagements für exploitative und explorative Vorgehensweisen vermittelt.

Innovation benötigt engagierte Menschen

Zur Entwicklung und Umsetzung von Innovationen reichen Organisation und Management nicht aus – es werden auch die richtigen Menschen benötigt. Hier sind Personen mit fachlichem Know-how und Erfahrungen gefordert sowie Personen, die „über den Tellerrand hinausblicken“ können und kreativ sind. Natürlich müssen diese Eigenschaften nicht in einer Person zusammen vorhanden sein. Für Innovationsaktivitäten sollten Teams gebildet werden, in denen diese Aspekte gut vertreten und auch die nötigen fachlichen Kompetenzen vorhanden sind. Viele Mitarbeitende bringen eine hohe Motivation mit, an Innovationsthemen mitzuarbeiten und bringen gerne ihre eigenen Ideen ein. Sie sollten unbedingt in die Innovationsaktivitäten des Unternehmens eingebunden werden.

Innovation bedeutet Veränderung

Bei der Entwicklung und Umsetzung von Innovationsideen können Widerstände innerhalb und außerhalb des Unternehmens auftreten. Denn wenn etwas Neues entsteht, müssen immer wieder Prozesse, Abläufe und Arbeitsweisen verändert werden. Dies wird von vielen Menschen als Störung empfunden (vgl. Hauschildt et al. 2016).

In einer Studie zu diesem Thema gab es bei mehr als der Hälfte der untersuchten 409 Produktinnovationen Einwände oder Bedenken (vgl. Kriegesmann et al. 2005). Grundsätzlich kann es sich dabei um individuelle Gründe handeln (auch als „Nicht-Wissen“ oder „Nicht-Wollen“ bezeichnet). Widerstand kann aber auch organisatorische Ursachen haben: so können benötigte Ressourcen fehlen, bestehende Routineprozesse passen nicht oder Verantwortlichkeiten für Innovationsthemen sind nicht geklärt (auch „Nicht-Können“ oder „Nicht-Dürfen“ genannt, vgl. Hauschildt et al. 2016). Insofern sollten Widerstände hinterfragt, Gründe herausgefunden und offen adressiert werden, um benötigte Veränderungen voranzutreiben. Um Innovationen im Unternehmen voranzubringen, ist also immer wieder ausführliche Kommunikation erforderlich, um alle „ins Boot zu holen“.

1.4 Inhaltlicher Aufbau des Buchs

Das vorliegende Buch zeigt prägnant auf, wie gerade KMU Innovationsmanagement für sich gewinnbringend gestalten können. Wir haben bewusst die essenziellen Themen herausgearbeitet, die den Kern des Innovationsmanagements darstellen, um den Leser*innen in kondensierter Form die wichtigsten Inhalte zu vermitteln. Über Innovationsmanagement gibt es viel Literatur: Daher wird auch immer wieder auf weiterführende Bücher und Fachartikel verwiesen.

Das Buch ist folgendermaßen gegliedert.

  • Anhand der vier Phasen des Innovationsprozesses werden geeignete Methoden für ein Innovationsmanagement in KMU vorgestellt: Dies beginnt mit der strategischen Orientierung/Problemidentifizierung zur Herleitung strategischer Zielsetzungen für Innovation (Kap. 2), gefolgt von der Ideenphase zur Gewinnung von Ideen als Grundlage für mögliche Innnovationen (Kap. 3) und der Bewertungs- und Auswahlphase, in der die vielversprechendsten Ideen bewertet und ausgewählt werden (Kap. 4), um sie dann in der vierten Phase umzusetzen und in den Markt einzuführen (Kap. 5). In Kap. 6 werden Exploitation und Exploration sowie Ambidextrie und deren Relevanz für die Praxis vorgestellt und ein hybrides Vorgehen erläutert, mit dem klassische und agile Methoden im Unternehmen kombiniert genutzt werden können.

  • Kap. 7: Die Relevanz von nachhaltiger Entwicklung für Unternehmen und deren Innovationsaktivitäten wird beschrieben. Es werden praxisnahe Konzepte und Methoden zur umfassenden Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die einzelnen Phasen des in Kap. 2 bis Kap. 5 detailliert betrachteten Innovationsprozesses dargestellt.

  • Kap. 8: Ein Fazit wird gezogen und in einem Ausblick dargestellt, welche Themen in Zukunft im Innovationsmanagement für KMU aus Sicht der Autor*innen wichtig sein werden und weitergetrieben werden sollten.

Integraler Bestandteil des Buches sind unterstützende Elemente und Materialien, die Sie themenorientiert durch das Buch begleiten. Sie werden im Folgenden vorgestellt.

1.5 Wie dieses Buch genutzt werden kann

Dieses Buch kann und soll genutzt werden, um sich aktiv mit den Inhalten der einzelnen Kapitel auseinanderzusetzen. Dazu finden Sie verschiedene unterstützende Elemente und Materialien: einige sind direkt ins Buch integriert, andere sind über die Website zum Buch unter www.hs-pforzheim.de/IMBuch herunterladbar (vgl. die Übersicht in Abb. 1.2). Die Materialien sind verzahnt und ergänzen sich gegenseitig.

Abb. 1.2
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Überblick über unterstützende Elemente und Materialien

Auf der Website zum Buch finden Sie allgemeine und kapitelbezogene Materialien.

Unter den allgemeinen Materialien stehen eine Vorlage für ein „Lerntagebuch“ und eine Vorlage für einen „Projektsteckbrief“ zur Verfügung.

  • Im Lerntagebuch können Sie kapitelweise Ihre Notizen und Gedanken dazu festhalten, wie Sie mit dem Kapitel vorangekommen sind, welche Unklarheiten Sie ggf. noch haben und welche Inhalte Sie für Ihre Innovationspraxis besonders spannend finden.

  • Der Projektsteckbrief bezieht sich auf ein reales, bald startendes oder bereits gestartetes Innovationsprojekt – oder ggf. auf ein fiktives Innovationsprojekt, wenn Sie aktuell kein reales Projekt durchführen oder planen. (In diesem Fall empfehlen wir, das fiktive Innovationsprojekt möglichst nah an Ihrer Unternehmensrealität zu entwerfen.) Der Steckbrief ist ein einfaches Dokument, in das die wichtigsten Fakten und Rahmenbedingungen für das Innovationsprojekt eingetragen und kontinuierlich aktualisiert werden (siehe die schematische Darstellung seiner Inhalte in Abb. 1.3). In der Vorlage zum Projektsteckbrief helfen Ihnen Leitfragen beim Ausfüllen. Der Projektsteckbrief wird in jedem Kapitel des Buches relevant.

Abb. 1.3
figure 3

Schematische Darstellung der Inhalte des Projektsteckbriefs

Unter den kapitelbezogenen Materialien finden sich:

  • ein Quiz zu jedem inhaltlichen Kapitel, das Sie zu Beginn und nach Abschluss eines Kapitels ausfüllen und

  • Übungsmaterialien, die sich auf die Inhalte des jeweiligen Kapitels beziehen und dort erklärt werden.

Am besten laden Sie sich alle Materialien auf der Website ganz zu Beginn herunter.

Direkt im Buch finden sich in jedem inhaltlichen Kapitel folgende unterstützende Elemente:

  • Zu Beginn finden Sie einen Überblick über die Lernziele des jeweiligen Kapitels.

  • Sie finden einen Hinweis auf das Quiz zum Kapitel und auf das Lerntagebuch.

  • Das Gesamtbild Ambidextres Innovationsmanagement in KMU unterstützt die Verortung des jeweiligen Kapitels.

  • In jedem Kapitel gibt es Übungen – teilweise mit, teilweise ohne Zusatzmaterial. Hier können Sie Inhalte des Kapitels anwenden und vertiefen.

  • Durch das Buch begleitet das Beispiel der (fiktiven) Firma RasenfitKOCH. Eine erste Einführung zum Unternehmen findet sich in Kap. 2. Die jeweiligen Kapitelinhalte und ihre Bedeutung für KMU werden so nochmals praxisnah verdeutlicht.

  • Nach Zusammenfassung und Fazit finden Sie in jedem Kapitel Wiederholungs- und Verständnisfragen. Nutzen Sie diese zur Überprüfung Ihres Wissensstandes.

  • Schließlich bietet jedes Kapitel Fragen zur Reflexion und Anwendung des Gelernten. Hier geht es um den Transfer für die Praxis und Ihr Innovationsprojekt.

Daran anschließend kommt Ihr Projektsteckbrief ins Spiel: Prüfen Sie, inwiefern Sie ihn nun durch Ihre neuen Erkenntnisse aus dem Kapitel ergänzen oder vervollständigen können.

Nun können Sie zum Abschluss des Kapitels erneut das Quiz zur Hand nehmen, das Sie vor Beginn des Kapitels ausgefüllt haben. Überprüfen Sie, ob Sie Fragen nun anders beantworten würden. Gleichen Sie Ihre Antworten abschließend mit den im Quiz abgedruckten Lösungen ab.

Wir empfehlen für Ihren größtmöglichen Nutzen folgendes Vorgehen bei der Arbeit mit diesem Buch:

  1. 1.

    Arbeiten Sie das Buch möglichst in chronologischer Reihenfolge durch, denn die Inhalte bauen aufeinander auf.

  2. 2.

    Bevor Sie mit den Inhalten des Buches starten: Laden Sie sich unter „allgemeine Materialien“ die Vorlage „Projektsteckbrief“ herunter und füllen Sie den Steckbrief stichwortartig aus.

  3. 3.

    Bevor Sie in das jeweilige Buchkapitel starten, machen Sie das entsprechende Quiz zum Kapitel – zu finden auf der Website zum Buch. Wichtig: Die Kontrolle findet erst am Ende des Kapitels statt.

  4. 4.

    Laden Sie sich zudem die Vorlage „Lerntagebuch“ herunter und tragen Sie den jeweiligen Kapitelnamen ein.

  5. 5.

    Lesen Sie die am Anfang des Kapitels genannten Lernziele aufmerksam durch.

  6. 6.

    Starten Sie nun mit den Inhalten des Kapitels. Bearbeiten Sie die Übungen des Kapitels und ggf. die zugehörigen Unterlagen.

  7. 7.

    Machen Sie im Lerntagebuch fortlaufend Notizen bzw. aktualisieren Sie es.

  8. 8.

    Überprüfen Sie am Ende eines Kapitels Ihr Wissen mit den Wiederholungs- und Verständnisfragen und durch erneutes Ausfüllen und Kontrollieren des Quiz.

  9. 9.

    Reflektieren Sie schließlich über den Transfer in die Praxis, indem Sie am Ende des Kapitels die Fragen zur Anwendung des Gelernten bearbeiten und Ihren Projektsteckbrief prüfen und aktualisieren.

Wir wünschen Ihnen gutes Arbeiten mit dem Buch, wertvolle Erkenntnisse für Ihre Arbeit sowie Freude und Erfolg bei Ihren Innovationstätigkeiten.