Wer sich mit der Ausgestaltung interessengerechter Konfliktlösungsverfahren in Erbstreitigkeiten beschäftigt, braucht einen Überblick über die besonderen Schwierigkeiten der erbrechtlichen Praxis. Wo gelangt der rechtsorientierte Umgang mit erbrechtlichen Konflikten an seine Grenzen? Welche Konflikttypen lassen sich unterscheiden? Und welche Akteure sind an der Verschärfung und an der Auflösung von Konfliktsituationen beteiligt?

2.1 Typische Komplexitäten im Erbrecht

Aus welchem Blickwinkel man sich der Materie Erbrechtskonflikte auch nähern mag, stets stößt man auf eine hohe rechtliche, tatsächliche und emotionale Komplexität.

2.1.1 Komplexe nationale Rechtsmaterie

Die Vorschriften des deutschen Erbrechts gelten als wenig bekannt und kaum durchschaubar, sobald es über die Grundregelungen zur Bestimmung der gesetzlichen Erbfolge hinausgeht. Dies kann auch nicht verwundern, wenn man bedenkt, dass das BGB dem Erbrecht eines von fünf Büchern und etwa 20 Prozent seiner über 2000 Paragraphen widmet. Die Kenntnis dieser Regelungen ist in der Bevölkerung und sogar in Teilen der Anwaltschaft dementsprechend gering ausgeprägt.

Noch weniger Kenntnis und Verständnis besteht hinsichtlich der Gestaltungsspielräume, die das Erbrecht eröffnet.Footnote 1 Hier konzentrieren sich Erblasser meist nur auf sehr kurzfristig relevante Regelungen für einen oder maximal zwei Erbfälle. Die Möglichkeiten, langfristig wirkende Verfügungen zu treffen, werden häufig verkannt.Footnote 2 Zudem beschränkten sich erbrechtliche Regelungen und die entsprechenden Vorbereitungsmaßnahmen zu Lebzeiten allzu oft auf einen Gesichtspunkt. Das Augenmerk liegt dann etwa auf der steuerlichen Gestaltung oder auf dem Versuch, einzelne Personen von jedwedem Vermögenszufluss auszuschließen. In der Beratung tritt tatsächlich auch immer wieder die Absicht zu Tage, einzelnen Personen noch mit dem Testament „eins auszuwischen“.

Exemplarisch zeigt sich dieses Dilemma am Einsatz des Berliner Testaments. Es findet sich in vielen Ehegattentestamenten und mag zivilrechtlich auch oft sinnvoll sein.Footnote 3 Zur Verbreitung trägt dabei auch bei, dass verschiedene erbrechtliche Broschüren dem rechtlichen Laien ein Ehegattentestament als Muster anbieten und als den Regelfall darstellen.Footnote 4 In allen Auswirkungen und Konsequenzen wird das Berliner Testament hingegen selten durchschaut. Auch die erbschaftssteuerlichen, ab Erreichen der Freibeträge nachteiligen Konsequenzen werden in der Folge regelmäßig (zu) spät erkannt.

Die These, dass schon das nationale Erbrecht wenig bekannt ist, lässt sich empirisch belegen. So stimmen etwa zwei Drittel der Erben bzw. Erblasser der Aussage zu, dass das deutsche Erbrecht kompliziert ist.Footnote 5 Entsprechende Zahlen über die Einschätzung (nicht-spezialisierter) Anwälte lassen sich nur mutmaßen, sie dürften aber kaum niedriger ausfallen. Selbst diejenigen Personen, die über das Erbrecht genauer informiert sind, teilen die Einschätzung über dessen Komplexität.Footnote 6

2.1.2 Rasch wachsende internationale Bezüge

Mit der steigenden Anzahl grenzüberschreitender Erbrechtsfälle werden die betroffenen Erbfälle und Nachlassplanungen zunehmend komplexer. Eine Auslandsberührung kann etwa vorliegen, wenn die Erblasserin eine fremde oder doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, im Ausland gewohnt hat, Nachlassgegenstände im Ausland belegen sind oder ausländische Gesellschaftsanteile in den Nachlass fallen, wenn eine Verfügung von Todes wegen im Ausland errichtet wurde oder das Güterrechtsstatut bei einer verheirateten Erblasserin Auswirkungen auf das Erbrecht entfaltet.Footnote 7

Die mit zunehmender Mobilität von Personen und Vermögenswerten ansteigende Relevanz von Sachverhalten mit Auslandsberührung hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt und in der Folge die Erbrechtsverordnung erlassen, die auf alle grenzüberschreitenden Erbfälle Anwendung findet, die sich seit dem 17. August 2015 ereignet haben. Diese Verordnung führt in Deutschland durch die Abkehr von der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Art. 25 Abs. 1 EGBGB und die Verweisung des Art. 5 EuErbVO auf das Recht am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers zu fundamentalen Änderungen.Footnote 8 Die EuErbVO dient der europäischen Harmonisierung durch die Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts,Footnote 9 die Komplexität von Fällen mit grenzüberschreitenden Bezügen kann sie allerdings nur teilweise reduzieren, weil nach wie vor häufig ausländisches Erbrecht anzuwenden ist.

Lauern schon in rein nationalen Fällen viele Fallstricke des deutschen Zivil-, Zivilprozess- und Steuerrechts, nimmt die Komplexität bei grenzüberschreitenden Anknüpfungspunkten exponentiell zu. Es ist dann nicht mehr nur – eventuell auch überhaupt nicht mehr – deutsches Recht relevant, sondern gegebenenfalls (auch) das Sachrecht anderer Staaten. Im schlimmsten Fall kommt es noch zu einer Nachlassspaltung, zu einem internationalen Wettlauf um die Rechtshängigkeit oder zu divergierenden Urteilen der Gerichte in verschiedenen Ländern mit den entsprechenden Vollstreckungsproblemen.

Die Folge ist zum einen eine Vielzahl weiterer Brennpunkte, an denen sich Konflikte entzünden können. So wird das Potenzial unterschiedlicher Einschätzungen der Rechtslage deutlich ansteigen. Zum anderen ist die Sachaufklärung bei Auslandsberührung regelmäßig massiv erschwert, was die Konfliktkosten deutlich ansteigen lässt.

2.1.3 Nicht auflösbare Unschärfen bei den Rechtstatsachen

Neben die rechtlichen Komplexitäten erbrechtlicher Fragestellungen, treten eine Vielzahl problematischer Unschärfen der zugrundeliegenden Rechtstatsachen. Nachfolgend seien beispielhaft drei dieser Problemkreise genannt.

2.1.3.1 Testierfähigkeit und Demenz

Ein Testament ist nur wirksam, wenn die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung testierfähig war. Dieses Erfordernis sieht der Gesetzgeber nur dann als nicht erfüllt an, wenn jemand wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.Footnote 10 Mit zunehmender Alterung der Gesellschaft steigt auch die Zahl der Fälle, in denen, beispielsweise aufgrund eines demenziellen Syndroms, das Vorliegen einer solchen Geistes- oder Bewusstseinsstörung fraglich ist. In der Praxis bereitet die Feststellung der Testierfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes große Schwierigkeiten, insbesondere wenn dieser Zeitpunkt bereits viele Jahre zurück liegt.Footnote 11

Ein Paradefall für diese Problematik war die Erbsache Cornelius Gurlitt, die über mehrere Jahre hinweg die Münchener Gerichte beschäftigte. Gurlitt hatte aus dem Erbe seines Vaters eine wertvolle Kunstsammlung erhalten, die teilweise mit dem Makel des nationalsozialistischen Kunstraubs behaftet war. Gurlitt lebte mit diesem reichen Erbe fernab der Öffentlichkeit jahrelang unbehelligt in seiner Schwabinger Wohnung. Wenige Monate vor seinem Tod erhielt er einen Betreuer. Anschließend verfasste er ein Testament, in dem er seine Angehörigen enterbte und das Berner Kunstmuseum als Alleinerben einsetzte. Nach seinem Tod im Frühjahr 2014 entbrannte bald ein Streit um das Erbe, in dessen Verlauf die Angehörigen versuchten, mit Hilfe mehrerer Gutachten die Testierunfähigkeit Gurlitts zu beweisen. Das anschließend vom OLG München in Auftrag gegebene Gutachten bestätigte zwar erhebliche psychische Belastungen Gurlitts, konnte die Annahme der Testierfähigkeit aber letztlich nicht sicher stützen. Das Gericht folgte daher der Zweifelsregelung des § 2229 Abs. 4 BGB und ging zugunsten des Kunstmuseums von Testierfähigkeit aus. Footnote 12

Steht eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung im Raum, können sich an dieser Frage leicht gravierende Konflikte entzünden. Die schon ausreichend schwierige medizinisch-juristische Beurteilung ist dann oft überlagert von der persönlich-emotionalen Betroffenheit der Beteiligten. In einem öffentlichen Verfahren muss dann womöglich darüber gesprochen und entschieden werden, ob ein Familienmitglied – wie es eine damit belastete Konfliktpartei einmal formulierte – „noch alle Tassen im Schrank“ hatte. Auch wenn sich, basierend auf den Feststellungen der Gutachterin, die Testierunfähigkeit des Vaters in diesem Fall feststellen ließ, mögen die weiteren Geschwister dem Bruder, der das Thema aufgebracht hat, vorhalten, das Ansehen des Vaters posthum zu besudeln.

2.1.3.2 Auslegung von Testamenten

Ein weiterer Brennpunkt der Beratungspraxis post mortem stellt die Feststellung des wirklichen Erblasserwillens, also die Auslegung letztwilliger Verfügungen dar. Im Zeitpunkt der Auseinandersetzung ist die maßgebliche Person gerade schon verstorben, so dass für Spekulationen über deren wirklichen Willen Tür und Tor geöffnet sind.

Hierbei unterscheidet sich die rechtliche Auslegung deutlich von der emotionalen Auslegung. Die rechtliche Auslegung folgt bestimmten festgelegten Mustern und Beweislastregeln. Die rechtliche Auslegung zielt auf die Ermittlung des wirklichen subjektiven Willens des Erklärenden im Errichtungszeitpunkt unter Berücksichtigung seines Erklärenden-Horizonts. Dabei darf die Auslegung nicht am buchstäblichen Sinn der Erklärung haften. Es genügt, wenn der wirkliche Wille andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist.Footnote 13 Erst und nur wenn die Ermittlung dieses realen Willens nicht gelingt, darf man von der Auslegung auf denjenigen Sinn zurückgreifen, der dem mutmaßlichen Erblasserwillen am ehesten entspricht.Footnote 14 Dabei handelt es sich aber nicht um einen hypothetischen irrealen Willen, den ein Erblasser üblicherweise gehabt hat oder haben sollte, sondern es ist strikt derjenige Wille zu ermitteln, den der konkrete Erblasser mutmaßlich bei der Errichtung gehabt hat.Footnote 15

Im Gegensatz dazu ist die emotionale Betrachtung der letztwilligen Verfügung bereits vorgefärbt durch die Beziehung und mögliche Urkonflikte mit dem Erblasser und den weiteren Beteiligten. Im Vordergrund stehen hierbei also nicht der subjektive Wille des Erklärenden und der Erklärenden-Horizont, sondern die subjektive Sicht der Beteiligten und deren Empfängerhorizont.

In der Folge prallen bei Interpretationsfragen die rechtliche Auslegung und die subjektiven emotionalen Betrachtungen aufeinander, wobei sich letztere auch noch von Beteiligtem zu Beteiligtem unterscheiden. Da der Empfängerhorizont dabei von der jeweiligen subjektiven Realität geprägt ist, fehlt es häufig an jedem Verständnis für konträre Annahmen weiterer Beteiligter. In der Folge kommt es zu intensivsten Auseinandersetzungen und Angriffen auf der Personenebene. Gerichtliche Verfahren können derartige Konflikte vordergründig beenden, aber nicht dauerhaft befrieden.

2.1.3.3 Ermessen der Testamentsvollstreckerin

Ein dritter Fall, in dem die nicht immer trennscharfen Konturen des Erbrechts offenbar werden, ist der Ermessensspielraum von Testamentsvollstreckern. Diese sind bei ihrer Tätigkeit zwar gemäß § 2203 BGB an die letztwilligen Verfügungen der Erblasserin gebunden. Faktisch hat eine Testamentsvollstreckerin aber bei der ihr nach §§ 2205, 2216 Abs. 1 BGB obliegenden Verwaltung des Nachlasses einen erheblichen Handlungsspielraum. Gerade im Verhältnis zu den Erben sitzt sie regelmäßig am längeren Hebel, weil die Möglichkeiten, sie nach § 2227 BGB aus ihrem Amt zu entlassen, unter hohen Voraussetzungen stehen.Footnote 16 Nicht selten stellen auch Erblasser die Nachlassauseinandersetzung ausdrücklich in das Ermessen der Testamentsvollstreckerin und vergrößern damit noch deren gesetzlich vorgesehenen Aktionsspielraum.

Den ihnen so zugewiesenen Spielraum nehmen Testamentsvollstrecker meist gerne an, weil dies die Abwicklung der Nachlasssache auf den ersten Blick vereinfacht. Vor allem in denjenigen Fällen, in denen der Testamentsvollstrecker aus dem Kreis der erweiterten Familie kommt, nähren nach eigenem Ermessen getroffene Entscheidungen der Testamentsvollstreckerin aber oft auch Misstrauen. Das rechtfertigt zwar nicht ihre Entlassung, aber die Erben sammeln schon einmal Munition und versuchen womöglich, die Testamentsvollstreckerin zur freiwilligen Aufgabe ihres Amtes nach § 2226 BGB zu bewegen. Das gelingt zwar nur selten, aber die Atmosphäre verschlechtert sich natürlich auf diesem Wege. Und wo die Testamentsvollstreckerin doch hinwirft, schließt sich fast unausweichlich der nächste Konflikt über die angemessene Höhe ihres Honorars an.

2.1.4 Justiziabilität von Konflikten

Die geradezu notwendigen Spielräume im materiellen Recht und die daraus resultierende Unsicherheit bei der Prognose richterlicher Entscheidungen zeigen: Das Recht will nicht konsensual lösbare Streitigkeiten durch Abstraktion und Verkürzung lösbar machen, denn dieser Versuch muss fast zwangsläufig scheitern. Zeugnis davon geben nicht zuletzt diejenigen Streitigkeiten, die nach vielen Jahren des Prozessierens durch übermäßigen Vergleichsdruck letztlich auch außerhalb der Kategorien des Rechts einfach „irgendwie“ beigelegt werden. Mit anderen Worten: Solche Konflikte sind nach dem geltenden Recht kaum justiziabel,Footnote 17 und das Recht möchte sich ihre Justiziabilität auch bewusst nicht durch einen kurzen Prozess erkaufen.

Während gerichtliche Verfahren darauf beschränkt sind, ob der streitgegenständliche Anspruch vor Gericht gehört (Zulässigkeitsfrage) und positiv beschieden wird (Begründetheitsfrage), besteht in konsensorientierten Verfahren wie der Mediation keine solche Beschränkung. Vielmehr können auch Anliegen ohne Rechtsgrund behandelt werden. Deren Basis ist vielfältig und findet ihre außerrechtliche Grundlage häufig in individuellen oder kollektiven Überzeugungen. Zu denken ist etwa an Moral, Gerechtigkeit, Anstand, Folgen rechtlich unverbindlicher Absprachen und Versprechen.Footnote 18 Man sollte nicht unterschätzen, wie viele Menschen eigentlich maßgeblich von diesen außerrechtlichen Überzeugungen geleitet werden.

2.2 Erbrechtliche Konflikttypen

Ginge es in Erbstreitigkeiten primär um rechtliche Fragen, würde sich ihre Komplexität zumindest in den geschilderten Unschärfen erschöpfen. Allerdings ist der Rechtsstreit naturgemäß nur Stellvertreter für die dahinter liegenden eigentlichen Probleme der Parteien. Wer nach einer befriedenden Lösung für den Konflikt sucht, darf daher nicht an der juristisch geprägten Oberfläche bleiben, sondern muss tiefer schürfen und die der rechtlichen Bewertung vorausgehenden Schwierigkeiten erkennen und verstehen. Die Typisierung der so zu Tage tretenden Konflikte kann wichtige Hinweise auf denkbare Lösungsmöglichkeiten geben, auch wenn sie naturgemäß nur eine Näherung an die vielgestaltige Realität darstellt.

2.2.1 Verteilungskonflikte

Mindestens vordergründig handelt es sich bei den meisten Erbstreitigkeiten um Verteilungskonflikte. Bei diesen Konflikten steht die Frage im Vordergrund, wer eine begrenzte Ressource zugeteilt bekommt, bzw. wer welchen Anteil daran erhält.Footnote 19 Diese begrenzte Ressource ist im Erbstreit naturgemäß der Nachlassbestand, von dem meist jeder der Beteiligten einen möglichst großen Anteil beansprucht. In vielen der im ersten Kapitel genannten Fallbeispiele – namentlich die Konflikte um das ARAG-Erbe, den Nachlass von Udo Jürgens und das Vermögen der Familie von FinckFootnote 20 – spielte diese Thematik eine zentrale Rolle.

Die besondere Herausforderung bei Verteilungskonflikten besteht in ihrer scheinbaren Eindimensionalität. Die Versuchung ist groß, den Streit als Nullsummenspiel zu betrachten, bei dem sich ein Vorteil für die jeweilige Kontrahentin denknotwendig mit einem gleich großen eigenen Nachteil einher geht. Diese Betrachtung lässt indes unberücksichtigt, dass die meisten Nachlassbestandteile neben dem objektiven auch noch einen subjektiven Wert haben, der individuell sehr unterschiedlich sein kann. Vor allem aber enthält im Grunde jeder Verteilungskonflikt auch noch vielfältige weitere Konfliktkomponenten, die einer konsensualen Lösung vergleichsweise einfach zugänglich sind.

Dass es nicht nur darum geht, wer welchen Gegenstand erhält, zeigt sich in Erbstreitigkeiten regelmäßig beim Kampf um objektiv wie subjektiv wertlose Kleinigkeiten. Erben erheben darauf regelmäßig Anspruch, nicht weil sie diese Gegenstände unbedingt haben wollten, sondern weil sie ihrer Kontrahentin Steine in den Weg legen möchten. Hinter diesem Vorgehen steckt allerdings regelmäßig der Wunsch, vom jeweiligen Gegenüber ernstgenommen und fair behandelt zu werden. Geht dieser Wunsch in Erfüllung, wird der Streit über den Kleinkram plötzlich völlig unwichtig.

2.2.2 Zielkonflikte

Regelmäßig geht es in Erbstreitigkeiten nicht bzw. nicht nur darum, Vermögen zu verteilen, sondern die Beteiligten müssen auch gemeinsame Entscheidungen treffen. Insbesondere in Fällen der Unternehmensnachfolge geht es darum, das durch den Tod der Erblasserin entstandene Vakuum zeitnah auszufüllen und die Weichen für die Zukunft des Familienunternehmens zu stellen. Dabei sind nicht nur kurzfristige Entscheidungen im Zuge der Nachlassverwaltung zu treffen. Vielmehr steht häufig zur Debatte, dass sich mehrere Erben auf lange Zeit am Management beteiligen; jedenfalls dann geht es durchaus auch um sehr grundlegende unternehmerische Entscheidungen und hier meist auch um eine Neuausrichtung des Geschäftsmodells.

In solchen Konstellationen verfolgen die Miterben regelmäßig ganz unterschiedliche Ziele. Manchen geht es vorrangig um kurz- oder langfristige Gewinnmaximierung, anderen um Stabilität und Mitarbeiterzufriedenheit, wieder anderen um große eigene Gestaltungsmöglichkeiten, und wiederum andere mögen ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass das Unternehmen gemeinwohldienlich wirtschaftet. Diese miteinander konfligierenden Ziele liegen regelmäßig nicht offen zu Tage, weil die Beteiligten eher aus einer Intuition denn aus einer Reflektion heraus handeln. Eine bewusste Synopse dieser Ziele zeigt regelmäßig verblüffende Übereinstimmungen. Das betrifft insbesondere den Umstand, dass in den meisten Fällen sämtliche Beteiligten auf Nachfrage versichern, den Willen der Erblasserin umsetzen zu wollen. Manch andere Ziele werden freilich konträr verlaufen, allein ihre Transparenz kann jedoch deeskalierend wirken.

2.2.3 Strategie- und Prognosekonflikte

Herrscht unter den Parteien mit Blick auf einzelne Ziele Einigkeit, entzündet sich Streit doch häufig an der Frage, auf welchem Weg sich das gemeinsam ins Auge gefasste Ziel erreichen lässt.Footnote 21 So sind die Miterben einer Familienfirma meist alle an einer prosperierenden Zukunft des Unternehmens interessiert. Ob hierfür allerdings in neue Technologien investiert, in andere Länder expandiert oder schlicht der Status quo bewahrt werden sollte, mögen die Beteiligten vehement unterschiedlich beurteilen.

In einem von den Autoren betreuten Mediationsverfahren waren zwei Erben uneins darüber, in welchem Umfang sie das regionale Mäzenatentum ihrer Mutter in einer strukturschwachen ostdeutschen Region weiterführen sollten. Beide stimmten völlig darin überein, dass ein Teil des Erbes in soziale und jungunternehmerische Projekte fließen sollte. Einer von ihnen hatte allerdings erhebliche Befürchtungen, dass die geförderten Firmen mit dem Geld nur Geschäftsmodelle betreiben würden, die sich auch mittel- und langfristig nie selbst würden tragen können. Allein die Transparenz über diese unterschiedlichen Prognosen ermöglichte es, gemeinsam darüber nachzudenken, wie sich denkbare soziale Investitionen nachhaltig gestalten lassen könnten.

2.2.4 Kompetenzkonflikte, Rangkonflikte und Machtproben

Zuweilen erfahren Strategiekonflikte eine Zuspitzung, indem sie von den Beteiligten personalisiert werden. Welche Strategie mit Blick auf ein gegebenes Ziel den meisten Erfolg verspricht, erscheint dann nicht mehr als eine Sachfrage, sondern als eine Frage von Können oder Unfähigkeit, von Sie oder Er, von Macht oder Ohnmacht. Der Konflikt verlagert sich damit auf die Spezifikation, Interpretation und Anwendung einer Regel über die Entscheidungshoheit. Naturgemäß gibt das Anlass zu weiterem Streit, weil sich häufig nicht sicher beurteilen lässt, wer die satzungsgemäße oder fachliche Kompetenz hat und wessen Rückhalt unter den betrieblichen Mitarbeitern so stark ist, dass juristische Kompetenzregelungen nachrangig erscheinen.

Damit klingt schon an, dass Kompetenzkonflikte, Rangkonflikte und Machtproben besonders oft im Bereich der Unternehmensnachfolge anzutreffen sind. Sie finden sich aber gleichermaßen – womöglich eine Spur subtiler – in klassischen Vermögensnachfolgefällen. Dort kann sich etwa alles um die Frage drehen, wer den Willen der Erblasserin am besten beurteilen kann und wer bei ihr zu ihren Lebzeiten in der höchsten Gunst stand. Nicht selten hängen sich solche Probleme an Entscheidungen auf, die Außenstehenden geradezu nichtig erscheinen. Ein häufiger Fall ist etwa die Frage nach der Kompetenz für die Totenfürsorge. Das eingangs geschilderte Beispiel der Unstimmigkeiten am Totenbett des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl gibt davon beredtes Zeugnis. Footnote 22

2.2.5 Beziehungskonflikte

Gerade bei Erbstreitigkeiten liegt auf der Hand, dass Konflikte neben den bereits angesprochenen Komponenten in aller Regel auch noch eine Beziehungsebene haben.Footnote 23 Jedenfalls bei miteinander verwandten Beteiligten gibt es eine gemeinsame Familiengeschichte mit einer Vielzahl von gemeinsamen Erlebnissen, positiven Eindrücken, aber regelmäßig auch erheblichen Enttäuschungen. Indirekt sitzt dann häufig eine weit verzweigte Großfamilie mit am Verhandlungstisch, denn die unmittelbar Streitbeteiligten bringen Erwartungen Dritter mit in die Verhandlung und reflektieren den Fortgang des Konflikts nach jeder Etappe ausführlich im Kreise enger Angehöriger und Freunde.

Die einvernehmliche Konfliktlösung wird durch solche Beziehungsaspekte erheblich erschwert. Denn zum einen sind Beziehungen häufig mit starken Wertungen bzw. Abwertungen verbunden und lösen Emotionen aus, die der Streitbeilegung zumindest vorübergehend im Weg stehen können. Zum anderen kann eine Konfliktlösung hier regelmäßig nicht gelingen, solange die Beteiligten nicht durchschaut haben, welche subtilen Gefühle die Parteien bewegen und welche Bedürfnisse befriedigt werden müssen, um echte Einigungsbereitschaft zu ermöglichen.

Bei all dem sollte man Emotionen aber nicht per se als etwas Negatives oder Hinderliches begreifen. Sie sind gewissermaßen auch stets ein Spiegel der Seele und geben Gefühlen Ausdruck, die sonst im Verborgenen bleiben würden. Gemeinsam Emotionen zu erleben, ohne sie ausdrücklich oder konkludent zu stigmatisieren, kann alle Beteiligten enorm befreien und bildet in der Praxis regelmäßig den Ausgangspunkt einer authentisch konsensorientierten Verhandlung.

2.2.6 Principal-Agent-Konflikte

Neben diesen primären Prägungen von Erbstreitigkeiten eröffnet sich regelmäßig noch eine grundlegend andere Konfliktdimension, wenn die Parteien Vertreter mit an den Verhandlungstisch bringen, die dann fast zwangsläufig divergierende Eigeninteressen in die Auseinandersetzung mit einführen. Es gelten dann die Gesetze der ökonomischen Principal-Agent-Theorie: Wenn es im Vorfeld gelingt, die Interessen der Prinzipale und ihrer Agenten durch bewusste Anreizgestaltung einigermaßen auf Linie zu bringen, kann sich die Einschaltung von Vertretern durchaus lohnen; misslingt dies, ist ihre Beteiligung aber womöglich kontraproduktiv.

Namentlich die Einbeziehung von Rechtsanwälten in erbrechtliche Konflikte sorgt nicht nur für mehr prozessuale Professionalität, sondern regelmäßig auch dafür, dass der Fokus zu früh in Richtung einer hochpolarisierten und womöglich vor Gericht geführten Auseinandersetzung schwenkt. Die Parteien sind sich dieser Dynamik nicht unbedingt bewusst. Es liegt im Wesentlichen am Berufs- und Rollenverständnis ihrer anwaltlichen Begleiter, inwieweit sie ihre Eigeninteressen dem Bedürfnis ihrer Mandanten nach einer nachhaltig zufriedenstellenden Konfliktlösung unterordnen.

2.3 Mitglieder des „Systems Erbrechtskonflikt“

Wer wirkt daran mit, die Konflikte der dargestellten Typen auszulösen, zu verschärfen und aufzulösen? Man kann Erbstreitigkeiten als ein System begreifen, bei dem viele kleine und große Räder ineinandergreifen und durch ihr Zusammenwirken dafür sorgen, dass Konflikte in der einen oder anderen Art behandelt werden. Wer sich um eine gütliche Streitbeilegung bemüht, tut daher gut daran, sich zu vergewissern, wer im Konzert der Beteiligten welches Instrument spielt.

2.3.1 Erblasser

Im Mittelpunkt erbrechtlicher Gestaltungskonflikte steht naturgemäß der Erblasser. Gerade wenn die Nachfolgeplanung frühzeitig begonnen wird, geht die Initiative meist von ihm aus. Am Erblasser liegt es zudem, auf welchen Pfaden die Nachfolgeplanung erfolgt. Im Idealfall legt der Erblasser den Grundstein für eine Nachfolgeplanung, die man bildlich als Nachfolgepyramide beschreiben könnte. Die Erfahrung zeigt, dass in denjenigen Fällen, in denen der Erblasser als Herr des Verfahrens mit der Nachfolgeplanung rechtzeitig beginnt, diese systematisch betreibt und situationsabhängig kompetente Beraterinnen hinzuzieht, die wesentlichen Schritte zu einer erfolgreichen Nachfolgeplanung bereits gemacht sind.

Im Falle der gemeinsamen Gestaltung der Nachfolge tritt neben das befriedende Element auf der Sachebene und die Stärkung der persönlichen Beziehungen auf der persönlichen Ebene ein weiterer Punkt. Wird eine (Gestaltungs-)Mediation erfolgreich durchgeführt, treten bei den Medianden nachhaltige deutliche Erkenntnis- und Kompetenzgewinne ein.Footnote 24 Diese können, gemeinsam mit dem etablierten Mediationspfad, zur Vermeidung oder Lösung späterer Konflikte reaktiviert werden.

Die Rolle des Erblassers im Rahmen der erbrechtlichen Gestaltung liegt auf der Hand. Aber auch hinsichtlich der erbrechtlichen Konfliktlösung post mortem kommt dem Erblasser eine zeitlich vorverlagerte, entscheidende Rolle zu. Die Gründe, die für eine rechtzeitige, systematische und kompetent begleitete Nachfolgeplanung zu Lebzeiten sprechen, beanspruchen auch für die Konfliktvermeidung und Konfliktlösung nach dem Tod des Erblassers Geltung. Viel spricht dafür, dass Grad und Intensität postmortaler Konflikte maßgeblich davon abhängen, bis zu welcher Stufe der Erblasser auf der Nachfolgepyramide emporgeklommen ist, d. h. wie weit in die Zukunft der Erblasser bereits geblickt hat.

2.3.2 Parteien erbrechtlicher Konflikte

Neben dem Erblasser nehmen natürlich auch die Erben, die Pflichtteilsberechtigten, die sonstigen Bedachten und auch die Nicht-Bedachten eine zentrale Rolle für den Konfliktverlauf ein. Sie alle stehen zu Lebzeiten des Erblassers häufig vor der Frage, ob und wie sie das Gespräch mit ihm suchen bzw. eröffnen sollen. Von ihrem Verhalten hängt maßgeblich ab, ob es zu Konflikten unter ihnen oder mit dem Erblasser kommt und welchen Verlauf diese Konflikte nehmen. Wichtig ist hier vor allem der frühzeitige und präventive Aufbau von Konfliktkompetenz. Die frühzeitige persönliche und fachliche Vorbereitung auf schwierige Situationen kann beim späteren Auftreten von Streitigkeiten sehr befriedend wirken. Ähnlich wichtig ist die rechtzeitige Einbindung kompetenter Berater.

Nach dem Eintritt des Erbfalles kommt den bereits getroffenen wie den noch zu treffenden Weichenstellungen der Erbbeteiligten große Bedeutung zu. Bedeutsam ist insbesondere, ob die Erbbeteiligten die Verantwortung für das Verfahren und etwaige Konflikte annehmen oder Verfahrens- und damit häufig auch Ergebniskompetenz weitgehend an unbeteiligte Dritte delegieren.

2.3.3 Rechtsanwälte

Wenn die Erbbeteiligten den Weg einer Konfliktdelegation wählen, sind Anwältinnen und Anwälte in der Regel die erste Adresse. Werden sie einbezogen, ist es stark abhängig von ihrem Beratungsstil, in welche Richtung der Konflikt nunmehr steuert. Im Idealfall ist der Einfluss der beteiligten Rechtsanwälte durchweg konstruktiv. Dazu kommt es vor allem dann, wenn sich die Anwälte inhaltlich mit den echten Interessen ihrer Mandantschaft auseinandersetzen und mit den Erbbeteiligten ergebnisoffen verschiedene Strategien zur bestmöglichen Befriedigung dieser Interessen erörtern. Anwaltliche Eigeninteressen und insbesondere Honorarinteressen sollten dabei natürlich keine Rolle spielen.

Ebenso wie den perfekten Erblasser oder Erbbeteiligten gibt es auch den perfekten Rechtsanwalt nicht. Jeder hat seine individuellen Stärken und Schwächen, Vorlieben und persönlichen Interessen. Vor allem aber gibt es eine in der Anwaltschaft verbreitete Gewohnheit, den Beratungsblick unter Ausblendung der Mandanteninteressen ohne weitere Reflektion auf die Rechtslage zu verengen und womöglich sogar Rechtsdurchsetzungs- und Kostenrisiken unerwähnt zu lassen. In diesem Fall fährt der Konflikt trotz professioneller Hilfe auf AutopilotFootnote 25 und steuert damit fast unweigerlich auf eine weitere Eskalation zu.

2.3.4 Testamentsvollstrecker

Die Entscheidung über die Einsetzung einer Testamentsvollstreckerin und vor allem deren Auswahl im konkreten Fall kann einen erheblichen Einfluss auf Quantität und Qualität von Konflikten haben. Ohne die denkbaren Gründe für und gegen die Einsetzung einer Testamentsvollstreckerin hier abschließend aufzuführen, lässt sich generell sagen, dass Erblasser gut daran tun, großen Wert auf die Konfliktkompetenz der konkret ausgewählten Person zu legen.

Auch wenn hierzu keine belastbaren Daten vorliegen, scheinen Testamentsvollstrecker sich bisher kaum externer Dritter zur Konfliktbearbeitung zu bedienen. Dies verwundert zunächst, da Testamentsvollstrecker in aller Regel auch ein hohes Eigeninteresse an der Konfliktminimierung und Deeskalation haben sollten. Gleichzeitig gehören intensive Konflikte zum Tagesgeschäft. Die Testamentsvollstrecker stehen dabei entweder zwischen den Parteien oder stellen das gemeinsame – oft verbindende – Feindbild dar. Dennoch haben viele Gespräche der Autoren bestätigt, dass Testamentsvollstrecker die Einbindung von Mediatoren bisher kaum in Erwägung ziehen.

2.3.5 Externe Berater

In vielen Fällen gibt es schließlich eine Reihe externer hochprofessioneller Beraterinnen und Berater, die mit dem Erblasser und den Erbbeteiligten in engem Kontakt stehen. Das können beispielsweise professionelle Berater von Familienunternehmen, Steuerberater oder auch Finanzberater sein. Gerade Banker aus dem vermögensaffinen Bereich des Private Banking haben oft einen langjährigen und tiefen Einblick in die wirtschaftlichen Belange von Erblassern und Erbbeteiligten, aber auch in deren persönliche Verhältnisse. Während im normalen Filialgeschäft (Retail Banking) langjährige und intensive Kundenbeziehungen inzwischen weniger häufig vorkommen, setzt das Geschäftsmodell des Private Banking stark auf den persönlichen Faktor. Aus diesem Ansatz entwickelt sich in vielen Fällen über die Jahre auch ein hoher Grad persönlichen Vertrauens.

Orientieren sich die externen Berater an den existenziellen Interessen ihrer Klienten, müssen sie eigentlich zwangsläufig die Nachfolgeplanung mitbetrachten. Eine intensive Nachfolgeplanung und ein guter Kontakt zu den Erbbeteiligten steht dabei häufig sogar im Eigeninteresse der Berater, denn auf diesem Weg lassen sich Geschäftsbeziehungen über den Erbfall hinaus erhalten und festigen. Gerade das gemeinsame Gestalten einer Sondersituation und das Bestehen womöglich folgender Krisen kann die Bindung – auch zur nächsten Generation – deutlich stärken.

Kluge Berater werden also frühzeitig auf eine erfolgreiche Nachfolgeplanung hinwirken und entsprechende Unterstützung liefern. Aufgrund ihrer oft intimen Kenntnis des Zahlenwerks können sie häufig sogar neu aufziehende Konflikte frühzeitig erkennen. Die Kommunikation mit den Verantwortlichen ist freilich meist nicht einfach, denn die im Beratungsumfeld hochgehaltene Diskretion verbietet eine allzu forsche Initiative. Zugleich drängt eine konsequente Ausrichtung der Beratung an den Interessen der Klienten zu aktivem Handeln. Die Erfahrung zeigt, dass sich ein behutsames, unaufgeregtes Vorgehen langfristig auch für Berater auszahlt. Auch auf den ersten Blick unangenehme Themen gehören zur umfassenden Beratung dazu werden von einer anspruchsvollen Klientin vielleicht sogar erwartet.

2.3.6 Notare

In bestimmten Fällen kann es nach § 363 FamFG auch in den Aufgabenbereich der Notarinnen und Notare fallen, die Auseinandersetzung eines Nachlasses zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Das empfiehlt sich insbesondere dort, wo die Erbfolge durch ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag geregelt wird. Notare nehmen hier eine mediatorenähnliche Rolle ein, ohne dass ihnen selbst ein Recht zustünde, ähnlich einem Gericht über die Verteilung des Nachlasses zu entscheiden. Wer einen Antrag auf Vermittlung stellt, sollte dafür tendenziell nicht diejenige Notarin auswählen, die das Testament oder den Erbvertrag beurkundet hat, weil diese im Fall von Unsicherheiten bei der Auslegung des Testaments ein Eigeninteresse daran hat, einem gegen sie gerichteten Haftungsanspruch zu entgehen.Footnote 26

2.3.7 Güterichter

Gelangt eine Erbstreitigkeit vor ein Gericht, können schließlich auch Güterichterinnen und Güterichter eine mediatorenähnliche Rolle einnehmen. Das Güterichterverfahren ist eine eigene Spur des Zivilverfahrens, in die sich die Beteiligten aus dem klassischen Streitverfahren nach § 278 Abs. 5 ZPO verweisen lassen können. Güterichter treten zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt zum Konflikt hinzu und erleben die Streitigkeiten insofern meist auf einem recht hohen Eskalationsgrad. Für eine umfassende Konfliktbearbeitung bräuchten sie daher idealerweise viel Zeit, die ihnen allerdings in der Regel nicht zur Verfügung steht, weil sie im Unterschied zu (fast) allen anderen Beraterinnen und Beratern nicht stunden- oder tageweise vergütet werden und insofern selten mehr als einen knappen Tag in die Streitbeilegung investieren können.Footnote 27